Protocol of the Session on October 13, 2016

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Herr Unterländer, danke für die Wertschätzung, die Sie den Frauen in den Familien entgegengebracht haben. Als in meiner Familie die Kinder noch klein waren, mussten wir alles allein schaffen, und wir haben es geschafft. Das ist gar nicht so lange her. Ich freue mich über Ihren Dank. Das gelang garantiert ohne Hilfe der CSU. Ich bin eine dieser Mütter.

Ich weiß nicht, wie wir vorankommen sollen, ohne auch in der Wirtschaft mehr Forderungen zu stellen. Ich weiß auch nicht, warum wir feiern sollen, wenn Sie von der CSU jede Kleinigkeit, die Familien, Mütter und Kinder entlastet, ablehnen. Ich bitte Sie, Ihre Hände zur Unterstützung der Familien zu heben und nicht nur die Augen zuzuhalten. – Danke schön.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD – Lachen bei der CSU)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Celina von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Unterländer, nach all dem Eigenlob der CSU wünsche

ich mir, dass Sie noch einmal richtig hinschauen. Bayern ist nicht so einheitlich und eintönig, wie Sie es beschrieben haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bayern ist vielfältig, Bayern ist bunt. Familien in Bayern sind so unterschiedlich wie die bunten Flicken auf einer Patchworkdecke. Diese bunten Flicken sehen Sie bei Ihrem verklärten Blick durch die rosarote Brille natürlich nicht.

In Ihrer Rede haben Sie die Familien, von denen ich jetzt reden will, nicht einmal erwähnt. Sie sehen nicht, dass viele Familien in Bayern eben nicht von den Vorzügen der schönen weiß-blauen Welt profitieren und sich in dem Bild, das Sie gezeichnet haben, überhaupt nicht wiederfinden. Es gibt nach wie vor zu viele arme Familien. Armut äußert sich nicht allein darin, dass sich die Familie keinen Urlaub oder kein neues Auto leisten kann. Armut birgt auch Krankheitsrisiken. Wer arm ist, stirbt fünf bis zehn Jahre früher als die Menschen im Durchschnitt, auch im reichen Bayern!

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Herr Unterländer, das, was Sie so wortreich als bayerische familienpolitische Maßnahmen beschrieben haben, kommt bei diesen Familien kaum an. Diese Familien sind nicht in Ihrem Fokus; Sie haben sie aus Ihrem Blick verloren. Stattdessen bedienen Sie mit Betreuungsgeld und Steuererleichterungen diejenigen, die es oft gar nicht brauchen. Sie machen Politik vorbei an gesellschaftlichen Gruppen, die zwar auf Bayerns Straßen, aber nicht im Blickfeld der CSU sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben zum Beispiel die Alleinerziehenden aus dem Blick verloren, die Frauen und Männer, die auf den Unterhalt des Ex-Partners für die gemeinsamen Kinder angewiesen sind und die ihre Miete kaum zahlen können, wenn der Unterhalt wieder einmal ausbleibt. Statt des kurzfristigen Betreuungsgeldes bräuchten sie die Sicherheit, dass der Staat auch längerfristig einspringt, wenn die Unterhaltszahlungen ausbleiben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Stattdessen haben Sie sich dafür gelobt, dass in Bayern, verglichen mit anderen Bundesländern, prozentual weniger Kinder von Armut betroffen seien. Aber in Bayern lebten im Jahr 2015 über 7.000 Kinder und Jugendliche mehr in einem armen Haushalt als noch vor fünf Jahren. Dass in einem reichen Bundesland wie Bayern, das wirtschaftlich konstant wächst, die

Zahl der armen Kinder und Familien zunimmt, haben Sie nicht verhindern können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin, wenn Sie dazu gefragt werden, dann antworten Sie meistens, dass aufgrund der guten Arbeitsmarktchancen die Ausgangslage für Familien, sich selbst zu ernähren, günstig sei. Dieser Hinweis hilft vielen armen Familien eben nicht. Wer alleinerziehend ist und mehrere Kinder hat, für die er oder sie auch im Krankheitsfall sorgen muss und für die es manchmal keine bedarfsgerechten oder finanzierbaren Betreuungsmöglichkeiten vor Ort gibt, der ist auf dem Arbeitsmarkt schlicht nicht gefragt und hat damit kaum die Möglichkeit, Vollzeit oder gar im Schichtbetrieb zu arbeiten. Wer keine gute Ausbildung hat, ist auf dem Arbeitsmarkt nicht gefragt. Dagegen hilft Ihr CSU-Betreuungsgeld kein bisschen. Im Gegenteil, es verstetigt die Armut der Frauen bis ins Alter hinein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer arm ist und Kinder hat, der wird im reichen Bayern auch im Alter arm bleiben. Wer Kinder hat und sich vom Partner trennen will, der findet keine bezahlbare Wohnung. Oft gibt es nicht einmal einen Platz im Frauenhaus. Aber auch hier leben Familien mit Kindern. Auch hier leben Menschen mit Brüchen in der Biographie, die sich weit weg von der Bilderbuchfamilienwelt bewegen und denen Sie kaum Angebote machen. Genau diese Familien, fernab von dem glänzenden Familienland Bayern, existieren eben auch und brauchen Hilfe: die junge Frau, die mehrere Kinder hat, aber keine Arbeit und keine stabile Beziehung, die Familie, in der der Mann, der sonst als Einziger erwerbstätig ist, arbeitslos geworden ist, die Familie, die aufgrund von Brüchen im Leben, Pech, falschen Entscheidungen oder Krankheit nicht wieder allein auf die Beine kommt, die keinen reichen Onkel hat, der sie mitziehen kann, weil jeder in dieser Familie arm aufgewachsen und arm geblieben ist. Diese Familien brauchen basisnah niederschwellige Hilfen. Sie brauchen Prävention und Bildung. Wer keine Arbeit hat, hat das Gefühl, nicht gebraucht zu werden. Zu Arbeitslosigkeit kommen Geldsorgen, Eheprobleme und Konflikte mit den Kindern, aber eben auch Isolation und das Gefühl, in der Gesellschaft keine Stimme zu haben. Es folgen Perspektivlosigkeit, Angst vor der Zukunft und Angst vor Ausgrenzung, die Scham, nicht teilhaben zu können an der Gesellschaft, und schließlich Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck, Sucht. Das ist eine Ansammlung von Risikofaktoren, die schwere Krankheiten wie Schlaganfall, Krebs und Herzinfarkt begünstigen und die ursächlich für die deutlich geringere Lebenserwartung der Armen in der Gesellschaft sind.

Armut macht nicht automatisch krank, aber sie hat Folgen für die Gesundheit. Überall auf der Welt, auch im reichen Bayern, gilt die Regel: Wer arm ist, wird eher krank und stirbt früher. Menschen werden krank, weil sie arm sind, und sie werden arm, weil sie krank sind. Um diesen Kreislauf zu beenden, brauchen wir mehr als Geld für Bilderbuchfamilien und mehr als Steuererleichterungen für diejenigen, denen es gut geht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen hier ein ganz anderes Konzept als das, das Sie dargestellt haben. Wir brauchen eine Gesundheitsförderung, die viel niedrigschwelliger ist. Das Stichwort für diese Gesundheitsförderung heißt Empowerment. Das bedeutet, der Stempel "Arm, abgehängt und asozial" muss von der Stirn herunter, vor allem bei den Kindern. Bei den Maßnahmen, die Sie vorgestellt haben, kommt der Begriff Empowerment nur am Rande vor mit der Folge, dass diese Familien noch lange am Rande der Gesellschaft bleiben werden. Sie mögen Ihre familienpolitischen Maßnahmen gut meinen, aber gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Schorer-Dremel von der CSU das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Kinder und ihre Familien finden im Freistaat Bayern so gute Lebensbedingungen wie in keinem anderen Bundesland.

(Beifall bei der CSU)

Wir stärken alle Familien. Wir sind für alle Familienformen in Bayern da, mit Partner, Kindern, Enkeln und Großeltern. Bayern ist und bleibt das familienfreundlichste Land. Wir steigern die staatlichen Ausgaben für die Familien und sorgen für echte Wahlfreiheit. Allein in den Jahren 2015 und 2016 unterstützten wir bayerische Familien mit rund drei Milliarden Euro. Die bayerische Familienpolitik basiert auf drei wichtigen Komponenten, die sich gegenseitig sinnvoll ergänzen und den bayerischen Familien eine individuelle Lebensplanung ermöglichen.

Die erste Komponente sind höchste Investitionen in die Kinderbetreuung und die größte Dynamik beim Krippenausbau. Kein Land hat mehr Geld in den Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren investiert als Bayern. Seit 2008 waren es rund 1,4 Mil

liarden Euro. Mittlerweile gibt es im Freistaat Bayern mehr als 110.000 Betreuungsplätze. Durch das Kinderbildungsgesetz ist es uns gelungen, die Situation der Familien weiter zu verbessern und eine staatliche Förderung auf den Weg zu bringen, unabhängig von der Art der Einrichtung, also für staatliche, private und betriebliche Einrichtungen.

Durch das Kinderbildungsgesetz werden die Betreuungsangebote für Kinder im ländlichen Raum gestärkt. Für kleine Einrichtungen wurde eine Sonderförderung beschlossen. Außerdem wird die Betreuung von Schulkindern in Kitas ermöglicht. Als ehemalige Schulleiterin freut mich das besonders, weil ich eine solche Kita aufgebaut habe. Für das letzte Kindergartenjahr wurde ein monatlicher Beitragszuschuss auf den Weg gebracht. Mit der Stärkung der Kindertagespflege wurde eine echte Alternative zur Kinderkrippe geschaffen. An dieser Stelle möchte ich unserer Sozialministerin Emilia Müller ein herzliches Dankeschön aussprechen.

(Beifall bei der CSU)

Zur zweiten Komponente: Bayerische Familien erhalten auch künftig ein Landesbetreuungsgeld. Ich möchte nur ganz kurz sagen: Bayern hat als einziges Bundesland die Wahlfreiheit eingeführt. Das Betreuungsgeld ist vor allem für Familien mit vielen Kindern eine willkommene Unterstützung. Dies bestätigt auch der Verband kinderreicher Familien in Bayern. Gerade junge Eltern haben den Wunsch, sich in den ersten Jahren nach der Geburt ihrer Kinder selbst um deren Erziehung zu kümmern. 75 % der jungen Eltern nehmen das bayerische Betreuungsgeld in Anspruch. Auch meine Kinder werden demnächst in den Genuss dieser Leistung kommen.

Zur dritten Komponente: Das Landeserziehungsgeld ist bundesweit die höchste Leistung zur Unterstützung von Familien. Wir haben im Jahr 2015 75 Millionen Euro in das bayerische Landeserziehungsgeld investiert. Das muss uns im Bund erst einmal einer nachmachen.

(Beifall bei der CSU)

Damit unterstützen wir vor allem Familien mit niedrigem Einkommen und senken das Armutsrisiko junger Familien und damit auch alleinerziehender Mütter. Für knapp 90 % der Alleinerziehenden ist das Landeserziehungsgeld ein wichtiger Beitrag zum Haushaltsbudget. Es erleichtert für 75 % der Eltern die Betreuung ihrer Kinder zu Hause. Solche Fakten sollten an diesem Tag auch einmal genannt werden.

(Beifall bei der CSU)

Zusätzlich zu diesem Drei-Säulen-Modell bietet der Freistaat Bayern seinen Familien ein deutschlandweit einzigartiges Netz an Beratungs-, Hilfs-, und Informationsangeboten, zum Beispiel mit Erziehungsberatungsstellen oder Familienstützpunkten. Dabei sind besonders die koordinierenden Kinderschutzstellen hervorzuheben, die als Vorreiter für das Bundeskinderschutzgesetz dienten. Durch den Aufbau eines regelrechten Netzwerks von Kliniken, Ärzten, Hebammen, Beratungsstellen, Polizei, Jugendamt und Justiz wird vor allem sozial und wirtschaftlich schwachen Familien mit Säuglingen und Kleinkindern geholfen. Die Kinderkommission hat bereits im Januar 2015 einen Vertreter eingeladen und sich über dieses Thema Gedanken gemacht. Gleichzeitig möchte ich hier die verpflichtende Früherkennungsuntersuchung, die Schuleingangsuntersuchung sowie die Kinderschutzambulanz in München nennen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die große Mehrheit der Kinder und Familien in Bayern lebt in guten Verhältnissen. Dies ist auch auf die äußerst niedrigen Arbeitslosenzahlen zurückzuführen, die Bayern Monat für Monat und Jahr für Jahr vorweisen kann. Dennoch muss ein Sozialstaat Maßnahmen ergreifen, um Eltern bei materieller Bedürftigkeit zu unterstützen. Bayern hat die niedrigste Quote von Kindern unter 18 Jahren in Familien, die Leistungen nach dem SGB II beziehen. Während deutschlandweit 14,7 % aller Kinder in Familien, die Hartz-IV beziehen, aufwachsen – in Nordrhein-Westfalen sind es sogar 18,6 % und in Berlin traurige 32 % –, sind es in Bayern mit 6,2 % die wenigsten Kinder. Nichtsdestoweniger ist der Wert immer noch zu hoch. Wir müssen daran arbeiten.

Aber, sehr geehrte Frau Rauscher, in Bayern konzentriert sich die Kinderarmut auf Großstädte und Problemviertel. Darüber sollten einmal die Sozialdemokraten nachdenken, die dort die Regierungsverantwortung tragen.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD)

Wir werden weiterhin dafür sorgen, dass Bayern das familienfreundlichste Land bleibt. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU – Doris Rauscher (SPD): Sie haben die Kommunen alleine gelassen!)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Vogel von der CSU das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon etwas über die Art und Weise

erschüttert, wie vonseiten der Opposition über Bayern und über die Lebenswirklichkeit der Menschen in unserem Land gesprochen wird.

(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Wie über die CSU gesprochen wird! Das ist die Wahrheit!)

Mich wundert es überhaupt nicht mehr, dass die SPD bei 16 oder 17 % liegt. Sie geben einfach die Lebenswirklichkeit der Menschen in unserem Land überhaupt nicht mehr wieder.

(Beifall bei der CSU)

Bei allen statistischen Daten, die zum Beispiel zur Kinderarmut und zu den Sozialhilfeempfängern erhoben werden, hat sich gezeigt: Nirgendwo in Deutschland sind die Lebensperspektiven der Menschen besser als in Bayern. Nirgendwo!