Protocol of the Session on December 15, 2016

Eine ganz besondere Herausforderung haben wir derzeit bei den Flüchtlingen zu bewältigen. Lieber Kollege Fackler, über die Frage einer Obergrenze brauchen wir hier nicht zu diskutieren. Sie soll dort geklärt werden, wo sie geklärt werden kann und wo Sie auch politische Verantwortung tragen. Wir im Bayerischen Landtag und in den Kommunen müssen uns mit den Konsequenzen und Folgen beschäftigen. Es ist nun einmal Fakt, dass die Menschen da sind. Sie haben einen Anspruch darauf – das gebietet schon die Menschenwürde –, dass wir uns anständig um sie kümmern. Dafür wird vonseiten des Ministeriums hervorragend gearbeitet, anders, als man es häufig an Stammtischen von Ihrer Seite hört.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben in der letzten Woche sehr ausführlich – das war nicht Ihre Schuld – über ein Gesetz zur Einführung einer Leitkultur gesprochen. Integrationsgesetz wird dieses Gesetz genannt. Machen Sie es, wie Sie es meinen. Die Wertevermittlung – darum geht es doch – können Sie nicht durch ein Gesetz festlegen, sie muss vor Ort in den Kommunen, begleitet von unseren Signalen, durch die Lehrer, die Bildungsträger usw. erfolgen. Da haben wir praktische Aufgaben, und die sind wichtiger, als nächtelang über Begrifflichkeiten zu streiten.

In diesem Zusammenhang haben wir einen besonderen Schwerpunkt gesetzt. Wir wollten die Bezirke im Umfang von 150 Millionen Euro von den Kosten für unbegleitete Volljährige entlasten. Immerhin ist dank des Engagements der FREIEN WÄHLER, aber auch dank des Drucks der Bezirke etwas in Bewegung gekommen. In letzter Sekunde wird wenigstens ein Drittel der Kosten erstattet. Aus unserer Sicht ist das

zwar zu wenig, immerhin ist es aber ein erster Schritt. Herr Kollege Fackler, Sie haben gesagt, die Bezirke sollten die Bezirksumlage senken. Das ist richtig. In Schwaben, woher wir beide kommen, haben die FREIEN WÄHLER einen Antrag auf Senkung der Bezirksumlage gestellt. Sie wollten 1 % weniger. Die CSU hat den Antrag leider abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwei wichtige Punkte bleiben mir noch. Der eine ist die Barrierefreiheit. Hier geht es ganz besonders um Menschen, die benachteiligt sind, die in der Tat unsere Hilfe brauchen. Für sie haben wir nicht im Einzelplan 10, sondern in den Einzelplänen 03 A, 03 B und 13 die Schwerpunkte gesetzt. Dabei geht es um Mobilität, um barrierefreie Bahnhöfe und um den Zugang in öffentlichen Gebäuden.

Lassen Sie mich als Allerletztes noch einen Gedanken sagen, nachdem Sie, Frau Staatsministerin, und ich dem Stiftungsrat des Sudetendeutschen Museums angehören.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

Ich freue mich, dass wir dieses Projekt endlich auf den Weg gebracht haben. Das Sudetendeutsche Museum wird zusammen mit den Regionalmuseen, dem Egerland-Museum und dem Isergebirgs-Museum einen wichtigen Beitrag für die Geschichte dieser Volksgruppe, die Bayern so vorangebracht hat, leisten.

Danke schön. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Kamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Fangen wir bei dem Thema an, das uns allen sehr am Herzen liegen sollte, nämlich bei der guten Förderung und Betreuung unserer Kinder in den Kindergärten und Kinderkrippen. Fangen wir mit einem Wahlversprechen aus dem Jahr 2013 an. Danach sollten längere Öffnungszeiten in den Kitas extra gefördert werden. Dieses Wahlgeschenk wurde dann unterfinanziert eingeführt. Es wurde großartig verkauft, aber bald wieder eingestellt, weil die Mittel nicht gereicht haben. In diesem Doppelhaushalt taucht es gar nicht mehr auf. Dabei sind aber sehr viele Menschen wegen ihrer Arbeitszeiten auf längere Öffnungszeiten angewiesen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Den Verkäuferinnen, Schichtarbeiterinnen, Polizistinnen und Polizisten müssen Sie entgegenkommen. Sie müssen längere Öffnungszeiten ermöglichen. Die Ein

richtungen, die Kinderbetreuung anbieten, bedürfen auch generell einer besseren Förderung; sonst kommen die benötigten Einrichtungen für die Eltern mit ihren Kindern nicht.

Herr Kollege Unterländer, Sie haben so schön gesagt, dass die Kitas doch alle ausgebaut würden. Das steht im Widerspruch zu dem, was mir Eltern aus dem weiteren Umland der großen Städte sagen. Viele dieser Eltern streben einen Platz in einer städtischen Kita an, damit sie die Chance haben, das Kind nach Arbeitsende abzuholen. Das ist in vielen Kitas, vor allem in denen im Umland, nicht möglich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen unbedingt mehr Qualität in den Kitas. Mehr Qualität erfordert mehr Personal; das ist ganz klar. Die Anforderungen an die Kitas sind in den vergangenen 10 Jahren gestiegen – niemand bezweifelt es –, ohne dass dies allerdings in nennenswertem Umfang bei der Festlegung des Mindestanstellungsschlüssels und der Förderfaktoren berücksichtigt worden wäre.

(Joachim Unterländer (CSU): Das stimmt nun wirklich nicht!)

Insoweit brauchen wir weitergehende Maßnahmen. Wir fordern Erhöhungen des förderrelevanten Mindestanstellungsschlüssels und des Basiswertes, damit all diejenigen, die Erzieherinnen und Erzieher geworden sind, um sich möglichst gut um Kinder zu kümmern, dies tatsächlich leisten können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch unsere Forderung in Bezug auf Kinderkrippen ist klar: Für diese muss erst einmal ein verbindlicher Mindestanstellungsschlüssel festgelegt werden. Er sollte wenigstens bei 1 : 5 liegen; sinnvoller wäre ein Schlüssel von 1 : 4.

Wir brauchen generell den Einstieg in die Verbesserung der Qualität von Kitas. Um diesen zu erreichen, schlagen wir sinnvolle – und ich möchte sagen: bescheidene – erste Schritte vor. Wir hoffen, dass unsere Änderungsanträge doch noch Ihre Zustimmung finden und umgesetzt werden können. Die Zustimmung dürfte Ihnen auch deshalb nicht schwerfallen, weil die Maßnahmen, die wir vorschlagen, komplett gegenfinanziert sind. Wir sagen: Betreuungsgeldgeschenke und Landeserziehungsgeld setzen falsche familienpolitische Rahmenbedingungen. Wir können das Geld nicht verschenken, sondern wir brauchen es dringend zur Hebung der Qualität in unseren Einrichtungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch die Jugendarbeit muss besser finanziert werden. Herr Unterländer, Sie haben den jüngst geschlossenen Kompromiss erwähnt. Der Freistaat hat sich etwas bewegt. Bisher verweigerte Bayern als einziges Bundesland – das muss man sich vorstellen! – die komplette Refinanzierung der Jugendhilfe für volljährig gewordene Jugendliche. Nach vehementen Protesten der kommunalen Spitzenverbände hat sich die Staatsregierung wenigstens etwas bewegt. Aber eine komplette Refinanzierung bedeutet das noch nicht. Der Förderfaktor ist so festgelegt, dass allenfalls ambulante Betreuungsmaßnahmen gewährleistet werden können. Ob dies in jedem Fall ausreichend ist, darf bezweifelt werden. Zudem gibt es die Beschränkung auf ein Jahr. – Bewegen Sie sich weiter! Es ist nicht sachgerecht, diese Kosten auf die kommunale Ebene abzuwälzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist nicht richtig, auf eine Standardabsenkung bei der Jugendhilfe zu drängen, um die Kosten zu senken. Jugendhilfe muss nach dem individuellen Förderbedarf gewährt werden. Sie darf nicht dem Motto folgen: "Die billigste Maßnahme soll gewinnen."

Ich nenne einige weitere Bereiche, die auch nach Verabschiedung des Doppelhaushalts chronisch unterfinanziert bleiben. Dazu gehört die Präventionsarbeit. Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus ist aber besonders notwendig, da wir insoweit ein massives Problem in Bayern haben. Mit unserem Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf der Staatsregierung auf Drucksache 17/12805, zum Finanzausgleichsänderungsgesetz also, möchten wir erreichen, dass die Höhe der Landesmittel der Höhe der Bundesmittel angeglichen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist ein Armutszeugnis, dass ausgerechnet Bayern nur den Mindestbetrag zur Kofinanzierung der Bundesmittel zahlt. Das ist eine Besonderheit. Sie von der CSU und der Staatsregierung sollten in sich gehen und eine Förderung wenigstens in Höhe der Bundesmittel zusagen. Es muss doch unser aller Ziel sein, dass es mehr mobile Beratung, mehr Opferberatung, mehr zivilgesellschaftliche Aussteigerarbeit, mehr Unterstützung zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bayern darf nicht den letzten Platz belegen, wenn es darum geht, einen Eigenanteil zur Förderung zivilgesellschaftlicher Arbeit zu leisten. Ermöglichen Sie den

Ausbau der zivilgesellschaftlichen Präventionsarbeit! Erhöhen Sie den Eigenanteil!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Welche Maßnahmen sind noch chronisch unterfinanziert, obwohl sie dringend notwendig sind? – Was haben wir in der vergangenen Woche alles gehört, als es darum ging, wie wichtig die Beherrschung der Sprache ist! Wie sieht es in der Realität mit den Sprachkursen aus? – Derzeit haben viele Flüchtlinge überhaupt nicht die Chance, einen Sprachkurs zu besuchen. Der Bund stellt für entsprechende Programme Mittel zur Verfügung. Es gibt auch ergänzende Programme der Länder. Wie verhält sich Bayern? – Der Freistaat hat im Jahr 2016 17 Millionen Euro für Sprachkurse und für Sprachförderung allgemein ausgegeben. Wie viele Mittel sind im Haushalt für 2017 dafür vorgesehen? – Nur noch 8 Millionen Euro. Das ist knapp die Hälfte! Im Jahr 2018 sollen es nur noch 3 Millionen Euro sein. Es kommt hinzu, dass diese Mittel nicht nur für die Sprachförderung, sondern auch für die Wertevermittlung verwendet werden sollen. Wenn Sie nur so wenige Mittel bereitstellen wollen, hätten Sie ein Integrationsgesetz gar nicht erst verabschieden müssen. Mit diesen Mitteln werden weder Sprache noch Werte vermittelt werden können, obwohl das doch wichtige Integrationsziele sind. Dieser Haushaltsansatz muss korrigiert werden. So geht es nicht, so kommen wir nicht weiter. Dafür brauchen Sie auch keine Gesetze zu schreiben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was ist noch chronisch unterfinanziert? – Die Asylsozialberatung. Frau Ministerin, für das Jahr 2016 standen im Haushalt dafür 30 Millionen Euro zur Verfügung. Dennoch hat ein Sozialberater im Durchschnitt 190 Personen zu beraten. Stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten die Aufgabe, 190 Flüchtlinge zu beraten. Ich finde, das ist eine sehr sportliche Aufgabe.

In manchen Einrichtungen ist es noch schlimmer. Ich war vor Kurzem in Bamberg und habe mir die Situation in der dortigen Einrichtung angeschaut. 700 Menschen wurden nach ihrem Grenzübertritt dorthin gebracht; das sind gerade angekommene Flüchtlinge. Über andere 400 Flüchtlinge wurden aus irgendwelchen Gemeinschaftsunterkünften nach Bamberg verlegt, um die Verfahren quasi zu Ende zu bringen. Insgesamt sind es circa 1.100 Menschen. Schätzen Sie einmal, wie viel Asylsozialarbeit dort geleistet werden kann. – Derzeit stehen drei – drei! – Vollzeitstellen zur Verfügung, um 1.100 Menschen, die entweder gerade angekommen sind oder in einer Situation stecken, in der sie sich neu orientieren müssen, zu beraten.

Diese drei Vollzeitstellen reichen natürlich hinten und vorne nicht aus. So kommen wir nicht weiter.

Sie haben zwar gesagt, notwendig sei ein Wechsel von der Asylsozialarbeit hin zur Migrationsarbeit. Aber Ihr Ansatz rechnet sich nicht. Einerseits halbieren Sie die für die Asylsozialarbeit vorgesehenen Mittel im Verlauf von zwei Jahren. Andererseits sehen Sie für die Migrationsarbeit nur 3 Millionen Euro mehr vor. Wenn 15 Millionen Euro gestrichen und 3 Millionen Euro dazugegeben werden, dann ist das Ergebnis: Insgesamt deutlich weniger Beratung.

Es ist doch sicherlich auch Ihr Ziel, die anerkannten Flüchtlinge aus den Gemeinschaftsunterkünften in Wohnungen zu bringen. Auch Sie wollen doch sicherlich erreichen, dass berufliche Defizite ausgeräumt werden. All das gelingt nur, wenn mehr Migrationsberater zur Verfügung stehen, damit mehr Unterstützung geleistet werden kann.

Für gelingende Integration brauchen wir auch eine bessere Zusammenarbeit mit dem Ehrenamt; Frau Landtagspräsidentin Stamm hat dies auf dem Empfang deutlich gesagt. Die Ehrenamtlichen sehen sich aber mit einer überbordenden Bürokratie konfrontiert.

Frau Kollegin, beachten Sie bitte: Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Christine Kamm (GRÜNE) : Selbstverständlich beachte ich das. – Ich erinnere an das bürokratische Monstrum der Wohnsitzzuweisung.

Ich sage Ihnen: Wenn Sie Integration wirklich erreichen wollen, dann schaffen Sie nicht viele bürokratische Regeln, die nur viel Geld kosten! Arbeiten Sie stattdessen besser mit den Ehrenamtlichen zusammen!

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Danke schön. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Rauscher.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Alles spitze in Bayern. – Ich kann es einfach nicht mehr hören. Lassen Sie doch einmal die Kirche im Dorf!

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, Sie reden von Bevormundung der Familien. Sie wissen ganz genau, dass das Betreuungsgeld von sehr vielen Familien nur als Übergangsgeld genommen wird, und zwar genau bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie einen Kita-Platz bekommen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Und warum? – Weil in Bayern 20.000 Kita-Plätze fehlen, um den Bedarf wirklich zu befriedigen.