Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Gottstein das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Um in dem Beispiel zu bleiben: Herr Lederer, im Prinzip bieten Sie mit Ihrem Beilagensalat jetzt genau die Wahlfreiheit an, wenn auch in einer abgespeckten Form – dieses Bild passt nun allerdings nicht –, also in einer anderen Form. Wir FREIEN WÄHLER lassen uns den Vorwurf aber nicht gefallen. Die FREIEN WÄHLER haben, seit sie in diesem Landtag sind, also seit 2008, ganz klar dafür gekämpft, dass Änderungen vorgenommen werden, weil die stümperhafte Einführung und Durchführung des G 8 nicht das Gelbe vom Ei war. Wir waren von Anfang an, all die Jahre hindurch, in dieser Richtung aktiv. Das beweist das Volksbegehren, bei dem sich immerhin über 300.000 Leute für die Wahlfreiheit ausgesprochen haben. Es gibt nun einmal Schüler, die die schnelle Form wollen, und noch mehr Schüler, die die langsamere Form wollen. Es fällt Ihnen doch kein Zacken aus der Krone, wenn Sie eingestehen, dass Sie jetzt die Wahlfreiheit durch die Hintertüre in Form der Mittelstufe Plus eingeführt haben. Das wollten wir letztendlich.
Das ist eine Wahlfreiheit, wenn auch in einer etwas anderen Form, als wir uns das vorgestellt haben. Sie trägt aber der Tatsache Rechnung, dass es Schüler und Eltern gibt, die verschiedene Geschwindigkeiten der gymnasialen Bildung wollen.
Herr Kollege Güll, Sie haben vorhin gesagt, man muss die Fachleute fragen. Die Fachleute sind für uns, die FREIEN WÄHLER, aber immer noch die Schüler und die Eltern, also die Betroffenen, und nicht die Verbände.
Ich erkenne in der Argumentation der SPD, auch in ihrem Dringlichkeitsantrag, einen Widerspruch. Sie sagen, es gibt eine klare Mehrheitsentscheidung: 60 % wollen die längere Form in den Modellschulen, 40 % hingegen wollen das nicht. Man kann auch von einem Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel sprechen. Das ist sicher eine Mehrheitsentscheidung. In diesem Bereich können wir aber doch nicht sagen, wir lassen die 30 %, die nach wie vor das G 8 wollen, unter den Tisch fallen. Vor zwei Wochen haben Sie bei der Ganztagsschule genau andersherum argumentiert. Da haben Sie gesagt, auch wenn nur eine Mutter oder eine Familie die Ganztagsbetreuung will, dann können wir das nicht mit der Mehrheitsentscheidung ablehnen, sondern dann müssen wir ihnen das zugestehen. So ist es doch auch hier. Wir haben ein klares Bekenntnis, von ungefähr zwei Dritteln der Betroffenen, die mehr Zeit wollen. Ein Drittel will ganz klar die bisherige rasche Form. Dieses Drittel meint, dass das ihrer Begabung und den Möglichkeiten in einer urbanen Gesellschaft – ich nenne beispielsweise den Nahverkehr – besser entspricht. Setzen Sie diesen Weg bitte nach wie vor fort, und zwar in einer optimierten Weise.
Ich bin Herrn Kollegen Kreuzer – er ist im Moment nicht da – sehr dankbar, dass er im "Donaukurier" ganz klar gesagt hat, dass eine Rückkehr zum reinen G 9 vom Tisch ist. Wir FREIEN WÄHLER interpretieren das ganz klar als ein Eingeständnis für eine künftige Wahlfreiheit. Wenn Sie die Wahlfreiheit nur in der Mittelstufe anbieten, dann können wir über Verbesserungsvorschläge reden. Solche Vorschläge vermisse ich aber bei Ihnen, Herr Kollege Lederer. Sie sagen nicht, man könnte darüber reden, dass beispielsweise die zweite Fremdsprache wieder in die Mittelstufe kommt. Dann wäre nämlich die Stofffülle in der 5. und der 6. Jahrgangsstufe entzerrt. Dann hätten wir auch eine langsamere Gangart. Wir haben auch keine Vor
schläge dazu gehört, wie man den mittleren Schulabschluss in der Mittelstufe Plus organisieren könnte. Sie haben aber angedeutet, dass Sie in dieser Richtung weiterarbeiten werden. Sie argumentieren immer damit, Sie könnten nicht jetzt entscheiden, weil Sie noch eine solide Evaluierung abwarten wollen.
Wenn Sie eine solide Evaluierung wollen, müssten Sie die vier Jahre des Modellversuchs abwarten. Es geht um die Mittelstufe Plus, die auf der einen Seite drei Jahre und auf der anderen Seite vier Jahre bedeutet. Dann müssen Sie den Versuch bis zum Ende abwarten. Solide zu evaluieren heißt nicht, eine Kabinettssitzung abzuhalten und dann zu entscheiden. Die Zeit läuft Ihnen davon. Sie sollten sich Ihrem Kollegen Kreuzer und Ihrem Ministerpräsidenten anschließen, die sagen: Jetzt fällt die Entscheidung.
Ich habe in den Redebeiträgen ein Wort vermisst, nämlich das Wort "Pubertät". Die Pubertät ist ein Argument für die Sinnhaftigkeit der Mittelstufe Plus. Die Pubertät ist eine kritische Zeit. Manche erinnern sich noch an ihre eigene Pubertät, manche haben leider in der Jugend gar keine durchlebt und leben sie später aus. Schülerinnen und Schülern in dieser Zeit die Wahl zwischen einem längeren und einem kürzeren Weg anbieten zu können, ist sicherlich sinnvoll. Wir freuen uns, dass die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 kommen und bleiben wird. Sie können mir nicht vormachen, dass Sie das vom Tisch wischen. An den 47 Pilotschulen funktioniert das Modell nämlich. Sie erklären eigentlich immer nur, wie es nicht geht.
Je schneller der Beschluss kommt, desto besser. Die Wahlfreiheit ist möglich; dafür haben wir die ganze Zeit gekämpft.
Frau Kollegin, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Der Kollege Gehring hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. – Bitte schön, Herr Kollege Gehring.
(Vom Redner nicht auto- risiert) Frau Kollegin Gottstein, ich meine, jetzt ist der Zeitpunkt, grundsätzlich über die Gestalt des zukünftigen Gymnasiums nachzudenken. Ich gehe davon aus, dass das zukünftige Gymnasium von neun Jahren her gedacht ist, zugleich aber Optionen für eine Verkürzung der Gymnasialzeit bietet.
Ich habe vorhin gesagt, wir würden dem ersten Teil des Antrags der FREIEN WÄHLER zustimmen. Nach Ihrer Rede – das muss ich sagen – kann ich das leider nicht mehr tun. Sie propagieren wahllos die verschiedenen Modelle – Wahlfreiheit, Mittelstufe Plus. Modellvielfalt kann gut sein. Ein Weg in die Beliebigkeit ist aber kein guter Weg. Ich hoffe, wir kommen zu einem breiteren und besseren Diskurs über die Zukunft des Gymnasiums. Nach Ihrem Beitrag kann ich Ihrem Antrag leider nicht mehr zustimmen.
Wir sehen das Gymnasium nicht in die Beliebigkeit fallen. Wir haben von Anfang an für beide Möglichkeiten gekämpft. Wir haben uns von Anfang an keine Beschränkung auf die Mittelstufe vorgestellt. Das sage ich ganz klar. Kollege Piazolo hat das mit dem Bild vom Fisch und vom Fleisch deutlich erklärt; er ist dann beim Salat gelandet. Ein Gymnasium, das in dieser kritischen Phase differenziert, ist immer noch besser als ein Gymnasium, das gar nicht differenziert.
Herr Kollege Gehring, zu Ihrem Hinweis – das steht auch in Ihrem Dringlichkeitsantrag –, man könne dann ja auch acht Jahre machen, muss ich feststellen: Sie unterschätzen unserer Meinung nach völlig das Bedürfnis von Schülern und Schülerinnen, in einem Klassenverband zu sein. Das Überspringen von Klassen heißt immer, dass sich der Betreffende von seinem Umfeld trennen muss. Eine Trennung erfolgt ohnehin nach der sechsten Klasse aufgrund der Wahl verschiedener Fächergruppen. Einen Schnelldurchgang außerhalb eines Klassenverbandes lehnen wir ab.
Die SPD hat zu unserem Antrag um zweigeteilte Abstimmung gebeten. Wir bitten darum, über die beiden Punkte unseres Dringlichkeitsantrags getrennt abzustimmen.
Danke schön, Frau Kollegin. – Jetzt hat noch einmal Herr Kollege Güll von der SPD das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, ich muss hier ein paar Dinge klarstellen.
Lieber Herr Kollege Lederer, es ist nicht so, dass die Opposition immer eine Einheit ist; es kann durchaus unterschiedliche Auffassungen geben. Ich finde, es wird nichts besser, wenn Sie noch dreimal sagen, dass die Oppositionsfraktionen keine einheitliche Meinung hätten. Die SPD hat eine klare Auffassung; sie deckt sich mit der Auffassung der GRÜNEN. Unsere Auffassung muss sich aber beileibe nicht mit der Auffassung der FREIEN WÄHLER decken. Das ist auch nicht unser Auftrag, sondern unser Auftrag ist, eine klare Politik zu machen und eine klare Haltung zu zeigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Wahlfreiheit ist es so eine Sache. Das Verhältnis von 60 % zu 40 % oder von 70 % zu 30 % von Befürwortern und Gegnern der Mittelstufe Plus ist nicht repräsentativ; denn nur die Eltern bzw. Schüler in der Mittelstufe Plus hatten die Möglichkeit, sich zu entscheiden. Daneben war noch das Regulativ eingebaut, dass eine Regelklasse im G-8-Zug dabei sein musste. Also haben die Schulleiter entsprechend beraten. Das will ich gar nicht kritisieren. Wäre das frei gewesen, sähe das Verhältnis vermutlich ganz anders aus.
Viel entscheidender ist, glaube ich, die Frage: Wollen die Schülerinnen und Schüler, die Eltern – ich sage auch deutlich: und die Lehrer – eine längere Bildungszeit? – Ich meine, durch Umfragen ist bewiesen, dass es so ist. Wenn Sie die Vertreter der Verbände nicht mehr als Fachleute, nicht mehr als Schulpraktiker ansehen wollen, ist das schon bemerkenswert. Ich bin gespannt, welche Reaktion wir darauf bekommen werden. Das sind die Vertreter der Lehrkräfte, die sich in ihren Verbandszeitschriften zu Wort melden. Also kann man sie auch zitieren.
Herr Kollege Piazolo, auch wir wollen die Eigenverantwortlichkeit, aber doch keine Beliebigkeit in der Struktur. Das kann es nicht sein. In der Ausgestaltung kann man Eigenverantwortlichkeit zulassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Politik hat zu entscheiden. Wir hier im Parlament geben die Grundstruktur vor. Wir schreiben Gesetze und sagen, wie es im Gesetz steht, in welcher Grundstruktur. Die Ausgestaltung – damit habe ich kein Problem – sollen die Fachleute, die Wissenschaftler, die Schulpraktiker machen. Wir geben unsere Ideen dazu. Wir können uns aber doch nicht vor der Frage nach dem Aussehen der Grundstruktur des Gymnasiums drücken. Diese Frage müssen wir hier klar und eindeutig beantworten. Das soll auf der Basis eines neunjährigen Gymnasiums passieren.
Zum Schluss noch eine kleine Geschichte: Was wäre, wenn Sie Ihre Meinung jetzt ändern würden – nur einmal angenommen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU? Es soll auch schon in der katholischen Kirche vorgekommen sein, dass man Irrtümer eingesehen und etwas geändert hat. In Sankt Quirin, diesem schönen geistlichen Ort, wäre es doch wunderbar, sich daran ein Beispiel zu nehmen und Irrtümer einzugestehen. Das wäre politische Stärke. Machen Sie das, und kommen Sie zu einem vernünftigen Ergebnis!
Dagegen habe ich überhaupt nichts. Ehrlicherweise müssten Sie zugeben: Nicht wir haben den Dialogprozess damals abgebrochen, sondern Sie in Kloster Banz. Sie haben irgendetwas nach draußen gegeben, und wir mussten nach dem Motto "Vogel, friss oder stirb!" damit umgehen. Was jetzt auf dem Tisch liegt, ist unbefriedigend; die Menschen wollen das einfach nicht. Die Menschen wollen von uns eine klare politische Ansage. Wir sagen, wir brauchen eine G-9Grundstruktur mit dem Veränderungspotenzial, das ich vorher genannt habe. Das steht heute hier zur Abstimmung.