Protocol of the Session on January 28, 2016

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 2:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Mediengesetzes und des Gesetzes zur Ausführung des Rundfunkstaatsvertrags, des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags und des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (Drs. 17/9548) - Erste Lesung

(Unruhe)

- Ich habe nicht das Gefühl, dass ich die Sitzung unterbrochen habe, Kolleginnen und Kollegen. – Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung begründet. Ich darf dazu Frau Staatsministerin Aigner ans Rednerpult bitten. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

(Anhaltende Unruhe)

- Moment bitte, Frau Staatsministerin. Ich möchte, dass die Gespräche am Rande im Plenarsaal jetzt beendet werden. Wenn Sie weiterreden wollen, gehen Sie bitte nach draußen. Ich bitte, hier jetzt etwas Ruhe

einkehren zu lassen. – Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Debatte von eben kommt jetzt ein vollkommen anderes Thema. Es geht um den Medienstandort Bayern, einen Spitzenstandort in der Bundesrepublik Deutschland und auch europaweit. Wir wollen, dass das auch in Zukunft so bleibt. Dazu müssen wir die wirtschaftlichen und die rechtlichen Rahmenbedingungen kontinuierlich reformieren, auch indem wir die Digitalisierung vorantreiben.

Die Staatsregierung hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Mediengesetzes und anderer Rechtsvorschriften in den Landtag eingebracht. Damit setzen wir die Ergebnisse des Runden Tisches zur Medienpolitik um, den unser Ministerpräsident Horst Seehofer einberufen hat. Die vorliegende Gesetzesänderung hat drei Schwerpunkte. Erstens, die Liberalisierung der Genehmigungsverfahren für die privaten Rundfunkanbieter; zweitens, die Modernisierung der Medienkonzentrationsregelungen; drittens, die Abschaffung der sogenannten Must-carry-Regelung bei der analogen Kabelverbreitung bis Ende 2018.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zu Punkt eins. Mit der Änderung des Bayerischen Mediengesetzes schaffen wir einen modernen Rechtsrahmen und gestalten die Vorschriften zur Organisation von Rundfunkanbietern klarer. Das schafft mehr Freiraum für Kreativität und für Innovationen.

(Beifall bei der CSU)

Im digitalen Zeitalter stehen zahlreiche Verbreitungsmöglichkeiten zur Verfügung. Verschiedene Anbieter mit verschiedenen Programmen auf einer einzigen Sendefrequenz sollten nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme sein; denn das passt einfach nicht mehr. Das gilt nicht nur für die Sender, sondern das passt auch dem Hörer nicht mehr, der dadurch eher verwirrt wird. Künftig können Programme aus einem Guss gemacht werden. Ständige Programmwechsel auf einer Frequenz wird es nicht mehr geben. Die Vorschriften für die Genehmigung von Rundfunk werden deshalb liberalisiert. Insbesondere werden Anbietern unbefristete Zulassungen für digitale Programme erteilt. Das senkt nicht nur den bürokratischen Aufwand, sondern ist zugleich ein Anreiz für die Medienunternehmen zur Nutzung moderner digitaler Verbreitungswege, weil die Unternehmen dann langfristig investieren und planen können. Wir schaffen damit mehr Planungssicherheit.

Zweiter Punkt: Auch die Regelungen zur Verhinderung einer vorherrschenden Meinungsmacht werden

an das moderne Medienumfeld angepasst. Früher gab es in vielen Bereichen oft nur einen einzigen UKW-Sender für Information und Unterhaltung. Heute buhlt hier eine ganze Palette unterschiedlicher Player um die Aufmerksamkeit der Nutzer. Digitale Fernsehund Radiosender, crossmediale Printangebote sowie lokale und regionale Online-Angebote stehen in ungeahnter Vielfalt zur Verfügung.

Wir wollen letztlich die bayerischen Anbieter in dem immer schärfer werdenden Wettbewerb stärken. Deshalb vereinfachen wir die Regeln für den Zusammenschluss von Rundfunkanbietern. Wir wissen: Ein hochwertiges lokales oder regionales Programm kann nur von leistungsfähigen Unternehmen angeboten werden. Hierzu werden wir das Unsrige tun. Wir stehen bei der Digitalisierung allen bayerischen Medien zur Seite. Deshalb nutzen wir das Know-How der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien – ich begrüße deren Präsidenten Herrn Siegfried Schneider in unseren Reihen – und ergänzen ihren Aufgabenkatalog. So wird die BLM ein Media Lab aufbauen, um neue Wege für lokale elektronische Medien zu ebnen. Die BLM wird in WERK1 kreative Vordenker im Medienbereich einladen und damit Motor für das Vorankommen der digitalen Medien in ganz Bayern sein. Herzlichen Dank dafür!

Damit bin ich bei meinem dritten Schwerpunkt. Mit der Gesetzesänderung leiten wir die Volldigitalisierung der Kabelverbreitung in Bayern ein. Die terrestrische Verbreitung und die Satellitenverbreitung von Rundfunk sind bereits zu 100 % digitalisiert. Im Breitbandkabel sind alle Programme auch digital empfangbar. Mit Verlaub, ich glaube nicht, dass heute noch irgendjemand einen Röhrenfernseher zu Hause hat und damit ausschließlich analog empfangen kann. Damit ist die Verpflichtung der Kabelnetzbetreiber überholt, bestimmte öffentlich-rechtliche und auch private Programme analog einzuspeisen. Diese Zwangsregulierung der Kabelnetze hat übrigens vor dem EU-Recht mittelfristig nach unserer Ansicht keinen Bestand mehr. Wir wollen sie daher Ende 2018, also mit einer Übergangsfrist, ersatzlos streichen. Darüber hinaus haben wir uns das Ziel gesetzt, dass die Analogverbreitung im Kabel vollständig abgeschaltet wird. Damit bekommen wir das modernste Kabelregime Deutschlands.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bayern ist Vorreiter im Bereich der Digitalisierung. Daher ist es nur konsequent, dass Bayern mit dem neuen ZDF-Staatsvertrag nun die Möglichkeit hat, die Entsendung in die Gremien für den Bereich Digitales auch landesgesetzlich zu regeln. Bitkom soll diese Position im ZDF-Fernsehrat

für uns besetzen. Wir sind der festen Überzeugung: Dort sitzt Sachverstand, der Stimme im Sinne eines modernen digitalen Fernsehprogramms sein wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein oberstes Ziel bleibt eine vielfältige bayerische Rundfunklandschaft mit einem hochwertigen Angebot. Deshalb schaffen wir für die Zukunft zur Sicherung der Meinungsvielfalt klare Vorschriften im Mediengesetz und passen den Ordnungsrahmen an das digitale Zeitalter an. Aber ich will gleich noch eines sagen: Die Arbeit ist noch nicht vollständig getan. Deshalb gebe ich einen Ausblick. Wir werden uns der Zukunft des Lokalfernsehens annehmen und gemeinsam im Hohen Haus über die staatliche Förderung zu entscheiden haben. Wir werden, ähnlich wie beim ZDF, die Zusammensetzung der Rundfunkgremien neu regeln, damit diese die gesellschaftlichen Gegebenheiten stärker widerspiegeln. Wir werden auch dort die richtigen Antworten auf die digitalen Herausforderungen für unsere Medienlandschaft geben. Ich bitte deshalb den Landtag, heute bzw. im Rahmen der Beratungen in den Ausschüssen dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Ich eröffne die Aussprache und darf jetzt für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Fehlner das Wort erteilen. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit ihrem Gesetzentwurf verfolgt die Staatsregierung nach eigenen Angaben das Ziel, den Medienstandort Bayern zu stärken und den Ordnungsrahmen an die technischen Entwicklungen anzupassen. Aufgabe des Landtags ist es nun, darüber zu befinden, ob diese Ziele mit dem Gesetzentwurf tatsächlich erreicht oder aber sogar verfehlt werden. Der Gesetzentwurf ist das erste Resultat des Runden Tisches Medienpolitik und basiert im Wesentlichen auf Anregungen der Medienwirtschaft. Kernthema ist die Regulierung des privaten Rundfunks. Die Frage ist: Enthält der vorliegende Gesetzentwurf der Staatsregierung alle wichtigen Punkte zum Schutz der Medienpluralität, zur Sicherung der Meinungsvielfalt und zur Sicherung eines guten und unabhängigen Journalismus? Vor diesem Hintergrund müssen die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen auch kritisch hinterfragt werden.

(Beifall bei der SPD)

Richtig ist, dass wir uns den Herausforderungen einer sich rasant verändernden Medienwelt stellen müssen. Deshalb gilt es, die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen sorgfältig zu überprüfen und anzupassen. Es geht um die Digitalisierung, die zunehmende Medi

enkonvergenz, die Kombination und Überlagerung von Geräten, um Verbreitungswege und um Inhalte. Dem müssen wir Rechnung tragen und das Bayerische Mediengesetz dieser Entwicklung anpassen.

Die Verbände wie der Bayerische Journalistenverband, der Verband Bayerischer Lokalrundfunk, die Bayerische Landeszentrale für neue Medien, aber auch der BR haben ihre Stellungnahmen zur Änderung des Mediengesetzes schriftlich abgegeben. Die Bewertungen sind unterschiedlich. Die Skepsis wird in zentralen Punkten deutlich. Ich nenne nur ein paar Beispiele: Welche Impulse zur Förderung von Meinungsvielfalt gehen von dieser Deregulierung aus, welche fehlen? Sollen und dürfen Rundfunkanbieter, Medienhäuser und Kabelnetzbetreiber über die per Gesetz vorangetriebene Deregulierung künftig selbst darüber befinden, welche Art und welches Maß an Vielfalt den Bürgerinnen und Bürgern angeboten wird, oder nicht? Wird durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Erleichterung von Fusionen und Kooperationen der eigentliche Mehrwert – gut finanzierter Journalismus und Meinungsvielfalt – gesichert? Oder werden vor allem die Geschäftsmodelle der bisher aktiven Marktteilnehmer geschützt, vor allem die der größeren? Wird der Medienrat in seinen Aufsichtsgremien gestärkt oder beschnitten? – Kolleginnen und Kollegen, auf keinen Fall darf mit der Änderung des Mediengesetzes einer Monopolisierung des Medienmarktes Vorschub geleistet werden.

(Beifall bei der SPD)

Skeptisch sehen unter anderem die Journalistenverbände, der VBL und die BLM die Streichung von Artikel 36, die Abschaffung der Must-carry-Liste im analogen TV-Kabel. Die Vielfalt muss auch im Kabel gesichert sein. Zwar ist der Digitalisierungsgrad in Bayern gestiegen, aber ein Drittel der bayerischen Kabelhaushalte empfangen ihre Programme noch über das analoge Kabel. Aus unserer Sicht ist es problematisch, wenn gesetzliche Regelungen auf einen baldigen UKW-Abschalttermin spekulieren, den aber tatsächlich noch keiner kennt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Änderung des Mediengesetzes ist weitreichend. Wir müssen sie gut aufs Gleis setzen.

(Erwin Huber (CSU): Sind Sie jetzt dafür oder dagegen? – Thomas Kreuzer (CSU): Das weiß sie noch nicht! – Harry Scheuenstuhl (SPD): Das ist ein schwacher Entwurf!)

Wir müssen alle Meinungen und Stellungnahmen ins Kalkül ziehen. Darüber hinaus stehen in den nächsten Wochen die Ergebnisse und Leitlinien der Bund-Län

der-Kommission zur Medienkonvergenz fest. Es gilt, diese zu berücksichtigen.

Nicht zuletzt geht es in diesem Jahr um die Förderung der lokalen TV-Sender. Das bedeutet, dass wir das Mediengesetz wieder öffnen und Änderungen vornehmen müssen. Deshalb regen wir an, die Gesetzesberatung im Bayerischen Landtag mit einer Anhörung im Wirtschafts- und im Kulturausschuss zu beginnen.

(Beifall bei der SPD)

Alle offenen Fragen könnten nochmals öffentlich diskutiert werden.

(Erwin Huber (CSU): Sie müssen zu einer Meinung kommen!)

Auf diese Weise können diejenigen Betroffenen Stellung nehmen, die nicht am Runden Tisch Medienpolitik vertreten waren. Unser aller Ziel muss es sein, ein wirklich gutes, ausgewogenes und zukunftsorientiertes Mediengesetz zu verabschieden. Dafür setzt sich die SPD-Landtagsfraktion ein.

(Beifall bei der SPD – Harry Scheuenstuhl (SPD): Bravo!)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Blume für die CSU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Fehlner, Ihren Beitrag kann man mit den Worten überschreiben: Schauen wir mal, dann sehen wir schon.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Wir sind in der Ersten Lesung, Herr Kollege! )

Über das Thema haben wir in den Ausschüssen lange beraten. Es gab einen langen Vorlauf. Wir haben uns über die Ergebnisse des Runden Tisches auseinandergesetzt. Jetzt greifen Sie nach dem Strohhalm und sagen: Ich weiß immer noch nicht genug; jetzt machen wir noch eine Anhörung. Liebe Frau Kollegin Fehlner, irgendwann muss man sich auch einmal entscheiden. Ich glaube, die Zeit zur Entscheidung ist jetzt reif. Dieser Vorschlag für die Novelle des Bayerischen Mediengesetzes ist notwendig und alternativlos.

(Beifall bei der CSU)

Bevor ich das begründe, möchte ich zunächst Danke sagen. Ich danke dem Ministerpräsidenten, der sich auf das Experiment eines Runden Tisches eingelassen hat. Als der Runde Tisch damals ausgerufen wurde, haben alle gesagt: Bei einem Runden Tisch

kommt ohnehin nichts heraus. Erstaunlich war, dass sehr viel dabei herausgekommen ist. Parteien und Akteure aus der Medienlandschaft, die sonst allenfalls über Pressemeldungen miteinander verkehren, weil sie aus völlig unterschiedlichen Sphären kommen, haben miteinander geredet. Die Vertreter der digitalen Wirtschaft, auch von Suchmaschinen, waren im Gespräch mit den etablierten Medienakteuren. Die Ergebnisse können sich sehen lassen und haben zu dem heute vorliegenden Gesetzentwurf geführt, mit dem ganz konkrete Vorschläge zur Anpassung der Medienordnung gemacht werden.

Außerdem haben wir bundespolitisch eine wichtige Debatte angestoßen. Die Bund-Länder-Kommission steht ganz wesentlich auf den Ergebnissen des Runden Tisches Medienpolitik. Deswegen richte ich den zweiten Dank an unsere Staatsministerin Ilse Aigner, die nicht nur den Runden Tisch erfolgreich weitergeführt, sondern auch dafür gesorgt hat, dass es am Ende zu konkreten Ergebnissen gekommen ist. Deswegen bedanken wir uns als CSU-Fraktion ganz herzlich für diesen sehr guten Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Frau Kollegin Fehlner, wenn wir über Medienpolitik reden, dürfen wir nicht nur das kleine Karo in unserem Land im Auge haben. Wir müssen uns die Wirkung der gesamten Entwicklungen anschauen. In jedem Gesetzentwurf steht unter dem Punkt "Alternativen" in der Regel "keine". Selten jedoch war dieses Wort so bedeutsam wie an dieser Stelle. Es gibt nämlich tatsächlich keine Alternative zu diesem Gesetzentwurf. Als Alternative könnte man sagen: Man lässt alles regulatorisch so weiterlaufen wie bisher.

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Liebe Frau Kollegin Gote, gleich kommen Sie dran und können Ihren Beitrag leisten. – Medienpolitisch beobachten wir ein Auseinanderlaufen der Regulierungsfiktion, wie wir sie gerne hätten, und der Regulierungsrealität. Die Menschen werden das Vertrauen in die Politik verlieren, wenn sie das Gefühl haben, dass wir mit alten Regelungen Dinge regulieren, die schon heute beginnen, keine Bedeutung mehr zu haben, und gleichzeitig unterlassen, die Dinge, die neue Relevanz erhalten, nicht zu regulieren. Dieses regulatorische Ungleichgewicht können wir als verantwortungsvoller Gesetzgeber nicht bestehen lassen. Meine Damen und Herren, deswegen ist dieser Gesetzentwurf alternativlos.