Protocol of the Session on June 1, 2016

(Susann Biedefeld (SPD): Die Dauer des Verfahrens! So ein Verfahren dauert bis zu zehn Jahre!)

So schnell wie möglich. Das weiß ich nicht; ich führe ja das Verfahren nicht durch. Auf jeden Fall ist die Möglichkeit gegeben. Dass es schneller geht, müssen andere regeln.

Die Beschwerdekammern sind bei ihren Entscheidungen nicht an Weisungen des Europäischen Patentamts gebunden, sondern vor allem den Vorschriften des Europäischen Patentübereinkommens verpflichtet. Das Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation hat neben den für die Bediensteten geltenden Rechtsvorschriften des Beamtenstatuts auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze einschließlich der Menschenrechte zu beachten, was es auch macht.

Die Vorgänge im Europäischen Patentamt sind auf Bundesebene bekannt und werden dort beobachtet. Zur Durchführung interner Ermittlungsverfahren ohne

Möglichkeit der Betroffenen zur Aussageverweigerung erklärt der Bundesjustizminister: Deutschland hat den Präsidenten des Europäischen Patentamtes wiederholt und nachdrücklich aufgefordert, die von ihm erlassenen Richtlinien für die Ermittlungsverfahren zu ändern. Dies ist bedauerlicherweise nicht geschehen. Meines Erachtens wäre jetzt der Verwaltungsrat gefordert, sich dieser Angelegenheit intensiver anzunehmen. Das hat er auch gemacht; inzwischen ist es geschehen. Am 16. März hat der Verwaltungsrat getagt und festgestellt, erstens dass das Amt in Bezug auf Produktion und Produktivität exzellente Ergebnisse erzielt hat, und den Präsidenten für weitere drei Jahre im Amt bestätigt. Der Rat äußerte zweitens aber auch seine Besorgnis über das soziale Klima im Europäischen Patentamt. Er forderte den Präsidenten und die Gewerkschaften auf, eine Einigung zwischen den Sozialpartnern zu erzielen, und rief beide Sozialpartner dazu auf, ihre Verantwortung anzuerkennen und gewissenhaft und redlich auf eine Lösung hinzuarbeiten. Der Rat forderte den Präsidenten auf, sicherzustellen, dass Disziplinarmaßnahmen und -verfahren nicht nur fair sind, sondern auch als fair wahrgenommen werden, sowie die Möglichkeit einer externen Überprüfung, einer Schlichtung oder einer Mediation in Erwägung zu ziehen. Der Rat erwartete Vorschläge in der Juni-Sitzung, die in wenigen Tagen stattfindet.

Abschließend die Bewertung: Erstens. Deutsches Recht kann keine Anwendung finden, weil das Europäische Patentamt keine deutsche, sondern eine europäische Einrichtung ist und das Beamtenstatut der Europäischen Organisation gilt.

Zweitens. Der Arbeitnehmerschutz wird durch das Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation gewährt.

Drittens. Eine Anwendung von deutschem Arbeitsrecht ist nicht möglich. Im Übrigen gibt es zahlreiche Behörden, nicht nur in Bayern und Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, bei denen das nationale Arbeitsrecht keine oder nur eingeschränkte Anwendung findet.

(Susann Biedefeld (SPD): Das kann nicht in unserem Interesse sein! Da wird das Arbeitnehmerrecht mit Füßen getreten!)

Sonst müsste auf alle, die in Brüssel tätig sind, belgisches Arbeitsrecht angewendet werden. Das kann nicht sein; das muss man ganz deutlich darstellen. Übrigens haben sogar in Deutschland die Kirchen ein eigenes Arbeitsrecht. Selbst wenn deutsches Arbeitsrecht gegeben wäre, könnte der Landtag nicht feststellen, wie die arbeitsrechtlichen Bedingungen beim Europäischen Patentamt sind. Auch wenn in der An

gelegenheit eine Petition eingereicht würde, könnte den Petenten nicht geholfen werden, weil sich der Landtag nicht an die Stelle des Arbeitsgerichts stellen kann und das auch nicht tun wird.

Bundesjustizminister Maas setzt sich weiter dafür ein, dass sich die Arbeitsbedingungen beim Europäischen Patentamt verbessern. Wir lehnen den Antrag daher wie schon im Ausschuss ab, machen allerdings den Vorschlag, einen eigenen Antrag einzubringen, mit dem der Freistaat Bayern und der Bund aufgefordert werden, sich in Europa dafür einzusetzen, dass die Arbeitsbedingungen dort verbessert werden.

Danke schön, Herr Kollege Taubeneder. Bitte bleiben Sie noch. – Die Kollegin Schmidt hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön.

Herr Kollege Taubeneder, ist Ihnen bewusst, dass die Verfahren bis zu fünf Jahre dauern und rein schriftlich durchgeführt werden? – Die betroffenen Menschen dürfen keine Aussage machen und haben auch kein Recht auf einen Anwalt. Die Verfahren sind rein schriftlich und dauern bis zu fünf Jahre. So lange sind die Menschen freigestellt und ohne Beruf.

Die Disziplinarmaßnahmen, zu denen es am 16. März, wie Sie gesagt haben, einen Beschluss gegeben hat, wurden immer noch nicht aufgehoben. Am 16. März war vom Verwaltungsrat gefordert worden, die Maßnahmen von einer unabhängigen Mitarbeiterkommission überprüfen zu lassen. Das ist immer noch nicht geschehen. Der Dialog und das Vermittlungsgespräch mit der Gewerkschaft, der SUEPO, wurden noch nicht aufgenommen. Das wurde am 16. März beschlossen. Sie sitzen alle in einem Gebäude. Wenn wir so langsam arbeiten würden, wäre das sehr schlecht. Der Präsident hat noch nicht den Willen gezeigt, die Forderungen des Verwaltungsrats umzusetzen.

Ich habe noch nie davon gehört, dass Beamte Hausarrest bekommen, und ich habe noch nie davon gehört, dass Menschen, die krankgeschrieben sind oder in Rente geschickt wurden, während ihrer Verfahren eine Residenzpflicht haben. So etwas habe ich noch nie gehört. Ich weiß, dass wir offiziell nicht zuständig sind. Aber Sie müssen doch zugeben: Wenn das alles so ist, können wir in Bayern nicht wegschauen, nur weil die Menschen gut verdienen. Man darf doch Menschen nicht stumm lassen, wenn Arbeitsrechte verletzt werden.

Ich glaube, ich habe deutlich betont, dass der Verwaltungsrat letztlich das Kontrollorgan ist. Dieser Verwaltungsrat muss eben han

deln. Er hat eine klare Handlungsvorgabe gemacht. Wenn sie der Präsident nicht umsetzt, wird, nehme ich an, der Verwaltungsrat sehr deutlich werden wird. Das wird im Juni geschehen.

Danke schön, Herr Taubeneder. – Unsere nächste Rednerin ist die Kollegin Biedefeld. Bitte schön.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion wird dem Antrag der FREIEN WÄHLER zustimmen. Lassen Sie mich das kurz begründen. Kollege Taubeneder, wir haben schon im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten als SPD-Fraktion klargemacht: Unabhängig von der Zuständigkeitsdebatte und unabhängig von der Diskussion über Einflussmöglichkeiten des Bayerischen Landtags wollen wir als SPD-Fraktion das ganz klare und unmissverständliche Signal setzen, dass die Achtung deutscher Arbeitnehmerschutzrechte gelten muss.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, es kann nicht sein, dass Menschen in Deutschland, in Bayern, auf diese Art und Weise arbeiten müssen. Dies betrifft 4.000 Beschäftigte. 2.000 davon gehen regelmäßig auf die Straße. Es kann nicht sein, dass die Arbeitnehmerrechte für diese 4.000 Menschen mit Füßen getreten werden. Anders ist die Situation nämlich nicht.

(Beifall bei der SPD)

Bewusst ist die Rede von Verstößen gegen Menschenrechte, von Schikane, von Diktatur, von Gestapo-Methoden, Diskriminierung, und das zu Recht. Inzwischen wird dies auch von Juristen überprüft, und es war in besagtem Verwaltungsrat schon immer wieder einmal Thema. Es finden Gängelungen von Beschäftigungen ohne Ende statt. Im Krankheitsfall gibt es Kontrollen. Seit 2013 dürfen Mitarbeiter, die krank gemeldet sind, ihre Wohnung während der Kernarbeitszeiten nur noch für angemeldete Arztbesuche verlassen, und das wird kontrolliert, Kolleginnen und Kollegen. Was sind das für Methoden?

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Flori- an Streibl (FREIE WÄHLER) – Walter Taubeneder (CSU): Das ist einfach eine Behauptung! Das stimmt ja gar nicht!)

Computer werden angezapft und kontrolliert, Telefonate werden abgehört und, und, und. Personalvertretung ja, aber ohne Mitwirkungsrechte. Es gibt keinerlei Mitbestimmungsrechte. Personalräte können nur Empfehlungen abgeben, Gewerkschaftsvertreter, Personalvertreter werden fristlos gekündigt, weil sie ihre

Kolleginnen und Kollegen vertreten wollen, das Wort erheben und Kritik an diesen Zuständen üben. Das sind unhaltbare Zustände, und das geht hier ab, in Bayern und in Deutschland!

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Flori- an Streibl (FREIE WÄHLER))

Dieser Präsident hat eine interne Ermittlungseinheit gebildet, seine eigene Polizei sozusagen, die die Beschäftigten terrorisiert und verfolgt. Es ist unglaublich, was da abgeht. Es ist eine Schande, dass so etwas mit hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschieht, dass ein derartiger Umgang auch noch gutgeheißen werden soll. Ohne uns als SPDLandtagsfraktion! Das ist unerträglich! Wir machen das nicht mit!

Weil Sie, Kollege Taubeneder, das immer infrage stellen, verweise ich einmal auf das Den Haager Urteil. In diesem Urteil wird die Verletzung von fundamentalen Rechten bestätigt – in diesem Fall, für das Europäische Patentamt. Man muss es also gar nicht infrage stellen, sondern es liegt bereits ein Urteil vor, das klar besagt: Verletzung fundamentaler Rechte.

(Walter Taubeneder (CSU): Dann muss der Justizminister handeln!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer Arbeitnehmerschutzrechte ernst nimmt, muss hier ein klares Signal geben, und das wollen wir geben. Wir wollen auch einen Appell an die Institutionen richten, die diese Situation aufgreifen und zum Anlass nehmen, notwendige Gesetzesänderungen vorzunehmen. Es sind Gesetzesänderungen notwendig. Das sehen wir alle. Es ist eine Gesetzeslücke, die in diesem Fall von dem Präsidenten für seine Person unverschämt und auf dem Rücken der Beschäftigten, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ausgenutzt wird.

(Walter Taubeneder (CSU): Sagen Sie Justizminister Maas, er soll eingreifen!)

Von dem Antrag, den wir unterstützen, soll das klare Signal ausgehen: Wir wollen, dass diese Gesetzeslücke geschlossen wird. Wir wollen, dass die Initiative ergriffen und im Interesse der Beschäftigten gehandelt wird. Das ist unser Anliegen.

Wir als SPD-Fraktion sind nicht bereit zu sagen: Das geht uns nichts an; wir sind nicht zuständig; wir haben keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten, also halten wir uns heraus; wir lehnen uns zurück. – Nein, das machen wir nicht. Dafür sind uns die Arbeitnehmerschutzrechte viel zu wichtig. Das akzeptieren wir nicht. Wir akzeptieren diese Rahmenbedingungen für die Beschäftigten des Europäischen Patentamts nicht.

(Peter Winter (CSU): Justizminister Maas könnte doch etwas machen!)

Man kann sagen: Mittelalter. Aber ich sage ganz klar: Wir wollen diese Gesetzeslücke geschlossen haben. Ich gebe offen zu: Ich habe gar nicht gewusst, dass es solche zwischenstaatlichen Organisationen gibt, die bei Arbeitnehmerrechten eines Landes, beispielsweise beim deutschen Arbeitsrecht, völlig außen vor sind. Aber ich lerne jeden Tag dazu und bin völlig entsetzt. Hier müssen wir wirklich gesetzlich handeln. Ich bin in dieser Sache auch bereits auf die Kolleginnen und Kollegen aus dem Europäischen Parlament zugegangen und werde diesbezüglich auch nicht nachlassen.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER))

Wir wissen, dass es die Möglichkeit der Beschwerdekammer gibt, Herr Kollege Taubeneder. Was passiert denn mit denen, die sie in Anspruch nehmen? – Sie bekommen Druck.

(Walter Taubeneder (CSU): Das ist eine Unterstellung!)

Wissen Sie, wie lange ein derartiges Verfahren dauert? – Natürlich besteht die rechtliche Möglichkeit. Es ist die Beschwerdekammer der eigenen Organisation, mit der eigenen Polizei. Bis zu drei oder vier Jahren dauert es alleine, bis die Stellungnahme von dieser Beschwerdekammer kommt. Dann sagen Sie: Wenn die Stellungnahme nicht passt, kann ja der Beschäftigte oder die Beschäftigte den Klageweg beschreiten. Also gehen sie an das für das Europäische Patentamt, für diese zwischenstaatliche Organisation, zuständige Verwaltungsgericht. Dieses Verfahren dauert dann rund zehn Jahre. – Danke schön! Wir wollen nicht, dass es für die Beschäftigten zehn Jahre dauert.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

In diesem Sinn bitten wir um Zustimmung zu diesem Antrag. Wir werden den Antrag der FREIEN WÄHLER unterstützen.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Danke schön, Frau Kollegin Biedefeld. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Kamm. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit

Jahren gibt es immer wieder vehemente Kritik am Stand der Arbeiternehmerrechte und am Stand der Rechte der Personalvertreter am Europäischen Patentamt in München. Die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist schlecht, und die dort geltenden Arbeitnehmerschutzrechte und die Rechte der Personalvertretung muten vorsintflutlich an.

Für arbeitsrechtliche Belange sind nicht deutsche Arbeitsgerichte zuständig – das ist klar –, sondern eine Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts. Frau Kollegin Biedefeld hat die Konsequenzen einer solchen Beschwerde hinlänglich beschrieben. Die Zustände, lieber Kollege Taubeneder, sind nicht nur seltsam und eigenartig, sondern nicht tolerierbar.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Die spezielle Konstruktion des Europäischen Patentamts erscheint in Bezug auf die Arbeitnehmerrechte und die Rechte der Personalvertretung als nicht sinnvoll, nicht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nicht für das Europäische Patentamt selbst, von dem man eigentlich vermuten könnte, dass es zufrieden arbeitende Mitarbeiter möchte, auch nicht für München und auch nicht für Europa.

Der Bundesjustizminister hat den Präsidenten des Europäischen Patentamts wiederholt und nachdrücklich aufgefordert, die Richtlinien zu den Arbeitnehmervertretungsrechten zu ändern. Es wäre außerordentlich sinnvoll und zweckdienlich, würde deutscher Arbeitnehmerschutz dort analog Anwendung finden.