Protocol of the Session on October 28, 2015

lastet so massiv auch die Kommunen. Wir haben für den Nachtragshaushalt über 600 Millionen Euro für die unbegleiteten Minderjährigen angemeldet. Ich finde, das ist eine gewaltige Summe, die wir hier aufwenden.

Viertens: Es ist erfreulich, dass sich der Bund nun endlich ab dem Jahr 2016 mit 350 Millionen Euro pro Jahr an den Kosten für die unbegleiteten Minderjährigen beteiligt. Angesichts des dramatisch gestiegenen und weiter steigenden Bedarfes wird die Bundesbeteiligung allerdings noch zu erhöhen sein. Ich möchte das in aller Deutlichkeit sagen. Mehr unbegleitete Minderjährige werden kommen, als es in der Vergangenheit der Fall war. Deswegen, glaube ich, müssen wir den Bund auch zur Kasse bitten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um eine unverzügliche Umsetzung der bundesweiten Verteilung sicherzustellen, sind landesrechtliche Umsetzungsmaßnahmen zu ergreifen und Zuständigkeiten zu definieren. Liebe Frau Kamm, das Ganze war im federführenden Gesundheitsausschuss, und es war auch im Sozialausschuss. Sie sind dort Mitglied.

Damit die Staatsregierung die notwendigen Regelungen erlassen kann, wird eine Verordnungsermächtigung im Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze geschaffen. Das Staatsministerium für Soziales wird die darauf aufbauende Verordnung noch im Jahr 2015 in Kraft setzen. Diese wird im Wesentlichen zwei Punkte umfassen:

Erstens. Die Zuständigkeit für die Verteilung der unbegleiteten Minderjährigen soll dem Beauftragten des Freistaates Bayern für die Aufnahme und Verteilung ausländischer Flüchtlinge und unerlaubt eingereister Ausländer – LABEA – in der zentralen Aufnahmeeinrichtung Zirndorf zugewiesen werden.

Zweitens. Für die innerbayerische Verteilung der unbegleiteten Minderjährigen soll der Verteilungsschlüssel gelten, der bereits für die Verteilung der übrigen Asylbewerber gilt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben die bundesgesetzlichen Vorlagen für die bundesweite Verteilung von unbegleiteten Minderjährigen durchgesetzt. Mit dem Änderungsantrag setzen wir diese Regelungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Bayern um. Wir werden darauf achten, dass der Bund und die übrigen Länder das Ihre dazu tun. Ich möchte Sie daher bitten, dem Änderungsantrag fraktionsübergreifend Ihre Zustimmung zu erteilen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Staatsministerin. Bleiben Sie bitte noch. – Zu einer Zwischenbemerkung hat sich die Kollegin Kamm gemeldet. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Ministerin, es wäre Ihnen natürlich möglich gewesen, die Grenzlandkreise und die Städte an den Hauptrouten der Flüchtlinge bei dieser wichtigen Aufgabe schon früher zu entlasten. Ich frage Sie: Warum ist für eine solche Regelung, wie Bayern das zukünftig macht, eine Rechtsverordnung nötig? Ist es für alle Beteiligten nicht sinnvoller, besser und vor allen Dingen transparenter, das mit einem Gesetz zu regeln? Über die Rahmenbedingungen könnten wir hier im Hause diskutieren. Das betrifft nämlich nicht nur die Flüchtlinge, nicht nur die Städte, die entlastet werden müssen, sondern es betrifft natürlich auch die Menschen, die derzeit mit den Flüchtlingen arbeiten; es betrifft die Einrichtungen, die Ehrenamtlichen und so weiter. Eine transparente Regelung wäre besser als eine Verordnungsermächtigung, bei der jetzt noch keiner weiß, was später in der Verordnung steht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kamm. – Frau Ministerin, bitte schön.

Frau Kamm, das waren zwei Punkte. Der erste Punkt war die Frage, warum wir nicht schon früher verteilt haben. – Wir haben das getan. Wir haben dazu im letzten Jahr auf bayerischer Ebene einen Beschluss gefasst, damit wir das tun können. Laut SGB VIII hätten wir nämlich überhaupt nicht innerhalb Bayerns verteilen können, sondern überall dort, wo ein unbegleiteter Minderjähriger ankommt, wäre das jeweils zuständige Jugendamt verantwortlich gewesen. So haben wir bayernweit nach einer Quote verteilt. Wir haben auch die Verantwortlichkeiten, zum Beispiel Vormundschaften, mit verteilt. Das haben wir schon seit letztem Jahr so gemacht und so auch Passau, Rosenheim, München und Nürnberg entlastet. Sonst wäre das dort weitaus schwieriger gewesen, als es derzeit der Fall ist.

Wir haben auch Übergangseinrichtungen für den extrem starken Zugang geschaffen. Das ist eine sogenannte Drehscheibensituation, bei der wir unbegleitete Minderjährige nicht erst ins Clearing bringen, sondern bayernweit sofort verteilen können.

Damit wir das Bundesgesetz zeitnah vollziehen können, brauchen wir jetzt auch eine Ermächtigungsgrundlage. Diese schaffen wir mit dieser Regelung. Die Verordnung werden wir rückwirkend zum 01.11. in Kraft setzen. Wir brauchen das für unsere Bezirke,

Landkreise und Jugendämter, damit sie unbegleitete Minderjährige nahtlos versorgen können, und zwar entsprechend ihrer Hilfebedürftigkeit.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Staatsministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen nun zur Abstimmung.

Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/7356, der Änderungsantrag auf Drucksache 17/8079 und die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Gesundheit und Pflege auf Drucksache 17/8648 zugrunde. Der federführende Ausschuss empfiehlt Zustimmung mit der Maßgabe, dass die Überschrift des Gesetzentwurfs eine neue Fassung erhält und ein neuer § 3 zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze eingefügt wird.

Der Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen stimmt bei seiner Endberatung der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses zu. Ergänzend schlägt er vor, im neuen § 4 als Datum des Inkrafttretens den "1. November 2015" einzufügen. Ich verweise insoweit auf Drucksache 17/8648. Wer dem Gesetzentwurf mit diesen Änderungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der CSU, die Fraktion der SPD und die FREIEN WÄHLER. Wer stimmt gegen den Gesetzentwurf? – Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Gibt es Enthaltungen? – Ich sehe keine.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch erhebt sich nicht. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das sind wiederum die CSU-Fraktion, die SPD-Fraktion und die FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen bitte! – Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Enthaltungen? – Keine. Damit ist dieses Gesetz so angenommen. Es hat den Titel: "Gesetz zur Änderung des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften".

Mit der Annahme des Gesetzentwurfs in der soeben beschlossenen Fassung hat der Änderungsantrag von Abgeordneten der CSU-Fraktion auf Drucksache 17/8079 seine Erledigung gefunden. Das Hohe Haus nimmt davon Kenntnis.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 3 auf:

Abstimmung über eine Verfassungsstreitigkeit und Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. Anlage 1)

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(Siehe Anlage 1)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. des jeweiligen Abstimmungsverhaltens seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen, bitte! – Enthaltungen? – Danke. Dann ist das einstimmig angenommen, und der Landtag übernimmt diese Voten.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Kerstin Schreyer-Stäblein, Klaus Holetschek u. a. und Fraktion (CSU) Heilmittelerbringer besser in die Versorgung einbinden und den Beruf des Therapeuten zukunftsfähiger und attraktiver machen (Drs. 17/8680)

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Herr Kollege Holetschek. Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wahrlich ein Dringlichkeitsantrag, über den wir jetzt beraten. Es geht um die Zukunft unserer Therapeuten. Stellen Sie sich vor, Sie gehen in eine Praxis, und es ist kein Therapeut mehr da, weil es keinen Nachwuchs mehr gibt oder weil die Bezahlung dieser Berufsgruppe nicht mehr auskömmlich ist. Wir wollen ein deutliches Signal in Richtung Wertschätzung für diese Berufsgruppe setzen. – Ich sehe auf der Tribüne Herrn von Esebeck vom Verband für Physiotherapie. – Wir wollen signalisieren, dass für uns die Therapeuten bei der gesundheitlichen Versorgung einen ganz wichtigen Stellenwert haben. Die Rahmenbedingungen für deren Arbeit müssen zukunftssicher und nachhaltig gestaltet werden. Dies ist das Ziel dieses Dringlichkeitsantrags.

(Beifall bei der CSU)

Wir wollen, dass sich die Staatsregierung, wie das im Koalitionsvertrag und in den Gesundheitsministerkon

ferenzen bereits zum Ausdruck gekommen ist, im Bund dafür einsetzt, dass diese Rahmenbedingungen verbessert werden. Sehen wir uns einmal das Thema der Bezahlung an. Frau Sonnenholzner und ich hatten das Vergnügen, bei einer Podiumsdiskussion des Verbandes zu diesem Thema dabei zu sein. Die Praxen können kaum noch gehalten werden, und die Gehälter können kaum noch bezahlt werden. Ich nenne Ihnen einmal den Minutenpreis für eine Krankengymnastik. Er liegt bei 0,79 Euro. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Bei der Lymphdrainage liegt der Minutenpreis bei 0,60 Euro. Diesem Thema müssen wir uns stellen. Wir müssen uns fragen, ob diese Vergütungen noch auskömmlich sind und ob die Menschen davon ihre Mieten, ihre Ausbildung oder ihre Weiterbildung bezahlen können. Schließlich muss es ja immer weitergehen.

Wir müssen deswegen prüfen, ob eine Abkoppelung von der Grundlohnsumme möglich ist. Das ist ein Prüfauftrag. Ich weiß, dass es dabei auch um Beitragsstabilität geht. Die Heilmittel sind im Gesundheitssystem jedoch nicht die Beitragstreiber. Dieser Prüfauftrag ist wichtig und unumgänglich, um ein gutes Signal in die Zukunft zu setzen. Der Standard der Ausbildung und der Qualifikationen muss ausgebaut werden. Wir werden uns in Zukunft über andere Formen des Zugangs zum Therapeuten unterhalten. Deshalb müssen wir gleichzeitig über Ausbildungsstandards und Weiterbildung sprechen. Bei diesem Thema sollten wir gemeinsam ein Zeichen setzen.

Die sogenannte Blankoverordnung wird im Moment im Rahmen von Modellprojekten erprobt. Sobald die Ergebnisse vorliegen, kann dadurch ein wichtiger Beitrag zur Entbürokratisierung, zur Patientenzufriedenheit und zur Erleichterung im Gesundheitssystem geleistet werden. Wir sollten uns in Bayern die Ergebnisse dieses Modellversuchs ansehen und prüfen, was wir daraus entwickeln können.

Meine Damen und Herren, der Direktzugang zu den Therapeuten ist eine langfristige Perspektive. Hierzu führen wir Gespräche mit den Kammern, mit den Ärzten und anderen. Wir sollten dieses Thema aber nicht aus dem Auge verlieren. Im Rahmen des Systems muss geprüft werden, ob der Arzt immer da sein muss oder ob bestimmte Vorgänge substituiert werden können. Das setzt jedoch voraus, dass sich Qualität und Ausbildung auf einem vernünftigen Level befinden.

Ich möchte ganz dezidiert sagen: Wir werden noch viele Herausforderungen in unserem Gesundheitssystem zu bewältigen haben. Vor Kurzem hatten wir ein Gespräch mit den Hebammen, bei dem es ebenfalls um die Frage der Vergütung ging. Wir wissen, dass das Thema Flüchtlinge auch Auswirkungen auf unser

Gesundheitssystem und auf die Therapeuten haben wird. Die demografische Entwicklung ist nicht der alleinige Beitragstreiber im Gesundheitswesen.

Wir müssen uns außerdem noch einmal über das Thema Schulgeld unterhalten. In Bayern wird bei 8 öffentlichen Schulen kein Schulgeld erhoben. Allerdings gibt es 26 Schulen, für die noch Schulgeld bezahlt werden muss. Wir müssen uns überlegen, wie wir langfristig mit diesem Thema umgehen, um Erleichterungen und Vereinfachungen zu erreichen. Wenn wir ein gutes und funktionierendes Gesundheitssystem haben wollen, müssen wir ein Zeichen für die Therapeuten setzen. Sie sind ein wichtiger Teil unserer Versorgungskette. Es wird sich lohnen, wenn wir gemeinsam die Rahmenbedingungen verbessern. Es wird sich auch lohnen, dass sich der Bund dieses Themas annimmt und wir von Bayern aus ein Zeichen für diese Therapiegruppen setzen. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Holetschek. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Sonnenholzner. Bitte sehr.

Frau Präsidentin, Kollegen und Kolleginnen! Herr Kollege Holetschek, Ihr Einstieg in die Thematik war ganz großes Kino.

(Jürgen W. Heike (CSU): Zur Sache!)

Dieser Einstieg war an Theatralik kaum zu überbieten. Ich denke, dass Ihre Rede der tatsächlich prekären Situation, in der sich die Physiotherapie befindet, in keiner Weise gerecht wird. Sie haben völlig richtig geschildert, wie die Einkommenssituation aussieht. – Sie ist beunruhigend schlecht, auch im Vergleich zu den Physiotherapeuten, die an den Krankenhäusern angestellt sind. Der TVöD ist schließlich nicht dafür bekannt, dass er übertrieben hohe Gehälter gewährt.

Sie haben die Minutenpreise geschildert. Hier kommt hinzu, dass es zum Beispiel bei der Lymphdrainage vollkommen unverständliche und unsinnige Staffelungen gibt. Für eine Lymphdrainage von 45 Minuten fällt ein niedrigerer Minutenpreis als für eine Lymphdrainage von 30 Minuten an. Das hat mir noch niemand erklären können. Ich glaube nicht, dass die Behandlung in den letzten 15 Minuten schlechter ist als vorher.

Die Zahl der Bewerbungen an den Schulen ist um 14 % zurückgegangen. Das ist beunruhigend. Die detaillierte Umfrage, die der Verband zur Situation der Mitglieder durchgeführt hat, hat massiven Handlungsbedarf aufgezeigt. Über die Bedeutung der Physiothe

rapie möchte ich nichts sagen, weil ich hier immer als befangen gelte, da ich gelegentlich orthopädische Probleme aufgrund von Frakturen habe. Somit komme ich immer wieder selbst in den Genuss dieser wichtigen Behandlung. Ich denke aber, dass jeder in diesem Hause weiß, wie wichtig die Physiotherapie bei vielen Krankheitsbildern für die Wiederherstellung der Patienten ist.

Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, selbstverständlich ist es gut und richtig, zu diesem Thema einen Dringlichkeitsantrag einzubringen. Sie führen jedoch ein absolutes Scheingefecht. Die Forderungen, die Sie stellen, richten sich zu 100 % an den Bund. Obwohl die "Bild"-Zeitung heute etwas anderes geschrieben hat, darf ich Sie daran erinnern: Sie sind noch Mitglied der Großen Koalition. Ich bin es auch. Deswegen stelle ich auch keine Anträge, mit denen ich die Regierung wachsweich auffordere, sich beim Bund für etwas einzusetzen. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie diejenigen Forderungen einbringen, die Sie hier einbringen könnten.