Protocol of the Session on October 10, 2019

ARD und ZDF sollten darüber nachdenken, was in der Oxford-Studie festgestellt worden ist. Relativ wenige Medien haben darüber berichtet, dass die Universität Oxford in einer großen Studie viele europäische Fernsehanstalten miteinander verglichen hat. Das Ergebnis war, dass ARD und ZDF stark linkslastig sind. Der Intendant des Bayerischen Rundfunks sagte, dass dies keine korrekte Untersuchung gewesen sei, weil die Dritten Programme fehlten. Das ist nur ein formaler Einwand. Vielleicht sind die Dritten Programme genauso. Aber ich denke, man sollte versuchen, den Bürgern in Ostdeutschland mit einer ausgewogenen Berichterstattung das Gefühl zu geben, dass sie sich eine freie Presse eingehandelt haben.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich bedanke mich, Herr Abgeordneter Markwort, und darf als nächsten Redner den Abgeordneten Steffen Vogel von der CSUFraktion aufrufen. Bitte schön, Herr Abgeordneter Vogel.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dreißig Jahre friedliche Revolution sind zweifellos ein Grund zur Freude für uns alle, aber auch für mich persönlich.

Ich bin in einem 200-Einwohner-Dorf direkt an der ehemaligen innerdeutschen Grenze mit Blick nach Thüringen, auf den Ort Käßlitz, aufgewachsen. Für mich war es nichts Außergewöhnliches, dass diese Grenze besteht. Zu meinem Großvater hatte ich ein sehr gutes Verhältnis. Ich habe immer gefragt: Warum ist da ein Zaun? Warum ist da eine Grenze? – Für ihn war es nicht selbstverständlich. Sein Onkel und sein Cousin lebten in diesem Ort Käßlitz. Er lag im Sperrgebiet. Mein Großvater konnte nicht an der Trauerfeier und Beerdigung seines Onkels teilnehmen, und seinen Cousin hatte er über Jahre und Jahrzehnte nicht gesehen. Dies war tief bewegend. Ich habe das sehr gut wahrnehmen können. Ich habe dann auch wahrnehmen können, wie der Zaun aufging und er seinen Cousin wiedergetroffen hat und erstmals nach 28 Jahren wieder in den Ort fahren konnte, wo seine Verwandtschaft lebte. Deshalb bin sich sehr dankbar für diesen Moment und für den Fall der Mauer insgesamt. Aber in unserer Wahrnehmung ging es damals eher darum, das Aufgehen des Zauns privat miterlebt zu haben.

Nun ist zu fragen, wem wir das zu verdanken haben. Wir haben gehört, der FDP und anderen. Ich sage Ihnen – davon bin ich überzeugt –: Wir haben es zunächst einmal den 70.000 Bürgerinnen und Bürgern von Leipzig und Umgebung zu verdanken, die an diesem 9. Oktober 1989 mutig auf die Straße gegangen sind, die nicht gewusst haben, wie der Staatsapparat reagiert. In China hatte man auf dem Platz des Himmlischen Friedens die Demonstranten niedergemetzelt. In Leipzig standen auch Soldaten und Polizisten bereit, und keiner hat gewusst, was passiert. Diese Menschen haben sich nicht einschüchtern lassen. Sie sind trotzdem auf die Straße gegangen, um für Frieden und Freiheit zu demonstrieren. Deshalb sind sie für mich die wahren Helden der Einheit.

(Beifall bei der CSU)

Gerade an einem Tag wie heute, nach dem Anschlag in Halle, der uns tief betroffen macht, aber auch an jedem anderen Tag heißt es für uns, gegen Extremismus sowohl von rechts als auch von links aufzustehen.

Wir wissen vom Kriegsbeginn vor achtzig Jahren, vom Überfall Deutschlands auf Polen. Wir wissen, wozu Rechtsextremismus führt, und wir wissen auch, wozu Linksextremismus führt. Deshalb ist die Überschrift der Aktuellen Stunde sehr gut gewählt. Wir müssen jeden Tag für Demokratie und Meinungsfreiheit eintreten.

Allerdings erinnert mich dies, was ich für grotesk und absurd halte, auch an das Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein. Wenn der Wolf Kreide frisst und sich die Pfoten bemehlt, so ist und bleibt er doch ein Wolf. Wenn gerade die AfD dieses Thema auf die Tagesordnung setzt, so ist dies eine Verhöhnung und eine Missachtung dieser 70.000 Menschen, die für Demokratie und Meinungsfreiheit auf die Straße gegangen sind, und auch aller Opfer der Stasi-Diktatur.

(Beifall bei der CSU, den GRÜNEN und der SPD)

Diese Aktuelle Stunde impliziert nämlich, die AfD wäre jetzt auch Opfer nicht vorhandener Meinungsfreiheit in unserem Land und würde ausgegrenzt. Aber in der Demokratie muss man auch die Meinung eines anderen aushalten. Die Meinungsfreiheit der AfD ist nicht gefährdet. Sie können an Wahlen teilnehmen. Das konnte man in der ehemaligen DDR nicht. Sie können hier im Parlament Ihren ganzen Sums von sich geben. Sie können die Presse sehr pauschal als Lügenpresse bezeichnen. Sie können Ihren "Deutschland-Kurier" verlegen. – Insoweit stimme ich dem Kollegen Mehring eben nicht zu. – Sie haben das Recht, sitzen zu bleiben, wenn wir eines Kollegen gedenken. Sie haben das Recht, das Parlament zu verlassen, wenn bei einer Gedenkveranstaltung für die Holocaust-Opfer Charlotte Knobloch spricht und Sie nicht deren Meinung sind. Sie können in Ihrer Partei den Holocaust als Fliegenschiss der Geschichte Deutschlands bezeichnen. Das können Sie alles tun. Aber Sie können uns nicht vorschreiben, einen AfDler zum Vizepräsidenten zu wählen. Wir sind freie Abgeordnete.

(Anhaltender Beifall bei der CSU, den GRÜNEN und der SPD)

Das ist Demokratie. Mir schreibt niemand vor, wen ich zu wählen habe. So, wie Sie sich das Recht herausnehmen können hinauszugehen, nehme ich mir das Recht heraus, keinen AfDler zu wählen.

Ich sage: Wir müssen auftreten, wir müssen jeden Tag Demokratie neu erkämpfen. Wir müssen vor allem auch der jungen Generation, die die Diktatur sowohl von rechts als auch von links nicht miterlebt hat, jeden Tag deutlich machen, dass es keine Alternative zur Demokratie gibt. Wir müssen jeden Tag mutig aufstehen und auch in unserer Zivilgesellschaft deutlich machen, wer Schaf ist und wer Wolf. – In diesem Sinne herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU, den GRÜNEN und der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. – Das Wort hat Herr Abgeordneter Florian Siekmann von den GRÜNEN. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die friedliche Revolution in der DDR jährt sich zum dreißigsten Mal. Ich selbst bin 24 Jahre alt, ich habe sie also nicht persönlich erlebt. Aber für mich ist sie natürlich ein wichtiger Teil unserer, aber auch der gesamteuropäischen Geschichte. Im Rahmen der heutigen Aktuellen Stunde kommt es mir ganz besonders darauf an, was wir aus dieser Geschichte machen.

Zurzeit versucht eine Partei am rechten Rand, sich als Fortführung der friedlichen Revolution zu verkaufen, eine Partei, die die Meinungsfreiheit dadurch bedroht sieht, dass ihren Positionen hier im Landtag, in der Öffentlichkeit, von der Zivilgesellschaft lautstark widersprochen wird. Aber die friedliche Revolution in der DDR

ist gerade für die Möglichkeit eingetreten, dass man Ihrer Partei und Ihren Positionen in einem demokratisch gewählten Parlament und auf der Straße öffentlich widersprechen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unsere demokratische Gesellschaft, unsere Vielfalt, und, ja, auch unsere Menschlichkeit stehen durch Hass und Hetze von rechts unter Beschuss. Welche traurigen Folgen das haben kann, sehen wir viel zu häufig und immer wieder aufs Neue.

Ich verspreche Ihnen: Wir Bündnisgrünen werden uns für die demokratische Gesellschaft einsetzen, wir werden sie verteidigen, im Parlament und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft auf der Straße. Unsere Demokratie zu verteidigen, ganz konkret, hier und jetzt, heißt, dass wir uns mit neonazistischen Strukturen und Netzwerken auseinandersetzen, damit sie aufgedeckt werden, damit der Fahndungsdruck erhöht wird, damit entwaffnet wird. Das heißt, dass man Hass und Hetze entschlossen entgegentritt und die rechtsstaatlichen Mittel ausschöpft, um sie zu verfolgen. Das heißt nicht zuletzt auch, dass man solidarisch mit denen ist, die bei der Verteidigung unserer Demokratie im Feuer stehen und deren Menschenwürde tagtäglich leidet, wenn sie an vorderster Stelle stehen, um zu zeigen: Diese demokratische Gesellschaft kämpft für ihre Zukunft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich will mich aber mit der Verteidigung des Status quo nicht zufriedengeben; denn auch die friedliche Revolution ist ja damals nicht angetreten, um mögliche kleine Verbesserungen zu erwirken, sondern weil die Leute den Wunsch hatten, einen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen.

Unsere Demokratie ist eine große Errungenschaft, die davon lebt, dass sie stetig weiterentwickelt und gestärkt wird. Wenn heute Hunderttausende junge Menschen auf die Straße gehen und die Politik auffordern zu handeln, dann sage ich: Das ist der richtige Zeitpunkt, um diesen jungen Menschen in der Demokratie mehr Mitsprachemöglichkeiten einzuräumen – das Wahlalter mit 16 war Thema hier im Landtag –, dann ist das der richtige Zeitpunkt, darüber zu diskutieren, wie wir die Transparenz und die Informationsfreiheit des Staates verbessern können, und dann ist das der richtige Zeitpunkt, darüber zu diskutieren, wie mehr politische Bildung an Schulen und über Jugendverbände stattfinden kann, wie wir unsere Demokratie im Sturm aus Hass und Hetze wetterfest machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Abschluss möchte ich den Blick noch auf mein Herzensthema, auf Europa, richten. Wer die friedliche Revolution ernst nimmt, der muss für ein vereintes und starkes Europa, für eine starke Europäische Union eintreten; denn diese hat – dazu hat auch die friedliche Revolution selbst beigetragen – Demokratie und Meinungsfreiheit, über die wir heute diskutieren, zur gemeinsamen Basis für über 500 Millionen Menschen auf fast dem gesamten Kontinent gemacht – eine Errungenschaft, die wir verteidigen und ausbauen müssen und zu der wir offen und ehrlich stehen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄHLERN)

Ich bedanke mich bei Herrn Abgeordnetem Siekmann für sein Wort und rufe als Nächsten den Herrn Abgeordneten Stefan Löw für die AfD-Fraktion auf. Bitte schön.

(Beifall bei der AfD)

Sehr verehrter Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Schuberl, zu Ihnen noch: Herr Höcke hat doch recht mit dem Wort vom Denkmal der Schande: Es ist ein Denkmal über unser schändlichstes Verbrechen. Vielleicht kann man es so auch verstehen.

(Widerspruch aus den Fraktionen – Staatsminister Dr. Florian Herrmann: So hat er es aber nicht gemeint!)

Das sagen Sie. Fragen Sie ihn doch selbst.

Die Meinungsfreiheit in unserem Land ist seit den letzten Jahren einem starken Wandel unterworfen. Was vor weniger als zehn Jahren noch unsere Bundeskanzlerin gesagt hat, zum Beispiel "Multikulti ist gescheitert", führt jetzt zur öffentlichen Ächtung und zur Prüfung durch den Verfassungsschutz. Vor weniger als zehn Jahren hat unser jetziger Bundesinnenminister ausgesprochen: "Deutschland ist kein Einwanderungsland". Wer dies heute tut, wird in der Öffentlichkeit zum Extremisten und geistigen Brandstifter erklärt.

(Widerspruch des Abgeordneten Toni Schuberl (GRÜNE))

Wer früher gegen Asylmissbrauch gewettert hat, will jetzt diejenigen, die momentan davor warnen, bis aufs Blut bekämpfen.

Was sagen allein diese Beispiele über den Zustand unserer Demokratie und unserer Meinungsfreiheit aus? – Diese andauernde öffentliche Diffamierung von Politikern und Personen des öffentlichen Lebens ist Wasser auf die Mühlen von Extremisten und anderen, die nach einer Begründung für ihre sadistischen Wesenszüge suchen, um berechtigten Kritikern und Realisten das Leben nicht nur schwer zu machen, sondern es auch noch zu gefährden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Fabian Mehring (FREIE WÄHLER))

Was sich verändert hat, das ist der Umgang mit dem politischen Gegner: Wir sehen brennende Fuhrparks, beschmierte Büros, Parteimitglieder, die auf offener Straße feige attackiert und krankenhausreif geprügelt werden. Die verbreitetste Form dieser neuen Umgangsformen sind wüste Beschimpfungen und gesellschaftliche Ächtung.

(Zurufe der Abgeordneten Katharina Schulze (GRÜNE))

Viele wagen es daher nicht mehr, ihr garantiertes Grundrecht auf Meinungsfreiheit in Anspruch zu nehmen.

(Zuruf des Abgeordneten Toni Schuberl (GRÜNE))

Der Begriff "rechts" im politischen Sinn wird verzerrt und verfälscht, dem Nationalsozialismus gleichgestellt. Die schrecklichen Ereignisse von gestern, die wir zutiefst verachten und mit aller Heftigkeit verurteilen, zeigen, was wahre Extremisten sind – und diese gilt es mit aller Macht zu bekämpfen.

(Beifall bei der AfD)

Das gilt für die rechtsextreme Tat von gestern, den islamistischen Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt und den lebensbedrohlichen Angriff auf unseren Parteikollegen Magnitz. Solche furchtbaren, menschenverachtenden Taten zeigen, dass die Zusammenarbeit aller politischen Parteien nötig ist, um weitere extremistische Gewalttaten zu verhindern. Diese Zusammenarbeit war auch der ausdrückliche Wille der Väter unserer Verfassung. So besagt Artikel 2 unserer Verfassung:

(1) Bayern ist ein Volksstaat. Träger der Staatsgewalt ist das Volk. (2) Das Volk tut seinen Willen durch Wahlen und Abstimmungen kund. […]

Und es ist der Wille des Volkes, dass sechs Parteien in diesem Landtag sitzen. Artikel 16a:

(1) Parlamentarische Opposition ist ein grundlegender Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. (2) Die Fraktionen und die Mitglieder des Landtags, welche die Staatsregierung nicht stützen, haben das Recht auf ihrer Stellung entsprechende Wirkungsmöglichkeiten in Parlament und Öffentlichkeit. […]

Eine Frage an Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Wozu macht es einen Abgeordneten, wenn er einer Opposition, die vom Volk, also vom Träger der Staatsgewalt, gewählt wurde, das ihr von der Verfassung garantierte Recht auf entsprechende Wirkungsmöglichkeiten nicht geben will? Zu einem Demokraten oder doch eher zu einem Gegner unserer Verfassung?

(Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER): Freie Wahlen! – Steffen Vogel (CSU): Das ist ja das Problem mit dem Staat! – Toni Schuberl (GRÜNE): Das tut sie nicht!)