Protocol of the Session on May 20, 2021

Das wurde uns von den Experten in der Tierwohl-Anhörung ganz unmissverständlich vermittelt.

Die Verantwortung für das Tierwohl endet nicht an der Hofausfahrt und auch nicht an den Grenzen Bayerns oder Europas. Tiertransporte müssen endlich auf maximal acht Stunden beschränkt werden. Insofern würde mich das Angebot der Landwirtschaftsministerin an die Zuchtbetriebe schon etwas genauer interessieren. So könnte man nämlich auch regionale Schlachthofstrukturen stärken und wieder regionale Schlachthöfe entstehen lassen.

Ich erinnere an unseren Antrag auf Drucksache 18/10313, mit dem wir gefordert haben, mittelständische Schlachtstrukturen zu fördern. Dies hatten auch die FREIEN WÄHLER in ihrer Pressekonferenz im Juli 2020 gefordert. Davon übrig geblieben ist lediglich, dass nun ein Konzept entwickelt werden soll. Gehört haben wir seitdem nichts mehr. Nachhaltig ist so etwas nicht. Insofern passt das nicht zum Motto der heutigen Regierungserklärung.

(Beifall bei der SPD)

Es ist schon eher smart, wie die CSU den FREIEN WÄHLERN hier den Schneid abgekauft hat. Zu einer sozialen und gerechten Landwirtschaftspolitik gehört auch, die Standards für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verbessern. Ich möchte ausdrücklich unserem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil danken, der zum 1. Januar die Werkverträge in der Fleischindustrie abgeschafft hat.

(Beifall bei der SPD)

Das macht den Weg frei für regionale Strukturen, kürzere Transportwege und bessere Arbeitsbedingungen.

Vor rund eineinhalb Jahren, im November 2019, fand eine von uns mitinitiierte Anhörung zur Zukunft der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik statt. Zahlreiche Experten forderten damals, dass es zu Reformen der Zweisäulenstruktur kommen müsse. Dafür werben auch unsere Europapolitiker in den Trilogverhandlungen. Derzeit ist die Ausstattung der zweiten Säule zu gering, um den Zuwachs der Ökolandwirte zu finanzieren. Außerdem müssen endlich Sozialstandards erfüllt wer

den. Wir sind der Meinung: Wer Geld aus dem gemeinsamen Topf der EU haben möchte, muss auch bereit sein, gemeinsame Werte hinsichtlich Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Bezahlung zu erfüllen.

Für Verbesserungen beim Klimawandel brauchen wir unsere Landwirtschaft. Genau deshalb müssen Klimaschutz- und Umweltleistungen in Zukunft besser honoriert werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich erinnere an die Einlassung von Dr. Sebastian Lakner vom Thünen-Institut für Ländliche Räume. Er hat uns klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass Direktzahlungen große Strukturen bevorteilen und in Osteuropa oftmals korrupte Strukturen unterstützen.

In der vorletzten Landwirtschaftsausschusssitzung haben wir den Bericht zur Entwicklung der Biolandwirtschaft erhalten, ausnahmsweise einmal nicht auf unsere Initiative hin, aber mit unserer Unterstützung. Beim Volksbegehren "Artenvielfalt" wurde das Ausbauziel von 30 % ökologischer Landwirtschaft in Bayern bis zum Jahr 2030 beschlossen. Im Rahmen der Mittelverteilung der GAP muss dieses Ziel umgesetzt werden. Wir brauchen endlich mehr Geld in der zweiten Säule, damit alle umstellungswilligen Landwirte gefördert werden können.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen dazu die einkommenswirksame Förderung der Eco-Schemes, damit nicht das meiste Geld bei den Grundbesitzern hängen bleibt. 40 % der Mittel des EU-Haushalts fließen in die Landwirtschaft. Wir müssen umstellungswillige Landwirte besser fördern, wenn wir das Ziel des Ausbaus des Ökolandbaus und damit auch Klimaziele erreichen wollen. Dass in diesem Bereich auch Wertschöpfung vor Ort und in Bayern möglich ist, zeigen die Zahlen aus dem Bericht, der steigende Umsatzzahlen von insgesamt 22,3 % dokumentiert.

Umso wichtiger wäre es, Öko-Modellregionen in ganz Bayern zu ermöglichen. Stattdessen haben wir 20 % Selbstversorgerquote, wie die Landwirtschaftsministerin selbstkritisch angemerkt hat. Der Kollege Schöffel sieht das als Chance für die Zukunft; das stimmt. Aber diese Zahlen sind auch ein Gradmesser für das Versagen in der Vergangenheit.

(Beifall bei der SPD)

Die Lösung soll nun in der digitalen Erfassung liegen. Dazu sage ich Ihnen nur: Vom Wiegen wird die Sau nicht fett. Mehr Bio gibt es nur, wenn man die entsprechenden Möglichkeiten schafft, nicht indem man Statistiken erstellt.

(Beifall bei der SPD)

Besser wäre es, bei den Gemeinschaftsverpflegungen nachzubessern. Einen Anfang könnten hierbei die Kantinen der Ministerien machen. Die des Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums sind im letzten Jahr zwischen 6 und 10 % gedümpelt.

Wer in der Regierungserklärung von einer nachhaltigen und fairen Landwirtschaft bis 2030 spricht, muss auch die Weichen für mehr ökologische Landwirtschaft in Bayern stellen. Wer den Ökolandbau ausbaut und unterstützt, ermöglicht nicht nur den Landwirten ein besseres Einkommen, sondern trägt auch entscheidend zum Erhalt der Biodiversität und zum Klimaschutz in unserem Land bei.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, unsere klein strukturierte bäuerliche Landwirtschaft und die private sowie kommunale Forstbewirtschaftung sind wesentlich

für die gesellschaftliche Versorgung mit Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen verantwortlich. Unsere bäuerlichen Familienbetriebe arbeiten an 365 Tagen im Jahr in den Ställen und auf den Feldern. Dafür will ich ihnen heute danken.

(Beifall bei der SPD)

Gerade in der ersten Welle der Corona-Pandemie haben viele Menschen wieder den Wert der regionalen Strukturen der Landwirtschaft schätzen und kennen gelernt. Jeder siebte Arbeitsplatz in Bayern hängt vor- und nachgelagert an der Landwirtschaft. Das Interesse an der Art und Weise, wie Landwirtschaft arbeitet und wie Lebensmittel produziert werden, ist bei den Verbrauchern gestiegen. Diese Chance müssen wir nutzen. Dazu braucht es aber auch den Willen, dass der Zugang zu endlichen Ressourcen gerechter gestaltet wird, dass die Agrarpolitik auch Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen übernimmt, dass Kriseninstrumente geschaffen werden, die bei Marktverwerfungen die Preise stabilisieren, und dass Bäuerinnen und Bauern sowie Familienbetriebe, die die Direktvermarkung und das dörfliche Leben prägen und erhalten, in unseren landwirtschaftlichen Betrieben im Alter nicht abgehängt werden.

Die Redner der CSU und der FREIEN WÄHLER haben sich heute ständig gegenseitig für ihre tolle Arbeit gedankt und dabei ganz vergessen, dass heute der Welttag der Bienen ist. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, auch den Imkerinnen und Imkern zu danken, die mit ihrer Arbeit nicht nur für den Erhalt der Honigbienen sorgen.

(Beifall bei der SPD)

Sie schaffen auch Lebensräume für Wildbienen und Insekten und sind damit diejenigen, die wirklich nachhaltig arbeiten. Schon Albert Einstein wusste, dass der Mensch nicht mehr lange leben wird, wenn die Bienen verschwinden. Das sollten auch Sie sich merken.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Müller. Ich darf darauf hinweisen, dass wir schon seit geraumer Zeit Landtagsbienen haben. – Ich darf jetzt den nächsten Redner aufrufen. Das ist der Abgeordnete Knoblach von den Grünen. Bitte schön.

Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Ministerin Frau Kaniber, werte Kolleginnen und Kollegen! "Nachhaltig, smart, fair" ist ein guter Titel für eine Regierungserklärung. Ich möchte das gerne zusammenfassen in: Zukunftsfähigkeit der bayerischen Landwirtschaft. Ich meine, davon hängt das Ganze ab. Dass wir das erreichen müssen, ist klar. Aber um das zu erreichen, wird es eine Aufholjagd brauchen. Das ist noch längst nicht erreicht.

Wir meinen, dass sich vieles zum Besseren ändern muss. Das hat auch die Frau Ministerin zugestanden. Das ist schon einmal gut. Bei der Aussage, dass dies ein weiter Weg sein wird, da war sie schon etwas leiser.

Noch etwas vorweg: Ich verbinde die Namen Dr. Hans Eisenmann und Helmut Brunner sehr gerne mit der bayerischen Landwirtschaft. Ich nenne sie mit Respekt. Bei anderen Namen habe ich ein bisschen Mühe; das gebe ich zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie alle wissen, dass ich eine Zuständigkeit für Tierwohl habe. Damit bin ich der Mann in der GRÜNEN-Fraktion, der sich besonders um die Nutztierhaltung in Bayern sorgt. Dafür gibt es Gründe.

Eine Bestandsaufnahme: Wir füttern mehr Schweine, als wir zum Essen brauchen, mit gentechnisch veränderten Aufwüchsen aus Übersee und hinterlassen dort im Wortsinn verbrannte Erde. Wie sehr die Tiere in diesen Ställen ohne Einstreu mit perforierten Böden und ohne Auslauf leiden, wissen wir längst. Wir wissen auch: 91 von 100 Tieren kommen mit schmerzhaften Gelenkerkrankungen am Schlachthof an. Das ist ein täglich tausendfacher Bruch des Tierschutzrechts. Geahndet wird er nicht.

Bayerisches Schweinefleisch – dies wurde schon erwähnt – ist auch in Asien von gutem Ruf, was einen zunächst einmal freuen könnte. So bauen wir in Bayern Ställe, importieren das Futter aus Lateinamerika, holen die Ferkel aus Dänemark und schicken unsere Schweine als Gefriergut nach Asien. Die Fleischindustrie erzielt dort tolle Preise, die ich ihr nicht neide. Auch erzielt sie einen Gewinn dadurch, dass sie von der EEG-Umlage befreit ist. Das ist für kleine Schlachtstätten unerreichbar. Regionalität – wo bleibt sie? Was die Fairness für die Mitarbeiter in den industriellen Schlachtbetrieben angeht, sind ebenfalls viele Fragezeichen zu setzen. Wenn wir in den letzten Tagen nach Vilshofen geschaut haben, haben wir es gesehen. Die Demonstrationen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben es offenkundig gemacht: An Fairness fehlt es.

Wie sieht es beispielsweise mit der Digitalisierung der Schlachtstätten aus? – Fehlanzeige auch hier. Die Schlachtbänder sind längst nicht mit digitalen Mitteln ausgestattet, um alle durch Tierärztinnen und Tierärzte erhobenen Befunde sofort in eine Datenbank einzugeben, die es natürlich verpflichtend geben muss. Warum? – Weil wir alle Daten von allen Betrieben, von allen Tieren, die zur Schlachtung geführt werden, brauchen, um unsere Landwirtschaft, unsere Tierhaltung deutlich zu verbessern. Dazu brauchen wir unter anderem dringend die Rückflüsse von den Schlachtbändern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was in Bayern schon lange und beinahe durchgängig fehlt – es sei denn, sie werden freiwillig angebracht –, sind Kameras an den neuralgischen Stellen in den großen Schlachtbetrieben. Bisher kenne ich kein Programm und keine Verordnung der Bayerischen Staatsregierung, die das vorschreibt. Das wäre dringend nötig; denn wir wissen: Damit gehen Misshandlungen und Fehlhandlungen an Tieren enorm zurück. Das zeigt sich in allen Schlachtstätten, die damit ausgerüstet sind.

Und dann halten wir auch mehr Rinder, als wir unbedingt als Milch- und Fleischgeber brauchen. Aber das ist auch nicht schlimm. Wir lösen das Problem ganz geschickt, indem wir sie um die halbe Welt schicken, nach Usbekistan und Marokko, nach Spanien, was noch ein bisschen besser ist. Aber auch bis in den Iran und nach Somalia reichen diese Wege. Die Transporte sind für die Tiere an sich schon eine Zumutung. Viele verenden unterwegs. Die Schlachtungen, die sich meist unmittelbar anschließen, sind grausam. Auch das wissen wir alle.

Es ist längst erwiesen, und wissenschaftliche Belege sind vorhanden, dass man mit unserer mitteleuropäischen Tiergenetik in tropischen Ländern keine Zuchtlinien aufbauen kann. Dennoch schauen wir zu, wie angeblich Zuchttiere in diese Regionen verbracht werden.

Es ist kein Wunder, dass diese Praxis anhält; denn wir wissen spätestens seit den Schriften des Verwaltungsgerichts Oldenburg, wie die Gewinnsituation der Rinderzuchtverbände in dieser Hinsicht ist: Sie ist keine schlechte. Wenn man das hoch

rechnet, kommen bei alljährlich Tausenden von Tieren durchaus einige Euro zusammen.

Insoweit würde mich jetzt wirklich sehr interessieren, wie das Angebot der Frau Ministerin an die Rinderzuchtverbände aussieht. Manchmal hört man auch als Oppositionspolitiker etwas. In diesem Fall ist es die Zahl von 8 Millionen. Es besteht das Angebot an die Rinderzuchtverbände: 8 Millionen, wenn sie von dieser Praxis lassen. Das erstaunt mich, nicht deswegen, weil ich es den Herren nicht gönne, sondern weil sie ja bisher schon Geld erhalten, aber die Praxis trotz dieser finanziellen Mittel fortsetzen. Wie soll es jetzt mit noch mehr Geld besser werden? – Wir werden sehen.

Digitalisierung auf den Transportwegen – Fehlanzeige. Die Lkw sind nur selten oder gar nicht mit GPS-Sendern oder -empfängern ausgestattet, die Transportklappen sind nur selten mit Temperatursensoren ausgestattet, um zu sehen, ob wirklich abgeladen wird oder nicht. Oder das Bürohochhaus in Moskau oder anderswo wird als transportunterbrechende Abladestation aufgeschrieben.

Bei Kälbern gehen wir nicht viel anders vor. Der Überfluss an Milch, der leider zu einem dauerhaft zu niedrigen Milchpreis führt, führt auch zu einem Kälberüberschuss, für den wir keine Verwendung haben. Was machen wir? – Wir fahren die Kälber mindestens innerhalb Deutschlands weiter, wenn nicht sogar bis nach Spanien und von dort oft genug leider auch nach Afrika. Die Wege sind genauso schmerzhaft, die Schlachtungen sind genauso schlimm wie bei den Rindern.

Das ist alles bekannt. Und so geht es weiter.

Herr Abgeordneter, denken Sie bitte an das Ende Ihrer Redezeit.

Dann komme ich jetzt zum Schluss. Ich bedanke mich für den Hinweis. Es gäbe noch viel zu sagen, aber so ist es nun einmal.

(Beifall bei den GRÜNEN)