Protocol of the Session on February 17, 2016

(Heiterkeit und Beifall bei den FREIEN WÄH- LERN)

Und gemein ist sie auch, da bin ich Ihrer Meinung. Sie wissen, dass ich das landauf und landab sogar manchmal sage. Ich sage: Wir müssen mit aller Kraft dagegenhalten. Das werden wir aber sicher nicht dadurch erreichen, indem wir einfach Nein sagen und uns inhaltlich in keiner Weise damit beschäftigen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wir fordern die Abstimmung dann, wenn ausgehandelt ist! Wenn ausgehandelt ist, dann wird abgestimmt! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Genau! Deswegen werden wir heute auch solche Anträge nicht beschließen. Das ist genau der Grund, Herr Kollege Aiwanger.

(Beifall bei der CSU)

Das heißt, Sie haben sich mal wieder selbst widersprochen.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch des Abgeord- neten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER) – Unruhe)

Sie haben mitgeteilt, es sei ein großer Schaden – –

Ich bitte, dass man die Frau Kollegin reden lässt, damit wir ihr auch gut zuhören können. – Bitte schön, Frau Kollegin.

In dieser Abteilung des Hauses ist weder Zuhören noch Lesen besonders ausgeprägt.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wenn Sie gelesen hätten!)

Sie haben ferner mitgeteilt, es gäbe einen großen Schaden für die bayerische Wirtschaft, weil die Verbraucher zugunsten von Konzerninteressen an die Wand gespielt würden. – Meine Damen und Herren, die Konzerne lachen darüber. Die Konzerne produzieren vor Ort, die Konzerne haben die Zulassungen und die Rechtsabteilungen vor Ort. Die Konzerne haben die Probleme nicht, sondern Freihandel ist etwas, was insbesondere dem spezialisierten Mittelstand, der nirgendwo so stark ist wie im Freistaat Bayern, helfen kann.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Obama und Merkel zerbrechen sich den Kopf über den bayerischen Mittelstand? – Dass ich nicht lache!)

Herr Kollege Aiwanger, ich würde Sie einfach bitten, dass es das jetzt war. – Bitte schön, Frau Kollegin.

(Markus Rinderspacher (SPD): Fürs Erste!)

Herr Kollege Aiwanger, ich habe zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass sich Herr Obama irgendwie den Kopf zerbricht. Der Kopf von Herrn Obama ist mir nämlich wurscht! Ich habe Ihnen gesagt: Diese Freihandelsabkommen bieten eine Chance für unseren Mittelstand. Diese Chance bieten sie dann, wenn die Europäische Kommission vernünftig und mit Augenmaß handelt. Eine rote Linie, die Sie nie erwähnen, die Sie vermutlich nicht kennen,

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wir sind alle dümmer als Sie!)

ist zum Beispiel die, dass wir die Zugänge zu den öffentlichen Märkten haben. Die Zugänge zu den öffentlichen Märkten werden unserer Wirtschaft helfen. Da werden wir verhandeln müssen, und wir werden weiter dahinter her sein. Wenn Sie meinen, dass wir das nur dadurch erreichen könnten, dass wir immer nur Nein schreien, halte ich Ihnen entgegen: Es gibt einen Einzigen in diesem Land, der wirklich Einfluss nehmen kann auf die Verhandlungsführung und darauf, was dort stattfindet: Das ist der Bundeswirtschaftsminister Gabriel von der SPD. Ich würde vorschlagen, dass die SPD hier keine dünnen Dringlichkeitsanträge stellt, um auch mit dabei zu sein, sondern dass sie mit Ihrem Wirtschaftsminister spricht. Lassen Sie ihn so Einfluss nehmen, wie das in Ihrem Sinne sein sollte. Nach allem, was ich sehe, sagt er das Gegenteil von dem, was in Ihrem Dringlichkeitsantrag steht.

(Beifall bei der CSU – Erwin Huber (CSU): Genau! Sehr gut!)

Frau Kollegin, darf ich Sie bitten, zum Rednerpult für eine Zwischenbemerkung vom Kollegen Professor Dr. Piazolo zurückzukommen? – Bitte schön. Der Herr Kollege hat jetzt das Wort. Bitte.

Frau Kollegin Wittmann, in einem stimme ich Ihnen ausdrücklich zu, nämlich darin, dass die Verhandlungsführung bei dem Abkommen wirklich gemein und geheim ist, also beides. Das gilt insbesondere dann, wenn man weiß, dass die Abgeordneten, die sich das Abkommen anschauen, nachher überhaupt nicht über den Inhalt reden dürfen

und strafrechtlich verfolgt würden, wenn sie dies täten. Das ist ein großes Problem bei TTIP.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Zweite Bemerkung: Sie haben uns jetzt deutlich gemacht – das würde ich ganz gerne bestätigen –, dass Sie die sogenannte Volksbefragung, die Sie als CSU eingeführt und hier durchgesetzt haben, die wir schon immer als enorm schwach empfunden haben, jetzt noch schwächer reden, als sie schon ist. Das heißt, Sie führen etwas ein und begründen gleich bei der ersten Möglichkeit, wie schwach das Mittel ist und wie wenig das Volk sagen kann.

(Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Schlecht gemachtes Gesetz von der CSU!)

Drittens. Wenn Sie sagen, dass hier kein staatliches Handeln vorliege, dann halte ich das für bedenklich, gerade wenn man die Theorie des Staatenverbundes kennt. Es ist schon ein Problem, dass Sie, wenn von Regierungschefs etwas ausgehandelt wird, davon ausgehen, dass das, was die EU da macht, staatlichem Handeln völlig entzogen ist und nichts mehr mit staatlichem Handeln zu tun hat.

(Erwin Huber (CSU): Freistaat! )

Ich weiß, Herr Huber, dass Sie den Begriff "Freistaat" gern im Mund führen. Aber auf die EU passt er nicht. Die EU ist kein Freistaat. Sie ist manchmal ein Freibeuter, aber kein Freistaat. Insofern halte ich das schon für problematisch, weil man versucht, das Handeln der EU jeder staatlichen Kontrolle und damit auch der Kontrolle der Bürger zu entziehen. Das halte ich verfassungsrechtlich für nicht zulässig.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege Piazolo, dem ersten Teil Ihrer Zwischenbemerkung stimme ich ausdrücklich zu. Da sind wir uns, glaube ich, im Hause auch alle einig. Wir alle hätten es gerne etwas transparenter, und wir alle würden gerne die Dokumente einsehen können, um über sie kompetent reden zu können.

(Eva Gottstein (FREIE WÄHLER): Warum machen Sie es dann nicht?)

Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Da kämpfen wir ja auch – Kollege Lammert beispielsweise – in Berlin Seite an Seite, damit wir Stück um Stück vorankommen und mehr Einblick nehmen können. Insoweit gibt es zwischen uns beiden überhaupt keine Differenz, was dies betrifft. Im Gegenteil sollten wir weiterhin mit einer Stimme aus Bayern sprechen, weil wir gemein

sam Einblick und, soweit möglich, Einfluss nehmen wollen. Das habe ich schon am Anfang meiner Ausführungen gesagt. Es wäre auch gut, wenn wir das tun und nicht über irgendwelche Umweganträge merkwürdige Schleifen ziehen würden.

Jetzt aber noch einmal zu dem Thema der Volksbefragung: Mit der Volksbefragung haben wir in Bayern eine Lücke geschlossen, die wir vorher hatten. Wir hatten nämlich auf kommunaler Ebene eine recht vernünftige und im Dialog zu führende Bürgerbeteiligung in verschiedenen Varianten bis hin zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden. Auf Landesebene aber hatten wir lediglich den Volksentscheid, der nur der Gesetzgebung offensteht. Mit der Volksbefragung haben wir ein weiteres Instrument geschaffen, mit dem wir die Bürger bei Vorhaben dieses Freistaates, unseres Staates, befragen können. Genau darum geht es, und deswegen ist das, was Sie wollen, so leid es mir tut, verfassungsrechtlich schlicht nicht zulässig.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ach!)

Erneut stimme ich Ihnen aber zu, dass das Handeln der EU-Kommission natürlich nicht jeder bundesstaatlichen Einflussnahme entzogen sein sollte. Deswegen habe ich auch vorsichtshalber schon den zuständigen Minister zitiert, damit er Bescheid weiß und ihn die Kollegen auffordern können, die bundesstaatliche Einflussmöglichkeit so weit wie möglich geltend zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Frau Kollegin, bitte verbleiben Sie am Rednerpult. Frau Kollegin Stamm möchte noch eine Zwischenbemerkung machen.

Sehr geehrte Kollegin Wittmann, Sie wissen, ich schätze Sie sehr.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ein gefährlicher Beginn!)

Wir sind unlängst in Unterhaching zusammen auf einem Podium zum Thema TTIP gesessen. In diesem Raum hat es auf mich, auf den Rest des Raumes und auf die Presse so gewirkt, als wären unsere Positionen eigentlich deckungsgleich und als vertrete eher der SPD-Kollege eine abweichende Position. Deshalb möchte ich nachfragen, ob sich Ihre Meinung aufgrund von angeblichen Fortschritten bei den Verhandlungen geändert hat oder ob wir Sie alle damals im Raum missverstanden haben. Das würde ich ganz gern wissen.

Sehr verehrte Frau Kollegin Stamm, ich gebe die Wertschätzung gern zurück, darf Ihnen aber sagen: Wir haben uns weder damals missverstanden, noch ist ein Dissens erkennbar. Leider haben wir im Moment ein anderes Thema, und eine Redezeit von acht Minuten reicht nicht für sämtliche Freihandelsabkommen und die damit zusammenhängenden Themen. Aber ich stehe Ihnen gern einmal über Stunden mit meinen Argumenten zur Verfügung.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Oh je!)

Eines will ich vorwegnehmen: Ja, es gibt Fortschritte in den Verhandlungen, nämlich bei dem Thema der Schiedsgerichtsbarkeit. Ich erläutere Ihnen das gerne einmal am Beispiel von UNCITRAL und ICSID und der bilateralen Verbindungen, die über WTO bereits rechtsverbindlich eingegangen worden sind und durch CETA einem solchen Einschnitt unterworfen wurden, dass die Regulatoren, die andere treffen können, deutlich geringer sind. Hier gibt es also ebenfalls einen Fortschritt.

In TTIP wollen wir das noch weitertreiben. Ich bin da auch etwas zuversichtlich. Ich sehe nach wie vor die Möglichkeit, vor allen Dingen aber auch die Notwendigkeit, dass wir Prosperität für Bayern brauchen. Aber ich bleibe dabei, dass wir das, was wir mit CETA erreicht haben – beispielsweise ein Verbot von Klonfleisch, Kontingente für Fleisch und Milch, damit die Landwirtschaft an diesem Punkt geschützt werden kann –, nicht nur in TTIP einfließen lassen müssen, sondern dass wir darüber auch weiter verhandeln müssen. Eine kritische Begleitung der Freihandelsabkommen wird immer bleiben. Aber ich lasse mir nicht vorschreiben, für oder gegen etwas zu sein, bevor ich den ausgehandelten Vertragstext kenne. Ich bin gerne bereit, dass wir uns dann noch einmal in den Clinch begeben und darüber sprechen, an welchem Punkt es nun hakt und ob wir zustimmen können oder nicht.

Vielen Dank, Frau Kollegin. Jetzt hat der Kollege Pfaffmann für die SPDFraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege. – Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Allein diese empathische Debatte zeigt, wie stark dieses Thema die politische Willensbildung betrifft und wie sehr es die Menschen bewegt. Als diese Debatte vor einigen Jahren – übrigens auch von uns; das möchte ich schon betonen – durch einen ersten Antrag auf die Tagesordnung des Parlaments gesetzt wurde, hätte ich mir gewünscht, dass die Zuständigen die Zeichen der Zeit erkannt und gesehen hätten, dass man ein solches

Vorhaben keineswegs hinter dem Rücken aller Akteure, Parlamente, Menschen und NGOs durchführen kann. Aber genau das ist passiert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Genau deswegen stehen wir heute an diesem Punkt.

Ich bin der festen Überzeugung: Mit einer von Anfang an guten Transparenz, liebe Frau Wittmann, hätte man über Inhalte reden können. Aber jetzt ist die Zeit abgelaufen. Was derzeit passiert, ist nichts anderes als der Versuch, eine neoliberale Wirtschaftspolitik zu institutionalisieren und umzusetzen. Das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist mit uns auch nicht mit Volksbefragungen – dafür oder dagegen – zu machen. Es geht um ein Thema von grundsätzlicher politischer Bedeutung. Wir wollen einen neoliberalen Wahnsinn gerade deswegen nicht in die Handelspolitik einführen, weil wir wissen, dass die Handelspolitik durchaus auch ein Thema der internationalen Flüchtlingsfrage ist, die wir heute diskutieren. Deswegen kommt das für uns nicht infrage.