All das steht in unserem Entwurf für ein Integrationsund Partizipationsgesetz. Darin geben wir klare Integrationsziele vor und verankern das Recht auf schulische Bildung für alle Kinder, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Bildung ist ein Kinderrecht, und daran darf nicht gerüttelt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Land ist vielfältig. Wir haben verschiedenste Traditionen, wir haben unterschiedliche Bräuche; wir leben und wir lieben so, wie wir es für richtig halten: in einer klassischen Ehe mit Kindern, ohne Kinder, alleinerziehend, gleichgeschlechtlich oder heterosexuell. Wir sind christlich, muslimisch, jüdisch oder haben überhaupt keine Religion. Menschen sind unterschiedlich, aber was uns eint, sind die Werte, die in unserer Verfassung festgeschrieben sind: das gleiche Recht auf Würde und persönliche Freiheit, Gleichberechtigung, Rechtsstaatlichkeit, gegenseitiger Respekt, die Ermöglichung von Vielfalt, das Füreinander, das Miteinander – das ist der Wertekern unserer Gesellschaft.
Tradition und Religion sind für viele Menschen Teile ihrer persönlichen Identität und haben deshalb auch einen wichtigen Platz in ihrem Leben. Wer aber glaubt, dass eine bestimmte Tradition oder Religion einer anderen überlegen ist, wer glaubt, den Menschen vorschreiben zu können, wie sie ihr Leben führen sollen, höhlt genau diesen Wertekern aus,
so wie Sie von der CSU es mit Ihrem Leitkult unter Anleitung der Hohepriester Kreuzer und Seehofer machen: Sie tanzen um diesen Leitkult herum wie um ein Goldenes Kalb – das ging schon einmal fürchterlich schief. Ihr Leitkult ist auch der wesentliche Grund, warum Ihr Gesetz ein Spaltungsgesetz und kein Integrationsgesetz ist. Sie können selbst nicht einmal sagen, was Leitkult sein soll, aber alle sollen sich ihm unterordnen: die Zugewanderten, die Urbayern, die Kindergärten und Schulen, die Medien und die Justiz. Sie wollen Bevormundung statt Selbstbestimmung, und das ist nicht das, was unsere Verfassung vorsieht. Sie höhlen damit unseren demokratischen Wertekern aus.
Das ist nicht demokratisch, das ist autoritär. Ihr Leitkult schafft eine Aufteilung in Menschen erster und zweiter Klasse. Sie befinden sich mit Ihrem Gesetzentwurf auf einem demokratischen Irrweg. Deshalb fordern wir Sie auf: Ziehen Sie ihn zurück, überantworten Sie ihn dem Papierkorb! Setzen wir uns zusammen; lassen Sie uns ein Integrationsgesetz für das 21. Jahrhundert schaffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vordergründig sieht es so aus, als würde das Integrationsgesetz darüber entscheiden, wie die Eingewanderten in unserer Gesellschaft leben. Das ist ein Irrtum. Ein Gesetz, das wir hier beschließen, hat Folgen für uns alle, für jeden von uns und das gesamte Land. Sie wollen für alle verbindlich festlegen, was "normal" ist, und alle anderen sollen sich daran anpassen oder wenigstens nicht weiter auffallen. Genau das ist Ihr Leitkult. Sie wollen in Wirklichkeit zurück in die miefigen und spießigen 50er-Jahre, weil Sie im Kern die gesellschaftliche Emanzipation der 60er- und 70er-Jahre nie wirklich akzeptiert haben.
Man hat das Gefühl, dass es nur so staubt, wenn man Ihren Gesetzentwurf durchblättert, und dass als Nächstes die Sittenpolizei an der Tür klopft. Sie wollen keine aufgeklärte und vielfältige Gesellschaft, Sie wollen Einheit durch Einfalt. Die moderne, aufgeklärte und weltoffene Gesellschaft von heute braucht aber etwas anderes. Sie braucht Einheit in der Vielfalt, und genau das finden Sie in unserem Gesetzentwurf.
Vielen Dank. – Ich eröffne jetzt die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Vereinbarung im Ältestenrat 48 Minuten: 16 für die CSU, 12 für die SPD und jeweils 10 für die FREIEN WÄHLER und die GRÜNEN.
Für die SPD-Fraktion darf ich jetzt Herrn Kollegen Rinderspacher das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Verehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Der heute zu diskutierende Gesetzentwurf der CSU ist keineswegs so freundlich und
Der CDU-Politiker Heiner Geißler hat vor wenigen Tagen der CSU vorgehalten, dass sie Stichwortgeber für die Rechtspopulisten sei. Tatsächlich debattieren wir heute über einen CSU-Gesetzentwurf, der aus der Feder von Frauke Petry, Beatrix von Storch oder Björn Höcke stammen könnte.
Herr Seehofer hat erst vor einigen Wochen das Ende der Willkommenskultur feierlich besiegelt. Das war ein Schlag ins Gesicht vieler Ehrenamtlicher in unserem Land, und es ist bezeichnend, wenn sich ein sich christlich nennender Politiker über das Ende von Gastfreundschaft, Barmherzigkeit und Nächstenliebe in unserem Land freut. Die Spitzen der katholischen und der evangelischen Kirche Bayerns haben sich vom Ministerpräsidenten deutlich distanziert. Die Entfremdung der Kirchen in Bayern von der sich christlich nennenden Partei ist unübersehbar. Heute, meine Damen und Herren, besiegeln die Nationalkonservativen Bayerns das Ende ihres Integrationswillens und den Einstieg in eine autoritäre Gesetzgebung der Ausgrenzung und der Abgrenzung. Der Tenor Ihres Gesetzentwurfs lautet: Vorsicht vor Ausländern! – Ihr Gesetzentwurf schürt Ängste. Sie heizen mit diesem Text das gesellschaftliche Klima auf, anstatt auf das Miteinander in unserer Gesellschaft zu setzen.
Tatsächlich ist man beim genaueren Lesen Ihres Gesetzentwurfs überrascht, welche Bevölkerungsgruppen Sie mit Ihrem Leitdiktat behelligen wollen. Es geht nicht nur um die Flüchtlinge. Seit 70 Jahren pflegen wir gute partnerschaftliche Kontakte zu unseren amerikanischen Freunden, aber – das müssen Sie sich einmal vorstellen – die amerikanische Generalkonsulin Jennifer Gavito und ihre Mitarbeiter müssen sich nach Artikel 17a Ihres Gesetzentwurfs beim Schwimmbadbesuch in Bayern künftig zunächst beim Bademeister anmelden, bevor sie ins Schwimmbad dürfen, oder Ähnliches, wenn sie Zutritt zu anderen öffentlichen Einrichtungen haben möchten. So heißt es in Artikel 17a Ihres Gesetzentwurfs:
Die Zulassung nicht freizügigkeitsberechtiger Ausländer kann von einer vorherigen Belehrung und dem ausdrücklichen Anerkenntnis der bestehenden Vorschriften abhängig gemacht werden.
In Ihrem Gesetzentwurf ermächtigen Sie die Kommunen in Bayern, künftig an den Eingängen zu Schwimmbädern Schilder aufzuhängen "Amerikaner und Türken – Zutritt erst nach ausdrücklicher Genehmigung!"
Meine Damen und Herren, liebe CSU: Wie müssen sich die 50.000 in Bayern lebenden Amerikaner dabei fühlen? Was müssen die 700.000 Touristen aus den Vereinigten Staaten von Amerika denken, wenn sie am Schwimmbadeingang künftig erst eine demokratische Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen müssen? – Wir sprechen von Amerikanern in jenem Bayern, das deren Väter und Großväter vom Nationalsozialismus befreit haben. Sie haben uns Demokratie und den Rechtsstaat gebracht, meine Damen und Herren.
Ich bin seit 2008 Mitglied des Hohen Hauses und hätte es niemals für möglich gehalten, dass die CSU diskriminierende Sonderregeln für Ausländer schafft. Das ist beschämend! Die CSU nimmt eine Aufteilung vor in Menschen erster Güte und Menschen zweiter Güte, in Ausländer erster Klasse, Ausländer zweiter Klasse und Ausländer dritter Klasse. – Ich rufe von hier aus unseren amerikanischen und türkischen Freundinnen und Freunden in Bayern zu: Die CSUGesetzgebung ist gerade mit Blick auf Artikel 17a des Gesetzentwurfs eine rechtspopulistische, instinktlose Entgleisung einer Partei, die in dem Wahn, die AfD rechts überholen zu wollen, jede politische Orientierung verloren hat. Die Amerikaner, die Türken und all die anderen Nicht-EU-Ausländer sind in unserem Land herzlich willkommen!
Aber Sie wollen nicht nur Migranten auf die Leitkultur verpflichten. Es gibt ein weiteres Beispiel für den Geist, den Ihr Gesetzentwurf atmet. Nach den Angriffen des CSU-Parteivorsitzenden und seines Generalsekretärs auf einzelne Journalisten, auf das ZDF und verschiedene andere Medien ist es mehr als eine Randbemerkung, dass Sie von der CSU in Artikel 10 des Gesetzentwurfs den Rundfunk künftig auf Ihren parteipolitischen Kampfbegriff "Leitkultur" verpflichten wollen. Die Freiheit der Presse und die Freiheit des Rundfunks benötigen jedoch weder eine Orientierungsvorgabe aus der Mottenkiste der CSU noch vertragen sie diese. Die CSU drückt damit ihre Erwartungshaltung aus, die Landtagskorrespondenten sollten lieber über Großmutters oberpfälzische Kochrezepte der Fünfzigerjahre berichten als über das,
Einen weiteren Vorhalt muss ich Ihnen machen. Ihr Gesetzentwurf ist unbayerisch, unfränkisch, unschwäbisch; denn Bayern war, ist und bleibt ein Vielvölkerstaat, ein buntes Land, das seinen geistigen und kulturellen Reichtum aus der Vielfalt gewinnt, nicht aus der Einfalt. Bayern – das sind 12,7 Millionen Menschen mit 12,7 Millionen Geschichten. Sie pressen jede Familie, jedes Stadtviertel, jeden Straßenzug, jeden Landstrich zunächst einmal durch Ihre Einheitsschablone der CSU-Leitkultur. Die Menschen im Freistaat – davon bin ich überzeugt – lassen sich aber nicht auf einen angebrannten Einheitsbrei reduzieren, der viel zu lange im schwarzen Kochtopf geköchelt hat; denn genau danach schmeckt Ihre Leitkultur.
Integration ist eine Kraft der Ermöglichung. Sie soll Chancen schaffen und nicht verhindern. Integration soll Zugehörigkeit und Teilhabe ermöglichen. Es geht um frühkindliche Bildung, um all das, was Frau Kollegin Bause heute schon dargestellt hat. Wir begrüßen den Gesetzentwurf der GRÜNEN.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, Ihr Gesetzentwurf ist nicht nur der Abschied an die Willkommenskultur, den Horst Seehofer so stürmisch begrüßt hat. Er ist auch ein Abgesang auf Einigkeit und Recht und Freiheit. Sie spalten die Gesellschaft, statt sie zu einen. Sie beschädigen den inneren Frieden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie biegen das Recht in Richtung Ihres parteipolitischen Kampfbegriffs "Leitkultur" zulasten der Freiheit und der politischen Vernunft.
Auch wir fordern Sie auf: Ziehen Sie diesen Entwurf zurück und arbeiten Sie mit den anderen Fraktionen im Bayerischen Landtag zusammen, um einen Gesetzentwurf des 21. Jahrhunderts auf den Weg zu bringen!
Es darf in dieser Form nicht Realität werden; ich habe zwei, drei Beispiele genannt, warum. Wenn die AfD auch in Bayern auf dem Vormarsch ist, wie manche Beobachter analysieren, dann macht sich die CSU hier und heute zum Vorreiter und Vorboten. Eine sol
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Integration ist ein wichtiges Thema. Darin sind wir alle uns einig. Integration ist zudem ein schwieriges Thema; ich glaube, auch das wissen alle. Dass Integration bisher am besten in Bayern geglückt ist, dürfte augenscheinlich sein, wenn Sie die Situation bei uns mit der in anderen Bundesländern vergleichen. Es ist klar, dass es immer noch einiges zu tun gibt und dass wir noch mehr erreichen wollen. Sonst hätten wir den Gesetzentwurf nicht schon im Vorfeld intensiv mitgestaltet und würden ihn heute nicht befürworten. Wir, die CSU-Fraktion, haben uns intensiv mit dem Thema beschäftigt. Wir haben Ideen eingebracht und – natürlich – unsere Handschrift erkennbar werden lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, vor allem von SPD und GRÜNEN, wir wissen, dass die Gesetzentwürfe, die Sie schon eingebracht haben – heute debattieren wir über einen Entwurf der GRÜNEN –, nur Light-Varianten sind, Varianten, die nicht viel bringen. Auch der heute vorliegende Entwurf der GRÜNEN ist nicht direkt falsch; man kann ihn aber auch nicht als richtig bezeichnen. Vor allem setzen Sie keine Maßstäbe, sondern Sie bieten ein Allerlei aus vergangenen Zeiten. Frau Kollegin Bause hat vorhin auf das Jahr 2001 Bezug genommen. Liebe Frau Kollegin Bause, Sie sind seitdem nicht klüger geworden. Das haben wir heute wieder festgestellt.
Ich kann es Ihnen nicht ersparen: Die Zeiten haben sich geändert, aber Ihre Ideen sind die gleichen geblieben. Sie werden damit auch scheitern, wie schon viele rot-grüne Regierungen in Deutschland an der Integration gescheitert sind. Wir wollen diesen Weg nicht gehen. Deshalb haben wir uns zusammengesetzt und haben in das Gesetz Maßstäbe aufgenommen, die klare Vorgaben machen, die aber auch Chancen eröffnen. Fördern und Fordern – beides gehört zusammen. Auch der Bund macht es jetzt so. Das ist CSU pur. Das kommt von uns!
(Beifall bei der CSU – Markus Rinderspacher (SPD): CSU pur ist das hier! – Volkmar Halbleib (SPD): Da muss Herr Zellmeier sogar selbst lachen!)
Sie sollten den nächsten Satz abwarten. – Aber es geht immer noch besser. Deshalb setzen wir in Bayern noch eines obendrauf.
Wir sprechen nicht nur vom "Fördern und Fordern", sondern formulieren auch klar, was wir im Sinne der Weiterentwicklung des Wertebewusstseins erwarten. Der Appell an den Verfassungspatriotismus ist nicht falsch – wir teilen den Bezug darauf –, reicht aber nicht aus. Wer nur daran appelliert, sich an die Verfassung zu halten, der unterschätzt, dass das Lebensgefühl der Menschen ein anderes ist. Die Menschen erwarten, dass unser Land sich entwickelt – evolutionär, nicht revolutionär. Die Menschen in Bayern und in ganz Deutschland wollen sich nichts überstülpen lassen, sondern sie wollen ihre Identität bewahren. Es ist natürlich das Recht der Politik, hier im Bayerischen Landtag und, so hoffe ich, auch im Deutschen Bundestag, klare Vorgaben zu setzen, damit die Menschen, die hier leben, wissen: Das ist weiterhin unser Land. Hier finden wir uns wieder. Wer zu uns kommt, findet offene Türen, wenn er bereit ist, zu respektieren, wie wir leben wollen. – Aus den Reihen der rotgrünen Opposition hören wir immer wieder Äußerungen, die uns das Gefühl vermitteln, wir müssten uns integrieren, nicht die Zuwanderer. Das ist die falsche Einstellung.