Protocol of the Session on February 9, 2017

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. des jeweiligen Abstimmungsverhaltens seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FREIEN WÄHLER und der GRÜNEN. Gegenstimmen? – Sehe ich keine. Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Gisela Sengl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Agrarpolitik an bayerische Verhältnisse anpassen (Drs. 17/13696)

Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion.

Die erste Rednerin ist die Kollegin Sengl. – Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden heute noch öfter die Gelegenheit haben, über die Agrarpolitik zu sprechen. Heute Vormittag gibt es einen ganz guten Einstieg in diese Thematik. Die Agrarpolitik soll an die bayerischen Verhältnisse angepasst werden. Unser Antrag zielt darauf ab, dass sich die Politik verändern muss, wenn sie wirklich die kleinstrukturierte und vielfältige bäuerliche Landwirtschaft in Bayern unterstützen und bewahren will.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unser Antrag umfasst drei Spiegelstriche und beruft sich vor allem darauf, dass es jetzt möglich ist, die EU-Agrarpolitik zu verändern. Durch die anstehende Halbzeitbewertung können jetzt wieder andere Bewertungen vollzogen werden. Die erste Forderung ist die Umschichtung der Gelder von der ersten in die zweite Säule. Bis jetzt werden lediglich 4,5 % umgeschichtet.

Wir setzen uns dafür ein, dass zukünftig 15 % umgeschichtet werden.

Die zweite Forderung ist der weitere Ausbau der Förderung der ersten Hektare.

Die dritte Forderung ist die Kappung der Direktzahlungen ab einer gewissen Höhe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vor allem die erste Forderung nach der Umschichtung der Gelder von der ersten in die zweite Säule würde den bayerischen Bauern am meisten helfen. Warum? – Diese Gelder sind zu 100 % EU-Gelder. Sie müssen also nicht kofinanziert werden.

(Staatsministerin Ilse Aigner: Falsch!)

Sie stehen also den bayerischen Bauern zu 100 % zur Verfügung.

(Staatsministerin Ilse Aigner: Das ist falsch!)

Diese Gelder müssen in der Landwirtschaft bleiben. Sie dürfen nicht für Dorferneuerungsprogramme oder sonstige ländliche Räume verwendet werden. Sie müssen in der Landwirtschaft bleiben.

Die Landwirtschaft braucht diese Gelder. Warum braucht die Landwirtschaft diese Gelder? – Wir haben ja in Bayern ein tolles Kulturlandschaftsprogramm. Was passiert mit diesem Programm? – Programme werden geschlossen, weil das Geld zu wenig ist. Im Jahr 2016 war das sehr eklatant. Viele Programme sind überhaupt nicht angeboten worden. Auch im Jahr 2017 werden Programme, zum Beispiel das Programm B40 "Erhalt artenreiches Grünland", nicht angeboten. Dieses Programm würde vor allem den Bienen helfen. Gerade für diese Programme brauchen wir Gelder. Das würde den Bauern helfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Natürlich würde auch die Förderung der ersten Hektare helfen. In Deutschland beträgt die Durchschnittsgröße der Bauernhöfe circa 58 Hektar. In Bayern liegt der Durchschnitt bei etwa 31 bis 34 Hektar, je nach Statistik. In Bayern gibt es also sehr viel mehr kleinere Bauernhöfe als im Rest Deutschlands. Was ist mit diesen kleinen Bauernhöfen? – Die kleinen Bauernhöfe würden eine große Hilfe erfahren, wenn man wirklich die ersten Hektare massiv unterstützen würde. Die Unterstützung würde man natürlich den großen Bauernhöfen wegnehmen. Aber was wollen wir denn für eine Landwirtschaft? – Wir wollen eine kleinstrukturierte und vielfältige Landwirtschaft. Lassen Sie uns

alles ausnutzen und nicht nur 7 %, sondern 30 % umschichten.

Genauso sieht es bei der Kappung der Direktzahlungen aus. 150.000 Euro Direktzahlungen an einen Betrieb müssen ausreichen, egal, wie groß der Betrieb ist. Wenn wir endlich eine Kappung der Zahlungen einführen würden, hätten wir sehr viel mehr Geld für die anderen Betriebe zur Verfügung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Natürlich schreien dann die ostdeutschen Betriebe auf. Aber die bayerische Agrarpolitik ist nicht dafür zuständig, dass ostdeutsche Betriebe die Summe ganz locker als Gewinn mitnehmen können. Ich bitte Sie ernsthaft: Wenn wir den Bauern helfen und die bayerische Landwirtschaft erhalten wollen, wenn wir die bayerische Landwirtschaft fördern wollen und auch umweltgerechter, tiergerechter und bodenschonender ausbauen wollen, dann müssen Sie diesen Antrag unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat der Kollege Schöffel von der CSU das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, Frau stellvertretende Ministerpräsidentin, Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Sengl, man kann nach Ihrer Rede wieder einmal eindrucksvoll feststellen: Das, was Sie an Substanziellem in der Agrarpolitik vortragen, nämlich die Förderung der ersten Hektare, haben Sie von der CSU abgeschrieben. Das ist ein Erfolg Helmut Brunners bei der Agrarministerkonferenz. Das ist unser Vorschlag. Vieles andere aus Ihrem Vortrag ist geprägt von Unwissen, Halbwissen und Falschwissen. Ich will Ihnen Folgendes sagen: Wir, die CSU, haben bereits Politik für die bäuerlichen Betriebe gemacht, als es die GRÜNEN überhaupt noch nicht gab.

(Beifall bei der CSU)

Ich will Ihnen sagen, wie wir mit diesem Antrag weiter verfahren. Wir stehen für eine starke erste Säule auf der EU-Ebene. Wir brauchen eine starke erste Säule. Sie ist letztendlich die Anerkennung für die großen Leistungen unserer Bäuerinnen und Bauern, die sie in der EU auch unter den Bedingungen auf dem Weltmarkt erbringen müssen. Es gibt hier hohe Anforderungen in den Bereichen Soziales, Umwelt und Biodiversität. Ich will deutlich sagen, dass wir zum Greening stehen. Aber wir müssen dorthin kommen, dass das Greening praxistauglich wird. Im Moment

wird beklagt, dass wir noch mehr Pufferstreifen und noch mehr Gewässerrandstreifen brauchen. Das ist richtig. Aber dann muss das auf EU-Ebene endlich so umgesetzt werden, dass die Landwirte das auch anwenden können und nicht die Gefahr besteht, dass sie Zahlungen zurückzahlen müssen, weil die ganze Sache zu bürokratisch und zu kompliziert ist.

Wir stehen natürlich auch zur Förderung der ersten Hektare. Diese Förderung bedeutet letztendlich tatsächlich eine Umschichtung von den größeren Strukturen in die kleineren Strukturen. Sie bedeutet auch eine Stärkung des Eigentums. Die ersten 46 Hektar sind in der Regel im Eigentum der Betriebe. Das führt nicht, so wie Sie das darstellen, zu einer Verschiebung hin zu den Verpächtern. Die erste Säule ist einkommenswirksam. Diese brauchen wir auch weiterhin. Sie wirkt stabilisierend auf unsere Betriebe. Es ist richtig, dass die Bauern auch die zweite Säule dringend brauchen. Aber Sie nehmen das Geld aus der ersten Säule und koppeln es an zusätzliche Leistungen. Sie nehmen den Bauern das Geld weg; versehen mit zusätzlichen Leistungen wollen Sie es in der zweiten Säule zurückgeben. Das ist Politik auf dem Rücken der Bauern, und das geht mit uns überhaupt nicht!

(Beifall bei der CSU)

Eine weitere Verbesserung bei den ersten Hektaren ist auch unser Ziel. Das habe ich schon angesprochen. Doch dafür braucht es einen Verhandlungsansatz. Sie tun so, als ob wir die Förderung für die Betriebe in den neuen Bundesländern im Bayerischen Landtag entscheiden. Das ist letztendlich ein kompliziertes Verhandlungssystem, bei dem die EU-Agrarpolitik einbezogen wird und bei dem sich auch alle Agrarminister in Deutschland einig sein müssen. Der jetzige Beschluss ist für die bayerischen Betriebe ein großer Erfolg. Jedes Jahr gibt es für Bayern 40 bis 50 Millionen Euro mehr. Das können wir nicht einfach aufkündigen. Das würde zu Turbulenzen in der Agrarpolitik führen. Das würde auch zu einer Destabilisierung unserer Förderpolitik und unserer Agrarpolitik führen. Das können wir nicht wollen. Wir müssen schauen, wann die Förderung der ersten Hektare wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden kann. Verbesserungen in diesem Bereich sind unser Ziel. Wir wollen Verbesserungen ermöglichen. Die Frage ist nur, wann wir die weitere Umsetzung erreichen können. Das ist der bayerische Ansatz.

Bei der Frage "Degression oder Kappung für die Großbetriebe?" sind wir uns einig. Doch die Förderung der ersten Hektare und die Frage, wie die neuen Bundesländer da mitgehen können und wie das alles finanziert wird, sind ein gemeinsames Verhandlungs

paket. Beides, Kappung oder Degression, sehen auch wir als Möglichkeiten der notwendigen Umschichtung.

Wir stehen für die bäuerlichen Betriebe – ich habe das gerade schon ausgeführt –, für eine flächendeckende, bäuerliche Landwirtschaft und für Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und auf dem Land. Wir wollen die landwirtschaftliche Praxis und die Arbeitsplätze auf dem Land halten. Unsere Landwirtschaft sorgt für gesunde Nahrungsmittel, für lebendige Dörfer, für eine attraktive Kulturlandschaft. Deswegen richten wir unsere Förderpolitik auf die ersten Hektare aus, auf agrarökologische Maßnahmen, wie sie im KULAP gefördert werden, auf die Förderung der benachteiligten Gebiete und auf die Förderung ausschließlich tiergerechter und kleinerer Ställe.

(Zuruf von der SPD)

Doch der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist: Wir stellen keine Betriebsform an den Pranger, solange bäuerliche Werte und bäuerliche Wirtschaftsweise dargelegt sind. Wir schreiben in unserem Grundsatzprogramm: Alle Betriebsformen und -größen müssen möglich sein. Das gilt nicht – das sage ich ausdrücklich – für die Pohlmanns und Straathofs. Aber wenn ein Betrieb sich weiterentwickelt hat, gewachsen ist und nach bäuerlichen Werten und der guten fachlichen Praxis geführt wird, dann stellen wir diesen nicht an den Pranger. Diese Betriebe haben vielmehr in Bayern die gleiche Existenzberechtigung wie alle anderen. Das müssen Sie letzten Endes auch mal kennenlernen.

Wir setzen auf die beste Ausbildung, auf eine professionelle Verbundberatung, auf höchste Qualität und auf gute Vermarktung unter der Marke Bayern. In diesen Zeiten ist es dringend notwendig, unsere Landwirtschaft so darzustellen, wie sie wirklich ist, und sie in Schutz zu nehmen. Ich befürchte Schlimmstes, wenn ich daran denke, was in diesem Jahr, in einem Jahr mit Bundestagswahl, im postfaktischen Zeitalter, wo man nur noch mit Emotionen und nicht mehr mit Fakten arbeitet, beim Thema Agrarpolitik noch auf uns zukommt. Das werden Sie letzten Endes heute begründen müssen, lieber Kollege Arnold. Sie haben die Bundesumweltministerin im Ausschuss ständig und immer wieder verteidigt, bei jeder Frage, über die wir diskutiert haben. Was da jetzt passiert ist, ist ein Skandal. Das will ich an dieser Stelle eindeutig sagen. Bei dieser Plakataktion zu den "neuen Bauernregeln" werden Verfehlungen Einzelner herausgegriffen und so hingestellt, als wären sie die Praxis der Mehrheit der deutschen Betriebe. Da wird letzten Endes eine Tradition bäuerlichen Lebens in den Dreck gezogen. Steuergelder werden eingesetzt, um Bundestagswahl

kampf zu machen und um eine ganze Branche letzten Endes – –

(Horst Arnold (SPD): … zu verunglimpfen!)

Ja, zu verunglimpfen.

(Beifall bei der CSU – Horst Arnold (SPD): Manchmal muss man ihm schon a weng helfen!)

Die Landwirtschaft wird von dieser Ministerin aufgegeben, nur um Stimmen in der Großstadt zu fangen. Das ist nicht postfaktisch, das ist aus meiner Sicht eine Sauerei. Die Umweltministerin braucht die Gesprächsbasis mit der Landwirtschaft; deswegen kann sie ihr Amt nicht mehr weiter ausführen und ist letztlich für diese Aufgabe in keiner Weise mehr geeignet.

(Beifall bei der CSU – Ingrid Heckner (CSU): Bravo! – Horst Arnold (SPD): Zum Thema!)

Wir lehnen den Antrag der GRÜNEN ab, weil er im Bereich der ersten Hektare etwas fordert, was wir schon lange Zeit verfolgen. Wir lehnen auch eine Umschichtung von der ersten Säule in die zweite Säule in dieser Form ab. Damit würde Politik auf dem Rücken der Bauern gemacht. Das ist nicht unser Ansatz.

Danke schön. Herr Kollege, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Die Frau Kollegin Sengl hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Ich möchte nur noch etwas klarstellen: Wir stellen keine Bäuerinnen und Bauern an den Pranger. Wir wollen nur, dass die Verteilung von Steuergeldern an Bedingungen geknüpft wird. Das heißt: Die Leistungen, die die Landwirtschaft für Umweltschutz, Bodenschutz, Wasserschutz, Tierschutz erbringt, sollen belohnt und gefördert werden. Dafür brauchen wir mehr Geld. Das haben wir gesehen, sonst hätten wir nicht so viele Maßnahmen im KULAP schließen müssen. Man könnte natürlich auch noch mehr Maßnahmen eröffnen. Dafür brauchen wir Geld, und das ist nicht Politik auf dem Rücken der Bauern, im Gegenteil, das würde sie fördern. Viele Landwirte haben die Programme leider nicht in Anspruch nehmen können, weil das Geld nicht da war, weil das Programm geschlossen war. Die Bauern haben sich jetzt endlich mal auf den Weg gemacht und werden gehindert von der Politik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Herr Kollege Schöffel, Sie haben das Wort.

Es kann immer noch mehr sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich will darauf hinweisen, dass wir allein in diesem Doppelhaushalt mehr als 150 Millionen Euro zusätzlich für die Landwirtschaft, für das KULAP, für unsere Förderprogramme einsetzen. Kein Bundesland tut mehr für unsere Bäuerinnen und Bauern als Bayern, und wir haben den Ansatz, den ich vorhin deutlich dargelegt habe.