Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Artikel 17a Absätze 2 bis 4 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen! – Die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist es so beschlossen.
Zu den beschlossenen Änderungen verweise ich auf den Beschluss zur Zweiten Lesung. Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist die Kollegin Kamm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
(Zurufe von der CSU: O je, jetzt geht’s wieder los! – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Jetzt dürft ihr euch warm anziehen!)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben ursprünglich in Ihrer Änderung vorgesehen, dass Kinder, die aufgrund des Asylstatus ihrer Eltern oder deswegen, weil Sie bestimmte Familien in bestimmte Einrichtungen verfrachten, vom Schulunterricht ausgeschlossen sind. Jetzt haben Sie eine kleine Verbesserung gemacht und mit Ihrem Änderungsantrag gesagt, dass Kinder, die sich mit ihren Eltern in besonderen Aufnahmeeinrichtungen befinden, dem Unterricht in den dortigen Klassen zugewiesen werden sollen.
Aus einem Gesetz, das vorher Kinder ganz eindeutig und klar diskriminiert und gegen die Kinderrechtskonvention verstoßen hat, haben Sie einen neuen Artikel gemacht, der Kinder weiterhin diskriminiert, sie weiter
hin auf besondere, schlechtere Bildungsmöglichkeiten verweist. Wir halten es nicht für richtig, dass man festlegt, dass Kinder gesonderten Klassen und gesonderten Gruppen zugewiesen werden; denn relativ viele Kinder, die dort leben, waren schon mehrere Jahre in bayerischen Grund- und Hauptschulen eingeschult. Sie werden irgendwann aufgrund irgendwelcher Entscheidungen in die Einrichtungen Manching und Bamberg verlagert; letztendlich können sie keinen gleichwertigen Schulabschluss mehr schaffen, weil sie ja auch kein gleichwertiges Schulangebot mehr bekommen.
Dort wurden jetzt Klassen gebildet, und es wird ein Unterricht angeboten. Aber das ist kein gleichwertiger Unterricht; er entspricht nicht unseren Bildungszielen und Bildungsvorstellungen. Dieser Unterricht fällt relativ häufig aus; es gibt keine Vertretungsregelung für Lehrerinnen und Lehrer, wenn die mal krank sind oder wechseln, weil sie ein anderes Angebot annehmen. Das Schulangebot reicht auch, wenn man die Lage in Bamberg anschaut, keineswegs aus in Bezug auf die dort vorhandenen Kinder und Jugendlichen. Im Prinzip gehen allenfalls die Kleinen in den angebotenen Schulunterricht. Bei den Hauptschülern wird es schon schlechter, und von den Schülern, die berufsschulpflichtig wären, gehen allenfalls 5 % in den dortigen Unterricht.
Es wäre richtig, hier ein gutes, ein gleichwertiges Unterrichtsangebot zu schaffen und das zu tun, was die Städte angeboten haben, nämlich den Kindern ein Wahlrecht zu geben, die Möglichkeit, zu sagen: Ich möchte weiterhin die normale Hauptschulklasse 6 oder von mir aus auch die Grundschulklasse 4 besuchen, wo ich bisher beschult worden bin, und dann vielleicht auch den Jahresklassenabschluss in dieser Schulklasse machen. Der Übergangsklassenunterricht ermöglicht den Kindern den Schulabschluss, den Klassenabschluss nicht. Wir sagen: Wer Kindern die Bildungschancen nimmt, der gefährdet unsere Zukunft. Wer ausgrenzt und diskriminiert, spaltet. Wer spaltet, schwächt die Zukunftschancen der Kinder, schwächt unser Land. Zusammenhalt würde eine gute Zukunft für uns bringen. Gemeinsam sind wir stark.
Schon bei der Zweiten Lesung habe ich darauf hingewiesen, dass die von Ihnen geplante Änderung des Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes überflüssig wäre, wenn es Ihnen wirklich um Integration ginge. Daran ändert auch der Änderungsantrag der CSU nichts, der immerhin – das gestehe ich gerne zu – nicht den Bildungsanspruch aller Kinder bestreitet. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein.
Aber dieser Absatz ist wie das ganze Gesetz von Abwehr geprägt, von Abwehr gegenüber dem Islam. Deswegen betonen Sie die christlich-jüdische Kultur so stark, und diese Abwehrhaltung wurde in der Anhörung, wenn Sie sich richtig erinnern, auch von den Vertretern der beiden großen Kirchen massiv kritisiert. Dass Sie die Leitkultur – eine Vermutung, die heute schon mehrfach geäußert wurde – als Kampfbegriff verstehen, kann man sehr deutlich dem Konzept zur Bekämpfung des politischen Islam entnehmen, das diese Woche im Kabinett verabschiedet wurde. Sie wollen eine Unterordnung unter die Leitkultur. Sie wollen die freiheitliche Ordnung und Sicherheit gegen Gewalt und Hass verteidigen. – Okay, damit sind wir gerne einverstanden. Aber – und da liegt Ihr Denkfehler – das hat nichts mit dem politischen Islam zu tun.
Vielleicht hören Sie mal zu. – Der Islam reduziert genauso wie Christentum und Judentum den Glauben nicht auf den Privatbereich, sondern versteht ihn auch politisch – dass das Christentum durchaus auch politische Ambitionen hat, müssten Sie besonders gut wissen –, das heißt als welt- und gesellschaftsverändernde Kraft. Die Staatsregierung scheint die Entpolitisierung des Islam betreiben zu wollen. Das wäre allerdings ein Verstoß gegen das Grundgesetz und die darin garantierte Religionsfreiheit.
Von einer höchst bedenklichen Rechtsauffassung zeugt auch die Warnung vor einer Selbstblockade des Rechtswegestaates. Es gehört doch gerade zum Wesenskern des demokratischen Rechtsstaats, dass die Bürger ihre Rechte vor Gericht geltend machen können. Soll dies Migranten, besonders Muslimen, verwehrt sein?
Sie wollen keine Parallelgesellschaften. Die wollen wir auch nicht. Aber Parallelgesellschaften verhindert man nicht dadurch, dass man Unterordnung unter eine Leitkultur verlangt, nur aufgeklärte Muslime als Dialogpartner akzeptiert und im gleichen Atemzug das Verbot von Kinderehen und des Tragens einer Burka fordert. Die christlich-jüdische Tradition, Humanismus und Aufklärung, auf die sich die Staatsregierung gerne beruft, lehren Respekt und Akzeptanz, Solidari
tät und Gastfreundschaft. Davon ist in Ihrem Gesetzentwurf kaum etwas zu finden, dafür aber großes Misstrauen nicht nur gegenüber Migranten, besonders Muslimen, sondern auch gegenüber der Überzeugungskraft der viel zitierten Leitkultur, die man sonst nämlich nicht derart mit Sanktionen bewehren müsste.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mir vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Artikel 17a Absatz 5 – er bezieht sich auf das Erziehungs- und Unterrichtswesen – zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktion der CSU. Gegenstimmen! – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen! – Die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Dann ist es so beschlossen.
Zu den beschlossenen Änderungen verweise ich noch mal auf den Beschluss zur Zweiten Lesung. Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Celina. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Ja, liebe Kollegen, ich kann gar nicht sagen, wann ich das letzte Mal so lange wach war. Aber ich fühle mich fit wie ein Turnschuh, und die Diskussion macht mir wesentlich mehr Spaß, als ich gedacht hätte.
Ich könnte noch drei Lesungen durchziehen. – Wie mein Kollege Franz Schindler vorhin schon sagte, ist zu bezweifeln, dass Sie überhaupt die Kompetenz haben, dieses Gesetz zu beschließen. Dieser Auffassung möchte ich mich anschließen. Auch das wird sicherlich noch ein Gericht überprüfen; denn es gibt nicht nur bereits ein Bundesgesetz, das diese Thema
Ich werde Ihnen die Vorschriften des BayKiBiG nicht noch einmal vorlesen. Ich habe gedacht, ich verwöhne Sie in der Dritten Lesung mit neuen Aspekten. Ich möchte Ihnen die Möglichkeit geben, weitere Aspekte zu bedenken. Kürzlich habe ich mich wieder mit dem Buch "Was machen Muslime an Weihnachten?" von Aiman Mazyek beschäftigt. Aiman Mazyek ist 1969 als Sohn eines Syrers und einer Deutschen in Aachen geboren worden, hat in Deutschland Philosophie, Volkswirtschaft und Politikwissenschaft und außerdem in Kairo studiert. Er ist inzwischen Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland und engagiert sich stark im christlich-muslimischen Dialog. Den Anschlag auf "Charlie Hebdo", die Satirezeitschrift, hat er in zahlreichen öffentlichen Auftritten als unvereinbar mit dem Islam bezeichnet. Seine Aussagen waren wichtig, um klarzumachen, dass Terror und Islam nicht zusammengehören.
Genau dieses diffuse Gefühl, es könnte so sein, schüren Sie mit Ihrem Misstrauensgesetz. Statt sich deutlich davon zu distanzieren und den Dialog mit Menschen aus anderen Kulturen zu suchen und zu pflegen, machen Sie die Rolle rückwärts. Ihr CDUKollege Wolfgang Schäuble hat den Dialog gesucht. Er hat 2006 die erste Islamkonferenz eröffnet, und Bundespräsident Christian Wulff hat gesagt: "Der Islam gehört zu Deutschland." Gemessen daran, dass Christian Wulff schon lange nicht mehr Präsident ist, können Sie sich ausrechnen, wie lange dieser Satz schon galt und wie lange Ihre Schwesterpartei schon auf Dialog und gegenseitige Anerkennung setzt. Sie aber machen die Rolle rückwärts und legen fest, dass kleine Kinder frühzeitig gesagt bekommen, welche Religion sie vorrangig kennenlernen müssen und welche Religion eben nicht so wichtig ist. Statt auf Dialog und gegenseitiges Kennenlernen von Anfang an zu setzen, setzen Sie auf Dominanz und Überheblichkeit.
Und jetzt sagen Sie mir: Ist Ihnen der Dialog denn gar nichts mehr wert? Ist Ihnen der Respekt vor den anderen denn gar nichts mehr wert? – Denn genau diesen Eindruck vermitteln Sie mit Ihrem Gesetz vom ersten bis zum letzten Artikel. Wie wirkt das Ihrer Meinung nach auf Menschen wie Aiman Mazyek, die sich integriert haben? – Ich sage Ihnen, wie das wirkt: Es wirkt spaltend; denn wer ausgrenzt, spaltet. Wer spaltet, schwächt unser Land, und Zusammenarbeit macht stark. Gemeinsam gewinnen wir.
Nein. Wir haben heute schon viel über frühkindliche Bildung gesprochen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber auch in dieser Dritten Lesung ist es notwendig, noch einmal kurz über Artikel 17a Absatz 6 zu sprechen. Sie selbst, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, haben diesen Artikel im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geändert. Diese Änderung erschließt sich uns nicht. Sie konnten uns auch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens keine schlüssige Erklärung liefern. Wir sind der Ansicht, Artikel 17a Absatz 6 ist total überflüssig und sollte gestrichen werden.