Liebe Kolleginnen und Kollegen, inhaltlich unterstützen wir Ihre Anträge sehr wohl. Wir erkennen die Zielrichtung. Aber es kann nicht sein, dass Sie einerseits das Volk über etwas befragen wollen und andererseits das Ergebnis gegenüber der Staatsregierung offenlas
sen. Das kann es nicht sein. Sie wollen das Richtige, aber es gibt eben kein Recht im Unrecht. Deshalb bitte ich Sie, mit uns gegen CETA ohne Wenn und Aber zu stimmen.
(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Spricht die Regierung nicht dazu? Das kann nicht wahr sein, Frau Ministerin!)
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion der FREIEN WÄHLER zielt in ihrem Dringlichkeitsantrag explizit darauf ab, diese internationalen Freihandelsabkommen der bayerischen Bevölkerung umfassend zu erläutern und sie dann in der Form ihrer Koalitionsabstimmung in die Entscheidungsfindung miteinzubinden. Das ist im Grunde ein ganz normaler Anspruch, den auch der Ministerpräsident letztendlich immer wieder für sich in Anspruch nimmt.
CETA soll noch in diesem Jahr vom Rat dem Europäischen Parlament zugeleitet und anschließend durch den Bundesrat ratifiziert werden. CETA ist – ich glaube, da sind wir uns alle einig – eine Blaupause von TTIP, das nach Aussagen der EU-Außenhandelskommissarin noch in diesem Jahr ausgehandelt werden soll. Bei CETA gehen wir von einem gemischten Abkommen aus, das der Zustimmung der Ländervertretung bedarf.
Deshalb beziehen wir uns auch auf die Aussage des Rates, dass man nur einem gemischten CETA-Abkommen zustimmen würde. Insofern steht der Volksbefragung diesbezüglich nichts im Wege, und die Regierung ist auch nicht gehalten, die Meinung des bayerischen Volkes letztendlich anzuerkennen. Sie kann aber sehr wohl der Empfehlung des bayerischen Volkes folgen, und das ist entsprechend ernst zu nehmen.
Heribert Prantl schreibt in der Ausgabe der "SZ" vom 10. Mai 2014 im Zusammenhang mit diesem Freihandelsabkommen von einem heimlichen Staatsstreich. So weit also werden dessen Auswirkungen eingeschätzt.
Ich denke, es geht um die Gesamtabwägung. Verschiedene Studien wie die des ifo Instituts, der Bertelsmann Stiftung und anderer prognostizieren bei CETA beispielsweise bei unserer deutschen Landwirtschaft einen Wertschöpfungsrückgang von 0,7 %, während gleichzeitig die US-Agrarexporte um 5,5 Mil
liarden ansteigen. Das betrifft insbesondere Schweine und Geflügel. Wir sind uns doch sicherlich einig, dass wir hier bereits heute deutliche Überproduktionen haben.
Gleichzeitig wird ein Rückgang der EU-Exportquote, des Brutto-Inlandprodukts und des Realeinkommens im unteren Einkommensbereich in Deutschland durch TTIP und CETA vorhergesagt. Innerhalb der EU werden dieser Studie zufolge 600.000 Arbeitsplätze dem transnationalen Freihandelsabkommen zum Opfer fallen.
Nun komme ich zu Ihnen, Frau Kollegin Wittmann. Auch die Wirtschaft ist in der Bewertung von TTIP und CETA völlig gespalten. Nur ein Viertel der kleinen und mittleren Unternehmen sieht laut der Forsa-Umfrage Vorteile bei diesen transatlantischen Abkommen, Dreiviertel lehnen sie ab.
Der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft lehnt den Investitionsschutz gänzlich ab. Insofern ist dies ein ganz wesentlicher Punkt für unsere mittelständische Wirtschaft und unsere Landwirtschaft.
Das entscheidende Kriterium bei dieser Abwägung pro und contra ist das Schiedsverfahren ISDS, das im NAFTA-Freihandelsabkommen bereits Anwendung fand. Wir wissen, welche verheerende Wirkung das insbesondere auf die Entwicklungsländer hat.
Es soll nach dem Willen der Europäer in TTIP durch ein TTIP-Investitionsgericht ICS ersetzt werden, allerdings gegen den erbitterten Widerstand der Amerikaner, was, glaube ich, inzwischen auch schon bekannt ist. Sowohl ISDS als auch ICS hebeln die demokratischen Grundrechte aus und verleihen internationalen Konzernen die Legitimität, die Regierungen in Milliardenhöhe zu verklagen. Kollege Mütze hat es dargestellt. Der Deutsche Richterbund hat eine klare Aussage dazu gemacht. Ich glaube, das braucht keine weitere Beurteilung.
Ecuador ist zum Beispiel bis auf 3 % des Bruttosozialproduktes zu Schadensersatzverpflichtungen herangezogen worden. Die Erfahrung sagt uns, dass nur gewisse Eliten davon profitieren werden. Deshalb sollten wir die Amerikaner nicht in die Lage versetzen, durch die CETA-Hintertüre amerikanische Unternehmen am Markt besser zu platzieren, sodass diese letzten Endes auch Lizenzen einklagen können. Ich glaube, all das reicht an Argumenten aus, unserem
Kollege Häusler, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Der Kollege Gehring hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Herr Kollege Gehring, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Häusler, dieses Thema wird auf den verschiedensten politischen Ebenen diskutiert und entschieden. Sie sehen ja schon die Situation bei der SPD, wo der Bundeswirtschaftsminister eine andere Position vertritt. Die FREIEN WÄHLER sind bis auf eines in keinem weiteren Parlament vertreten, sodass deren Position im Grunde irrelevant ist.
Es gibt aber immerhin eine Vertreterin der FREIEN WÄHLER im Europaparlament. Das ist das Parlament, auf dessen Entscheidung es ankommt. Ich spreche von der Kollegin Müller, unserer ehemaligen Landtagskollegin. Sie hat CETA zugestimmt.
Vielleicht können Sie uns erklären, wie das zu Ihrem fulminanten Antrag passt und ob man nicht eigentlich sagen müsste, die FREIEN WÄHLER reden in Europa, wo es darauf ankommt, so, im Landtag, wo es nicht darauf ankommt, anders.
Es ist richtig, die FREIEN WÄHLER sind in zwei Landesparlamenten vertreten, nämlich in Bayern und in Brandenburg. Die Kollegin Müller hat damals, als es in Brüssel um die roten Linien der Verhandlungsführung ging, gesagt: Wenn diese Linien nicht überschritten werden, kann ich zustimmen. Mittlerweile sehen wir, dass bei CETA diese Linien überschritten sind. Die Kollegin Müller hat das dann sehr deutlich gemacht, und in der letzten Abstimmung dagegen gestimmt. So viel zur einheitlichen Haltung der FREIEN WÄHLER in der Abstimmungssituation.
Danke schön, Herr Kollege. – Jetzt hat sich noch mal der Kollege Pfaffmann von der SPD gemeldet. Herr Kollege, Sie haben das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Die Debatte hat gezeigt, wie wichtig dieses Thema ist. Tausende, Hunderttausende von Menschen gehen auf die Straßen. Wir diskutieren über einschlägige Dringlichkeitsanträge. In Europa wird dieses Thema sehr hochgehalten. Ich stelle fest: Die Einzigen, die am heutigen Tag der Auseinandersetzung keine Stellungnahme abgeben, sind die Vertreter der Bayerischen Staatsregierung.
Es ist doch wirklich erbärmlich, dass sich hier keiner von der Staatsregierung bemüßigt fühlt, an das Mikrofon zu treten und die klare Haltung der Staatsregierung einmal deutlich zu machen.
Angesichts der Bedeutung dieses Themas ist es wirklich eine Bankrotterklärung, wenn die Staatsregierung hier keine Meinung hat.
Danke schön, Herr Kollege. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Für alle drei Dringlichkeitsanträge, über die abzustimmen ist, ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Ich halte mich an die Reihenfolge, in der die Dringlichkeitsanträge in der Anlage zur Tagesordnung aufgeführt sind. Ich werde für die erste namentliche Abstimmung fünf Minuten geben, für die zwei weiteren jeweils drei Minuten.
Ich komme zur namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/10003. Das ist der Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER. Ich
eröffne die namentliche Abstimmung. Die Abstimmungsorte sind bekannt. Dafür sind fünf Minuten vorgesehen. Bitte schön.