Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen auch nicht darüber streiten, dass es ein Wesensmerkmal der Versammlungsfreiheit und der damit einhergehenden Meinungsfreiheit ist, dass die Bürger mit ihrer ganzen Person und ihrem Gesicht für oder gegen eine bestimmte Sache auf die Straße gehen und versuchen, die politische Meinungsbildung zu beeinflussen. Das ist völlig unstrittig. Dennoch ist es eine Tatsache, dass es gelegentlich, in ganz wenigen Fällen, vorkommt, dass sich Teilnehmer an Demonstrationen vermummen, maskieren oder zumindest versuchen, sich so zu verhüllen, dass sie nicht identifiziert werden können. Meine Damen und Herren, dafür gibt es Gründe. Nicht jeder Demonstrant will, dass er
fotografiert und gefilmt wird, was die Polizei jahrelang exzessiv getan hat. Ich weiß, wovon ich rede. Leider musste erst das Bundesverfassungsgericht einschreiten, bevor diese Praxis in Bayern abgeschafft wurde.
Wenn sich ein Teilnehmer an einer Demo vermummt, begeht er nach geltender Gesetzeslage eine Ordnungswidrigkeit. Nun wäre es interessant zu erfahren, in wie vielen Fällen in Bayern seit der Abstufung eines Verstoßes gegen das Vermummungsverbot zu einer Ordnungswidrigkeit tatsächlich Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden sind und mit welchem Ergebnis sie geendet haben. Darüber ist in dem Gesetzentwurf allerdings gar nichts zu lesen. Stattdessen trieft dieser Gesetzentwurf vor Behauptungen, die nicht nachweisbar sind, und vor Ideologie. Da ist zum Beispiel die Rede davon, dass die Bereitschaft und der Wille, Gewalt auszuüben, ein strukturelles Merkmal autonomer Linksextremisten sei. Darüber müsste man ausführlicher diskutieren, weil das nämlich so nicht stimmt. Weder sind Autonome automatisch Linksextremisten noch ist dies ein strukturelles Merkmal, wie dies hier behauptet worden ist.
Erst heute haben Sie eingeführt, dass dieser Gesetzentwurf auch gegenüber Hooligans Anwendung finden soll. Im Gesetzentwurf selbst lese ich dazu überhaupt nichts. Sie behaupten außerdem, die Vermummung und das Mitführen von Schutzwaffen sei ein deutliches Indiz für Gewaltbereitschaft und einen unfriedlichen Versammlungsverlauf. Das ist objektiv gesehen falsch.
Wie dünn Ihre Argumentation ist, beweist, dass Sie auf Vorkommnisse in Frankfurt, Hamburg und, bei der Ersten Lesung, sogar Berlin verweisen. In allen diesen Ländern ist der Verstoß gegen das Vermummungsverbot eine Straftat. Dort hat die Polizei die Möglichkeiten, die Sie ihr hier in Bayern einräumen wollen. Dennoch ist es genau dort zu unfriedlichen Verläufen und Eskalationen gekommen und nicht bei uns. Ihre Argumentation ist dünn, weil sie auf andere Länder verweisen müssen, ohne Fakten für Bayern anführen zu können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte nicht noch einmal darauf eingehen, warum Sie damals eine Abstufung vorgenommen haben. Ob der Umstand, dass die Situation jetzt wieder anders ist, dem lieben Gott zu verdanken ist, sei dahingestellt. Lieber Herr Kollege Ländner, ich möchte auch nicht auf die Punkte eingehen, die Sie sonst noch ausgeführt haben. Ich möchte aber schon noch einmal deutlich machen, dass Sie der Polizei Steine statt Brot geben. Wenn in Bayern der Verstoß gegen das Ver
mummungsverbot als Straftat behandelt wird, wie das in anderen Bundesländern der Fall ist, muss die Polizei einschreiten. Sie kann dann keine Abwägung treffen, ob es vernünftiger wäre, die Verfolgung in der konkreten Situation bleiben zu lassen. Sie muss dann eingreifen, was regelmäßig zu einer Eskalation bei einer Veranstaltung führen würde. Wir wollen das nicht. Wir wollen der Polizei die Möglichkeit belassen, nach Opportunitätsgrundsätzen selbst zu entscheiden, ob sie eingreifen soll oder nicht. Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.
Wir haben erst vor zwei Tagen ein weiteres Argument bekommen, nämlich vom Bayerischen Städtetag, der sich zu Recht darüber beklagt, dass sich die Neuregelung der Zuständigkeiten während einer Versammlung, die Sie mit diesem Gesetzentwurf ebenfalls ändern wollen, in der Praxis als untauglich erweisen wird.
Meine Damen und Herren, alles in allem ist dieser Gesetzentwurf Ideologie. Sie bedienen eine Klientel in einer Zeit, die ohnehin aufgewühlt ist. Sie bedienen auch Ressentiments. Das ist nicht gut. Wir werden diesen Gesetzentwurf deshalb ablehnen.
Herr Schindler, bitte bleiben Sie am Rednerpult. Wir haben eine Zwischenbemerkung von Herrn Kollegen Ländner.
Sehr geehrter Herr Kollege Schindler, Sie wissen, dass ich Sie schätze. Sie haben Ihre Rede vermutlich gestern Abend geschrieben; denn ich habe bei meinem Vortrag heute weder von Frankfurt noch von sonstigen Demonstrationen berichtet.
Sie verweisen zu Recht auf das Legalitätsprinzip bei der Verfolgung von Straftaten. Wir haben uns intensiv mit führenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten unterhalten. Alle sagen: Das ist in den Griff zu bekommen; wir wollen wieder eine Sanktionierung der Vermummung als Straftat. – Mit diesem Gesetzentwurf bedienen wir nicht irgendwelche Leute, sondern wir bedienen unsere bayerische Polizei, die sehr drängend nach dieser Gesetzesänderung verlangt.
Herr Kollege Schindler, einen Moment bitte. – Ich möchte noch bekannt geben, dass die CSU-Fraktion für die Schlussabstimmung namentliche Abstimmung beantragt hat. – Bitte schön, Herr Schindler.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Herr Kollege Ländner, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie sich von der Begründung dieses Gesetzentwurfs distanzieren. Dort steht nämlich, was ich gerade kritisiert habe. Deswegen habe ich es erwähnt. Sonst steht in der Begründung Ihres Entwurfes nichts.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun zur Bedienung einer Klientel: Hier geht es um das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Dieses Grundrecht müssen wir alle schützen. Wir dürfen deshalb nicht nur danach fragen, was einzelne Gruppierungen, in diesem speziellen Fall die Polizei, gerne hätten. Es geht vielmehr darum zu gewährleisten, dass jeder Mann und jede Frau das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit möglichst ungehindert ausüben kann. Wir sind der Meinung, dass die jetzige gesetzliche Regelung, wonach der Verstoß gegen das Vermummungsverbot den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt, ausreicht. Diese Regelung ist auch im Sinne der Polizei, weil sie dadurch nicht gezwungen wird, immer einzugreifen und dadurch zur Eskalation von Veranstaltungen beizutragen. – Wir haben deutlich gemacht, dass wir aus guten Gründen dem Gesetzentwurf nicht zustimmen können.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe CSU-Fraktion, vielleicht hätte es den Antrag auf namentliche Abstimmung nicht gebraucht, weil wir auch zustimmen – möglicherweise langt es dann.
Meine Damen und Herren, der heutige Gesetzentwurf der CSU ist begrüßenswert. Ich habe es gesagt: Wir werden zustimmen. – Er ist auch längst überfällig. Ich darf daran erinnern, dass der Kollege Streibl im Mai 2009 im Verfassungsausschuss den Antrag gestellt hat, man möge diese Einstufung als Ordnungswidrigkeit aufheben. Wir wissen, es kam nicht dazu. Der Kollege Ländner hat es erklärt und hat auch inständig um Verzeihung gebeten. Wir waren damals schon dieser Auffassung.
Lieber Kollege Schindler, nachdem die Demonstration in Frankfurt hier diskutiert wurde: Es ist richtig, dass das dort bestehende Strafrecht diese Demonstration nicht verhindert, aber es zeigt zumindest, wozu solche vermummten Demonstranten fähig sind. Das ist natürlich ein eindeutiges Zeichen gewesen. Ich stimme
Herrn Ländner ausdrücklich zu: Es ist unseren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten persönlich und auch der Organisation zu verdanken, dass es in Bayern bislang zu solchen Ausschreitungen noch nicht gekommen ist.
Meine Damen und Herren, es geht trotzdem auch um Prävention – der Kollege Ländner hat es angesprochen –: Wir haben es hier immer wieder in der Diskussion, dass Polizei und andere Einsatzkräfte wie Feuerwehr und Rettungsdienst permanent Angriffen ausgesetzt sind, allerdings nicht nur bei Demonstrationen und durch vermummte Demonstranten. Es ist aber ein ständiges Problem, und deswegen gehört es dazu, dass wir bei dem Segment Demonstration mit der entsprechenden Strafbewehrung Vorsorge treffen.
Lieber Herr Schindler, es geht nicht um den Stellenwert der Versammlungsfreiheit. Sie ist ein sehr hohes Gut und für die Demokratie unter anderem schlichtweg konstituierend; diesbezüglich sind wir uns in diesem Haus alle einig. Darum geht es hier aber nicht, sondern es geht um den Stellenwert, um die Wertigkeit des Unrechts bei einem Verstoß gegen das Vermummungsverbot.
Meine Damen und Herren, der Verstoß gegen das Vermummungsverbot ist im Augenblick – das wissen wir alle – eine Ordnungswidrigkeit. Ordnungswidrigkeiten hießen vor 1968, bevor das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten geschaffen wurde, Übertretung. Das war ein reines Verwaltungsunrecht, und auf diese Einstufung, lieber Kollege Schindler, kommt es mir an: Es geht nicht um die Unrechtswertigkeit eines Falschparkens oder darum, dass man sich beim Einwohnermeldeamt nicht rechtzeitig angemeldet hat – da kann man mit ein wenig Augenzwinkern sagen: Na gut, dann zahle ich halt eine Verwarnung oder sonst etwas –, sondern es geht um das Problem, dass die Vermummung ein Ausdruck demokratiefeindlicher Gesinnung ist. Die Vermummung hat bei der friedlichen Demonstration – und nur die friedliche Demonstration ist geschützt – nichts verloren, und deshalb ist es rechtspolitisch wichtig, dass diese Verstöße als Straftat eingestuft werden.
Meine Damen und Herren, eine Einstufung als Straftat führt zu praktischen Folgen, wie sie von der Polizei genannt werden, und, Herr Ländner, insofern gibt es auch Äußerungen aus der Polizei, dass das Legalitätsprinzip das erschweren wird. Ich stimme aber genauso anderen Polizeistimmen zu, die es ebenfalls gibt, dass man das mit einem Jour-Staatsanwalt, der bei Demonstrationen in der Regel vor Ort ist, klären kann. Das ist in den Griff zu bekommen. Ich habe hier auch ein Flugblatt der GdP aus dem Jahr 2009 in meinen Unterlagen. Damals hat sie sich noch ganz ent
Im Hinblick auf die Redezeit: Meine Damen und Herren, mir kommt es entscheidend auf den rechtspolitischen Aspekt an, und deswegen bleibt es dabei: Wir stimmen diesem Gesetzentwurf zu; das ist bereits seit Längerem unsere Auffassung; das war sie schon, als die letzte Koalition die Gesetzesänderung gemacht hat. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen eine bunte Demokultur anstatt einer Gesetzesverschärfung. Wir wollen ein einfaches und bürgerfreundliches Versammlungsgesetz anstatt einer Kriminalisierung von Demonstrantinnen und Demonstranten. Wir wollen eine lebendige Demokratie, anstatt Bürgerinnen und Bürger zu verunsichern.
Das alles will die CSU nicht. Sie verschärft heute lieber das Versammlungsgesetz. Ich werde Ihnen die Absurdität Ihres Gesetzentwurfs anhand von zwei Beispielen deutlich machen.
Erstes Beispiel: Wir haben in ein paar Wochen in Kopenhagen die Klimakonferenz, und es wird sicher das eine oder andere Mal in Bayern kreative Protestformen gegen den Klimawandel gegeben. Um deutlich zu machen, dass den Eisbären der Schnee sozusagen unter den Füßen wegschmilzt, möchte sich zum Beispiel jemand in ein Eisbärenkostüm mit einem Eisbärenkopf stecken. Mit Ihrem Gesetzentwurf wäre das als Vermummung strafbar.
Zweites Beispiel: Nehmen wir an, eine Motorradfahrerin fährt zu einer Demonstration, stellt ihr Motorrad ab und geht zur Demo. Ihren Helm hat sie natürlich dabei. Soll sie ihn einfach aufs Motorrad legen? – Wohl eher nicht. – Liebe CSU-Fraktion, nach Ihrer Vorstellung ist das strafbar, weil sie eine Schutzwaffe, den "Demohelm", mitführt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist absolut absurd. Hier werden die Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht gestellt.
Auch der Bayerische Städtetag – der Kollege Schindler hat es bereits erwähnt – hat in seiner Stellungnahme geschrieben, dass Ihr Gesetzentwurf über das Ziel hinausschießt und in der Praxis für erhebliche Umsetzungsschwierigkeiten sorgen könnte. Ihre Vorschläge sind nicht nur absurd, Ihr Gesetzentwurf ist auch noch handwerklich schlecht gemacht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es müsste uns allen eigentlich wichtig sein, dass wir gerade in der heutigen Zeit eine aktive Bürgerschaft haben, die wir auch brauchen, und dass wir es gut finden, wenn Menschen auf die Straße gehen und für ihre Ideen einstehen, Gesicht, Flagge gegen Rechtsextremismus und Rassismus zeigen und die auch der Politik zeigen, wenn irgendetwas nicht richtig läuft. Als Politikerinnen und Politiker müssen wir das fördern, anstatt die Bürgerinnen und Bürger zu verunsichern.
Ein weiterer Punkt: Wie oft wird hier im Landtag darüber gesprochen, dass die bayerischen Polizistinnen und Polizisten entlastet werden müssen! Ja, sie müssen von unnötigen und unsinnigen Aufgaben entbunden werden, damit sie für das, was wirklich wichtig ist, Zeit haben. Herr Ländner, ich sage Ihnen, mit diesem Gesetzentwurf werden die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten aber noch mehr zu tun haben. Der Einsatzleiter müsste dann jedes Mal aktiv werden und einschreiten, wenn jemand, weil es Winter und kalt ist, einen Schal umhat und die Mütze ein wenig weiter heruntergezogen hat, da er sich sonst wegen Strafvereitelung im Amt selber strafbar macht. Das ist doch etwas, was wir nicht haben möchten.
Mein Kollege Schindler hat schon erwähnt, dass wir genug Gesetze haben, und es steht auch im Bayerischen Versammlungsgesetz – vielleicht sollten Sie einen Blick hineinwerfen –, dass natürlich nur friedliche Demonstrationen geschützt sind und die Polizei jedes Mal "reingehen" kann, wenn jemand Steine wirft oder sonstige Gewalt anwendet. Das ist auch richtig, weil Gewalt kein legitimes Mittel für die politische Auseinandersetzung ist. Gleichzeitig ist es aber auch richtig, dass die Gesetze die Bürgerrechte schützen müssen, und diese Verschärfung des Versammlungsgesetzes schützt die Bürgerrechte eben nicht. Mir scheint vielmehr, dass für Sie, die CSU-Fraktion, eine Demonstration nicht ein Ort zur Meinungskundgebung ist, sondern eher eine Gelegenheit zur Erfassung potenzieller Täterinnen und Täter. Und das offenbart ein trauriges Menschenbild.
Für uns GRÜNE ist klar: Wir wollen ein einfaches, ein freiheitliches und ein gut verständliches Versammlungsgesetz. Wir möchten eine deeskalierend und fle
xibel agierende Polizei. Dafür braucht sie die passenden Gesetze; denn all das sind Bausteine einer lebendigen Demokratie. Deswegen werden wir den CSU-Gesetzentwurf mit aller Vehemenz ablehnen.
Liebe Frau Kollegin Schulze, aufgrund Ihres jugendlichen Alters kennen Sie den Film "Ferien auf Immenhof" nicht. Ich habe ihn in meiner Jugend angeschaut und war begeistert. Die Demonstrationen, die Sie hier schildern, kommen mir vor wie aus "Ferien auf Immenhof". Aber in der realen Welt haben wir das nicht.
(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Es gibt gute und schlechte Zwischenbemerkungen; das ist eine schlechte!)