Die Mittelstufe Plus ist ein Modell, das nicht in der Fläche ausdehnbar ist. Es funktioniert vor Ort nicht, erfordert einen hohen Organisationaufwand und bringt Mehrkosten, die man in eine bessere Pädagogik stecken könnte. Die Mittelstufe Plus führt auch nicht zu einer inhaltlichen Verbesserung der pädagogischen Arbeit an den Schulen. Die Mittelstufe Plus wird nachgefragt, und die Nachfragequoten der Schülerinnen und Schüler und der Eltern liegen bei 60 % und höher.
Das bedeutet, die Eltern fragen nicht nach der Mittelstufe Plus, sondern wollen eine längere Lernzeit für das Gymnasium. Das ist Tatsache.
Wir können uns in diesem Fall nicht wie der Kultusminister verhalten, der eine Politik nach dem Prinzip des Muddling-Through, zu Deutsch des Durchwurstelns, betreibt. Wir brauchen jetzt ein Innehalten und eine klare Ansage, wie es weitergehen soll. Für uns ist ganz klar: Wir brauchen beim Thema Gymnasium einen Neubeginn. Die Entwicklung muss in Richtung eines G 9 neu gehen.
Wir müssen das Gymnasium von neun Jahren her denken. Wir brauchen eine pädagogische Reform des Gymnasiums. Dabei geht es nicht um das alte G 9 und auch nicht um eine Rückkehr zur alten "Paukschule". Wir brauchen ein reformiertes neunjähriges Gymnasium mit der Option, dieses Gymnasium auch in acht Jahren durchlaufen zu können.
Was sind die Eckpunkte und die Ziele unseres Dringlichkeitsantrags? – Die Schülerinnen und Schüler brauchen Zeit: Sie brauchen Zeit für Substanz und für substanzielle Arbeit. Sie brauchen ein Gymnasium, das Zeit und Raum lässt, statt permanent Druck zu machen, wie das im heutigen G 8 der Fall ist; denn die Schülerinnen und Schüler werden dadurch demotiviert. Am Gymnasium müssen nachhaltiges Wissen und Können gefördert werden. Die Schülerinnen und Schüler brauchen Zeit, aber nicht für mehr Stoff. Inhalte, die aus den Lehrplänen herausgenommen worden sind, sollen nicht wieder in die Lehrpläne reinkommen. Vielmehr sollen die Schülerinnen und Schüler Zeit haben, um das Gelernte zu vertiefen, zu üben und zu reflektieren. Das eigentliche Ziel eines Gymnasiums ist es schließlich, das eigene Nachdenken zu befördern. Dieses eigene Nachdenken braucht manchmal Zeit. Die Schülerinnen und Schüler brauchen Zeit, um das eigene Nachdenken zu üben.
Außerdem muss das Gymnasium weitaus mehr Anwendungsbezüge herstellen, als das heute der Fall ist. Das Gelernte muss auch einmal in der Praxis erprobt werden. Es schadet nicht, wenn ein Abiturient später einmal die Fläche eines Fliesenbodens in Quadratmetern berechnen kann, wenn er ein neues Badezimmer einrichten will. Mein Eindruck ist, dass die Schülerinnen und Schüler dies am Gymnasium momentan nicht lernen. Des Weiteren muss am Gymnasium mehr Zeit für die Berufs- oder Studienorientierung aufgewandt werden. Ich sage ganz klar: Dabei geht es sowohl um die Studienorientierung als auch um den Weg der Schülerinnen und Schüler in die
Wir brauchen eine Reform dieses Gymnasiums. Es geht nicht einfach darum, die Ausbildungszeit und die Inhalte der Lehrpläne von acht auf neun Jahre zu strecken. Die Lehrpläne müssen noch einmal überarbeitet werden. Wir müssen prüfen, ob der Stoff zum richtigen Zeitpunkt vermittelt wird. So könnte die Mittelstufe entlastet werden. Wir brauchen außerdem eine neue Fremdsprachenfolge. Die Vermittlung der zweiten Fremdsprache ab der sechsten Klasse erweist sich für viele Schülerinnen und Schüler als große Hürde. Wir müssen deswegen die zweite Fremdsprache wieder ab der siebten Jahrgangsstufe einführen, wie das bisher der Fall war.
Wir brauchen eine Lehrplanreform. Die Schülerinnen und Schüler sollen die Mittlere Reife künftig wieder ab der zehnten Jahrgangsstufe erhalten. Sie müssen die Option erhalten, schneller voranzugehen und die elfte Jahrgangsstufe entweder zu überspringen oder für ein Auslandsjahr zu verwenden. Wir müssen die Oberstufe reformieren und Schwerpunktbildungen ermöglichen, wie der Philologenverband vor Kurzem gefordert hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben jetzt noch keinen Wahlkampf. Deshalb haben wir die Chance, vielleicht zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Wir könnten eine solche Lösung fraktionsübergreifend und unter Einbeziehung der Verbände erreichen und Eckpunkte für ein neues G 9 formulieren. Wir sollten uns dabei momentan nicht an Kleinigkeiten oder an Begrifflichkeiten aufhalten. Deswegen werden die GRÜNEN den Dringlichkeitsanträgen der SPD und der FREIEN WÄHLER zustimmen. Allerdings glaube ich, dass sich die FW-Fraktion noch einmal überlegen müsste, wie sie sich klar positionieren kann und welche Wortwahl die richtige ist, wenn es um das zukünftige Gymnasium geht. Ich glaube, wir müssen jetzt gemeinsam vorangehen.
Ich möchte noch einen letzten Satz zum zweiten Teil des Dringlichkeitsantrags der FW-Fraktion sagen: Die "Flucht" der Schülerinnen und Schüler aus Bayern in andere Bundesländer beschäftigt mich schon lange. Zum ersten Mal liegen dazu nun Zahlen vor, auch dank der Initiative des Lindauer Oberbürgermeisters. Ich stelle fest, dies ist nicht nur ein Thema des Gymnasiums. Die Schülerinnen und Schüler gehen nicht nur wegen des Gymnasiums nach Baden-Württemberg und erhalten dort gute Abschlüsse. Dieses Thema betrifft auch die Mittelschulen und die Realschulen. Diese "Flucht" ist auch auf das fehlende An
gebot der Gemeinschaftsschulen zurückzuführen, die es in Baden-Württemberg, aber nicht in Bayern gibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, unserem Dringlichkeitsantrag zuzustimmen. Ich bitte Sie, sich dieses Themas anzunehmen und nicht an einem G 8 festzuhalten, das so nicht funktioniert. Verabschieden Sie sich endlich von dieser Mittelstufe Plus, und nutzen Sie die Chance für einen Aufschlag zu einem reformierten G 9.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Professor Dr. Piazolo das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir FREIEN WÄHLER haben die bayerische Bildungslandschaft bewegt. Seitdem wir im Jahr 2012 für das bayerische Gymnasium die Wahlfreiheit zwischen dem G 8 und dem G 9 proklamiert haben, wurden von den anderen drei Fraktionen innerhalb von vier Jahren neun verschiedene Modelle entwickelt. Ich möchte sie Ihnen einmal in aller Kürze vorstellen:
Die CSU trat im Jahr 2013 für ein G 8 pur ein. Ministerpräsident Seehofer sagte in seiner Regierungserklärung: Wir wollen Ruhe am Gymnasium. Im Jahr 2014 hat Herr Dr. Spaenle die Flexistufe eingeführt. Im Jahr 2015 folgte die Mittelstufe Plus. Das sind drei verschiedene Ansätze, trotz der Ruhe.
Die SPD trat im Jahr 2012 mit einem Dringlichkeitsantrag für ein G 8 mit flexibler Oberstufe ein. Im Jahr 2013, ein Jahr später, forderte sie ein Gymnasium mit zwei Geschwindigkeiten. Heute, 2016, fordert die SPD eine Rückkehr mit Variationen zum G 9. Das sind wiederum drei Ansätze.
Die GRÜNEN forderten im Jahr 2013 ein G 8 mit weniger Druck. Im Jahr 2014 forderten die GRÜNEN eine eigenverantwortliche Oberstufe. Im Jahr 2016 wollten die GRÜNEN, dass das G 9 neu aufgesetzt werden soll. Das sind insgesamt neun verschiedene Ideen in vier Jahren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Einzigen, die in dieser Zeit Linie gehalten haben, sind die FREIEN WÄHLER mit ihrem Modell "Wahlfreiheit".
Zumindest haben wir die anderen Fraktionen und die bayerische Bildungslandschaft in Bewegung gebracht.
Im Moment wollen 60 % der Eltern, die Kinder in der Mittelstufe Plus haben, einen neunjährigen Zug. 40 % der Eltern wollen einen achtjährigen Zug. Das bedeutet, die Eltern wollen Wahlfreiheit. Die Eltern wollen das, was auch die FREIEN WÄHLER wollen. Deshalb ist das auch sinnvoll.
Unser Grundsatz lautet: Mehr Zeit. Hier sind wir uns mit der SPD und den GRÜNEN einig. Wir wollen aber auch mehr Individualität. Das Gymnasium soll nicht für alle gleich sein. Wichtig ist, dass dem Elternwillen und dem Kindeswohl Rechnung getragen wird. Bei einem Abiturienten-Anteil von 40 % bedeutet das, dass das Gymnasium variabel und individuell gestaltet werden muss. Wir müssen deshalb sorgfältig auf die Unterschiede zwischen Stadt und Land und auf die Unterschiede der einzelnen Züge eingehen. Die Lerngeschwindigkeit der Kinder ist unterschiedlich. Diese Geschwindigkeit bleibt in den neun Jahren nicht gleich. Jeder weiß, in der Pubertät und in der Zeit vor der Pubertät lernen die Kinder mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten.
Wir wollen auch eine größere Eigenverantwortlichkeit vor Ort. Wir trauen den Schulen zu, dass sie selbst entscheiden, in welche Richtung sie gehen wollen. Diese Entscheidung kann auch in den Bildungsregionen und in den Landkreisen getroffen werden. Das muss nicht alles vom Kultusministerium zentral entschieden werden. In München, am Salvatorplatz, weiß man nicht unbedingt, was in der Oberpfalz, in Oberfranken oder irgendwo sonst gut ist. Das wissen die Menschen vor Ort besser.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen pädagogisch einige Punkte neu aufstellen und neu denken. In diesem Punkt stimmen wir mit den beiden anderen Dringlichkeitsanträgen überein. Ich glaube, angesichts der vielen unterschiedlichen Schülerinnen und Schüler und der unterschiedlichen Familien benötigen wir eine Differenzierung am Gymnasium. Die Wahlfreiheit ist daher der richtige Weg. Die Mittelstufe Plus ging in eine bestimmte Richtung. Dieser Weg wurde erst vor Kurzem beendet.
Die CSU hat untereinander Diskussionsbedarf. Deshalb geht sie jetzt auch nach Sankt Quirin. Das ist ganz gut. Dort kann man sich einschließen. Dort weht
vielleicht ein religiöser Geist. Vielleicht tut sich dann etwas. Da kommen dann die Kreuzers, die Waschlers, die Lederers, die Seehofers und alle miteinander zusammen. Vielleicht kommt an diesem Abend dann etwas Vernünftiges heraus, ein Schritt, mit dem man aus den Klostermauern herauskommt, sodass vielleicht auch alle anderen sagen können: Ja, da ist der Heilige Geist über uns gekommen. Darauf hoffen wir und dafür beten wir.
Lest vorher einfach noch einmal den Antrag der FREIEN WÄHLER durch. Wenn ihr dem Geist nicht vertraut, dann vertraut ihr vielleicht den Buchstaben, und dann wird die Debatte vielleicht auf einen guten Weg gebracht. Kindeswohl und Elternwille sind die entscheidenden Stichworte.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Lederer von der CSU-Fraktion das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr interessant, was die Vertreter der Opposition alles wissen. Sie wissen, wer in Sankt Quirin dabei sein wird. Herr Kollege Piazolo, ich wusste gar nicht, dass ich dorthin fahren werde. Jetzt habe ich es gerade von Ihnen erfahren.
Die SPD weiß sogar, was dort beschlossen wird: In ihrem Antrag steht bereits, was in Sankt Quirin beschlossen werden wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vorhin habe ich den Vorwurf gehört, die CSU habe keinen Plan. Doch, wir haben einen Plan! Ich habe Ihnen den Plan hier schon viele Male erklärt. Welch ein Wunder! – Wieder einmal ist, wie schon viele Male in der Vergangenheit, das Thema Gymnasium vonseiten der Opposition aufgerufen worden. Wieder einmal zeigt sich, dass die Opposition zu diesem Thema keine einheitliche Meinung hat. Herr Piazolo, ich werde aufzeigen, dass
Wir können hierzu Folgendes festhalten: Wir hatten im Jahr 2014, denke ich, einen Bildungsdialog angestrengt; Kultusminister Spaenle war hier sehr aktiv. Am Ende dieses Bildungsdialogs hat die CSU ein Konzept vorgeschlagen. Alle anderen Fraktionen des Landtags haben während des Bildungsdialogs Gesetzentwürfe eingebracht, um diesen Dialog frühzeitig zu beenden. Das ist meine Erklärung dafür; ansonsten habe ich leider keine.
Wir wollten den Dialogprozess zu Ende führen und am Ende – nach der Methode: zuhören, verstehen und umsetzen – ein Konzept auf den Weg bringen. Wir haben damals in Banz ein Konzept mit vier Säulen beschlossen, mit dem LehrplanPLUS, der Lehrerbildung, der zeitgemäßen Gymnasialpädagogik und der individuellen Lernzeit. Innerhalb der vierten Säule ist ein Teilaspekt die Mittelstufe Plus.
Wir hatten über das Konzept noch nicht einmal im Plenum diskutiert, da hatte bereits jede Oppositionsfraktion eine Pressemeldung veröffentlicht, in der zu lesen war: Die Mittelstufe Plus ist eine Sackgasse, Murks, Note mangelhaft, Sitzenbleiber-Klasse, usw.