Das gilt umso mehr angesichts der Tatsache, dass die Zahlen zunehmen und nicht abnehmen. Sie rühmen sich immer, bundesweit die höchsten Investitionen in die Kinderbetreuung vorzunehmen. Auch da lohnt sich ein Blick ins Detail.
In Bayern fehlen bei einer Betreuungsquote von lediglich 27,2 % nach wie vor rund 20.000 Krippenplätze, um den Bedarf in Höhe von 41 % zu decken. Das ist die Realität, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Hier geht es in der Debatte doch nicht darum, die Lufthoheit über Kinderbetten zu erringen. Das ist Realität.
Trotz aller Anstrengungen beim Kita-Ausbau ist es den jungen Eltern nach wie vor nicht möglich, einen Krippenplatz zu ergattern. Das gilt übrigens nicht nur für die Großstädte. Im Bundesvergleich liegt Bayern beim frühkindlichen Bildungsangebot für Kinder unter drei Jahren auf dem drittletzten Platz. Bei den Dreibis Sechsjährigen belegt der Freistaat gerade einmal Platz 11. Dabei wälzen Sie die sehr hohen Betriebskosten und die Verantwortung auf die Kommunen ab.
Auch bei der Qualität der Kitas ist Bayern alles andere als Spitzenreiter. Ja, die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher steigt; aber trotzdem fehlen laut Bertelsmann Stiftung aktuell gut 8.800 Vollzeitkräfte. Spitzenreiter sind wir also auch in diesem Bereich nicht. Sie sagen, dass kein Land bei der Kindertagesbetreuung besser sei. Ganz offensichtlich sind sogar viele Bundesländer besser als Bayern.
dächtnis rufen. Die Eltern in Bayern sind eben nicht alle rundherum glücklich und zufrieden, wenn sie danach gefragt werden, wie gut sich beide Lebensbereiche vereinbaren lassen. Jüngst gaben weniger als 15 % der Mütter und Väter bei einer Befragung durch die Friedrich-Ebert-Stiftung an, dass sich Familie und Beruf leicht vereinbaren lassen. Für uns als SPD ist das ein erschreckender Wert. Es ist leider nach wie vor so – daran wird deutlich, dass zu wenig getan wird –, dass vor allem Mütter nicht in dem Maße arbeiten können, wie sie sich das heutzutage wünschen, weil es oftmals an der nötigen Flexibilität oder an einer verlässlichen Betreuungsstruktur fehlt. Immer noch gibt es nicht genügend Anlaufstellen für Familien. Herr Unterländer, reine Absichtserklärungen reichen hierbei nicht aus.
Die Familien brauchen Anlaufstellen, wo sie sich niedrigschwellig, unkompliziert und wohnortnah mit ihren Fragen und Sorgen an professionelle Helfer wenden können. Es gibt in gerade einmal 15 bayerischen Kommunen Familienstützpunkte mit solchen Angeboten. Alle anderen gehen bisher leer aus.
Bei den Pflegestützpunkten sieht es nicht besser aus. Wer in Bayern als pflegender Angehöriger Unterstützung braucht, muss sich auf eine lange Suche begeben; denn lediglich in neun Städten und Gemeinden finden sich hierzu Ansprechpartner, obwohl für Bayern 60 Pflegestützpunkte versprochen waren. Ja, es gibt Anlauf- und Beratungsstellen. Aber sie sind auf der Landkarte wirklich mit der Lupe zu suchen. Das ist keine Unterstützung für Familien, sondern vielmehr eine Zumutung, die sich übrigens leicht beheben ließe, wenn Sie endlich einmal unseren Anträgen zustimmen würden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU.
Angesichts dieser Diskrepanz muss ich sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen, hören Sie doch bitte auf, Augenwischerei zu betreiben; denn Bayern ist nicht das Familienvorzeigeland Nummer eins, das Sie heute hier zu skizzieren versuchen.
Aber Bayern hätte durchaus das Potenzial dazu, wenn der Freistaat endlich die Weichen richtig stellen würde.
Sie haben vorhin gesagt, Bayern sei das einzige Land, das Familien mit gleich zwei Landesleistungen unterstützt. Das geschieht offenbar frei nach dem Motto: "Viel hilft viel". Ich kann Ihnen aber sagen: Es hilft eben leider nichts, wenn es nicht das ist, was sich Familien hier in Bayern wirklich wünschen. Die Zeiten, in denen sich Familien einzig und allein Familienleistungen in Euro und Cent wünschten, sind auch in Bayern längst vorbei. Mütter und Väter wünschen sich heute nämlich viel mehr und anderes. 55 % der Frauen und sogar 58 % der Männer in Bayern zwischen 18 und 40 Jahren haben in einer Studie zu den Lebensentwürfen junger Menschen in Bayern angegeben, dass sie einen gelungenen Ausgleich zwischen Beruf und Familie anstreben, ohne einen der beiden Bereiche vernachlässigen zu müssen. Gewünscht ist also ein Nebeneinander der Lebensbereiche, kein Hintereinander, wie wir das hier in unserem Land traditionell kennen. Betreuungsgeld wird übrigens oftmals nur als Übergangsgeld genommen, weil Krippenplätze in Bayern nach wie vor Mangelware sind. Gewünscht ist auch eine partnerschaftliche Aufgabenteilung, bei der Arbeitszeit genauso wie bei der Kinderbetreuung und der Hausarbeit. Ein guter Ansatz hierbei ist übrigens die geplante Familienarbeitszeit von 30 Stunden, wie sie unsere Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig einbringen wird.
Damit Bayern wirklich das Familienland schlechthin wird, sind endlich eine moderne Familienpolitik und – ja, Herr Unterländer – ein wirklich bunter Strauß an Maßnahmen erforderlich.
Außerdem ist eine Qualitätsoffensive in unseren Kitas erforderlich. Sie brauchen mehr Personal und mehr Zeit für die Arbeit am Kind. Bildung muss von null Jahren bis zum Ende der Bildungszeit kostenfrei sein.
Wir brauchen im Bereich der Jugendhilfe Präventionsketten. Das hat vergangene Woche sogar der Deutsche Kinderschutzbund angemahnt. Sie haben unseren Antrag hierzu im Bayerischen Landtag abgelehnt.
Wir brauchen flexiblere Öffnungszeiten und einen Rechtsanspruch auf Ganztagsangebote an den Schulen, damit alle Mütter und Väter so arbeiten können, wie sie es für ihre Familie benötigen. Die Arbeitswelt muss noch freundlicher werden, damit der Spagat zwischen Beruf und Familie gelingen kann und etwas leichter wird. Außerdem brauchen wir Chancengleichheit am Arbeitsmarkt und natürlich endlich den gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
Außerdem ist bezahlbarer Wohnraum für Familien erforderlich, vor allem in den Ballungsgebieten. Das und noch einiges mehr ist nötig, damit auch in Bayern eine moderne Familienpolitik Einzug halten kann, in der sich wirklich alle Familien und alle Familienformen wiederfinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, öffnen Sie sich bitte der Lebenswirklichkeit bayerischer Familien und unterstützen Sie die Familien mit einer Neuorientierung familienpolitischer Leistungen, und zwar an den richtigen Stellen.
Nur so kann eine zeitgemäße und moderne Familienpolitik, wie sie sich die Familien heute wünschen, gelingen. Genau dafür setzt sich die Landtagsfraktion der SPD ein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann wird Bayern tatsächlich das Familienland Nummer eins sein und nicht mehr wie derzeit mehr Schein als Sein.
Herr Unterländer, ich habe noch ein paar Sekunden. Sie sagten vorher: Hände weg von der Politik. Vielleicht wäre es bei Ihren familienpolitischen Maßnahmen wirklich manchmal sinnvoll, wenn die Familien in Bayern die Hände von Ihrer Politik lassen würden.
Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat die Frau Kollegin Schmidt von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wertes Präsidium! Herr Unterländer, es gilt: Hände hin an die Familienpolitik! Familien müssen gestützt werden. Familien müssen unterstützt werden. Im Moment haben wir Kitas, Betreuungsgeld, Steuererleichterungen, Kindergeld und Pflegezeiten. Familienpolitik in Deutschland besteht aus mehr als 150 Maßnahmen, die meistens sehr bürokratisch zu erlangen sind. Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie sich hier feiern. Alleine die Vereinbarkeit von Familie und Beruf funktioniert zumindest bei den meisten Frauen gar nicht.
Das möchte ich so weitergeben. Anscheinend sehen wir da alle keinen Grund zum Feiern. Familienpolitik
ist auch Frauenpolitik. Die Hauptlast liegt noch immer auf den Frauen, ganz besonders, wenn es nach Ihren Wünschen geht.
Das Kindergeld ist um zwei Euro pro Monat erhöht worden. Ist das vielleicht eine große Leistung der Großen Koalition? Diese Erhöhung folgt dem Gießkannenprinzip. Daran haben auch Sie von der CSU mitgewirkt. Die Kindergelderhöhung durch Schwarz-Rot ist ein schlechter Witz. Die CSU ist daran beteiligt. Man muss ehrlicherweise hinzufügen, dass die Familienpolitik in Deutschland ohne die CSU vielleicht schon weiter wäre, wie Kollegin Rauscher zu Recht gesagt hat.
(Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Ha, ha, ha! – Kerstin Schreyer (CSU): Woher wollen Sie das denn wissen?)
Die CSU hängt immer noch dem klassischen Leitbild der Hausfrauenehe an: Die Frau ist daheim und kümmert sich um die Kinder.
Ihre Schwesterpartei ist da viel weiter und hat wenigstens den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz eingeführt. Das war Ihre Schwesterpartei. Ich bitte Sie! Sie haben dann doch zugestimmt.
Ich erinnere daran, dass ursprünglich ein Bundesbetreuungsgeld geplant war. Herr Unterländer, es sollte zunächst kein rein bayerisches Betreuungsgeld werden. Es ist ersichtlich, dass es nicht bundesweit eingeführt worden ist. Es war kein Exportschlager, sondern bundesweit schlichtweg ein Ladenhüter. Wir sind die Einzigen, die ein Betreuungsgeld zahlen.
Mit diesen 100 Millionen Euro könnten wir für unsere Familien vor Ort wirklich Gutes erreichen. Eine Möglichkeit wäre der Ausbau der Angebote zur Ganztagsbetreuung. Wir könnten auch Ausbildung und Arbeit in Teilzeit für junge Mütter besser fördern. Im Moment stehen dafür nicht einmal 100.000 Euro pro Regierungsbezirk zur Verfügung, was traurig ist. Sie von der CSU lehnen auch kleine Maßnahmen ab, etwa zur Beratung und Unterstützung von Familien mit schwerstkranken Kindern. Mit vielen kleinen Maßnahmen könnten wir Familien in akuten Situationen entlasten. Dazu gehört auch das "Netzwerk Familienpaten Bayern". Dafür gibt es seit vielen Jahren keine
Erhöhung der Mittel; die letzte erfolgte vor 12 Jahren! In diesem Netzwerk zeigen Menschen bürgerschaftliches Engagement, indem sie in prekären Situationen einspringen. Dies gilt es besser zu unterstützen.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung, der man bestimmt nicht SPD-Nähe vorwerfen kann, hat festgestellt, dass Bayern in der Familienpolitik nicht zu den Spitzenreitern gehört. Die Bertelsmann Stiftung hat eine ähnliche Feststellung getroffen. Hat das jemand von der CSU gelesen? Ich jedenfalls weiß nicht, was wir heute feiern sollen.
Wir Frauen haben sicherlich etwas erreicht. Wir stehen nicht mehr alle daheim. Viele sind berufstätig. Die meisten Männer wollen sich mehr beteiligen; das ist ihr persönlicher Wunsch. Wir Frauen kämpfen für die Durchgängigkeit der Karriere, was auch Ausdruck von Familienpolitik ist. Aber wir könnten, wie Kollegin Rauscher schon gesagt hat, viel besser sein. Warum sind Sie von der CSU mit diesem leichten Anstieg schon zufrieden? Warum streben Sie nicht ein "Bergfest" an?
Wir müssen auch ältere Menschen unterstützen, um Familien zu entlasten. Ich nenne einige Stichworte: Fahrdienste im ländlichen Raum, ambulante Betreuung stärken, Mehrgenerationenhäuser.