- Sie haben nachher auch noch einmal das Wort, und dann können Sie vorbringen, was Sie dazu anmerken möchten. Jetzt habe aber ich das Wort, okay?
Dass der Pflichtunterricht nicht erteilt werden kann, ist umso weniger verständlich, als die Anforderungen an die berufliche Bildung steigen und die Heterogenität der Schüler an den Berufsschulen zunimmt. Nötig sind deshalb individuelle Förderung, kleinere Klassen und auch Schulsozialarbeiter, die es an den beruflichen Schulen leider kaum gibt.
Ein weiteres Thema: Vor allem die Handwerksbetriebe suchen dringend Nachwuchs. Die Handwerkskammer von Unterfranken hat einen eigenen Flyer verteilt, mit dem sie darüber informiert, dass das Handwerk
gerne Flüchtlinge und Asylbewerber einstellen würde. Dafür bräuchte es aber die Garantie, dass diese Personen mindestens drei Jahre während der Ausbildung und anschließend zwei Jahre in Deutschland bleiben können. Dieses Anliegen wurde hier im Landtag immer abgelehnt. Dabei wäre es für die Betriebe und für die Auszubildenden ein Gewinn. Letztere könnten dann an dem viel gerühmten dualen System teilhaben. Ich kann das ehrlich gesagt nicht nachvollziehen.
Außerdem müssen wir uns die Frage stellen – Kollege Unterländer hat es anklingen lassen -, für wen das duale System tatsächlich zugänglich ist. Wenn wir feststellen, dass zwei Drittel der Ausbildungsplätze im dualen System von Abiturienten oder Schülern mit einem mittleren Schulabschluss besetzt sind, stellt sich die Frage: Was ist dann mit den schwächeren Schülern? – Einzelne Modelle, die immer wieder gestartet werden, genügen nicht. Wir brauchen ein Übergangssystem, das diesen Namen auch verdient. Hier sind die Berufsfachschulen hilfreich, und es gibt Orientierungsklassen. Die Schaffung von Anlernberufen ist nur im Einzelfall eine Lösung, generell ist sie das sicher nicht. Es muss darum gehen, auch schwächere Schüler für den Beruf fit zu machen. Das könnte beispielsweise durch eine assistierte Ausbildung geschehen. Die bisherigen Modelle genügen nicht. Sie sind seit Jahrzehnten hier an der Regierung und hätten schon lange etwas tun können, wenn Sie die Defizite erkannt hätten.
(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Es läuft sehr gut; die anderen Länder schauen das System bei uns ab! – Zuruf von der CSU: Es ist ein Erfolgsmodell!)
Das habe ich Ihnen gerade dargelegt. Wenn Sie zuhören, wenn Sie mit den Lehrern an den beruflichen Schulen sprechen, wenn Sie mit offenen Augen durch die Welt gehen statt mit einem Tunnelblick, dann müssten auch Sie das feststellen.
- Selbstlob und Sonntagsreden reichen nicht. Machen Sie das duale System nicht nur in der Theorie, sondern endlich auch in der praktischen Umsetzung zu einem Erfolgsmodell.
(Beifall bei der SPD – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Das nennt man Themaverfehlung! – Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Ja, genau, Themaverfehlung!)
Danke schön, Frau Kollegin. - Als Nächster hat Herr Kollege Häusler von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Staatsminister, werte Kolleginnen und Kollegen! Ein guter Start ins Berufsleben bietet die ideale Voraussetzung für ein erfolgreiches berufliches, soziales, gesellschaftliches und demzufolge familiäres Leben. Dazu bedarf es einer fundierten und qualifizierten Ausbildung. In Deutschland, und insbesondere bei uns in Bayern, bietet unser duales Ausbildungssystem jedem Ausbildungswilligen eine seinem persönlichen Profil entsprechende, seiner Begabung und seiner eigenen Präferenz angemessene akademische beziehungsweise berufliche Ausbildung mit einer entsprechenden Karriereperspektive. Unser Schul- und Berufsbildungskonzept ist durchlässig. Es bietet auch einen zweiten Bildungsweg an, der Spätzündern, insbesondere aber erfolgreichen und ambitionierten jungen Menschen aus dem Berufsleben, einen Hochschuloder Universitätsabschluss ermöglicht. Insofern stimmt es: Unser duales System ist ein absolutes Erfolgsmodell, um das uns viele in Europa und weltweit beneiden.
Wir sind der CSU-Fraktion deshalb dankbar, dass sie dieses Thema anlässlich der Aktuellen Stunde auf die Tagesordnung gesetzt hat. Ich füge aber hinzu: Die CSU muss ihrem eigenen Anspruch bei der Umsetzung auch gerecht werden.
Dieses Thema ist deshalb topaktuell, weil es im Zusammenhang mit dem sich immer stärker ausprägenden Fachkräftemangel eine zentrale Bedeutung erlangt und weil eine angemessene Kurskorrektur in unserem Ausbildungssystem absolut überfällig ist. Wirtschaftsverbände und Kammern interpretieren die fortschreitende Akademisierungswelle bereits als Akademisierungswahn. Das Überangebot an Absolventen
bestimmter Hochschulen und Universitäten nimmt in dem Umfang zu, wie die Anzahl der beruflichen Fachkräfte abnimmt. Die Tendenz verstärkt sich durch die demografische Entwicklung. Bis 2030 fehlen in Deutschland voraussichtlich fünf Millionen Fachkräfte. Mittlerweile werden mehr akademische als duale Ausbildungsverhältnisse abgeschlossen, und dies bereits im zweiten Jahr hintereinander. Auch die große Anzahl der Studienabbrecher in einzelnen Studiengängen – bis zu 50 % - sollte uns zum Nachdenken und Gegensteuern anregen.
Unsere Wirtschaft, insbesondere Handwerk und Mittelstand, bietet interessante Aufstiegs- und Karriereperspektiven an. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, endlich die Gleichwertigkeit von schulischer und beruflicher Bildung nicht nur anlässlich von Sonntagsreden, sondern im gelebten Alltag anzuerkennen und wertzuschätzen. Deshalb ist es unerlässlich, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Die berufliche Weiterqualifikation muss auch monetär mit den vergleichbaren universitären Ausbildungen auf einer Ebene stehen. Wir FREIEN WÄHLER haben diese Notwendigkeit früh erkannt. Wir haben den Anspruch auf Chancengleichheit konsequenterweise nach der Abschaffung der Studiengebühren gefordert. Wir haben die Einführung von Bildungsgutscheinen für angehende Meister und Techniker angeregt und gefordert. Studiengebühren für sechs Semester entfallen, das sind rund 3.000 Euro. 1.000 Euro Meisterprämie plus 2.000 Euro Ausbildungsgutschein, das wären 3.000 Euro. Das wäre Gleichbehandlung.
Leider hat die Mehrheit dieses Hauses den Gleichbehandlungsgrundsatz missachtet und unseren Antrag abgelehnt. Nach dem heutigen Aufschlag des Themas in der Aktuellen Stunde auf Vorschlag der CSUFraktion hegen wir nun aber wieder die Hoffnung, dass sich auch in der Mehrheitsfraktion diese Erkenntnis durchgesetzt hat. Wir jedenfalls werden das Thema wieder auf die Agenda setzen, verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Unterländer hat das angedeutet. Nun muss es also nur noch umgesetzt werden. – Ein erfolgreicher Berufsstart bedarf auch einer frühzeitigen Information und der praktischen Erfahrung in einem oder mehreren Berufsbildern. Deshalb ist es unabdingbar, in den fortführenden und weiterführenden Schulen genauso wie in den Mittelschulen verpflichtende Berufspraktika einzuführen. Die jungen Menschen sollen Eindrücke sammeln und prüfen können, ob ihre Neigungen ihren Berufsvorstellungen entspre
Das wäre ein unwahrscheinlich interessanter und wichtiger Ansatz zum langfristigen Gegensteuern und zur Behebung des Fachkräftemangels. Praktika werden vonseiten der Wirtschaft wie auch vonseiten der Schulen anerkannt und wertgeschätzt. Vielen jungen Menschen würden sie die Chance bieten, statt eines abgebrochenen Studiums eine Ausbildung zu machen. Mit dieser Ausbildung im Gepäck würden sie am Berufsmarkt nachgefragt. Diese Chance des Berufspraktikums ist leichtfertig vertan worden.
Die berufliche Ausbildung und die duale Ausbildung erstrecken sich aber nicht nur auf diese beiden Themen. Ganz wichtig ist auch, was gestern in der gemeinsamen Sitzung des Bildungsausschusses mit dem Landwirtschaftsausschuss angesprochen wurde: Ein duales Studium, das begleitend zur Arbeit und modular durchgeführt wird, böte mehr Transparenz und mehr Durchgängigkeit und damit größere Chancen für die jungen Menschen.
In diesem Sinne herzlichen Dank für dieses Thema! Wir sollten im Interesse unserer Wirtschaft und insbesondere im Interesse unserer jungen Mitmenschen gemeinsam an diesem Strang ziehen.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Gehring von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte sehr.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe überlegt, was für die CSU der aktuelle Anlass war, dieses Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Ich habe gedacht, es ist möglicherweise eine Aussage des Hauptgeschäftsführers der Handwerkskammer von Schwaben zu Kultusminister Spaenle in der "Augsburger Allgemeinen" vom 24. Oktober. Er sagt als Vertreter der Handwerkskammer aus seiner Alltagserfahrung:
Herr Spaenle ist zu sehr Wissenschaftsminister und zu wenig... Berufsschulminister. Die Berufsschulen spielen nur eine bescheidene Rolle. Die Hochschulen sind Prestigeobjekte, die Studenten sind wichtig, die Lehrlinge an der Werkbank sind dagegen außerhalb des Blickes. Das muss sich grundlegend ändern. Wir brauchen beispielsweise auch mehr Lehrer an den Berufsschulen, die
Sein Kollege von der IHK ergänzt, dass jetzt endlich ein Jahrzehnt der beruflichen Bildung in Bayern kommen müsse. – Recht haben sie.
Das duale Ausbildungssystem in Bayern und Deutschland ist ein Erfolgsmodell. Wir GRÜNEN und ich als ihr bildungspolitischer Sprecher stehen dafür. Duale Ausbildung heißt: Verantwortung der Betriebe, der Sozialpartner und des Freistaats.
Reden wir nun über die Verantwortung des Freistaates. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSUFraktion, wo sind Ihre Initiativen zur beruflichen Bildung in dieser Legislaturperiode? Wo ist Ihre Zustimmung zu unseren Anträgen, die berufliche Bildung besser zu stellen? - Liebe Kolleginnen und Kollegen, die beruflichen Schulen sind seit Jahren unterfinanziert. Seit Jahren haben sie zu Beginn des Schuljahres nicht die 100 % an Grundausstattung, die sie brauchen, um ihren Pflichtunterricht zu erbringen. Mit nur 93 % finanzieller Ausstattung sollen sie zum einen ihre Aufgaben erfüllen und zum anderen zusätzliche Aufgaben übernehmen. Deswegen haben wir zum Nachtragshaushalt beantragt, die beruflichen Schulen besser zu unterstützen. Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CSU, hätten diesem Antrag besser zustimmen sollen.
Reden wir nun von gleicher Augenhöhe akademischer und beruflicher Bildung. Da geht es schon beim Schulsystem los. Sie haben immer noch die Vorstellung, die Mittelschule sei die Schule für die praktisch Begabten, die in die duale Ausbildung gehen; die anderen aber gehen aufs Gymnasium, streben eine akademische Ausbildung an und werden studieren. Das ist in einer Situation, in der wir 40 % Gymnasiasten und 30 % Mittelschulabsolventen haben, absurd und wird der Situation der beruflichen Bildung nicht gerecht. Handwerker sind Handwerker, aber sie sind vor allem auch Kopfarbeiter; sie brauchen kognitive Kompetenzen, ganz egal ob sie Schreiner, Maurer, Metzgerin oder Schneiderin sind. Sie brauchen Problemlösungskompetenzen. Deshalb ist die Vorbereitung auf die berufliche Bildung Aufgabe aller Schularten.
Wenn Sie es nun als Erfolg verkaufen, dass alle Schulabschlüsse zur Hochschule führen, dann bitte auch, dass alle Schulabschlüsse auch zur dualen Ausbildung führen. Werten Sie das nicht als Scheitern, sondern auch als Erfolg einer Gymnasialkarriere.
Reden wir von den Flüchtlingen. Wieder einmal gehen Mittelschule und Berufsschule voran, wenn es um Integration in dieser Gesellschaft geht. Realschule und Gymnasium hinken hinterher. Ja, wir haben mit diesen zweijährigen Berufsintegrationsklassen in Bayern ein gutes Modell. Wir haben eine Berufsschulpflicht bis zum 21. Lebensjahr. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, nur für ein Drittel der Schülerinnen und Schüler haben wir dafür tatsächlich ein Angebot. Eine Berufsschulpflicht, die vom Staat nicht erfüllt wird, ist eine Scheinlösung. Es ist eine Fata Morgana. Da wird etwas vorgespiegelt, was nicht Wirklichkeit ist. Deswegen brauchen wir den Ausbau der beruflichen Bildung für die Flüchtlinge.
Wenn wir über die duale Bildung reden, müssen wir auch über die Berufe reden, für die an den Berufsfachschulen ausgebildet wird. Ich denke da insbesondere an den Gesundheits- und Pflegebereich. Wir müssen uns überlegen, wie wir diese Berufe neu gestalten können. Wir GRÜNEN überlegen durchaus, auch dort die duale Ausbildung einzuführen. Ich finde, wir sollten über diese Dinge hier im Hohen Hause miteinander reden. Wir GRÜNEN sind für eine zukunftsfähige, berufliche Bildung; denn wir wollen gut essen, regional und ökologisch, wir wollen der Klimakatastrophe mit gut gedämmten Gebäuden trotzen, und wir wollen menschliche Pflege und Service. Wir sind für individuelle pragmatische Lösungen. Deshalb brauchen wir Leute, die im dualen System gut ausgebildet wurden.