Protocol of the Session on December 8, 2016

Ich verstehe nicht, warum wir im Bayerischen Landtag eine Enquete-Kommission Integration eingerichtet haben, die eine Menge Geld, Zeit und Energie kostet, wenn wir vorab ein Gesetz verabschieden sollen, das angeblich alles regelt, was mit Integration zu tun hat. Dann hätten wir uns diese Enquete-Kommission sparen können. Dadurch wird eine solche Kommission vorgeführt und alles infrage gestellt, was solche Kommissionen normalerweise zu tun haben. Deshalb noch mal unser Appell: Gemeinsam gewinnen wir. Das ist unsere Chance für die Zukunft.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Danke schön. – Jetzt darf ich Frau Kollegin Petersen ans Rednerpult bitten. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Sengl hat völlig recht. Aber nicht nur dieser letzte Abschnitt, sondern der ganze Artikel 17a Absatz 5 ist überflüssig.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Das ganze Gesetz!)

Das ist das Beste, was man von diesem Artikel sagen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜ- NEN)

Es geht dabei um Änderungen im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz. Zum Teil sind es redaktionelle, zum Teil inhaltliche Änderungen. Artikel 2 Absatz 1 wird zum Beispiel um die Worte "und die Integrationsbemühungen von Migrantinnen und Migranten sowie die interkulturelle Kompetenz aller Schülerinnen und Schüler zu unterstützen" ergänzt. Begründet wird diese Änderung damit, dass die Schulen zur Verwirklichung der Integrationsziele besonders beitragen sollen. Man könnte denken, das tun die Schulen, weil Artikel 2 des Bayerischen Erziehungsund Unterrichtsgesetzes unter anderem lautet:

Die Schulen haben insbesondere die Aufgabe, … zu verantwortlichem Gebrauch der Freiheit, zu Toleranz, friedlicher Gesinnung und Achtung vor anderen Menschen zu erziehen, zur Anerkennung kultureller und religiöser Werte zu erziehen…

Was ist das bitte anderes als richtig verstandene Integration? – Aber möglicherweise ist das gar nicht das Verständnis der Staatsregierung von Integration. Dieser Verdacht hat bei der Beschäftigung mit diesem In

tegrationsgesetz schon mehrfach nahegelegen. Dass dem so ist, bestätigt sich auch hier wieder, weil, wie ich eben zitiert habe, die Integrationsbemühungen von Migrantinnen und Migranten unterstützt werden sollen. Es genügt also offensichtlich nicht, dass die Schulen die Jungen und Mädchen zu friedlicher Gesinnung und Achtung vor anderen Menschen sowie zur Anerkennung kultureller und religiöser Werte erziehen. Das wäre eine Begegnung auf Augenhöhe. Zu fordern, die Integrationsbemühungen von Migrantinnen und Migranten zu unterstützen, macht deutlich, dass Sie Integration als Einbahnstraße verstehen. Das ist nicht als Begegnung gleichwertiger Menschen, sondern so zu verstehen, dass sich die Migranten bei uns gefälligst integrieren sollen. Dieses Verständnis von Integration lehnen wir ab. Deshalb habe ich eben gesagt: Das Beste, was man dazu sagen kann, ist: Der ganze Artikel 17a Absatz 5 ist überflüssig.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass diese Integrationsleistung vor allen Dingen die Grundund Mittelschulen sowie die beruflichen Schulen zu erbringen haben. Wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen, dass es einen sogenannten Bildungscheck braucht, um festzustellen, welche Schule für welches Kind mit Migrationshintergrund geeignet ist. Dann würde diese Aufgabe gleichmäßiger verteilt und wären Realschulen und Gymnasien nicht von vornherein weitgehend außen vor, wie es derzeit der Fall ist.

Eine weitere inhaltliche Änderung, die Kollegin Sengl bereits angesprochen hat, betrifft die Aussetzung der Schulpflicht für Jugendliche, die in besonderen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht sind und eigentlich nur auf ihre Abschiebung vorbereitet werden sollen. Insofern hat die CSU einen Lichtblick gehabt und einen Änderungsantrag gestellt, sodass es auch dort eine Form von Unterricht geben soll. Dabei bleibt allerdings offen, wie qualifiziert und umfangreich dieser Unterricht sein wird, wie dort die Schulpflicht erfüllt werden soll, wie dieses schulische Angebot finanziell ausgestattet wird und ob dieser Unterricht bedarfsdeckend eingerichtet wird oder nicht.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Interessant ist in diesem Zusammenhang – so hat die CSU festgestellt –, dass sich die jugendlichen Migranten durch Diversität auszeichnen, dass Herkunft und Bleibeperspektive der schulpflichtigen Kinder sehr unterschiedlich sind, dass die jungen Menschen aus verschiedenen Ländern und anderen Kulturkreisen kommen und eine unterschiedliche schulische Vorbildung haben. Das ist durchaus eine wichtige Erkenntnis. Nur: Warum beschränken Sie sich auf die Schülerin

nen und Schüler dieser besonderen Aufnahmeeinrichtungen? – Das gilt für alle, die als Migranten zu uns kommen. Damit sind alle Schulen konfrontiert. Das heißt, dass Sie die Schulen für die Beschulung von Flüchtlingskindern deutlich besser ausstatten müssen und wesentlich bessere Konzepte als bisher brauchen. Das, was es bisher gibt, genügt bei Weitem nicht. Ich habe schon gesagt, Sie verstehen Integration offensichtlich als Einbahnstraße. Dieses Modell soll eine besondere Volksnähe zum Ausdruck bringen. Das haben Sie gestern – mittlerweile muss ich "gestern" sagen – bereits mehrfach bekundet.

Abgesehen davon, dass das Volk keineswegs so tickt, wie von Ihnen behauptet wird, verkennen Sie die Aufgabe von Parteien völlig. Sie sollen zwar, wie es Martin Luther einmal formuliert hat, dem Volk aufs Maul schauen, aber nicht nach dem Mund reden.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Bravo!)

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich komme gleich zum Ende.

Nein, sie ist zu Ende.

Darf ich den Satz noch beenden?

Ja, bitte.

Denn nach Artikel 21 des Grundgesetzes wirken Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Fordern Sie deswegen mit uns Zusammenhalt und Solidarität. Canceln Sie dieses Integrationsgesetz!

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich komme jetzt zur Abstimmung.

Vorweg ist über den Änderungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/13424 abzustimmen. Der federführende Ausschuss empfiehlt die Ablehnung. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Änderungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das sind die CSU-Fraktion und die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Zum Absatz 5 empfiehlt der federführende Ausschuss Zustimmung mit der Maßgabe von verschiedenen Änderungen. Im Einzelnen verweise ich auf die Nummer 9 d der Beschlussempfehlung. Wer dem Absatz 5 mit diesen Änderungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gegenstimmen! – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen! – Das ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Damit ist der Absatz 5 so beschlossen.

Ich komme nun zu den Abstimmungen über Artikel 17a Absätze 2 bis 4 zurück.

Vorweg ist über den Änderungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/13423 abzustimmen. Der federführende Ausschuss empfiehlt auch hier die Ablehnung. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Änderungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD, die FREIEN WÄHLER und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen! – CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Bei den Beratungen im federführenden Ausschuss wurde der Änderungsantrag gestellt, in den vorgenannten Ordnungen im jeweils anzufügenden Satz 2 die Wörter "nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer" zu streichen. Ich verweise auf die Nummer 9 a bis c der Beschlussempfehlung. Nun lasse ich darüber abstimmen.

Ich lasse zunächst über den Absatz 3 abstimmen. Das ist die Änderung der Landkreisordnung. Wer dem Absatz 3 mit dieser Änderung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSUFraktion. Gegenstimmen! – Das sind die SPD, die FREIEN WÄHLER und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist das so beschlossen.

Ich komme jetzt zu Absatz 4. Das ist die Änderung der Bezirksordnung. Wer dem Absatz 4 mit dieser Änderung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU. Gegenstimmen! – Das sind die SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen! – Das ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Dann ist das auch so beschlossen.

Ich komme zurück zu Absatz 2. Das ist die Änderung der Gemeindeordnung. Hier hat die SPD-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt. Die Urnen stehen bereit. Ich bitte, die Stimmkarten einzuwerfen. Drei Minuten, bitte.

(Namentliche Abstimmung von 01.46 bis 01.49 Uhr)

Kolleginnen und Kollegen, die Zeit ist um. Ich schließe die Abstimmung und bitte, die Karten draußen auszuzählen. Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, damit wir in der Sitzung fortfahren können.

(Unruhe)

Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

(Anhaltende Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich rufe auf:

Artikel 17a Änderung weiterer Rechtsvorschriften hier: Abs. 6 "Bayerisches Kinderbildungs- und betreuungsgesetz"

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Josef Zellmeier, Markus Blume u. a. (CSU) hier: Nummer 8 b (Drs. 17/13604)

Die Redezeit beträgt 24 Minuten. Jetzt hat Frau Kollegin Celina das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich vermisse Ihre detaillierte Erklärung schmerzlich, was Sie mit diesem Artikel regeln, das nicht schon längst im BayKiBiG geregelt ist. Die schriftliche Vorlage kann das nicht klären. Die Ministerin konnte es vorhin auch nicht erklären. Jetzt darf es von Ihnen keiner mehr erklären, weil keiner mehr reden darf. Derjenige, der noch reden darf, sollte besser still bleiben. Das haben wir vorhin alle feststellen können.

Liebe Kollegen von der CSU, Sie haben sich bei diesem Gesetz nicht nur mit den einzelnen Artikeln, sondern mit dem gesamten Gesetz vergaloppiert.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeord- neten Reinhold Bocklet (CSU))

Wissen Sie, woran ich dachte, als ich mich auf diese Debatte vorbereitete? – Ich dachte an das Chlorhühnchen. Das Chlorhühnchen wurde zum Symbol für ein TTIP, das die Bürger nicht wollten. Am Anfang hätte es vielleicht noch gereicht, sich in einzelnen Punkten auf die Opposition zuzubewegen, bevor das Handelsabkommen ganz und gar scheiterte.

Vielleicht hätte es vor ein paar Monaten gereicht, wenn Sie das unsägliche Wort "Leitkultur" gestrichen,

sich auf die Opposition zubewegt und wir ein gemeinsames Gesetz gemacht hätten. Das haben Sie verweigert. TTIP ist gescheitert, und dieses Leitkulturgesetz wird ebenfalls scheitern.