Wenn wir über die duale Bildung reden, müssen wir auch über die Berufe reden, für die an den Berufsfachschulen ausgebildet wird. Ich denke da insbesondere an den Gesundheits- und Pflegebereich. Wir müssen uns überlegen, wie wir diese Berufe neu gestalten können. Wir GRÜNEN überlegen durchaus, auch dort die duale Ausbildung einzuführen. Ich finde, wir sollten über diese Dinge hier im Hohen Hause miteinander reden. Wir GRÜNEN sind für eine zukunftsfähige, berufliche Bildung; denn wir wollen gut essen, regional und ökologisch, wir wollen der Klimakatastrophe mit gut gedämmten Gebäuden trotzen, und wir wollen menschliche Pflege und Service. Wir sind für individuelle pragmatische Lösungen. Deshalb brauchen wir Leute, die im dualen System gut ausgebildet wurden.
Wir werden die Herausforderungen, die das duale System bei allem Erfolg hat, annehmen. Ich nenne den Lehrlingsmangel, die demografische Entwicklung, die Digitalisierung. Hier überall müssen wir überlegen, wie die Berufe breiter und spezialisierter aufzustellen sind. Wir werden diese Aufgaben annehmen und uns im Bayerischen Landtag in der nächsten Zeit noch häufiger mit diesem Thema beschäftigen.
Danke schön, Herr Kollege. - Als Nächster hat der Kollege Karl Freller von der CSU-Fraktion das Wort. Bitte sehr.
Herr Präsident, Hohes Haus! Was gibt es eigentlich Wichtigeres, als dass ein junger Mensch für sein Leben eine berufliche Perspektive hat? – Wer sich im Moment weltweit umsieht, unter anderem in Spanien und anderen südlichen Ländern, stellt fest, dass 30 bis 50 % der jungen Menschen, durchaus alle talentiert, keine Chance haben, einen Ausbildungsplatz oder einen Beruf zu finden. Es gibt für Eltern kaum Schlimmeres, als Kinder zu haben, die wirklich motiviert und guten Willens sind, einen Beruf zu erlernen, aber keinen finden. – Wir tun also gut daran, dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Deswegen verstehe ich Ihre Kritik nicht, Frau Petersen, dass wir dieses Thema heute für die Aktuelle Stunde gewählt haben.
Es ist alles andere als selbstverständlich, dass in Bayern jeder junge Mensch, der arbeitswillig ist, auch Arbeit finden kann.
Das ist eine hervorragende Errungenschaft der letzten Jahre. Schauen Sie sich doch in der Welt um. Wo sonst kann die Politik sagen: Wir haben es geschafft, dass ein junger Mensch, der Arbeit sucht, sie auch findet. – Auch das muss man einmal hervorheben, und deshalb halte ich es für wichtig, jetzt darüber zu sprechen; denn was selbstverständlich ist, wird nicht selbstverständlich bleiben, wenn man sich nicht permanent darum kümmert.
Es ist unsere Politik – wir nehmen sie mit großer Verantwortung wahr -, dass wir uns ständig auch um diese Frage bemühen. Ich sage Ihnen eines – das ist für mich von entscheidender Bedeutung -: Dass jeder einen Arbeitsplatz findet, kann nur gelingen, wenn er auch eine entsprechende Ausbildung hat. Eine solche Ausbildung beginnt in der Schule und führt dann weiter über das Studium oder über den beruflichen Weg. Und hierfür haben wir in Bayern Gott sei Dank ein differenziertes Schulsystem geschaffen. Dieses differenzierte Schulsystem ist für mich die Grundlage, damit jeder nach seiner Eignung, Neigung und Fähigkeit das findet, was ihm im beruflichen Leben Befriedigung gibt. Bei uns soll die Arbeit nicht nur Jobvermittlung, sondern auch Sinnerfüllung bringen.
Deswegen ist es wichtig, in der Schule damit zu beginnen, differenzierte Angebote zu machen, auf die Fähigkeiten, Begabungen und Neigungen der Kinder gezielt einzugehen und sie nicht über einen Kamm zu scheren. Unser differenziertes gegliedertes Schulsystem ist absolut geeignet, gerade auch zur beruflichen
Liebe Frau Petersen, es tut mir leid, aber Sie haben mich auf dem Fuß eines langjährigen Schulstaatssekretärs erwischt. Ich kann mich noch gut an frühere Diskussionen erinnern, die sich in den letzten Jahren leider nicht viel verändert haben. Ihr habt jahrelang die Bildungspolitik ausschließlich an der Abiturientenquote beurteilt.
Die berufliche Bildung habt ihr vergessen. Das hat sich bis vor knapp einem Jahr durchgezogen. Am 10. Dezember 2014 haben wir den Doppelhaushalt beraten. Dabei hattet ihr kein einziges Wort für die berufliche Bildung übrig. Kein Wort habt ihr dazu gesagt. Nichts habt ihr dazu gesagt!
Ihr habt ewig über G 8 und G 9 diskutiert, aber nicht erkannt, dass die berufliche Bildung eigentlich erst die Voraussetzung schafft, alle Menschen zu einem sinnvollen Beruf hinzuführen.
Lassen Sie mich doch bitte ausreden. Wir haben ein duales System, und ich bin von diesem dualen System überzeugt. Und wissen Sie warum? - Weil es die jungen Menschen auf zweifache Weise fördert.
Unsere Berufsschulen leisten Großartiges. Sie garantieren eine fundierte und breite schulische Ausbildung, sodass der Beruf auch in späteren Jahren verändert werden kann. Eine rein betriebliche Ausbildung ohne den schulischen Teil birgt die Gefahr einer Verengung. Die schulische Ausbildung garantiert stattdessen eine Breitbandausbildung. Im betrieblichen Teil der Ausbildung wird sichergestellt, dass die fachlichen Kenntnisse zur Ausübung des Berufes vermittelt werden. Vor Kurzem war ich erst wieder bei einer Freisprechungsfeier. Hören Sie sich das Lob an, das von dort kommt.
Die berufliche Bildung garantiert auch eine hohe Meisterdichte. Jetzt wird es hochinteressant: Beim Blick auf die Landkarte werden Sie feststellen, dass diejenigen Bundesländer mit den besten Wirtschaftszahlen – das ist eindeutig bei uns – auch die höchste Meisterdichte aufweisen. Das bedeutet, zwischen der dualen Ausbildung und den Wirtschaftserfolgen eines Landes besteht ein enger und schlüssiger Zusammenhang.
Wir werden in unseren Bemühungen nicht nachlassen. Ich sehe gerade, ich habe nur noch 14 Sekunden Redezeit. Die Zeit ist zu knapp, um auf weitere Punkte einzugehen. Ich verspreche Ihnen jedoch, dass wir im Hinblick auf alle Menschen, die in unser Land kommen, ein Augenmerk auf die Ausbildung von Migranten legen werden. Wir wollen sicherstellen, dass derjenige, der etwas erlernen will, dies auch erlernen kann. Das Erlernen der deutschen Sprache wird dabei vorausgesetzt.
Danke schön, Herr Kollege. In Ihrem Eifer haben Sie Plus und Minus bei den Überzugssekunden verwechselt. – Als Nächster hat Herr Kollege Thomas Huber von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Anschluss an meinen Vorredner beginne ich mit einer guten Nachricht. Die Ende Oktober veröffentlichte bayerische Ausbildungsbilanz bestätigt erneut, dass Jugendliche in Bayern hervorragende Startbedingungen ins Berufsleben haben. Sie zeigt aber auch, dass heute ganz andere Herausforderungen als noch vor 10 Jahren bestehen. Erfreulicherweise mangelt es nicht wie damals an Ausbildungsplätzen, es fehlen aber bekanntlich – das zeigen viele Redebeiträge – in vielen Bereichen geeignete Bewerberinnen und Bewerber. Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Mittelstandsforschung haben sage und schreibe 88 % der Handwerksbetriebe in Deutschland Probleme, Stellen zu besetzen. Als Grund wird einerseits neben der geringen Bewerberzahl der demografische Wandel genannt, andererseits sind fehlende Qualifikationen der Hauptgrund. Nach aktuellem Stand werden im Jahr 2035 rund vier Millionen Fachkräfte in ganz Deutschland fehlen. Bis zum Jahr 2030 werden voraussichtlich allein in Bayern 326.000 beruflich Qualifizierte fehlen. Dem stehen "lediglich" – in Anführungszeichen – 20.000 fehlende Akademiker gegenüber. Der demografische Wandel schlägt insbesondere in
den Ballungsgebieten zu. In Städten wie München, Augsburg oder Ingolstadt haben es die Handwerksbetriebe besonders schwer, Berufsanfänger zu finden. Die Sicherung eines ausreichenden Nachwuchses an geeigneten Fachkräften für alle Branchen ist deshalb eine der großen Herausforderungen für eine weiterhin gute Zukunft Bayerns.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, um auf diese großen Herausforderungen Antworten zu finden, haben wir am 29. Oktober 2015 seitens der CSU-Landtagsfraktion eine sehr gute Fachtagung zum Thema "Wie gewinnen wir die Fachkräfte von morgen?" durchgeführt. Wir haben mit Experten der vbw, der IHK, der Handwerkskammern, des Handwerkstags und mit Unternehmerinnen und Unternehmern diskutiert. Wir haben uns anhand von Best-Practice-Beispielen aus ganz Bayern zeigen lassen, welche guten Ideen dazu bereits jetzt erfolgreich umgesetzt werden. Frau Petersen von der SPD, die von Ihnen genannte Handwerkskammer Unterfranken war auch dabei. Sie hat uns ein hervorragendes Projekt mit Beratungs- und Weiterbildungsangeboten für junge Menschen vorgestellt, die sich nach einem oder während eines Studiums für eine verkürzte Meisterausbildung entschieden haben und den Wechsel ins Handwerk favorisieren – das funktioniert. Das unterstützen wir seitens der Landespolitik. Darüber hinaus gibt es, wie die Fachtagung gezeigt hat, viele weitere kreative und erfolgversprechende Projekte vor Ort zur Freisetzung des schlummernden Fachkräftepotenzials.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion möchte ich auch erwähnen, dass wir in Bayern vielversprechende Beispiele für die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt haben. Dazu gehört beispielsweise auch die assistierte Ausbildung. Ich kenne einen solchen Fall. Die Bayerische Staatsregierung hat zusammen mit den bayerischen Wirtschaftsverbänden und der Arbeitsagentur eine beachtliche Initiative gestartet, den Pakt "Integration durch Ausbildung und Arbeit". Bis zum Jahr 2016 sollen 20.000 Flüchtlinge einen Praktikums-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz angeboten bekommen. Bis zum Jahr 2019 sollen sogar 60.000 Flüchtlinge erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden. Dabei setzt die CSU-Fraktion den Schwerpunkt ganz klar auf die Qualität der Integration. Das bedeutet unter anderem, dass eine möglichst schnelle Integration in den Arbeitsmarkt mit dem Erwerb der deutschen Sprache anfängt.
Jetzt komme ich wieder auf unser duales System zurück. Gerade das System der beruflichen Bildung besitzt eine enorme Integrationskraft. Einerseits lernen die Auszubildenden in der Berufsschule, in der sie Kontakt zu den Mitschülern haben, schnell die deutsche Sprache. Andererseits können sie durch die Ar
beit in den Betrieben rasch Erfahrungen mit der beruflichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit in Deutschland sammeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir danken allen Bildungseinrichtungen und Betrieben wie dem Berufsbildungswerk und Berufsförderunngswerk, die Jugendliche bei der meines Erachtens so wichtigen Berufsorientierung unterstützen. Ich persönlich halte das für enorm wichtig; denn junge Menschen wissen oftmals nicht genau, welchen Beruf sie ergreifen wollen. Das zeigt sich an meiner eigenen Vita. Zugegebenermaßen habe ich im Alter von 14 oder 15 auch nicht genau gewusst, was ich will oder tun kann. Nach meinem Quali habe ich mich für eine Berufsausbildung entschieden. Das ermöglichte mir, in unserem durchlässigen Bildungssystem einen mittleren Bildungsabschluss zu erlangen und das Fachabitur auf dem zweiten Bildungsweg abzulegen. Das ist eine der vielen Möglichkeiten unseres dualen Bildungssystems, um das uns viele auf der Welt beneiden, das wir weiterhin unterstützen sollten und auch werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden auch künftig den engen Kontakt zu den Betrieben pflegen. Unsere Fachtagung hat den bayerischen Weg bestätigt. Deshalb rufe ich alle Kolleginnen und Kollegen im Landtag auf, bei jeder Gelegenheit auf die großen Chancen hinzuweisen, die die duale Ausbildung bietet; denn der Mensch fängt eben nicht erst beim Akademiker an.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Brendel-Fischer von der CSU das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Hätten wir in Bayern eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, würden Sie uns jagen. Wir würden alle paar Wochen die Aktuelle Stunde mit diesem Thema ausfüllen. Deshalb ist es unser gutes Recht, über die sehr gute Situation zu berichten. Die bayerische Wirtschaft ist nicht erst seit Bekanntwerden des spürbaren Fachkräftemangels auf einem guten Weg, sondern sie unterstützt seit vielen Jahren durch Ausbildungsmessen und Ausbildungsbörsen sowie Online-Portale junge Menschen, damit ihnen vor Ort eine Ausbildung ermöglicht wird.
Die Wirtschaft ist kreativer geworden. Wir haben jetzt Handwerkspaten. Wir gehen auf die individuellen Fördernotwendigkeiten ein, die Sie, Frau Petersen, angesprochen haben. Allein in Oberfranken gibt es Hunderte von Patenschaften, in deren Rahmen erfahrene
Handwerker, oft auch Senioren, die mit Leidenschaft ihren Beruf ausgeübt haben, geeignete Bewerber für die duale Ausbildung begleiten.
Ich möchte die Zubringer für die duale Ausbildung erwähnen. Unsere Mittelschulen und unsere Realschulen haben in den letzten Jahren die Berufsorientierung und Berufsvorbereitung stärker ausgebaut. Die Kritik, dass es an Ausbildungsfähigkeit mangele, war durchaus berechtigt.
Bayern hat als erstes Bundesland das mittlerweile traditionelle zweiwöchige Berufspraktikum an den Mittelschulen eingeführt. Wir waren dabei Pioniere. Die Gymnasien und Realschulen ziehen nach. Mich freut besonders, dass Schulen, Kammern und Berufsberatung nicht aneinander vorbeiarbeiten, sondern eng miteinander kooperieren.
Jugendliche mit Lernbeeinträchtigungen brauchen natürlich unsere besondere Aufmerksamkeit. Dem wird auch Rechnung getragen. Das zeigt sich an den Praxisklassen, die an den Mittelschulen bereits für eine homogene Betreuung sorgen. Das zeigt sich auch an den Zusatzangeboten der Innungen und Kammern, die zur Prüfungsvorbereitung ermuntern. Herr Kollege Huber hat bereits die assistierte Ausbildung genannt, die vor allem für sozial benachteiligte Jugendliche ganz wichtig ist und die wir natürlich ausbauen wollen. Das steht im Übrigen auch im Koalitionsvertrag.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich heute auch die arbeitsweltbetonte Jugendsozialarbeit, die aufgrund neuer Regelungen auf Bundesebene sicher etwas gelitten hat, die aber wegen der Migrationsbewegungen nicht nur für unsere deutschen Jugendlichen, sondern auch für Jugendliche mit Migrationshintergrund wieder stärker an Bedeutung gewonnen hat.
Die duale Ausbildung boomt erfreulicherweise nicht nur in den Ballungszentren, sondern auch in meiner Heimat Oberfranken. Ich kann mich noch gut an Zeiten erinnern, als Jugendlichen Mobilitätshilfe gezahlt wurde, damit sie im Großraum München oder Erlangen einer Ausbildung nachgehen konnten. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Sie sind noch gar nicht so lange her. Die IHK Oberfranken hat trotz deutlich sinkender Schülerzahlen höhere Zahlen bei den Ausbildungsverhältnissen. In diesem Ausbildungsjahr haben wir noch einmal einen Zuwachs zu verzeichnen. Das liegt auch daran, dass unter den neuen Auszubildenden mittlerweile 20 % Abiturienten sind. Handwerkskammerpräsidenten sitzen heute bei AbiFeiern und suchen die Nähe zu Abiturienten. Das ist gut so. Mittlerweile müssen die Werber keine Ausbildungsplätze mehr suchen, sondern sie fangen die Auszubildenden ein. Mittlerweile ist draußen auch be
kannt, dass man mit einer dualen Ausbildung interessante Karrierechancen hat, oft bessere, vor allem dann, wenn man in der Region bleiben will. Wenn man nicht sehr mobil sein will, hat man mit einer dualen Ausbildung oft bessere Chancen als beispielsweise mit einem Studium der europäischen Geschichte, mit dem man vielleicht nicht das findet, was man gerne haben möchte. Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur dualen Ausbildung leisten natürlich unsere beruflichen Schulen. Dabei gebe ich denen recht, die sagen, dass es im beruflichen Schulwesen noch Nachholbedarf gibt. Wir sind oft draußen. Wir haben mit dem Nachtragshaushalt versucht, Verbesserungen zu erzielen. Das wird aber noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.
Heute möchte ich ausdrücklich unseren Berufsschullehrern danken. Sie sind die ruhigste und zurückhaltendste Lehrergruppe, die wir in Bayern haben. Sie kommen nicht ständig mit irgendwelchen Forderungen, wie es die anderen machen.
(Gisela Sengl (GRÜNE): Deswegen bekommen sie auch nichts! Die sind ganz schön blöd! – Thomas Gehring (GRÜNE): Das ist doch Wahnsinn!)