Danke, Herr Präsident. Ich schreie zurück. – Ich halte es für ganz vermessen, eine Entscheidung, die dort von allen Kommunalparlamenten mit Bürgermeistern mitgetragen wird, einfach zu übergehen. Das halte ich für etwas ganz Respektloses. Das hat mit der Alpenkonvention nichts zu tun.
Im Übrigen bin ich auch der Meinung, dass das alles nicht die massive Relevanz hat, zu der es hochgespielt wird. Ich muss ganz klar sagen: Die Alpen würden nicht zusammenbrechen, wenn da eine Bergbahnverbindung käme. Aber das Verfahren läuft. Es wird in Ruhe geprüft und dann entschieden.
Danke für Ihre Ausführungen. Gerade haben Sie gesagt, dass es massenweise Maßnahmen und Projekte zur Unterstützung gäbe, in welche die Kommunen eingebunden werden, die Sie als wichtige Akteure im Alpenschutz erwähnt haben. Ist Ihnen eigentlich bekannt, dass es die Staatsregierung im Rahmen der Beantwortung gerade mal geschafft hat, vier ganze Projekte in zehn Jahren aufzuführen? Ist das nicht etwas wenig? Das sind vier Projekte in zehn Jahren für alle Kommunen am Alpenrand. Das verkaufen Sie als Erfolg. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich das Gefühl habe, Sie haben das nicht gelesen. Oder geben Sie sich mit vier Projekten in zehn Jahren zufrieden?
Das ist ganz einfach. Die Antwort könnte Sie vielleicht verunsichern. Wir könnten jetzt stundenlang über die Gesamtzahl der Projekte reden. Das wäre überhaupt kein Thema. Die Alpen haben sich fortentwickelt. Glauben Sie mir das, ich lebe da.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege von Brunn von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! "DER SPIEGEL" widmete den Alpen im Jahr 1977 eine Titelgeschichte. Es ging um die Situation nach dem massiven Ausbau des Tourismus in den Sechzigerund Siebzigerjahren. Bayerns Gebirge erscheine "Millionen von Bundesbürgern zwar immer noch als Idyll voller Enzian und Edelweiß, Almenrausch und Alpenglühen, wo der Wildbach rauscht und der Förster im Silberwald pirscht". Aber die Alpen seien bedroht von den Folgen des Massentourismus, von Zersiedlung
und Landschaftszerstörung. In derselben Ausgabe legte der Fernsehjournalist und Naturschützer Horst Stern den Finger auf die Widersprüche: "Erst geht die Kuh, dann geht der Gast – wen soll man da noch melken?"
Unter Ministerpräsident Goppel und mit Max Streibl als erstem Umweltminister eines deutschen Bundeslandes wurde 1972 der Bayerische Alpenplan verabschiedet. Im Jahr 1984 fasste der Bayerische Landtag seinen Bergwaldbeschluss. Im Jahr 1989 verabschiedeten die Alpenstaaten und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft auf der ersten Alpenkonferenz in Berchtesgaden die Berchtesgadener Resolution, die Grundlage für die spätere Alpenkonvention. Der Abschluss der Alpenkonvention war ein wichtiger Schritt zum Schutz der Alpen. Deswegen ist es wichtig, dass wir heute diskutieren, wo Bayern bei der Umsetzung dieser Konvention steht.
Die Alpen mit ihren traditionellen Erwerbs- und Lebensformen waren und sind prägend für Heimat und Gesellschaft. An dieser Stelle wundere ich mich, dass der Heimatminister dieser Debatte nicht beiwohnt.
- Er sitzt da hinten. Das ist wunderbar, umso mehr freuen wir uns. – Der Naturraum Alpen ist eine Schatzkammer der Natur und ein Menschheitserbe. Die bayerischen Alpen sind die artenreichste Region des Freistaats. Viele Pflanzenarten gibt es nur in den Alpen. Das Gleiche gilt für viele Tierarten. Viele der Arten- und Lebensräume der Alpen sind in den Anhängen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie - FFHRichtlinie - und der Vogelschutzrichtlinie aufgeführt und stehen damit unter besonderem Schutz.
In Sonntagsreden und Hochglanzprospekten betont die Staatsregierung gerne die Bedeutung der Alpen. In Wirklichkeit mangelt es in Bayern jedoch an einer Alpenpolitik, die der Alpenkonvention wirklich ausreichend Rechnung trägt. Das zeigt sich symbolhaft schon daran, dass im Bayernplan der CSU das Wort "Alpen" nicht ein einziges Mal auftaucht.
Mit dem Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege" zur Alpenkonvention hat sich Deutschland verpflichtet, die alpine Natur und Landschaft zu schützen, zu pflegen und, wo notwendig, wiederherzustellen. Das Protokoll schreibt vor, bei Planungen die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu berücksichtigen. Bei Eingriffen müssen sowohl die direkten als auch die indirekten Einwirkungen überprüft werden. Nicht ausgleichbare Beeinträchtigungen dür
fen nur unter sehr restriktiven Bedingungen zugelassen werden. Die Realität in Bayern ist eine andere. Die Genehmigungspraxis bei Projekten, die erheblich in die Natur eingreifen, ist mehr als lasch. Im Zweifel gilt doch: Der Investor hat Vorrang. Das ist doch die Realität.
Die Probleme beginnen bei unzureichenden Unterlagen und enden bei der fehlenden Durchsetzung und Kontrolle von Auflagen und Ausgleichsmaßnahmen. So muss die Regierung in der Antwort auf die heute aufgerufene Interpellation einräumen, dass bei allen seit 2006 durchgeführten FFH-Verträglichkeitsuntersuchungen kein einziges Vorhaben wegen erheblicher Beeinträchtigung abgelehnt wurde. Artikel 11 des Protokolls "Naturschutz und Landschaftspflege" verpflichtet die Vertragsparteien, Schutzgebiete nicht zu beeinträchtigen oder zu zerstören. Nach Möglichkeit sind auch neue Schutzgebiete auszuweisen. In den letzten zehn Jahren wurde aber nur ein Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Herr Kollege Hartmann hat bereits ausgeführt, dass dies nach dem Prinzip "aus Alt mach Neu" geschieht. Netto wurden mindestens 900 Hektar an Flächen aus bestehenden Landschaftsschutzgebieten herausgenommen. Ein neues Naturschutzgebiet wurde überhaupt nicht ausgewiesen. Nebenbei bemerkt: Der Landkreis Miesbach würde sich als einziger Alpenlandkreis ohne Naturschutzgebiet mit dem Rotwandgebiet durchaus aufdrängen.
Es scheint sogar, dass die Entwicklung in die gegenteilige Richtung geht. Herr Kollege Beißwenger, am Riedberger Horn soll ein neuer Verbindungslift zwischen den Skigebieten Balderschwang und Grasgehren in der Schutzzone C des Bayerischen Alpenplans in einem rutschanfälligen Gebiet gebaut werden. Das hat das Landesamt für Umwelt festgestellt. Das steht in klarem Widerspruch zum Bodenschutzprotokoll der Alpenkonvention.
Dabei wird in Kauf genommen, dass ein wichtiger Bestand des streng geschützten Birkhuhns, von dem es in Bayern nur noch rund 300 Brutpaare gibt, gefährdet wird und ein FFH-Gebiet mit großen Biotopflächen betroffen ist. Zudem soll Bergwald gerodet werden. Das steht im Widerspruch zum Bergwaldbeschluss des Bayerischen Landtags, der Rodungen für neue Freizeiteinrichtungen verbietet.
Sie haben das Argument angeführt, es handle sich um das schneesicherste Gebiet Bayerns – BayerischSibirien. Ich frage Sie: Warum sind dann eine künstli
Die Frage, was am Riedberger Horn passiert, markiert in Wirklichkeit einen Wendepunkt. Mit Macht werden neue Präzedenzfälle geschaffen und wird Profit vor Natur gestellt. Haben die Alpenkonvention, der Bayerische Alpenplan, der Bergwaldbeschluss und der Alpenschutz insgesamt für Staatsregierung und CSUFraktion noch irgendeine Bedeutung?
Ein wichtiges Thema, das aus unserer Sicht zu wenig Beachtung findet, ist der Klimawandel in den Alpen. Durch die Klimaerwärmung werden sich die Grenzen der Verbreitungsgebiete vieler Arten verschieben. Arten mit höheren Temperaturansprüchen dehnen bereits heute ihr Areal aus. Dazu zählen zum Beispiel invasive Arten. Gleichzeitig kommt es zu einem Rückgang oder sogar zu einem Verschwinden von kältezeigenden und kontinentalen Arten. Besonders gefährdet sind Tier- und Pflanzenpopulationen mit beschränkten Ausbreitungsmöglichkeiten und kleinen oder fragmentierten Arealen. Ein Naturschutz, der sich auf kleinflächige isolierte Schutzgebiete beschränkt, kann den damit verbundenen Verlust an Biodiversität nicht ausgleichen.
Deswegen ist es erforderlich, gerade in den Alpen einen großräumigen Biotopverbund zu schaffen. Bestehende Schutzgebiete müssen gegebenenfalls erweitert und neue Schutzgebiete ausgewiesen werden, wo neue Lebensräume entstanden sind oder entstehen. Gerade für den Prozessschutz müssen deutlich größere Flächen zur Verfügung gestellt werden. Es müssen weitere Naturwaldreservate im Bergwald geschaffen werden, wie es der Artikel 10 des Bergwaldprotokolls der Alpenkonvention fordert. Der Anteil von nur 0,6 % an der Bergwaldfläche in Bayern reicht dafür nicht aus.
Das Bergwaldprotokoll fordert ausdrücklich die Begrenzung der Schalenwildbestände auf ein Niveau, das eine natürliche Verjüngung von Bergwäldern ohne besondere Schutzmaßnahmen – das betone ich besonders – ermöglicht. Das aktuelle Forstliche Gutachten, das auch Herr Kollege Beißwenger zitiert hat, zeigt, dass immer noch erheblicher Handlungsbedarf besteht. Die Durchsetzung des Grundsatzes "Wald vor Wild" spart im Übrigen dem Steuerzahler hohe Summen für Anpflanzungen, Wildschutzzäune und Lawinenverbauungen. Außerdem wird die Artenvielfalt gesichert und erhöht.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die künstlich beschneite Fläche in den bayerischen Alpen hat sich in den letzten zehn Jahren auf 723 Hektar verdoppelt. Diese Entwicklung wird durch die Staatsregierung angetrieben, die den Weg in diese Sackgasse vor dem Hintergrund des Klimawandels auf Kosten des Steuerzahlers immer weiter ausbaut.
Der Ausbau der künstlichen Beschneiung wird durch den Freistaat über die Seilbahnrichtlinie und, zusammen mit dem Bund, über die Spitzensportförderung gefördert. Mit der Änderung der Grundsätze für die Genehmigung von Beschneiungsanlagen im Jahr 2005 wurden die gesetzlichen Vorgaben deutlich gelockert. Die Ausführungen sind jetzt, lassen Sie mich das so formulieren, vor allem Kann- und Soll-Bestimmungen, die in der Realität auch noch flexibel ausgelegt werden.
Bei den zahlreichen Beispielen, vom Berchtesgadener Land bis in das Allgäu, ergibt sich fast überall das gleiche Bild: Rodung von Berg- und teilweise Schutzwald, Zerstörung von Biotopen und ein immer größerer Umgriff der künstlichen Beschneiung. Aus meiner Sicht ist das am besten in Garmisch-Partenkirchen sichtbar. Die dortigen Skigebiete und mit ihnen die künstliche Beschneiung wurden in den letzten 15 Jahren massiv ausgebaut, insbesondere für die SkiWM 2011. Für den Aus- und Neubau der KandaharStrecke wurden mehr als 20 Hektar Bergwald gerodet und Almwiesen planiert. Der Ausbau und die Verbreiterung der FIS-Piste mit den damit verbundenen Erdarbeiten führten zu massiven Erosionserscheinungen und Hanglabilitäten.
Wegen des immensen Verbrauchs wird Wasser aus dem Tal aus alten Tiefenbrunnen auf den Berg gepumpt und bei zu hohen Temperaturen auch noch künstlich gekühlt. Im Winter 2010/2011 wurde während der Ski-WM durch die massive Beschneiung ein Verbrauchsrekord erreicht. 350.000 Kubikmeter Wasser wurden für die künstliche Beschneiung eingesetzt.
Tatsächlich haben sich aber die Investitionen in die Wintersport-Infrastruktur für Garmisch-Partenkirchen offensichtlich nicht gelohnt. Der Ort ist hoch verschuldet. Unter dem früheren Bürgermeister wurden sogar die rund 200 Sozialwohnungen verkauft; stattdessen wurde in Schneekanonen investiert. Der Aus- oder Neubau künstlicher Beschneiungsanlagen hat aber auch schwerwiegende Umweltauswirkungen. Besonders negativ wirken die Maßnahmen oberhalb der Baumgrenze, wo die Vegetation besonders sensibel ist. Aber auch darunter gibt es erheblich negative
Konsequenzen. Die schweren Erdarbeiten ziehen sich vom Tal bis zur Bergstation und zerstören die Alpenvegetation.
Das Ziehen von Gräben, die Verlegung von Leitungen und Pistenplanierungen führen zusammen mit dem Kunstschnee, der viel mehr Wasser enthält als der natürliche Schnee, zu einem völlig veränderten Wasserablauf und damit vielfach zu Erosionen. Der enorme Wasserbedarf für die Beschneiung verändert den gesamten Wasserhaushalt am Berg, weit über das Skigebiet hinaus, mit fatalen Auswirkungen auf die Natur. Da das Wasser für die Beschneiung meist viel nährstoffreicher ist als natürlicher Schnee, verändert sich die Zusammensetzung der Vegetation. Das ist das Ende der natürlichen und standortüblichen Flora. Ein drastischer Rückgang der Artenvielfalt und der Verlust seltener Pflanzen ist häufig die Folge. Das widerspricht aber dem Bodenschutzprotokoll der Alpenkonvention, das darauf abzielt, ökologische Bodenfunktionen qualitativ und quantitativ langfristig zu erhalten.
Auch die Tierwelt wird durch den Bau gestört und beeinträchtigt, am Tag durch den Betrieb und in der Nacht durch die Pistenpräparierung. Interessanterweise wird der Ausbau der künstlichen Beschneiung von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. In einer bundesweiten Umfrage von "ZEIT ONLINE" im Januar 2015 lehnten dies bundesweit 56 % der Befragten ab. In Bayern waren es sogar 61 %. Die Menschen kommen nämlich in ihrer Mehrzahl nicht zum Skifahren nach Bayern. Sie suchen vielmehr Naturerlebnisse, Ruhe und Erholung. Nach einer Befragung der Fachhochschule Kempten betreiben nur 20 % der Gäste im Allgäu Wintersport. In Oberbayern sieht es ähnlich aus: In Garmisch-Partenkirchen kommen 60 % der Gäste im Sommer. Mehr als 70 % - manche Studien sprechen sogar von mehr als 85 % - betreiben kein Alpin-Skifahren.
Die für das Bundesumweltministerium" erstellte Studie "Reiseanalyse 2014 – Nachfrage für nachhaltigen Tourismus" kommt zu dem Ergebnis: "Es gibt in Deutschland eine beträchtliche Nachfrage nach umweltfreundlichen und nachhaltigen Urlaubsangeboten - aber kein ausreichendes Angebot". Auch im Tourismus-Protokoll der Alpenkonvention werden eine nachhaltige touristische Entwicklung und umweltverträglicher Tourismus gefordert. Leider ist das bayerische Wirtschaftsministerium offensichtlich nicht bereit, die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Stattdessen wird gebetsmühlenhaft die Bedeutung der Wintersportindustrie betont, ohne dass diese Behauptung anhand von handfesten Zahlen erläutert wird, zum Beispiel durch die Darstellung, wie viele sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze, nicht prekäre