Protocol of the Session on February 17, 2016

Das ist mit uns auch nicht mit Volksbefragungen – dafür oder dagegen – zu machen. Es geht um ein Thema von grundsätzlicher politischer Bedeutung. Wir wollen einen neoliberalen Wahnsinn gerade deswegen nicht in die Handelspolitik einführen, weil wir wissen, dass die Handelspolitik durchaus auch ein Thema der internationalen Flüchtlingsfrage ist, die wir heute diskutieren. Deswegen kommt das für uns nicht infrage.

Außerdem habe ich den Eindruck, dass sich in der Diskussion in Brüssel nicht die Vernünftigen durchgesetzt haben, sondern ein Heer von Lobbyisten. Hier wird ein Abkommen der Lobbyisten geschlossen, aber kein Abkommen derjenigen, die für Ordnung im internationalen Handel sorgen. Auch deswegen lehnen wir die Abkommen in der derzeitigen Form ab, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen es nicht akzeptieren, dass der Versuch unternommen wird, durch die Schiedsgerichte eine Paralleljustiz einzuführen und somit ein bewährtes Justizsystem hier in Europa ad absurdum zu führen. Es kann nicht akzeptiert werden, dass Rechtsanwälte, seien sie gut oder schlecht, darüber zu entscheiden haben, ob sozusagen die Großen und die Mächtigen dieser Welt entschädigt werden, wenn sie Investitionen nicht gewinnbringend umgesetzt haben. Das ist mit uns nicht zu machen. Das ist sozusagen die Legitimierung einer Paralleljustiz. Deswegen lehnen wir das Abkommen derzeit ab.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Hier wird nicht für Recht und Ordnung auf dem internationalen Handelsmarkt gesorgt, meine Damen und Herren. Hier wird ein Markt der Mächtigen installiert. Ein Markt der Mächtigen geht immer zulasten der Menschen, und aus diesem Grund können wir derzeit

nicht zustimmen. Das geht weder mit noch ohne Beteiligung der Bevölkerung; das geht überhaupt nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines muss Sie als Parlamentarier doch bewegen: Was hier abläuft, ist ein Angriff auf die Gesetzgebungskompetenzen der Parlamente in diesem Land. Auch das ist ein Grund, das Abkommen abzulehnen. Es kann nicht sein, dass mit verschwurbelten Formulierungen wie "regulatorische Kooperation" dafür gesorgt wird, dass Gesetze, die in den Parlamenten dieses Landes demokratisch zustande gekommen sind, nicht mehr zählen, wenn es um den Schutz der Interessen der Mächtigen in diesem Land geht. Das kann nicht sein.

(Beifall bei der SPD)

Ich würde gerne inhaltlich darüber reden, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Handelsabkommen der neuen Generation geregelt werden können, nämlich indem man Arbeitnehmerrechte schützt und aufnimmt, indem man Standards unterstützt und festschreibt, indem man Verbraucherschutzstandards festschreibt, indem man festschreibt, dass wir Abkommen schließen, die auch den Menschen nützen, dass wir Abkommen schließen, die nicht Drittländer in der internationalen Handelspolitik vom internationalen Handel abhängen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, darüber würde ich gerne reden. Diese Abkommen in ihrer derzeitigen Fassung machen aber genau das Gegenteil: Sie schützen nicht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sie führen nicht eine Gleichberechtigung der Länder ein, sondern sie schaffen einen Markt der Mächtigen. Da wollen wir nicht mitmachen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Wir begrüßen sehr, wenn diese Handelsabkommen auch unter dem Eindruck der bundesweiten und der europaweiten Diskussionen weiterverhandelt werden. Das begrüßen wir. Wenn in Zukunft Abkommen vorgelegt werden, die die sozialen Grundsätze, die gerechten und solidarischen Standards zumindest nach der Vorstellung der Sozialdemokratie berücksichtigen, können wir erneut über diese Frage reden. Liebe Frau Wittmann, glauben Sie mir: Das sage ich auch gerne unserem Bundeswirtschaftsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen, weil das ein Herzensanliegen ist. Deswegen habe ich da überhaupt keine Probleme.

Liebe Margarete Bause, wir werden uns beim Antrag der GRÜNEN aus einem ganz einfachen Grund enthalten: Derzeit gibt es keine Fassung von TTIP und TiSA. Deswegen ist der Antragstext so nicht richtig. Es gibt lediglich Arbeitspapiere. Insofern werden wir uns enthalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre schön, wenn sich das Parlament der Strategie und dem Versuch, ein gerechtes Handelsabkommen zu schaffen, anschließen würde und nicht dem Mainstream der Märkte, den Lobbyisten, den Mächten, sei es in Brüssel oder sonst wo, hinterherliefe. Das wäre ein vernünftiges politisches Handeln.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Pfaffmann, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Kollege Huber hat eine Zwischenbemerkung angemeldet. – Bitte schön, Herr Kollege.

Lieber Kollege, Ihre Bemerkungen veranlassen eine Ergänzung, die ich gerne für Sie vornehme. Erstens. Der Parteirat der SPD hat TTIP grundsätzlich mit einigen Ergänzungen zugestimmt. Würden Sie dies bitte dem Hohen Haus auch mitteilen? Was Sie hier vertreten, ist eine absolute Außenseiterposition, auch innerhalb der SPD. Wie oft aber befindet sich die SPD Bayerns in einer Außenseiterposition in der gesamten SPD!

(Beifall bei der CSU – Markus Rinderspacher (SPD): Völliger Quatsch! Ihr wollt die Grenzen dichtmachen und unsere Wirtschaft dadurch kaputt machen!)

Darum werden Sie sich demnächst von oben kommend der 15-Prozent-Grenze nähern.

Zweitens. Sie sind zu lebhaft gegen Schiedsgerichte als Nebengerichtsbarkeit. Darf ich dem Hohen Hause und Ihnen sagen, dass die Bundesrepublik Deutschland, als sie noch für diesen Bereich zuständig war, 130 Handelsabkommen mit eben solchen Schiedsgerichten abgeschlossen hat? Das heißt also: Was Deutschland in diesen Handelsabkommen eigentlich erfunden hat, kann nicht auf einmal die Hölle sein. Auch SPD-Finanz- und -Wirtschaftsminister haben in der Vergangenheit solchen Abkommen unter diesen Bedingungen zugestimmt. Was wir wollen, ist eine Verbesserung, aber nicht eine Verschlechterung.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Drittens. Wenn Sie sagen, dass das Ganze nur ein Werk von Lobbyisten sei, scheint Ihnen entgangen zu sein, dass der Ursprung ein Beschluss von 28 Staatsund Regierungschefs der Europäischen Union ist. Das heißt, das ist gar nicht von den Amerikanern ausgegangen, sondern war ein besonderer Wunsch der Europäer. Da die Außenhandelspolitik in der Zuständigkeit der Europäischen Union liegt, haben die 28 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union die Kommission einstimmig beauftragt, Ver

handlungen unter dem besonderen Aspekt zu führen – das ist genau das, was Sie beklagen –, Standards für einen weltweiten Handelsverkehr einzuführen, die auch ein Pilotprojekt für andere Abschlüsse darstellen. Das Greuelmärchen, das Sie hier vortragen, liegt jenseits der Realität.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Herr Kollege Pfaffmann, Sie haben das Wort.

Lieber Herr Huber, zunächst darf ich Sie berichtigen. Wir vertreten keine Außenseiterposition, sondern wir vertreten in der Sache Handelsabkommen die große Mehrheit der Bevölkerung und im Gegensatz zu Ihnen die Interessen der Menschen in diesem Lande. Das als Erstes.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Sie haben gesagt, die Zustimmung zu TTIP oder zu den Handelsabkommen wäre ein Parteiratsbeschluss der SPD. Sie sollten die Texte der SPD aufmerksam lesen; dann wäre Ihnen nämlich aufgefallen, dass dies ein Parteiratsbeschluss ist, der klare rote Linien festlegt – übrigens hat dem der Europaausschuss Ihrer Fraktion auch zugestimmt –, und diese roten Linien sind in den derzeitigen Papieren zu den Handelsabkommen bei Weitem überschritten. Genau deswegen stimmen wir nicht zu.

Ich sage Ihnen: Es stimmt schon, dass die Kommission von den europäischen Ländern den Auftrag bekommen hat, Standards und Handelsabkommen abzuschließen. Das stellt auch niemand in Abrede. Kein Mensch stellt das in Abrede. Die Länder haben aber die Kommission sicher nicht beauftragt, Geheimverhandlungen zu führen, die kein Mensch mehr überblicken kann und bei denen kein Mensch das Recht hatte, sie zu begleiten. Das war nicht der Auftrag.

(Beifall bei der SPD)

Wenn von Anfang an Transparenz hergestellt worden wäre, würden wir in der Tat anders diskutieren. Das war aber nicht der Fall. Der Versuch, im Geheimen ein internationales Handelsabkommen abzuschließen, lässt den Schluss zu, Herr Huber, dass mehr dahintersteckt, als Standards zu setzen. Er lässt nämlich den Schluss zu, dass man ganz andere Interessen verfolgt, nämlich – und da bleibe ich dabei – die Interessen der Mächtigen dieser Welt, nicht die Interessen der Bevölkerung dieser Welt.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Mütze vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! CETA – und darum geht es heute – ist falsch. CETA ist wie die große Schwester TTIP undemokratisch entstanden, überflüssig und sogar gefährlich; undemokratisch deshalb, weil wir als Parlamentarier nur einen endverhandelten Vertrag – dieser liegt jetzt schon vor – abnicken oder ablehnen können, das heißt: Friss oder stirb! Überflüssig ist CETA deswegen, weil es eben die Schiedsgerichte beinhaltet, lieber Herr Vorsitzender Huber, die wir doch alle so ablehnen. Es sind nicht die veränderten Schiedsgerichte, die in CETA zur Abstimmung stehen – es sind die alten Schiedsgerichte, die alle ablehnen. Ich wundere mich schon, dass Sie das einfach so hinnehmen; denn klar ist: Wir brauchen keine Paralleljustiz. Der Deutsche Richterbund und die Europäische Richtervereinigung sagen ganz klar: Das ist eine Paralleljustiz, die wir nicht akzeptieren können;

(Beifall bei den GRÜNEN)

wir können nicht akzeptieren, dass es Richter gibt, die auch noch schlecht bezahlt sind und sich damit in einem gefährlichen Terrain bewegen, die Parallelurteile sprechen.

Es ist interessant zu sehen, dass, wie die SPD, auch die CSU rote Linien gezogen hat, Frau Wittmann, nämlich zur Gentechnik, zur Daseinsvorsorge und bei der Landwirtschaft. Wie sieht es denn bei CETA aus? Was sagt denn CETA zur Gentechnik? CETA sagt – das wissen wir –, dass die regulatorische Kooperation eine weitere Vereinbarung zum Einsatz von gentechnisch veränderten Produkten erlaubt, ganz klar. Was ist mit der Daseinsvorsorge? Die Investitionsschutzklauseln sorgen dafür, dass Wasserver- und -entsorgung und die Gesundheitsvorsorge in Gefahr geraten können. Wenn das nicht Daseinsvorsorge ist, weiß ich nicht, was sonst.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In der Landwirtschaft ist das ganz klar. CETA legt – Sie haben es selber bestätigt, Kollegin Wittmann – definitiv Kontingente bei Fleisch und Milch fest. Wir sind der größte Fleischproduzent in der EU. Da frage ich Sie, ob wir denn nicht genügend Fleischprodukte haben. Wohin exportieren wir diese inzwischen? – Nach Afrika, und dort zerstören wir die Wirtschaft vor Ort noch stärker, als es bisher der Fall ist.

Haben wir nicht genügend Milch? Haben die Milchbauern denn nicht inzwischen Schwierigkeiten, ihre

Arbeit weiterzuführen, weil die Milchpreise immer weiter absinken? Auch von Milchkontingenten ist in CETA die Rede. Das nicken Sie so einfach ab und sagen: Immerhin bekommen wir dann kein Klonfleisch. Das ist der einzige Vorteil, den Sie aus CETA ziehen.

Die zwei großen Nachteile, die CETA beinhaltet, wollen Sie einfach nicht wahrnehmen. Auch der Bauernverband will das nicht, sonst würde er lauter schreien.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus all diesen Gründen müsste eigentlich unser Antrag, der in all diesen Fragen klar Position bezieht, vom ganzen Hohen Hause Zustimmung erfahren. Unser Antrag gibt Ihnen die Chance, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich klar zu positionieren und zu sagen, was mit CETA geschehen muss. Dieses CETA kann keine Lösung für Europa in den Verhandlungen mit Kanada sein.

Nun komme ich zu den Anträgen von SPD und FREIEN WÄHLERN. Inhaltlich bin ich da ganz bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Allerdings bedienen Sie sich in beiden Anträgen eines Mittels, das Sie gleichzeitig beklagen. Sie klagen gegen die Volksbefragung. Diese Volksbefragung ist unverbindlich, undemokratisch und hat null Wirkung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie klagen dagegen vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Ich frage mich, ob Sie mit den beiden Anträgen vielleicht Ihre Position vor Gericht schwächen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Lesen Sie doch Ihren eigenen Antrag!)

Das Gericht wird sagen: Liebe Leute, Sie sagen mit Ihrem Antrag, dass Sie das haben wollen; wieso lehnen Sie das jetzt ab? Sie schwächen also, wie gesagt, Ihre Position vor Gericht, ohne dass dies notwendig wäre.

(Erwin Huber (CSU): Sehr klug!)

Herr Huber, ich weiß, dass das jetzt keine Ironie von Ihnen ist, sondern dass Sie es ernst meinen.