(Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER): Freie Wahlen! – Steffen Vogel (CSU): Das ist ja das Problem mit dem Staat! – Toni Schuberl (GRÜNE): Das tut sie nicht!)
Sie als Vertreter sind nur Ihrem Gewissen unterworfen, und wenn Sie Demokraten sind, dann sollte Ihr Gewissen auch immer unserer Verfassung gelten.
Demokratie heißt nicht, dass wir die Meinung anderer gutheißen müssen. Demokratie heißt, dass wir andere Ansichten ertragen müssen, sofern sich diese im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung bewegen.
Dies ist der kleinste Beitrag zur Demokratie, den jeder Einzelne von uns jeden Tag leisten kann. Auch wenn wir möglicherweise persönlich wenig Verständnis für die Positionen gewisser Parteien in unserem Parlament aufbringen können, so müssen wir doch den Willen des Volkes respektieren, denn diesem sind wir alle verpflichtet.
Kämpfen wir gemeinsam gegen jede Form von Extremismus und gegen alle Feinde der Demokratie – zum Schutz der Menschen in unserem Land und deren Zukunft! Lang lebe unsere Demokratie!
Ich bedanke mich, Herr Kollege Löw, und darf Herrn Abgeordneten Dr. Martin Huber, CSU-Fraktion, aufrufen. Herr Dr. Huber, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Sie haben es richtig gesagt, Herr Kollege Löw: Wir sind unserem Gewissen verpflichtet, und genau deshalb können wir nicht Kandidaten aus einer Fraktion wählen, die es duldet, dass der Holocaust verharmlost wird, dass beim Gedenken an den Holocaust der Saal verlassen wird und dass das HolocaustMahnmal als "Mahnmal der Schande" bezeichnet wird. All das ist mit unserem Ge
wissen nicht vereinbar, und genau auf diesen Punkt haben Sie – absichtlich oder unabsichtlich – völlig treffend hingewiesen.
Gerade Ihre Ausführungen erinnern mich an ein Wort von Winston Churchill, der gesagt hat: "Die Freiheit der Rede hat den Nachteil, dass immer wieder Dummes, Hässliches und Bösartiges gesagt wird. Wenn wir aber alles in allem nehmen, sind wir doch eher bereit, uns damit abzufinden, als sie abzuschaffen." – Ihre Rede war dafür ein treffliches Beispiel. Gerade dreißig Jahre nach dem Mauerfall ist deutlich zu machen, dass Demokratie und Meinungsfreiheit nicht als selbstverständlich hinzunehmen sind, sondern jeden Tag neu bewahrt werden müssen.
Sie haben wieder einmal gezeigt, dass Sie als AfD hierbei nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems sind. Die Menschen sind 1989 mit Mut und dem Willen zu Aufbruch und Erneuerung auf die Straße gegangen. Sie haben das getan, was Václav Havel so beschrieben hat:
Die Freiheit ist wie das Meer: Die einzelnen Wogen vermögen nicht viel, aber die Kraft der Brandung ist unwiderstehlich.
Das hat die Menschen angetrieben. Sie wollten Erneuerung, sie wollten Menschlichkeit, und sie wollten die Menschen und die beiden Teile Deutschlands zusammenführen. Dabei frage ich mich dann schon: Was hat das eigentlich auch nur ansatzweise mit Ihnen zu tun? – Ihr Verständnis von Politik ist die Angst und die Spaltung. Freiheit, wie Sie sie verstehen, ist die Freiheit zum Tabubruch. Es ist eben keine Meinungsfreiheit, wenn Sie sagen: Wir wollen permanent Tabus brechen. Das Verlassen des Holocaust-Gedenkens hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun. Das Versagen des Totengedenkens für einen Kollegen hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun. Das Bezeichnen des Holocaust-Mahnmals als "Mahnmal der Schande" hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, und das Bezeichnen des Dritten Reichs als "Vogelschiss" hat auch nichts mit Meinungsfreiheit zu tun. Nein, das hat mit fehlendem Charakter, mit fehlendem Geschichtsverständnis und fehlendem Staatsverständnis zu tun.
Wenn Sie sich heute hinstellen und das, was die Menschen 1989 in ihrem Einsatz gegen das Unrechtsregime der DDR geleistet haben, für sich vereinnahmen wollen, wenn Sie im Osten unter dem Slogan "Vollende die Wende" auch an Montagen in ganz bewusster Anlehnung an die Montagsdemonstrationen in der DDR demonstrieren, wenn Sie sich dieses Erbe krallen wollen, dann kann ich nur sagen: Sie sind politische Erbschleicher, nicht mehr und nicht weniger
Als Willy Brandt nach der Wende gesagt hat: "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört", hat er mit Sicherheit nicht AfD und Pegida gemeint. Deshalb ist das Signal unserer heutigen Aktuellen Stunde, dem wir uns als Demokraten verpflichtet fühlen und das wir nach draußen senden: Unsere Freiheit ist stärker, als es die AfD jemals sein wird!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Martin Huber. – Das Wort hat der Bayerische Staatsminister des Innern, Herr Joachim Herrmann. – Herr Abgeordneter Swoboda, bitte schön. Sie waren nicht auf der Liste, Entschuldigung.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident, sehr geehrte Damen und Herren Parlamentarier, liebe Gäste auf der Galerie! Wenn der rechtsradikale Flügel der AfD von Revolution und dem täglich neu Erkämpfen im Zusammenhang mit Demokratie und Meinungsfreiheit spricht, dann kann ich mir gut vorstellen, was sich diese Kampfrhetoriker und Möchtegern-Machtergreifer darunter vorstellen wollen.
Ich möchte aber nicht darauf eingehen. Ich ignoriere das einfach. Soweit es die DDR-Historie betrifft, möchte ich vor dem Hintergrund des dreißigsten Jahrestages des Systemwechsels darauf hinweisen, dass es sich eben nicht um eine friedliche Revolution handelte. Ein friedlicher Aufstand war es, aber keine Revolution. Es war ein mutiger, nachhaltiger und friedlicher Straßenprotest eines Teils der 17 Millionen Menschen der DDR. Wer von Wiedervereinigung spricht, wenn völkerrechtlich der Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 gemeint ist, den der Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 besiegelte, der betreibt kosmetische Symbolpolitik, egal, wo er steht oder sitzt, und sei es im Hohen Haus.
Wir alle wissen nämlich ganz genau, dass die Grundlage für den Niedergang der Sowjetunion und den Zerfall des Warschauer Paktes nicht die Montagsdemonstrationen in Leipzig waren, auch nicht die Ausreisewilligen in den deutschen Botschaften in Ungarn und Tschechien, sondern die Reagan-Doktrin zur Nachrüstung und zum SDI-Raketenprogramm. Dies hat die UDSSR wirtschaftlich in die Knie gezwungen. Diesen Herausforderungen war das System nicht gewachsen. Deshalb war sie für Verhandlungen gefügig. Im Gegensatz zu Ostberlin 1954, Budapest 1956 und Prag 1968 sind deshalb auch in der DDR keine Panzer gerollt, sondern sie sind in den Kasernen geblieben. Es waren übrigens 4.000 und 400.000 Mann,
um eine Revolution zu verhindern. Wir tun also gut daran, wenn wir den Spruch: "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört" nicht nur einseitig in Wessi-Manier betrachten und interpretieren, sondern auch denen danken, die damals das Gewaltmonopol in Händen hielten und vom Drücker am Gewehrabzug keinen Gebrauch gemacht haben.
Es muss zusammenkommen, was zusammengehört. Dieses Motto ist auch in Zukunft noch geboten. – Vielen Dank.
Wir bedanken uns. – Das Wort hat der Herr Staatsminister Herrmann. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Nach Stacheldraht und Schießbefehl, nach Jahrzehnten der brutalen Teilung ist Deutschland seit dreißig Jahren wieder vereint. Zu verdanken haben wir dies zu allererst den vielen mutigen Menschen in Leipzig, in Dresden, in Ostberlin und vielen anderen Städten der ehemaligen DDR, die vor dreißig Jahren für die Demokratie und ihre Freiheit auf die Straße gegangen sind. Die Menschen haben dies getan, obwohl es in den Jahrzehnten zuvor schmerzliche Erfahrungen gegeben hat, mit Demonstrationen und Aufständen, die mit Waffengewalt niedergeknüppelt worden waren – am 17. Juni 1953, 1956 die Menschen in Ungarn, 1968 der Prager Frühling. Diese Demonstrationen und Aufstände endeten immer wieder mit dem gleichen Ergebnis: Die sowjetischen
Panzer kamen und bereiteten dem Ganzen ein Ende. Das Gleiche ereignete sich nur wenige Monate vor dem Mauerfall auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Dort haben die Menschen im Sommer 1989 versucht, sich mehr Freiheit und Demokratie zu erkämpfen. Diese Demonstration wurde auch mit Panzergewalt niedergewalzt.
In einer solchen Situation den Mut zu haben, trotzdem auf die Straße zu gehen, verdient auch heute noch den größten Respekt. Umgekehrt sollten wir nicht ganz vergessen, dass die Tatsache, dass diese Aufstände friedlich zu Ende gebracht wurden, auch mit der Entscheidung von Gorbatschow in Moskau zusammenhing: Als Ungarn die Grenzen geöffnet hat, wurde nicht eingeschritten. All diese Entwicklungen waren nur möglich, weil die sowjetischen Panzer in den Kasernen geblieben sind. Nur deshalb konnten die Demonstrationen friedlich stattfinden. Es war der Wille der Menschen in Ostdeutschland zur Freiheit, der gesiegt hat. Sie wollten Freiheit der Presse, Freiheit zu reisen, Freiheit der Meinung. Wir haben großen Respekt davor, dass das damals gelungen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damals ist folgender Ruf geprägt worden: "Wir sind das Volk". Es ist wichtig, dass wir diesen Ruf, "Wir sind das Volk", den die Menschen auf den Straßen in Ostdeutschland skandiert haben, nicht missbrauchen lassen. Dieser Ruf der wahren Demokraten darf heute nicht von Gesellschaftsspaltern, von Nationalisten, Intoleranten und Faktenverdrehern missbraucht werden. Wir Deutsche dürfen ausnahmslos froh darüber und stolz darauf sein, was in den letzten dreißig Jahren gelungen ist. Dreißig Jahre nach dem Fall der Mauer können wir dank des Einsatzes der Menschen in Ost und West mit Freude sagen: Deutschland ist ein freies und ein glückliches Land, übrigens auch mit 16 stolzen und prosperierenden Bundesländern.
Im Moment spüren wir aber auch – und die Geschichte lehrt uns dies: Freiheit, dieses Glück unserer Gegenwart, ist keine Selbstverständlichkeit. Sie wurde hart errungen. Darum muss sie auch heute immer wieder bewusst hochgehalten und aktiv verteidigt werden. Das ist Aufgabe und Auftrag zugleich für jede Bürgerin und jeden Bürger. Wir müssen uns fragen, ob die Errungenschaft der friedlichen Demokratie nicht von manchen wieder ernsthaft in Frage gestellt wird. Erst vor wenigen Monaten ermordete ein Rechtsradikaler den Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke. Mit menschenverachtendem Hass begrüßten und feierten einige Leute seinen Tod im Internet. Ist uns eigentlich bewusst, was zurzeit in unserer Gesellschaft los ist? – Rechtsextreme gegen Ausländer, radikale Islamisten gegen Christen und Juden, Linksextreme gegen Polizisten, Hass und Hetze im Internet, Verbreitung von Panik und Hysterie über die sozialen Netzwerke, oft erschreckend einfach, ansprechend und originell verpackt.
Wir dürfen dieser negativen Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Wir müssen unsere Werte wie Menschlichkeit, Respekt, Toleranz und Achtung vor der Würde eines jeden Einzelnen hochhalten. Wir müssen diese Werte mit Leben füllen und, wo nötig, auch verteidigen. Darum müssen wir übersteigertem Nationalismus, Rassismus, Hass und Gewalt eine klare Absage erteilen. Wir dürfen nicht zulassen, dass in unserem Land Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts oder ihrer Religion ausgegrenzt und diskriminiert werden. Diese Angriffe auf unser Gemeinwesen und den gelebten Zusammenhalt haben in unserem Land keinen Millimeter Platz. Diesen Angriffen müssen wir uns klar entgegenstellen.
Gestern wurde ein schrecklicher Mordanschlag auf die Synagoge in Halle verübt. Es war eine offenkundig antisemitische Tat. Es ist eine schreckliche Eskalation von neuem Antisemitismus in unserem Land. Es gibt unterschiedlichsten Antisemitismus: islamistischen Antisemitismus, linksradikalen Antisemitismus und leider wie
der deutlich mehr rechtsextremen Antisemitismus. Es gibt furchtbare Gewalttäter. Wir müssen in der Sicherheitspolitik alles dafür tun, um uns gegen solche Gewalttäter bestmöglich zu wappnen.
Aber es gibt genauso schlimme geistige Brandstifter. Einige betreiben diese geistige Brandstiftung anonym. Gestern haben wir in einer großen Durchsuchungs- und Festnahmeaktion versucht, solchen, die vor einigen Monaten Droh-E-Mails verschickt haben, auf die Spur zu kommen. Ich bin dankbar dafür, dass es das Landeskriminalamt geschafft hat, den meisten dieser anonymen E-Mail-Versender auf die Spur zu kommen. Leider verbreiten einige ihre Hetze ganz offen und aggressiv. Einer der schlimmsten geistigen Brandstifter in puncto neuer Antisemitismus ist zum Beispiel der Thüringer AfD-Boss Björn Höcke. Das ist unübersehbar.
Das können Sie drehen und wenden, wie Sie wollen: Wer die Erinnerung an die nationalsozialistische Judenvernichtung beseitigen will, der will doch ganz offensichtlich den Massenmord verharmlosen,
der hat aus der Geschichte nichts gelernt. Und wer aus der Geschichte nichts gelernt hat, der ist eine Gefahr für die Zukunft, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Unser wiedervereinigtes Deutschland steht für Meinungsfreiheit und für Glaubensfreiheit. Wer diese infrage stellen oder einschränken will, muss auf den starken und gemeinsamen Widerstand aller Demokraten in unserem Land stoßen. Unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sind Teil der deutschen Geschichte, sie sind Teil der deutschen Kultur, sie sind Teil der deutschen Gesellschaft, und wir wollen, dass sie auch Teil der Zukunft Deutschlands sind, meine Damen und Herren. Dazu stehen wir.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit vereinten Kräften haben wir die Mauern – die tatsächlichen Mauern und auch die Mauern in den Köpfen und Herzen – überwunden und die deutsche Einheit wieder mit Leben erfüllt. Machen wir uns mit derselben Beharrlichkeit dafür stark, dass wir auch weiterhin in Sicherheit, in Freiheit, in Demokratie und Frieden sowie in gegenseitiger Achtung und Respekt miteinander leben können – hier in Bayern, in Deutschland, in Europa und auch weltweit.