Protocol of the Session on October 18, 2016

Tatsächlich entsteht dieser Eindruck. Programmsätze wie "In Deutschland gilt das Grundgesetz und nicht die Scharia" nützen niemandem, bestimmt auch nicht dem Christentum. Stattdessen bauen Sie Vorurteile auf, schüren Ressentiments und vermitteln den Eindruck, als gebe es eine dunkle islamische Macht, die das Rechtssystem in Deutschland und das friedliche Zusammenleben gefährde. Dahinter steht auch der Gedanke, die 570.000 Muslime in Bayern seien Fremdkörper in unserem Land. Erzbischof Heße antwortete darauf: "Wer die christliche Prägung nur deshalb hochhält, um Menschen anderer Kulturen und Religionen fern zu halten, missbraucht und entwertet das Christentum."

(Beifall bei der SPD)

Als SPD sagen wir: Es ist nicht die Aufgabe des Staates oder einzelner Parteien, Kulturen und Religionen gegeneinander in Stellung zu bringen. Wir legen Wert auf gute Beziehungen der Religionen zueinander: gelebte Gemeinsamkeit, Begegnung, Teilhabe, Integration. Die Kirchen sind wichtige Partner des Staates. Dieser Meinung sind übrigens auch jene Abgeordnete in der SPD, die selbst keinen Gottesglauben haben. Ja, die Kirchen sind wichtige Partner des Staates und nicht Gegner. Ich kann auch keine Selbstvergessenheit der Kirchen erkennen, wie es Markus Blume, Vorsitzender der Grundsatzkommission der CSU, formuliert hat. Laut Markus Blume sei mit Blick auf die Toleranz der Kirchen eine gewisse Selbstvergessenheit der Kirchen zu erkennen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Religion wird in Bayern immer individueller und pluraler gelebt. Dieser religiöse Pluralismus ist mitunter anstrengend für die gesamte Gesellschaft. Damit diese Pluralität jedoch gelebt werden kann, sind Toleranz sowie Respekt und Anerkennung die notwendigen Voraussetzungen.

Deshalb fasse ich für meine Fraktion zusammen: Nutzen wir das starke kirchliche Engagement für Humanität und gesellschaftliches Miteinander gerade auch für die zentrale Herausforderung der Integration. Es gibt ein ethisches Fundament gelingender Demokratie – so nennt es der neue Leiter des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie in Tutzing, der Katholik Wolfgang Thierse. Tendenziell meint er damit gemeinsame Vorstellungen von Freiheit, von Inhalt und Umfang von Gerechtigkeit, von Werten, von Solidarität, von der Würde des Menschen und von der Integrität der Person. Dieses Fundament, so Wolfgang Thierse, müsse immer wieder neu erarbeitet werden. Es muss weitergegeben, vitalisiert, vorgelebt und erneuert werden. Diese Verantwortung tragen wir alle. Wir sollten sie gerade in aufgeheizten politischen Zeiten gemeinsam wahrnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Für die CSU-Fraktion darf ich Herrn Kollegen Zellmeier das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der heutigen Plenarsitzung hat es viele Gratulationen gegeben. Barbara Stamm feiert ihr 40-jähriges Jubiläum im Landtag. Hubert Aiwanger ist Vater geworden. Herr Rinderspacher, Sie haben gesagt, der Herr Ministerpräsident habe eine Wohlfühlrede gehalten. Eigentlich ist die Sitzung, bis Sie gekommen sind, gut verlaufen. Sie haben jedoch das Wohlgefühl, das dem Hause nicht

schadet, wieder zerstört. Der Titel der Aktuellen Stunde ist wieder auf Spaltung angelegt.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das ist wirklich traurig. Ihre politische Leistung liegt nur noch im Spalten.

(Florian von Brunn (SPD): Wer spaltet denn?)

Seien Sie doch einmal ehrlich: Sie haben keine vernünftigen Vorschläge.

(Beifall bei der CSU)

Sie bieten nichts Neues. Was tun Sie? – Sie versuchen, einen Keil zwischen uns und die Kirchen sowie andere wichtige gesellschaftliche Gruppen zu treiben. Ich verstehe nicht, warum Sie das tun. Eigentlich verstehe ich es schon: Sie wollen damit politisches Profil gewinnen. Sie wollen vor allem Stimmen gewinnen. Glauben Sie mir: Mit Spalten gewinnt man keine Stimmen. Das werden Sie sehr schnell merken.

(Widerspruch bei der SPD)

Im Übrigen ist der Vizekanzler, Ihr Parteivorsitzender, ein gutes Musterbeispiel. Herr Gabriel erwähnt zur richtigen Stunde, nämlich kurz vor der Wahl, das Wort "Obergrenze", das er vorher noch abgelehnt hat. Warum macht er das? – Damit will er zeigen, dass er für bestimmte Wähler, die er sonst ablehnt und als Pack bezeichnet, der Richtige ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, seien Sie doch einmal ehrlich: Sie liegen daneben. Sie liegen neben der Spur. Sie wissen nicht, was die Menschen im Lande bewegt, und versuchen, das zu übertünchen.

Für die CSU sind die Kirchen wichtige und entscheidende Ratgeber.

(Widerspruch bei der SPD)

Sie sind eine wichtige moralische Instanz.

(Bernhard Roos (SPD): Zuhören, Herr Kollege Zellmeier!)

Sie können zum sozialen Engagement viele gute Ratschläge geben. Übrigens werden wir viele Ratschläge aus der Anhörung zum Integrationsgesetz übernehmen. Wir werden einige Punkte in das Gesetz aufnehmen. Wir werden das Ehrenamt stärker hervorheben. Wir werden die Kommunen stärker berücksichtigen. Wir werden jedoch die Begriffe "christliches Abendland" und "Leitkultur" nicht aus dem Gesetz streichen. Meine Damen und Herren, wir dürfen uns nicht von

linksextremen oder rechtsextremen Kreisen diktieren lassen, was die Begriffe bedeuten.

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Wenn Sie die Begriffe "christliches Abendland" und "Leitkultur" verdammen, stimmen Sie in das Geschrei der extremen Linken ein.

(Widerspruch bei der SPD)

Damit stärken Sie auch das Geschäft der extremen Rechten, die diese Begriffe ebenfalls als Kampfbegriffe verwendet. Das ist eine Fehlentwicklung. Bitte hören Sie damit auf.

(Beifall bei der CSU)

Im Übrigen wissen Sie, dass Bayern am meisten für die Menschen, die in ihrer Not zu uns kommen, tut. Kein anderes Bundesland gibt neun Milliarden Euro in vier Jahren aus. Über 500 Millionen Euro sind allein in den Bereich Integration geflossen. Wir sind das Land der gelingenden Integration. Das ist auch im Sinne der Kirchen, die Integration fordern. Wir haben ein gemeinsames Ziel. Die Kirchen setzen etwas andere Akzente bei der Aufnahme von Flüchtlingen im Sinne einer Obergrenze als wir. Wir können nicht alles, was die Kirchen sagen, übernehmen. Das haben Sie doch auch nicht getan. Ich denke daran, wie SPD und GRÜNE mit den Kirchen um das Thema Lebensschutz gekämpft haben. Damals haben Sie nicht alles nachgebetet, was Ihnen gesagt wurde. Sie haben Ihre Meinung vertreten; wir vertreten unsere.

Im Übrigen hat bei den Kirchen in den vergangenen Monaten ein Wandel eingesetzt. Auch deren Vertreter betonen mittlerweile, dass eine unbegrenzte Aufnahme nicht möglich ist – so, wie auch Sie von der SPD es jetzt anerkennen.

(Margit Wild (SPD): Das ist aber aus dem Zusammenhang gerissen!)

Es hat lange gedauert, bis Sie zu dieser Erkenntnis gekommen sind.

Zustände wie am LAGeSo in Berlin oder wie in Nordrhein-Westfalen, wo Menschen monatelang in Hallen, die als Notunterkünfte dienen, leben müssen, gibt es in Bayern nicht. Wir haben hier humanitäre Standards gesetzt. Dafür sind wir übrigens auch vom badenwürttembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann gelobt worden, der uns für die Versorgung der Flüchtlinge die Note 1 attestiert hat. Er hat zudem anerkannt, dass man angesichts der Aufnahme von 200.000 Menschen nicht von "Abschottung" sprechen dürfe. Das ist vielmehr eine sehr hohe Zahl, wenn

man bedenkt, dass wir vor 10 Jahren nur 20.000 Flüchtlinge pro Jahr aufgenommen haben.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Bayern ist das Land der gelingenden Integration. Bayern gehört zu den Ländern, die in den vergangenen 20 Jahren die höchste Zuwanderung verzeichnet haben. Was ist der Grund dafür? –Die Menschen kommen nicht trotz, sondern wegen der Politik der CSU aus anderen Bundesländern, aus dem übrigen Europa, ja aus der ganzen Welt nach Bayern. Die Menschen kommen hierher, weil die CSU gute Politik macht. Das müssen auch Sie von der Opposition anerkennen. Das ist wirklich so.

Lassen Sie mich, bevor mir die Redezeit ausgeht, noch etwas zu der Anhörung zum Integrationsgesetz sagen: Wenn ich die Stellungnahme des Vertreters der Evangelischen Kirche Dr. Oechslen lese, der bezweifelt hat, dass die Burka ein Zeichen der Unterdrückung ist – lesen Sie nach, was er gesagt hat! –, und wenn ich die Stellungnahme von Professor Funke lese, der gesagt hat, er habe schon mit der Vorgabe "freiheitliche demokratische Grundordnung" ein Problem, dann stellt sich schon die Frage, ob die Experten richtig ausgewählt worden waren. Wer glaubt denn ernsthaft, dass die Burka aus freier Wahl getragen wird? – Die Burka ist natürlich Zeichen eines patriarchalischen, eines rückständigen Systems. Diese Stellungnahmen hat Markus Blume zu Recht gekontert. – Damit will ich aufhören, meine Damen und Herren.

(Alexandra Hiersemann (SPD): Das ist ja unfassbar! Sie sind absolut unfassbar!)

Haben Sie es gehört? Waren Sie da?

(Alexandra Hiersemann (SPD): Ja, ich war da! )

Lesen Sie es nach! Ich habe es dabei. Schauen Sie es sich doch einmal an! Es ist ein Skandal, was da gelaufen ist.

Herr Kollege, die Redezeit!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Jetzt für die Fraktion der FREIEN WÄHLER: Herr Kollege Meyer. Er ist schon bereit. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist

genau das eingetreten, was ich vermeiden wollte. Lassen Sie mich vorweg eines feststellen: Ich möchte mich an dieser Stelle gerade nicht an einer Diskussion darüber beteiligen, welche Gruppierung in diesem Haus die Bezeichnung "christlich" verdient oder nicht, wer christlicher ist als die anderen, wer spaltet oder nicht spaltet. Ich finde das nicht gut, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Die Situation ist einfach zu ernst für parteipolitisches Geplänkel. Eine derartige Diskussion würde dem eigentlichen Problem auch nicht gerecht.

Natürlich ist es die derzeitige Kritik offizieller Kirchenvertreter am Verhalten einiger Parteipolitiker in der Tat wert, dass man auch in diesem Haus einmal darüber spricht. Worum geht es? – Bereits im Mai kritisierte Landesbischof Bedford-Strohm den Ministerpräsidenten, der das "Ende der Willkommenskultur" begrüßt hatte. Der Landesbischof kritisierte diese Aussage ungewöhnlich hart und forderte eine Klarstellung. Sowohl Kardinal Marx als auch der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick mahnten die CSU zur Verfassungstreue. Herabwürdigungen oder Verletzungen der Menschenwürde dürften Christen nicht stehen lassen. Erzbischof Schick wörtlich: "Ich will, dass alle, und besonders natürlich die, die ein C im Namen führen, sich auch entsprechend verhalten."

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Die Betonung liegt auf "alle". Die Mahnung trifft nicht eine Partei, auch wenn sie sich als explizit christliche besonders angesprochen fühlen sollte. Es geht um unser aller Werte und Wertvorstellungen. Darauf kommt es an. Insoweit müssen wir endlich eine gemeinsame Linie finden.

Die CSU fordert eine "Leitkultur" ein. Damit sind wir wieder mitten in der Diskussion über das Integrationsgesetz. Die "Leitkultur" ist als Begriff da. Ich habe mit Interesse festgestellt, dass bei 15 Sachverständigen 16 oder 17 Interpretationen des Begriffs "Leitkultur" herausgekommen sind. Wenn man diesen Begriff schon bemüht, dann sollte man sich dessen bewusst sein, dass die Leitkultur nicht allein Spracherwerb und Brauchtum umfasst. Unserer abendländischen Kultur liegen zuallererst die christlichen Werte der Verantwortung für unsere Mitmenschen zugrunde. Das ist unsere Leitkultur. Um diese geht es.