Protocol of the Session on December 2, 2015

(Beifall bei der CSU)

Daher fordere ich einen mutigen Zukunftspfad hin zu einem neuen Strommarkt, ohne die alten Braunkohleriesen, aber mit klimafreundlichen Gaskraftwerken als Ergänzung zu den Erneuerbaren und mit einem effektiven Emissionshandel in Europa.

(Natascha Kohnen (SPD): Klimafreundlich!)

Im Jahr 2010 betrug der Anteil der Erneuerbaren an der Bruttostromerzeugung in Bayern noch knapp 26 %. Vier Jahre später, im Jahr 2014, betrug er über 36 %. Zum Vergleich: Baden-Württemberg steht bei 23 %. Bayern ist beim Aufbruch in das neue Energiezeitalter eines der führenden Länder in Deutschland.

Unser Ziel ist ein ambitionierter Ausbau der Erneuerbaren, insbesondere der Schwerpunkte Solarenergie und Biomasse. Dabei legen wir Wert auf einen planvollen Zubau. Das oberste Gebot einer zukunftsfähigen Energiepolitik lautet: Die Strompreise müssen für die Menschen bezahlbar und die Wirtschaft muss wettbewerbsfähig bleiben.

(Beifall bei der CSU)

In diesem Sinne treiben wir auch den Bund an. Wir müssen die Wärmeerzeugung und die Innovationen im Verkehr noch stärker in den Fokus rücken. Wir fordern mehr Einsatz für die energetische Gebäudesanierung. Hier wird der Löwenanteil der Energie verbraucht. Steuerliche Förderungen müssen kommen. Wir fordern mit Herzblut mehr alternative Antriebstechnologien. Ich habe in der Umweltministerkonferenz den Antrag und den Beschluss mit vorangetrieben, ein klares Signal für finanzielle Anreize und für einen erfolgreichen Markteintritt der Elektromobilität zu setzen.

Als Staatsregierung gehen wir mit Ehrgeiz und mit Einsatz voran. Ich nenne beispielhaft das 10.000Häuser-Programm meiner Kollegin Ilse Aigner und die energetische Sanierung staatlicher Gebäude durch

meinen Kollegen Joachim Herrmann. Wir haben uns beim Aufbruch in ein neues Energiezeitalter einen neuen, einen intelligenten Wachstumsbegriff verordnet: Das Wachstum der Zukunft ist sauber und umweltschonend, energie- und rohstoffeffizient.

Klimaschutz, meine Damen und Herren, ist Ressourcenschutz, und Ressourcenschutz bedeutet einen effizienten Umgang mit Rohstoffen. Mein Anspruch dabei ist klar: Bis zum Jahr 2020 soll Bayern rohstoffeffizientestes Land in Deutschland werden. Dazu haben wir ein für Deutschland einmaliges Aktionsprogramm aufgelegt, die "Rohstoffwende Bayern". "Rohstoffwende Bayern" heißt: Die deutsche Rohstoffpolitik wird noch stärker als bisher weiß-blau. Das Ziel ist, auch im Einklang mit den G-7-Beschlüssen ein hochwertiges Recycling und schadstofffreie Kreisläufe zu fördern und zu unterstützen. Wir etablieren ein Ressourceneffizienz-Zentrum Bayern. Mit diesem neuen Zentrum vernetzen wir bayernweit die Aktivitäten und stärken die Kompetenzen im Freistaat. Mir liegt es auch sehr am Herzen, zusätzliche Maßnahmen zu fördern, um eine gute Verbindung und eine Symbiose von Ökonomie und Ökologie zu schaffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die drei Säulen unseres Klimaschutzprogramms sind Forschung, Emissionsminderung und Anpassung. Anpassung ist eigentlich etwas Unbajuwarisches, aber beim Thema Klimawandel halte ich sie für sehr intelligent. Es gibt für mich immer ein klares Vorgehen, nämlich den Dreischritt, die Risiken zu erkennen, die Risiken zu bewerten und schließlich die Risiken zu minimieren.

Wir haben erst vor Kurzem den neuen Wildbachbericht veröffentlicht. Ich sage ganz ehrlich: Ich bin stolz auf diesen Wildbachbericht. Es geht um 50.000 Schutzverbauungen an bayerischen Wildbächen. In diesem Bericht zeigen wir landkreisgenau, wo in den nächsten 20 Jahren Handlungsbedarf bzw. Neubaubedarf besteht. Man kann sagen, dies ist wie eine Glaskugel. Wir sehen darin, was in der Zukunft für ein gutes und sicheres Leben in Bayern notwendig ist.

(Beifall bei der CSU)

Diesem Ziel verpflichten wir uns auch mit den neuen Maßnahmen in der Wasserwirtschaft. Die große Trockenperiode in Unterfranken hat gezeigt: Wir haben unseren wasserwirtschaftspolitischen Schwerpunkt richtig gesetzt. Wir hatten übrigens seit 40 Jahren keine so trockene Zeit mehr wie in diesem Jahr. Niedrigwasser ist und bleibt eine Herausforderung in der Zukunft. Ich nenne unser geniales Wasserüberleitungssystem – Brombachsee, Altmühlseen –, ein großes historisches Bayern-Projekt zur Versorgung unse

res regenarmen Nordens. Bereits jetzt haben wir in Nordbayern ein Drittel weniger Niederschläge als in Südbayern zu verzeichnen. Ich nenne unser umfangreiches Temperatur-Monitoring an bayerischen Gewässern, unseren Alarmplan Main-Ökologie und Donau-Ökologie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Risikominimierung kommt das Stichwort Hochwasser. Es geht um eine politische Urpflicht im Wasserland Bayern. Wir haben noch alle die dramatischen Bilder des Hochwassers 2013 im Kopf. Als Vorsitzende der Bayerischen Wasserwacht bin ich in Passau vor Ort gewesen. Niemand kann Ihnen eine Garantie geben, aber ich sage: Ich möchte diese Bilder nicht mehr sehen, und wir dürfen diese Bilder in Bayern auch nicht mehr zulassen.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb unser Hochwasserschutz-Aktionsprogramm 2020plus! Mit 3,4 Milliarden Euro machen wir Bayern hochwasserfest und klimafest. 600 Millionen Euro investieren wir allein in den nächsten zehn Jahren in Maßnahmen zwischen Straubing und Vilshofen. 2020plus ist das größte Wasserbauprogramm in der Geschichte des Freistaats Bayern, und ich treibe es mit großer Leidenschaft voran.

Auch der Bund steht an unserer Seite. Das nationale Hochwasserprogramm ist ein wichtiges Signal: Wir handeln gemeinsam mit dem Bund, gemeinsam mit allen Ländern und im Bewusstsein: Der Hochwasserschutz der Zukunft, meine Damen und Herren, ist kein Spaziergang – ganz im Gegenteil: Er gleicht einem Marathon, für den es viel Ausdauer braucht, für den es den Willen zur Finanzierung und vor allen Dingen auch ein klares Konzept braucht. Mir ist dabei sehr wichtig, eines immer zu betonen: Wir in Bayern kombinieren den technischen und den natürlichen Hochwasserschutz. Diesen Weg gehen in der Zwischenzeit viele Länder, weil er doppelt sinnvoll ist. Mit der Renaturierung unserer Auenlandschaften schaffen wir nämlich mehr Sicherheit und mehr Lebensräume. Auch Lebensräume selbst müssen angepasst werden. Ich nenne das Großprojekt meines Kollegen Helmut Brunner, den Waldumbau mit der Bergwaldoffensive und mit der Waldinitiative Ostbayern.

Für den Extremfall bei Hochwasser schmieden wir an der Donau eine Kette von zwölf gesteuerten Flutpoldern. Wir machen das gemeinsam mit den Betroffenen in voller Transparenz und in großer Überzeugung. Ich nenne als Beispiel den Polder Riedensheim. Der Polder Riedensheim kann im Ernstfall 8 Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen. Das bedeutet für Neuburg an der Donau eine Pegelsenkung von bis zu

35 Zentimetern. Jeder Zentimeter ist entscheidend. 35 Zentimeter können ein Segen für die Menschen am Fluss sein.

Segensreich ist übrigens auch unser großes Bayernprojekt für eine sichere Trinkwasserversorgung. Ich lege Wert darauf, dass mit diesem Projekt jede einzelne Wassergewinnungsanlage im Freistaat auf ihr Gefährdungspotenzial hinsichtlich Überschwemmungen untersucht wird. Für mich ist das die beste Garantie für gutes Trinkwasser in Bayern auch in der Zukunft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Weltklimakonferenz in Paris ist dem Terror vom 13. November 2015 nicht gewichen. Fast alle Staaten sind vertreten. Fast alle haben Klimapläne vorgelegt. Der französische Präsident hat die Verantwortung unserer Generation auf den Punkt gebracht – ich zitiere ihn –: Wir müssen unseren Kindern nicht nur eine Welt ohne Terror hinterlassen; wir schulden ihnen auch eine Welt, die vor Katastrophen geschützt wird.

(Beifall bei der CSU)

Demokratie lebt vom Streit der Parteien und der Interessen. Bei der großen Aufgabe unserer Generation hinsichtlich der internationalen Sicherheit und der Verantwortung für die Schöpfung müssen wir aber zusammenrücken. Handeln wir gemeinsam für die schwächste Lobby in unserer Demokratie; geben wir ihr Stimme und Gewicht – den kommenden Generationen. Das passt zu Bayern, dem Land der Nachhaltigkeit, unserer Heimat, deren größter Schatz die aus der Landwirtschaft geprägte Kultur des langfristigen Denkens ist.

Wir denken über Generationen hinweg. Beweisen wir gemeinsam: Wir in Bayern sind dem weiß-blauen Himmel näher als andere, und wir handeln aus Verantwortung nicht nur für uns, sondern auch für die kommenden Generationen. In Bayern nehmen wir diese Verantwortung mit unserer Klimapolitik an: lokal, regional und global, als Bayern im Herzen heute und als Bürger in Verantwortung für morgen.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Ich eröffne die Aussprache. Kolleginnen und Kollegen, wir haben eine Gesamtredezeit der Fraktionen von 96 Minuten vereinbart. Für die CSU-Fraktion sind es 32, für die SPD-Fraktion 24 und für die Fraktionen der FREIEN WÄHLER und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN jeweils 20 Minuten.

Ich darf jetzt für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Rinderspacher das Wort erteilen. Bitte schön.

Verehrte Frau Präsidentin, Frau Staatsministerin, Herr Ministerpräsident, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst namens meiner Fraktion unsere Irritation darüber zum Ausdruck bringen, dass die Ministerin heute zur Tagesaktualität, nämlich zum Verbraucherschutzskandal bei Bayern-Ei, überhaupt kein einziges Wort verloren hat.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD: Buh!)

Frau Ministerin, wir empfinden es als große Respektlosigkeit gegenüber dem Hohen Haus, gegenüber der bayerischen Öffentlichkeit und auch gegenüber den Opfern des Salmonellenskandals, dass Sie heute dieses Thema

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

gänzlich ausgeklammert haben, ist es doch von besonderer Bedeutung. Heute haben der Bayerische Rundfunk und die "Süddeutsche Zeitung" ein Gutachten eines renommierten Lebensmittelrechtlers veröffentlicht.

(Zuruf von der CSU: Thema!)

Die 40-seitige Stellungnahme ist eine Anklage gegen die Staatsregierung.

(Zuruf von der CSU: Thema! – Gegenruf des Ab- geordneten Harry Scheuenstuhl (SPD): Die Frau Ministerin hat gar nichts gesagt!)

In der Bayern-Ei-Affäre ist deutsches und europäisches Recht gebrochen worden. Der Nachweis ist erbracht, dass Frau Ministerin Scharf die Öffentlichkeit falsch informiert und mit Unwahrheiten bedient hat.

(Volkmar Halbleib (SPD): Hört! Hört!)

Die Regierung hätte im Sommer 2014 über die Salmonellengefahr informieren und einen öffentlichen Rückruf von Eiern veranlassen müssen. Ein Vorwurf ist besonders gravierend: Ein Todesfall hätte mit einem korrekten Vorgehen dieser Regierung womöglich verhindert werden können.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, so leicht, wie Sie, Frau Ministerin Scharf, meinen, sich durch bloßes Schweigen und totale Ignoranz der Verantwortung entziehen zu können, so leicht werden wir Sie nicht davonkommen lassen. Der Landtag wird sich gezwungen sehen, Ihre Rolle in dieser Affäre tiefergehend zu untersuchen, ebenso im Übrigen auch die Rolle Ihres Vorgängers Marcel

Huber, der laut Gutachten ganz offensichtlich eklatante, ja fatale Versäumnisse zu verantworten hat.

Frau Ministerin Scharf, Sie sind jetzt 440 Tage im Amt und haben heute Ihre erste Regierungserklärung gehalten. Die Erwartungen waren hoch. Wir hatten ein konkretes Mehr-Punkte-Aktionsprogramm zur Erreichung eines ehrgeizigen Klimaziels in Bayern erwartet. Wir hatten einen ersten Entwurf oder zumindest die Ankündigung eines bayerischen Klimaschutzgesetzes erwartet, wie es in Rheinland-Pfalz, in BadenWürttemberg, in Nordrhein-Westfalen und in Bremen längst Realität ist. Wir hatten eine klare Bestandsaufnahme erwartet, die die bayerischen Problemzonen der Klimapolitik ausleuchtet und Wege aufzeigt, was kurz-, mittel- und langfristig zu tun und zu lassen ist. Wir hatten zumindest gehofft, dass Sie vielleicht das eine oder andere Geschenk für das Parlament mitbringen, dass Verbesserungen bei Haushaltsansätzen möglicherweise in Aussicht gestellt werden. – Nichts von alledem! Fehlanzeige! Sie haben heute erklärt, dass Sie nichts erklären. Diese Regierungserklärung hatte null Substanz.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben die Chance verpasst, einen kraftvollen bayerischen Akzent zur Pariser UN-Klimakonferenz zu setzen. Der Klimawandel ist nichts, was in den Wüsten Afrikas oder an den Gletschern der Antarktis beginnt und endet. 2015 wird in Bayern das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden – ein weiteres Rekordjahr nach dem Rekordjahr 2014. Neun der zehn wärmsten bayerischen Jahre waren nach dem Jahr 2010. Gemessen an den Niederschlägen erleben wir heuer das trockenste Jahr in Bayern seit 1946. Die lange Trockenperiode ist eine Belastung für die nordbayerischen Flüsse, Bäche und den Grundwasserpegel. Der Klimawandel bedroht auch die fünf bayerischen Alpengletscher. Seit der Industrialisierung haben sie durch Abschmelzen deutlich an Volumen, Fläche und Länge verloren. Im Jahr 1820 erreichte die Ausdehnung aller Gletscher in Bayern

noch etwa 4 km2. Heute ist mit etwa 0,7 km2 weniger als ein Viertel davon übrig.

(Zuruf von der CSU: Nach China schauen!)

Die Alarmzeichen sind auch in Bayern unübersehbar. Wenn wir heute im Landtag in einem Punkt Konsens herstellen können, dann in der Überzeugung, dass wir nicht erst dann Maßnahmen ergreifen dürfen, wenn es schon zu spät ist.

Welche Konsequenzen politische Versäumnisse nach sich ziehen, sehen wir gegenwärtig in der Flüchtlingspolitik. Hätten wir nicht die vergangenen zehn Jahre

mehr oder minder tatenlos zugesehen, wie im Mittelmeer mehr als 30.000 unglückliche Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und Folter ertrinken; hätten wir früher das getan, was zu tun war – Fluchtursachen bekämpfen, internationale Solidarität üben statt wegschauen, Entwicklungszusammenarbeit intensivieren –, dann stünde heute die Flüchtlingsthematik nicht mit dieser Dramatik auf der Tagesordnung. Klimaschutz ist Fluchtursachenbekämpfung. Wenn wir dabei scheitern, müssen wir laut einer GreenpeaceStudie schon in absehbarer Zeit mit 200 Millionen Klimaflüchtlingen rechnen.