Danke. – Jetzt habe ich Herrn Kollegen Taşdelen von der SPD-Fraktion auf der Rednerliste. Bitte schön.
Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir, die SPD-Fraktion, hatten im vergangenen Jahr dem Hohen Haus ein Integrationsgesetz vorgelegt. Von dieser Stelle aus sagte der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Martin Neumeyer, CSU, dass er sich in Aibling mit seinem Freund Mehmet beim Currywurstessen unterhalten habe. Mehmet habe ihm gesagt, dass man Integration leben müsse und nicht gesetzlich regeln könne.
Deswegen haben Sie, die CSU-Fraktion, ein Bayerisches Integrationsgesetz, das diesen Namen tatsächlich verdient hätte, abgelehnt.
Daraufhin hat die CSU-Fraktion ein Integrationsgesetz formuliert und in den Landtag eingebracht. Wenn diejenigen, die Sie mit diesem Gesetz erreichen wollen, wüssten, dass "der Mehmet" Sie steuert, dann weiß ich nicht, was passieren würde.
Sie hätten die Möglichkeit gehabt, ein Integrationsgesetz vorzulegen, das diesen Namen tatsächlich verdient, ein Integrationsgesetz, das mit allen Fraktionen des Bayerischen Landtags – dieses Angebot haben wir Ihnen gemacht – abgesprochen ist, ein Gesetz, das Lösungen aufzeigt und nicht die Gesellschaft spaltet, ein Gesetz, das die Integrationsaufgabe ernst nimmt und auch Fragen beantwortet. Solche Fragen sind etwa: Warum sind Menschen mit Migrationshintergrund in Vereinen, in Gewerkschaften, bei Betriebsund Personalratswahlen genauso engagiert wie die Deutschen? Warum haben sie auf der anderen Seite, was Politik angeht, keine Partizipationsmöglichkeit, keine Teilhabemöglichkeit? Warum haben wir in Bayern nicht die gleichen Bildungschancen für alle? Warum ist in Bayern die Einbürgerungsquote im bundesweiten Vergleich eine der niedrigsten? Das alles sind Fragen, auf die wir Antworten finden können – und Antworten finden müssen.
Das ist übrigens auch unser Ziel in der Enquete-Kommission. In der Enquete-Kommission diskutieren wir nicht nur als Vertreter der Parteien, sondern auch mit vielen Expertinnen und Experten über dieses Thema. Wir wollen ehrliche Antworten finden, die in ein Bayerisches Integrationsgesetz oder ein Integrationskonzept einfließen können. Sie reden von Leitkultur. Auf der anderen Seite gibt es viele Tausende von ehrenamtlich engagierten Flüchtlingshelferinnen und Helfern, die das Problem haben, dass zu wenige Orientierungskurse und zu wenige Integrationskurse vorhanden sind. Die Ehrenamtlichen bringen Flüchtlingen die Sprache, aber auch Werte bei. Wir brauchen Orientierungskurse, in denen nicht nur die Sprache, sondern auch Werte vermittelt werden können. Diese Kurse sind nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Gleichzeitig reden wir über eine bayerische Leitkultur. Es wäre ein Anfang, genügend Sprachkurse, Integrationskurse und Erstorientierungskurse zur Verfügung zu stellen, damit die Flüchtlinge, die zu uns kommen, auch unsere Werte kennenlernen.
Ich fasse Ihr Gesetz in einem Satz zusammen: Wir schaffen keine einzige Integrationsmaßnahme. Wenn keine dieser zusätzlichen Integrationsmaßnahmen, die wir durch dieses Gesetz nicht schaffen, in Anspruch genommen wird, gibt es die Keule des Gesetzes. Das kann es nicht sein.
Der Herr Ministerpräsident betont immer die Koalition mit den Bürgerinnen und Bürgern. Man kann mit den Bürgerinnen und Bürgern jedoch keine Koalitionen eingehen, wenn man einen Keil zwischen die Menschen treibt. Deswegen sollten Sie dieses Gesetz zurückziehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Zellmeier – wo sitzt er denn? –, wir wollten uns nicht per se gegen Sie stellen. Bei dem uns vorliegenden Gesetzentwurf bleibt uns jedoch nichts anderes übrig.
Ja, Integration soll gelingen. Sowohl in der heutigen Debatte als auch in den Debatten in den Fachausschüssen vermissen wir Elemente echter Integration.
Die Debatten in den Fachausschüssen brachten weniger Erklärung, sondern vielmehr weiteres Unverständnis mit sich. Chancengleichheit, Teilhabe und die Offenheit für kulturelle Pluralität wären Aspekte, die einem echten Integrationsgesetz seinen verdienten Namen geben würden. Miteinander statt gegeneinander – das muss eigentlich unser gemeinsames Ziel sein, zumindest für unsere demokratischen Parteien, wie sie in diesem Hohen Hause vertreten sind. Bayern braucht eine Integrationspolitik, und zwar auf Augenhöhe. Die Integrationspolitik braucht klare Regeln ohne diffuse Formulierungen und mit wirklich fairen Chancen für alle.
Wir brauchen definitiv keine Integrationspolitik mit einer "Die-Linie": hier die Migranten und dort wir Deutschen. Ein Gesetz sollte auch nicht auf Abschreckung und Ausgrenzung stoßen. Ein Gesetz darf auch keine staatlich verordnete Diskriminierung darstellen. Wo bleiben Menschen und Grundrechte? Ich betone das gerne noch einmal: Wir als SPD-Fraktion lehnen es entschieden ab, verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen. Wir haben ein grundlegend anderes Integrationsverständnis als Sie. Das ist das Problem. In Ihrem Gesetzentwurf stellt die Staats
regierung Migranten auf 28 Seiten in ein Zwielicht. In den Ausschussberatungen haben die Kolleginnen und Kollegen der Mehrheitsfraktion ein Migrantenbild mit allen negativen Facetten gezeichnet, die man sich vorstellen kann. Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sehen Zuwanderer bevorzugt als Bildungsversager, Kleinkriminelle, Sozialhilfebetrüger, Islamisten oder Frauenverächter. Das sind Bilder, mit denen echte Integrationspolitik nicht gelingen kann.
Herr Kollege, für uns als SPD ist klar: Integration ist keine Mangelverwaltung. Wenn Sie sich die Debatten anhören, werden Sie den einen oder anderen Unterton auch wahrnehmen können. Für uns bedeutet Integration, sich eine Offenheit zu bewahren, das Miteinander zu pflegen und neugierig aufeinander zu sein. Man sollte auf die anderen zugehen und vor Fremden keine Angst haben und auch keine Angst schüren.
Das sind die Voraussetzungen dafür, dass aus fremden Menschen, die aus entfernten, uns unbekannten Ländern kommen, Nachbarn, Arbeitskollegen, Freunde und nette Mitmenschen werden. Integration bedeutet nicht: Ich habe mich lediglich anzupassen, sondern Integration bedeutet gegenseitige Wertschätzung. Das gilt für den persönlichen Umgang, für politische Fragen und für das normale alltägliche Leben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, genau das unterscheidet unsere Integrationspolitik so deutlich von Ihrer. Das ist der Grund, warum wir gar nicht anders können, als Ihr unsägliches Papier, Ihr Ausgrenzungsgesetz abzulehnen.
Für die Staatsregierung hat Frau Staatsministerin Müller ums Wort gebeten. Bitte schön, Frau Staatsministerin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Integration darf man nicht dem Zufall und dem guten Willen überlassen.
Deshalb brauchen wir das Integrationsgesetz. Bayern bekennt sich zu seiner Verantwortung. Die Integration der Bleibeberechtigten ist eine gewaltige gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die uns noch Jahrzehnte beschäftigen wird. Dieser wichtigen Aufgabe wollen wir mit dem vorliegenden Gesetz Ziel und Richtung
geben. Diese Richtung ist unsere Leitkultur. Unsere Leitkultur ist ein zentraler Bestandteil des Gesetzentwurfs zum Integrationsgesetz. Dieser Kern ist mir ganz besonders wichtig. Integration bedeutet nicht, dass sich Einheimische und Neuankömmlinge auf halbem Weg treffen und wir daraus eine neue Kultur der Beliebigkeit machen. Das wollen wir nicht.
Stattdessen braucht Integration eine klare Richtung. Diese Richtung können nur unsere Leitkultur, unsere Werteordnung, unser Grundgesetz und unsere Bayerische Verfassung geben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Leitkultur ist das Gegenteil von Multikulti, wo alles offen und machbar ist.
Die Leitkultur umfasst die Werte des Grundgesetzes: Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung sowie Meinungs- und Pressefreiheit. Sie basiert auf den Werten der Aufklärung, des Humanismus und der christlich-jüdisch-abendländischen Kultur sowie unseren gewachsenen Traditionen, über die schon sehr viel gesprochen worden ist. Sie verhindert das Entstehen von Parallelgesellschaften, in denen statt unserer Gesetze und unserer Werte die Scharia, ein Ehrenkodex oder Stammesregeln gelten. Das und nicht mehr oder weniger haben wir im vorgelegten Entwurf des Integrationsgesetzes verankert.
Ich zitiere aus einer Analyse von Allensbach, die heute schon mehrfach bemüht worden ist: Für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung steht außer Frage, dass Integration nur gelingen kann, wenn sie sich an der deutschen Kultur als Leitkultur orientiert. Drei Viertel der Bevölkerung plädieren dafür, dass bei aller Toleranz gegenüber anderen religiösen Überzeugungen, kulturellen Prägungen und Lebensweisen im Konfliktfall die deutsche Werteordnung Vorrang haben muss. – Ich finde, das ist der richtige Ansatz.
Neben der Leitkultur steht der Grundsatz des Förderns und Forderns im Mittelpunkt unseres Gesetzentwurfs. Dieser Grundsatz ist das zentrale Prinzip unserer erfolgreichen bayerischen Integrationspolitik. Er schafft Verbindlichkeiten, und zwar für beide Seiten. "Für beide Seiten", darauf lege ich ganz besonderen Wert.
Bayern hat bewiesen: In Bayern gelingt Integration. Die Herausforderungen sind groß. Das wissen wir alle. In Augsburg haben knapp 40 % der Einwohner
einen Migrationshintergrund. In Berlin sind es nur rund 24 %. Das ist der Unterschied. Die Zahlen zeigen ganz deutlich, dass Integration in Bayern besser gelingt als anderswo.
Ich denke zum Beispiel an die Integration von Ausländern in den Arbeitsmarkt. Wir haben in Bayern bei Ausländern bundesweit mit die beste Arbeitslosenquote. Auch die Quote der Ausländer, die eine Grundsicherung beziehen, ist in Bayern am niedrigsten.
Wir haben in Bayern weder Gettos noch Parallelgesellschaften. Das müssten Sie, Frau Kamm, als Augsburgerin am allerbesten wissen.
Diesen erfolgreichen bayerischen Weg der Integration mit Fördern und Fordern verankern wir nun im Bayerischen Integrationsgesetz.
Erstens. Wir fördern Integration. Dafür haben wir bereits zahlreiche erfolgreiche Projekte und Sonderprogramme aufgelegt. Wir investieren unter anderem gezielt in die Vermittlung unserer Werte und der deutschen Sprache sowie in gute Bildungs- und Arbeitschancen der Migranten. So fördern wir zum Beispiel Sprachprojekte wie IDA, ehrenamtliche Sprachkurse, Sprachkurse an den Volkshochschulen, bei Kolping und natürlich auch in der Erwachsenenbildung im Allgemeinen. Wir haben "Vorkurse Deutsch" für Kindergartenkinder mit einem Umfang von 240 Stunden. Wir haben eine verbesserte Personalausstattung in den Kitas, Ausbildungsakquisiteure und Jobbegleiter sowie arbeitsbezogene Jugendsozialarbeiter. Die Zahlen geben uns recht: In keinem anderen Land ist die Erwerbsbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund besser als bei uns. Ich darf sagen: In Bayern liegt bei den Migranten die Erwerbstätigenquote bei 70,8 %. Anders als die Opposition es will, fördern wir nicht nach dem Gießkannenprinzip. Wer wahllos alle, die über die Grenze zu uns kommen, integrieren will, vergisst das Ziel von Integration.
Damit Integration gelingt, brauchen wir eine Begrenzung der Zugangszahlen. Wir müssen zwischen jenen Menschen, die mit einem Asylgrund zu uns kommen, und solchen, die keinen Asylgrund oder keine anderweitige Aufenthaltsberechtigung haben, differenzieren. An diese Differenzierung knüpfen wir mit dem Integrationsgesetz an.