Protocol of the Session on March 16, 2016

Meine Damen und Herren, eines ist mir ganz besonders wichtig zu erwähnen. Es ist uns gelungen, den eigentlich schon vereinbarten sogenannten Regulierungsrat, den die USA so dringend wollte, nunmehr vom Tisch zu haben. Es wird ihn nicht geben, es wird nicht vorab schon in staatliche Vorhaben eingegriffen. Schließlich und endlich gibt es eine Extraklausel, die noch einmal klar festschreibt, dass die staatlichen Regulierungen auf allen Ebenen, runter bis zu den Kommunen, unangefochten bleiben und entsprechend den politischen Zielen dieser Staaten getroffen werden

können. Insoweit ist das ein großer Erfolg. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

Ich bedaure ein bisschen, dass ich jetzt nicht mehr Redezeit habe, möchte Ihnen jedoch eines ans Herz legen: Nehmen Sie das positiv mit auf, lassen Sie uns gemeinsam weiterkämpfen. Wir haben das erreicht, weil wir gemeinsam in Brüssel gekämpft haben. Wenn uns das auch bei TTIP gelingt, dann haben wir einen wirklich großen Erfolg erzielt.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Pfaffmann.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Selten, aber doch manchmal kommt es vor, dass man den Vorrednern, auch wenn sie von der CSU kommen, liebe Frau Wittmann, doch tendenziell recht geben muss.

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Das fällt Ihnen schwer!)

Das fällt mir schwer, aber das ist jetzt der Fall. Ich darf daran erinnern, dass wir in der letzten Plenardebatte ausführlich über dieses Thema geredet haben. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht, sage ich: Die SPD-Fraktion lehnt nach wie vor die derzeitige Fassung von TTIP, sofern es überhaupt eine Fassung gibt, ab, aber nicht, weil das Problem der Schiedsgerichtsbarkeit oder der Schiedsstellenmechanismen nicht geklärt wird, sondern aus anderen Gründen: weil die Frage der Sicherung der Daseinsvorsorge und die Frage der Souveränität der Staaten in der Gesetzgebung der Parlamente noch nicht abschließend geklärt ist.

Ich habe bei der letzten Plenarsitzung auch gesagt: Ein weiterer Ablehnungsgrund ist das Schiedsstellenverfahren. Ich muss zugeben, die neue Version ist sozusagen eine deutlich bessere als die alte. Da hat Frau Wittmann recht. doch ich darf an dieser Stelle einmal bemerken: Die neue Version, die die Kollegin von der CSU als Durchbruch und als sensationell, als großen Erfolg beschrieben hat, den Frau Malmström nachverhandelt hat, zum Beispiel in CETA, ist ein Erfolg des Bundesvorsitzenden der SPD Sigmar Gabriel, wenn ich das hier noch einmal in Erinnerung rufen darf.

(Beifall bei der SPD)

Er hat nämlich aufgrund des Rote-Linien-Beschlusses der SPD das Schiedsstellenverfahren neu in die Verhandlungen eingebracht. Das Schiedsstellenverfahren ist kein Grund mehr, CETA abzulehnen. Liebe Frau

Wittmann, bei TTIP wissen wir es noch nicht, weil noch nicht klar ist, ob die Amerikaner dem neuen Verfahren zustimmen werden. Das werden wir sehen, wenn TTIP in der abstimmungsfähigen Endfassung vorliegt. Das ist noch nicht der Fall.

Jetzt komme ich zum neuen Verfahren. Es stimmt, dass dem neuen Schiedsstellenmechanismus ein öffentliches Investitionsgericht zugrunde liegt. Das ist in der Tat ein Durchbruch. Vorher waren es Lobbyisten und Rechtsanwälte, jetzt sind es Berufsrichter, die die gleiche Qualifikation wie Berufsrichter am Internationalen Gerichtshof haben müssen. Wir haben ein öffentliches Verfahren mit qualifizierten Richtern durchsetzen können.

Liebe Frau Wittmann, Sie haben nicht gesagt, dass die Streitmöglichkeiten begrenzt werden. Gesetzgebungen der souveränen Staaten sind nicht mehr Bestandteil eines öffentlichen Streitverfahrens. Es gibt keine Möglichkeit mehr, das Schiedsgericht wegen einer gesetzlichen Veränderung anzurufen. Das ist ausgeschlossen. Insofern sind unsere Bedenken, dass die Souveränität der Gesetzgebung leidet, ausgeräumt. Insgesamt – ich will das aufgrund der knappen Redezeit nicht wiederholen – ist das Schiedsstellenverfahren kein Grund mehr, das Freihandelsabkommen abzulehnen.

Ich möchte auf einen letzten Punkt zu sprechen kommen, der noch nicht gesagt worden ist und den ich für einen großen Fortschritt halte: Internationale Investitionsgerichte sollen auf den Weg gebracht werden. Solche Gerichte gibt es zwar noch nicht, aber das ist mit mehreren Staaten vereinbart. Mit solchen internationalen Investitionsgerichten könnte man auch die bestehenden Schiedsstellen abschaffen und einer öffentlichen Gerichtsbarkeit zuführen. Das ist ein Vorteil in dieser ganzen Debatte. Das zeigt, dass Verhandeln sinnvoll ist und Ergebnisse bringt. Deswegen werden wir uns dem Antrag der FREIEN WÄHLER nicht anschließen können.

Herr Kollege, bitte beachten Sie die Redezeit.

Ein letzter Satz. – Wir wollen aber auch nicht den Eindruck erwecken, dass wir dem CETA- oder dem TTIP-Abkommen mit wehenden Fahnen hinterherlaufen. Nein, das wollen wir nicht. Deswegen werden wir uns beim Antrag der FREIEN WÄHLER der Stimme enthalten.

(Beifall bei der SPD)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Mütze.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, ja und ja zum Antrag der FREIEN WÄHLER. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schiedsgerichte bleiben elementare Bestandteile der Freihandelsabkommen, auch wenn die beiden Vorredner den Eindruck erweckt haben, das wäre nicht so. Das gilt auch für CETA und TTIP. Die GRÜNEN haben diese Paralleljustiz von Anfang an abgelehnt, weil wir die Rechtssysteme in Europa, Amerika und Kanada als hoch entwickelt und völlig ausreichend ansehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Der neue Vorschlag über die modifizierten Schiedsgerichte – ICS – wird die Situation nicht grundlegend ändern. Warum kommen wir zu dem Schluss? – Die Konzerne können Staaten weiterhin auf entgangenen Gewinn verklagen. Die Staaten werden aus Angst vor Schadenersatzforderungen daran gehindert, neue Gesetze zu beschließen. Die Verhandlungen selber – es wurde gesagt, es gebe mehr Transparenz – bleiben nach wie vor geheim. Die Urteile werden ohne rechtliche Grundlage gefällt. Es gibt kein eigenes Rechtssystem, auf dem die Urteile fußen.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Das widerspricht sich!)

Das widerspricht sich unserer Meinung nach nicht. – Grundlegend hat sich deshalb nichts geändert. Wie kommt man dazu, dem zuzustimmen? – Deswegen ist der Antrag der FREIEN WÄHLER uneingeschränkt zu unterstützen. Die Richterbünde, nicht nur der Deutsche Richterbund, sondern auch der Europäische Richterbund, haben ihre Gründe, warum sie dieses Rechtssystem ablehnen.

Kommen wir zur CSU. Liebe Frau Kollegin Wittmann, Sie haben viele Worte gebraucht, um zu erklären, warum Sie dem Antrag der FREIEN WÄHLER nicht zustimmen können. Sie haben jedoch die Äußerungen, die von Frau Aigner in den Jahren 2014 und 2016 getätigt worden sind, vergessen. Ich darf zitieren. Frau Staatsministerin Aigner sagte im Oktober 2014: "Die Staatsregierung teilt die Haltung der Bundesregierung, wonach aus deutscher Sicht spezielle Investitionsschutzvorschriften in einem Abkommen zwischen der EU und den USA nicht erforderlich sind, da die USA deutschen Investoren und Deutschland US-Investoren hinreichenden Rechtsschutz von nationalen Gerichten gewähren." Jetzt kann man sagen, dass sich etwas getan hat, ich komme also zu dem aktuellen Fall. Im Rahmen des fünften Berichts zu TTIP hat Frau Staatsministerin Aigner am 20. Januar 2016 gesagt: Wie bereits berichtet, hält die

Bayerische Staatsregierung ebenso wie die Bundesregierung spezielle Investitionsschutzbestimmungen zwischen entwickelten Rechtsstaaten wie Deutschland und den USA für nicht erforderlich.

Das dritte Zitat stammt von Staatsminister Bausback im Rahmen einer Veranstaltung der IHK in Aschaffenburg: Keine Sondergerichtsbarkeit – es soll keine Paralleljustiz geben; er wird sich als Justizminister dafür einsetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu welchem Schluss kommen wir? – Wir kommen zu dem Schluss, dass es nur ein Fazit gibt: Die CSU muss Farbe bekennen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Die CSU muss heute dem Antrag der FREIEN WÄHLER zustimmen, weil der Antrag genau das fordert, was Vertreterinnen und Vertreter der CSU-Staatsregierung nach außen hin plakativ äußern. Sie haben gesagt: Eine Paralleljustiz – nicht mit uns. Bitte zeigen Sie das auch mit Ihrem Abstimmungsverhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Bitte bleiben Sie am Rednerpult. Frau Kollegin Wittmann hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Herr Kollege Mütze, lassen Sie mich zunächst nachfragen, ob Sie glauben, dass eine Live-Übertragung von Schiedsgerichtsverfahren im Internet, und zwar jedes von Anfang bis Ende, unter Umständen dem Anspruch der Öffentlichkeit an Transparenz genügen könnte. Ich erleichtere Ihnen die Antwort: Das ist schon seit Jahren der Fall.

Darf ich Sie fragen, ob Sie es günstig finden, dass kleine und mittelständische Unternehmen künftig in diese Investitionsschutzverfahren, die es seit vielen Jahrzehnten international vereinbart gibt und nicht ausgehebelt werden können, eingebunden werden? – Sie werden merken, dass es keinen Widerspruch zu den Aussagen der Staatsregierung gibt. Diese werden bei all diesen Verfahren bevorzugt, wo Freihandelsabkommen mit diesem Passus ausgestattet sind.

Würden Sie der Aussage zustimmen, dass den Ihnen nahestehenden Organisationen zugutekommt, dass nun ein sogenannter Amicus Curiae eingeführt worden ist? – Sie können bei entsprechendem Interesse einem Streit von sich aus beitreten, selbst wenn sie nicht den Schiedsparteien angehören. Das ist ein großer Erfolg insbesondere für die Gruppierungen, die

Ihnen nahestehen. Ich bitte Sie, mir dazu Auskunft zu geben.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kollegin Wittmann, mir ist kein Gerichtsverfahren eines regulären Gerichts bekannt, das öffentlich im Internet übertragen wird.

(Mechthilde Wittmann (CSU): Alle!)

Wir lehnen diese Schiedsgerichte ab, weil wir eine entwickelte Gerichtsbarkeit haben. Die Gerichtsverfahren werden auch nicht im Internet übertragen. Niemand von uns hat gefordert, diese Gerichtsurteile im Internet verfolgen zu können.

Vorhin habe ich Ihnen schon gesagt, dass Sie viel darüber geredet haben, was bisher möglicherweise erfolgreich in CETA hineinverhandelt worden ist. In diesem Dringlichkeitsantrag geht es nur um die Investitionsschiedsgerichte. Unsere Sicht der Dinge ist hier ganz klar: Auch wenn es eine Veränderung gegeben hat, sind diese Investitionsschiedsgerichte abzulehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Danke schön. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Aiwanger.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier über ein Thema, bei dem die CSU bisher mit einer beispiellosen Arroganz abgewiegelt hat. Weder der Ministerpräsident noch die Wirtschaftsministerin will sich dazu äußern. Nur eine Frau Wittmann wird immer wieder losgelassen und versucht, uns hier mit Fachchinesisch abzuspeisen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Zuruf von der CSU)

Ja, wir sind nicht so schlau wie Sie. Deswegen hören wir auf Fachleute. – Der Deutsche Richterbund warnt vor der Einführung dieser Paralleljustiz. Sie sagen: Die Richter haben das nicht ganz kapiert. Nach der jüngsten Umfrage befürchten 62 % der deutschen Mittelständler negative bis sehr negative Auswirkungen auf ihre Betriebe. Auch sie haben es nach Ihrer Meinung nicht kapiert; die CSU hat es als Einzige kapiert. Sie haben gesagt, Sie seien super erfreut, dass wir jetzt von den Schiedsgerichten zu den Investitionsgerichten gekommen seien. Sie hätten aber die Schiedsgerichte genauso geschluckt. Vor einiger Zeit waren die Schiedsgerichte noch Standard.

Sie haben gesagt, das sei alles super, das schlucken wir; denn das bringt Arbeitsplätze. Jetzt sind Sie plötzlich glücklich darüber, dass es diese Gerichte nicht mehr gibt, die Sie vorher gar nicht so schlimm gefunden haben.

Das bedeutet, egal, was hier reingeschrieben oder präsentiert wird, Sie wollen es schlucken. Wir FREIEN WÄHLER stehen dagegen an der Seite der Bürger und wollen Transparenz. Wir wollen, dass der Bürgerwille respektiert wird. Deshalb fordern wir heute erneut: Machen Sie eine Volksbefragung! Sie haben das Werkzeug dazu. Fragen Sie die bayerische Bevölkerung, ob sie dieses Freihandelsabkommen will. Vielleicht lehnt die bayerische Bevölkerung dieses Abkommen schon deshalb ab, weil es zu kompliziert wird. Das wäre auch ein Grund. Sagen Sie dann bitte nicht, die Bevölkerung wäre auch zu dumm.

Die Richter sind zu dumm, die Mittelständler sind zu dumm und die Bevölkerung ist zu dumm – nur die CSU hat es kapiert. Meine Damen und Herren, kommen Sie von dieser Arroganz herunter und hören Sie darauf, was das Volk will. Das Volk will diese Abkommen derzeit nicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Als nächste Rednerin bitte ich Frau Staatsministerin Merk zum Rednerpult.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich möchte diese Diskussion nicht in dieser heftigen Emotionalität weiterführen, sondern ganz ruhig darauf hinweisen, dass der Wohlstand, den wir in Bayern haben, auf einer starken Exportindustrie beruht. Wer das nicht sehen will, sägt am Fundament unseres Wohlstandes. Die Bayerische Staatsregierung steht deshalb hinter den Abkommen TTIP und CETA. Bayern will aber kein Abkommen auf Biegen und Brechen. Wir wollen ausgewogene Abkommen, die innerhalb unserer politischen und vor allem auch innerhalb unserer gesellschaftlichen Leitplanken liegen. Nur dann können wir zustimmen.