Protocol of the Session on November 24, 2015

Die für das Bundesumweltministerium" erstellte Studie "Reiseanalyse 2014 – Nachfrage für nachhaltigen Tourismus" kommt zu dem Ergebnis: "Es gibt in Deutschland eine beträchtliche Nachfrage nach umweltfreundlichen und nachhaltigen Urlaubsangeboten - aber kein ausreichendes Angebot". Auch im Tourismus-Protokoll der Alpenkonvention werden eine nachhaltige touristische Entwicklung und umweltverträglicher Tourismus gefordert. Leider ist das bayerische Wirtschaftsministerium offensichtlich nicht bereit, die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Stattdessen wird gebetsmühlenhaft die Bedeutung der Wintersportindustrie betont, ohne dass diese Behauptung anhand von handfesten Zahlen erläutert wird, zum Beispiel durch die Darstellung, wie viele sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze, nicht prekäre

Beschäftigungsverhältnisse, tatsächlich am alpinen Skibetrieb hängen.

Dabei gibt es in Bayern viele gute, sogar hervorragende Ansätze auf kommunaler Ebene und auf Landkreisebene. Dort passiert das, was die Staatsregierung vermissen lässt. In der Ramsau wurde zum Beispiel das erste Bergsteigerdorf in Deutschland gekürt, eine Auszeichnung, die der Deutsche Alpenverein gerade vergeben hat. Ein weiteres Beispiel sind die Alpine Pearls, zum Beispiel die Gemeinden Bad Reichenhall und Berchtesgaden mit ihrem guten öffentlichen Verkehrskonzept. Außerdem nenne ich das Ökomodell Achental und die Aktion des Alpenvereins "So schmecken die Berge".

Gerade die Verbindung von Tourismus, Naturschutz, extensiver Landwirtschaft und regionaler Direktvermarktung ist ein Erfolgsrezept für mehr Touristen und einen Wertschöpfungs-Spillover in andere Bereiche wie Landwirtschaft, Gastronomie und Gewerbe. Die Gemeinde Werfenweng im Salzburger Land bietet ein hervorragendes Beispiel für ein nachhaltiges und klimafreundliches Verkehrskonzept. Dafür gibt es aber auch in Deutschland Vorzeigeprojekte wie das Konzept "Bad Hindelang PLUS" oder die KönigsCard im Naturpark Ammergauer Alpen, die nicht nur die kostenlose Nutzung des öffentlichen Verkehrs ermöglicht, sondern auch das Entleihen von Fahrrädern und Pedelecs.

Trotzdem ist ein weiterer Ausbau desumwelt- und klimafreundlichen Verkehrs für die Ferienregionen in den Alpen überfällig. Auf vielen Strecken reicht die Kapazität schlicht nicht aus; gerade an den Wochenenden sind die Bahnen und Busse überfüllt. Vor allem müssen mehr landkreisübergreifende Busangebote geschaffen werden. Ganz oben steht auch das Thema der Fahrradmitnahmemöglichkeiten in Bussen und Bahnen.

Fazit: In Bayern fehlt es an einer nachhaltigen Alpenpolitik, die sich an der Alpenkonvention orientiert.

(Beifall bei der SPD)

Das wird für mich an der Genehmigungspolitik deutlich, bei der die Natur das Nachsehen hat und die Ausnahme zur Regel gemacht wird. Das wird auch an dem von der Staatsregierung gezielt geförderten massiven Ausbau der künstlichen Beschneiung ohne Rücksicht auf Verluste sowie am Unwillen oder der Unfähigkeit, nachhaltigen und umweltverträglichen Tourismus ausreichend zu fördern, deutlich. Es wird schließlich an den Defiziten deutlich, den Naturraum Alpen ausreichend auf den Klimawandel vorzubereiten. Deswegen danke ich den GRÜNEN für ihre Interpellation. Ich hoffe, die Staatsregierung wird die heuti

ge Debatte zum Anlass nehmen, ihre Politik in diesem Bereich grundsätzlich zu überdenken und deutlich mehr für den Schutz der Alpen zu tun.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Zum Schluss möchte ich mich ganz herzlich bei den anwesenden Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Alpenvereins, des Vereins zum Schutz der Bergwelt, des Landesbundes für Vogelschutz, der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA Deutschland und von Mountain Wilderness bedanken. Ein herzliches Dankeschön gilt auch den vielen Haupt- und Ehrenamtlichen für ihr Engagement zum Schutz der bayerischen Alpen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Streibl vom BÜNDNIS 90, nein, von den FREIEN WÄHLERN das Wort.

(Heiterkeit)

Wenn man nach links schaut, kommt man schnell zum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Heute hat er eine grüne Krawatte an!)

Deswegen müssten wir auch mehr in der Mitte sitzen. Dort sitzen aber welche, die eigentlich mehr nach links gehören würden. – Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Frau Ministerin Scharf, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es um das Thema Alpen geht, wird es oft irrational, sentimental oder unangemessen größenwahnsinnig. Entweder wird die Natur verklärt und romantisiert, oder es geht um gigantische Luxusprojekte, die geplant werden müssen, oder es geht um eine kitschige Almhüttengaudi. Das Bemerkenswerte dabei ist jedoch, dass die Aussagen dazu meist von Leuten kommen, die nicht im Alpenraum leben, sondern irgendwo außerhalb in Ballungszentren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Zum Thema Natur und Wildnis möchte ich eines festhalten: Eine Natur in ihrem eigentlichen Sinn und ihrer eigentlichen Definition, nämlich als vom Menschen unberührte Landschaft, haben wir im bayerischen Alpenraum seit vielen Jahren nicht mehr. Der Alpenraum ist eine von Menschenhand geschaffene Kulturlandschaft. Die ersten Siedler kamen bereits im dritten Jahrtausend vor Christus. Sie machten sich zuerst die oberen Hanglagen oberhalb der Waldgrenze nutzbar,

wo heute mancher Stadtmensch nur noch mit der Seilbahn hinaufkommt.

Zu Schaffung von Weideflächen wurden Brandrodungen durchgeführt. Die Menschen drangen in die mittleren Hanglagen vor und schließlich in die Täler, wo heute unser Siedlungsraum ist. Ich halte somit fest: Der Alpenraum ist Kulturlandschaft und vor allem Lebensraum für über 1,3 Millionen Menschen in Bayern. Die Menschen, die dort leben, stehen vor großen Herausforderungen. Der Klimawandel wird die gesamte Region mittel- bis langfristig massiv verändern. Es geht nicht vorrangig darum, dass dann noch genügend Schnee für den Wintersport fällt. Es geht darum, dass die Menschen, die dort leben, auf die Gefahren, die der Klimawandel mit sich bringt, vorbereitet und vor ihnen geschützt werden, und darum, den Lebens-, Kultur- und Wirtschaftsraum Alpen als Heimat für die Menschen, die dort leben, zu erhalten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die Alpenkonvention ist, wie wir heute schon gehört haben, ein völkerrechtlicher Vertrag. Die Staatsregierung betont in ihrer Vorbemerkung zur Interpellation, die Alpenkonvention solle mehr als Gestaltungsrahmen denn als Rechtsvorschrift gesehen werden. Dann werden seitenlange Loblieder gesungen, wie man welche Vorschrift schon erfolgreich umgesetzt hat. Aber das ist doch gar nicht das Thema, meine Damen und Herren. Wir sollten nicht darüber diskutieren, wie ein jeder von uns dieses komplexe Vertragswerk auslegt, sondern wir sollten uns um die Menschen kümmern, die letztlich betroffen sind, nämlich die Menschen, die in den Alpen leben. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es den meisten hier gar nicht darum geht, für die Menschen, die dort wohnen und arbeiten, den Lebensraum zu erhalten, zu gestalten und zu schützen, sondern eher darum, wie man für natursehnsüchtige Stadtmenschen die ideale Erholungslandschaft schafft, wie man Freizeitsportlern das beste Spektakel bieten kann oder wie man für die Naturfreaks eine seit Jahrtausenden nicht mehr existierende Wildnis wiederherzustellen versuchen kann.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Florian von Brunn (SPD): Alles Unterstellung!)

Die Alpen sind anscheinend für jeden da, aber nicht für die Menschen, die dort leben. Das muss man auch mal festhalten. - Im Rahmen der Alpenkonvention gibt es einige Projekte, die angestoßen wurden und die durchaus eine sinnvolle Bereicherung für die Bevölkerung darstellen. Ein besonderes Beispiel ist hierbei die Schaukäserei in Ettal, die nicht nur für Gäste und Touristen da ist. Auch viele Einheimische kaufen dort ihre Lebensmittel wie Butter, Käse und Joghurt ein,

weil sie wissen, wo diese Produkte herkommen, weil sie wissen, dass die Milch vom Nachbarhof kommt, und weil sie dort schmackhafte, hochwertige Lebensmittel bekommen.

Es gibt weitere positive Entwicklungen in der Region, die uns für die Zukunft hoffnungsvoll stimmen. Die lokalen Dialekte als Träger von Kultur und Identität galten bis weit in die 1990er-Jahre als etwas Minderwertiges. Heute sind aber auch die jungen Leute wieder stolz darauf, dass man hört, wo einer herkommt. Sie kommen nach der Ausbildung oder dem Studium gerne wieder zurück in ihre Heimat, gesetzt den Fall, sie finden dort Arbeit und können sich eine Wohnung oder einen Baugrund leisten. Es findet also eine Art Identitätswandel statt. Junge Menschen wünschen sich einen Bezug zu ihrer Region, zu dem Ort, wo sie herkommen und aufgewachsen sind. Das gibt ihnen Halt in einer Welt, die uns zunehmend aus den Fugen gerät.

Nun komme ich zum Ökoplan Alpen. Zuerst spreche ich ein Lob aus: Der Ökoplan Alpen ist nicht so abstrakt wie das europäische Pendant EUSALP. Aber trotzdem besteht eher der Verdacht, dass wir nur viel Papier für den Ökoplan Alpen produzieren und Arbeitsgruppen gründen. Ob das am Schluss eine gesunde Entwicklung des Alpenraums fördert, mag dahingestellt bleiben. Ich möchte mich heute auf diesen Ökoplan Alpen konzentrieren. In Abschnitt 1, "Lebensgrundlage Boden sichern", heißt es: Der Flächenverbrauch soll reduziert werden, zum Beispiel durch flächensparendes und bodenschonendes Bauen. - Das klingt schön, ist aber nach meiner Meinung substanzund inhaltslos. Meine Damen und Herren, eigentlich geht es doch darum, wer bei uns in den Bergen noch bauen kann. Wie kommen Einheimische überhaupt noch zu bezahlbarem Baugrund? - Da wäre zum Beispiel die Erbpacht ein Ansatzpunkt. Herr Finanzminister, da könnten Sie mal zuhören. Gerade die Erbpacht, die jetzt in vielen Fällen ausläuft, könnte Einheimischen wieder die Möglichkeit geben, in der Heimat zu leben und zu bauen, wenn man diese Verträge verlängern und nicht auf dem freien Markt irgendwelchen Norddeutschen anbieten würde.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine Damen und Herren, Grundbesitz ist nämlich eine elementare Säule unserer Lebenswelt, egal ob in den Alpen oder anderswo auf diesem Planeten. Grundbesitz ist ein Familiengut, das unter Menschen vererbt wird, die in eine Familie, in eine Eigentumskultur, hineingeboren werden. Diese fühlen sich dadurch verantwortlich, und zwar nicht nur für den eigenen Grund, sondern auch für die Nachbarn, für die Lebensbedingungen vor Ort, für die Erwerbsmöglichkei

ten und für die Landschaft vor ihrer Haustür, kurz gesagt, für ihre Heimat. Wer Grundbesitz hat, fühlt sich einer Gemeinde, einer Region, einer Gemeinschaft zugehörig. Meine Damen und Herren, das sind elementare Voraussetzungen für eine lebendige Demokratie.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wenn die Gemeinden im Alpenraum nur noch Wochenenddomizile für Stadtmenschen sind -

(Florian von Brunn (SPD): Haben Sie etwas gegen Stadtmenschen? – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wenn es zu viele sind!)

- Wir haben nur etwas dagegen, wenn sie gescheit daherreden und meinen, uns belehren zu müssen, wie wir zu leben haben. Wenn die Einheimischen täglich vier Stunden pendeln müssen, verliert man die Wurzeln, die Basis, die für eine Gemeinschaft nötig ist.

(Florian von Brunn (SPD): Am Ende sind die Stadtmenschen noch evangelisch!)

Meine Damen und Herren, es folgt Abschnitt 2: "Lebensgrundlage Wasser sichern".

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Weihwasser!)

Die Karstgebiete sind unsere wichtigsten Trinkwasserspeicher im Alpenraum. Im Ökoplan steht, wir wollen die Schadstoffquellen von Fließgewässern reduzieren. Das hört sich gut an, aber es stellt sich natürlich die Frage, wo wir hinwollen; denn wir hier gehören zu den glücklichen Bewohnern dieses Planeten, die ihr Wasser aus der Leitung trinken können.

Der Großteil der Landwirte, zum Beispiel in den Landkreisen Miesbach und Bad Tölz, die im Trinkwassereinzugsgebiet der Stadt München wohnen und arbeiten, hat in den letzten Jahren auf ökologische Erzeugung umgestellt. Die Nebenerwerbslandwirte im Landkreis Garmisch-Partenkirchen wirtschaften zwar auf dem Papier meist nicht ökologisch. In der Praxis aber wirtschaften diese Grünlandbetriebe ökologischextensiv und damit wirklich ökologisch. Viele Wiesen in diesen Gebieten werden aufgrund ihrer Hanglage auch heute noch mit der Hand gemäht. Dort entstehen artenreiche Magerrasen mit der höchsten Artenvielfalt.

Das leitet zu Abschnitt 3 über: "Biodiversität erhalten". Meine Damen und Herren, auch wir, die FREIEN WÄHLER, sind dafür, dass die Artenvielfalt erhalten bleibt. Es stellt sich nur die Frage, wie wir das am

besten bewerkstelligen. Die häufig geforderte Ausweisung von großflächigen Totalreservaten ist für uns keine Lösung; denn auch diese Form der Naturnutzung – nichts anderes stellt das dar: die Nutzung der Alpen als Ausgleichsraum für ein intensiv genutztes und dicht besiedeltes Zentraleuropa - wird von außen bestimmt, nicht von den Menschen, die in den Alpen leben.

Meine Damen und Herren, die Fachleute kennen die Studie "BIOTREE" – 100 –, die von Forschern des Max-Planck-Instituts durchgeführt wurde. Das Ergebnis dieser Studie ist für manchen Naturschützer schwer verdaulich; denn die wichtigste Erkenntnis dieser Studie ist, dass die größte Artenvielfalt im bewirtschafteten Forst herrscht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Florian von Brunn (SPD): Das ist leider eine Fehlinterpretation!)

An dieser Stelle möchte ich sagen, dass man gerade beim Schutz der Bergwälder und der Pflege der Bergwälder und der Schutzwälder den Mitarbeitern unserer Bayerischen Staatsforsten gratulieren und diese loben muss; denn wenn man zum Beispiel den bayerischen Staatsforst im Graswang-Gebiet anschaut, der sich seit über 180 Jahren im Staatsbesitz befindet, stellt man fest, dass dort keine einzige Art verloren gegangen ist. Das ist im Grunde das, was Sie unter einer Wildnis verstehen; aber das ist Kulturbergwald. Zur Information für Urwaldverfechter: Die größte Gefahr für die Artenvielfalt ist nicht die Bewirtschaftung des Waldes, sondern der Klimawandel. Dieser Herausforderung sollten wir uns viel stärker stellen. Dies wäre wichtiger als das hier diskutierte Thema.

Wir kommen zum nächsten Abschnitt: "Umweltbildungsarbeit verstärken". Dazu muss man sagen: Wer soll hier von wem gebildet werden? Für wen bauen wir das aus? Wer wird in die Bildungsarbeit eingebunden? Werden die Leute, die dort leben, die die Landschaft nutzen, pflegen und schützen, wie die Förster, die Jäger und die Landwirte, eingebunden? - Diese müssen eingebunden werden. Für wen bauen wir das Ganze aus? Bauen wir es für die Naherholer, für die Touristen, die zu uns kommen, die eine romantische Natursehnsucht stillen wollen, aus? Oder sollen wir es nicht lieber für unsere Kinder ausbauen, für unsere nächste Generation, damit diese wieder lernt, was Natur ist? - Früher hatte man mal Heimat- und Sachkundeunterricht,

(Thomas Gehring (GRÜNE): Den gibt es heute noch!)

bei dem man in die Natur hinausgegangen ist und gelernt hat, was ein Bergwald ist und welche Funktionen

dieser Wald erfüllt und dass er kein Urwald ist, sondern ein Arbeitsplatz, ein Stück Kulturlandschaft, ein Rohstofflager, ein Lebensraum und ein Schutzwald, der für die Menschen, die im Tal leben, unverzichtbar ist.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Damit bekommt man ein Bewusstsein für die Umwelt und die Natur, und das auch auf recht kostengünstige Art und Weise. Man muss nicht für Millionen ein Naturinformationszentrum auf hohen Bergesgipfeln bauen, wo schöne Hochglanzbilder von Tieren und Pflanzen hängen, die man draußen in der Natur am Berg auch sehen kann, wenn man einfach nur rausgeht.