Das ist ein kräftiges Integrationspaket, und das alles kommt zu dem hinzu, was Bayern ohnehin schon tut. Es wird zusätzlich – das werden wir heute Nachmittag von Markus Söder hören – etwa eine halbe Milliarde Euro ausmachen. Wir haben auch im Bund einiges zur Finanzierung solcher Dinge herausverhandelt.
Meine Damen und Herren, die schöne Botschaft für die Öffentlichkeit ist, dass wir dies und anderes jedenfalls für diesen Doppelhaushalt 2015/2016 finanzieren können, ohne unsere haushaltspolitischen Ziele, die für ganz Deutschland Vorbild sind, zu gefährden. Es bleibt beim ausgeglichenen Haushalt; wir werden keine Schulden aufnehmen, und wir werden auch weiter an der Schuldentilgung festhalten. Das ist eine klare Botschaft.
Dass wir das jetzt alles finanzieren können, verdanken wir zum einen den Verhandlungen im Bund, zum anderen aber auch der Tatsache, dass wir über Jahre hinweg sehr vernünftig gewirtschaftet und auch eine Rücklage gebildet haben, wie es sie kein zweites Mal in Deutschland gibt, um für solche Situationen – es könnten auch andere Situationen sein, eine Konjunkturkrise usw. – eine Reserve zu haben. Wäre der Finanzminister Schwabe, müsste ich sagen: Er ist eine schwäbische Hausfrau; so muss ich sagen: Er ist eine fränkische -
Aber da gibt es keine Qualitätsunterschiede. Ist das vernommen worden? – Es gibt da keine Qualitätsunterschiede!
Meine Damen und Herren, die Bayerische Staatsregierung wird dem Bayerischen Landtag ein Integrationsgesetz zuleiten.
dass die Integration eine Richtung hat, nicht eine Beliebigkeit. Wir wollen Identität und Vielfalt; das ist ganz etwas anderes als Multikulturalität. Ich sage: Wer selbst das Grundrecht auf Asyl einfordert, muss auch die Grundrechte anderer respektieren.
Und deshalb fordern wir diese Grundsätze bei der Integration ein. Übrigens hat der Präsident des Deutschen Bundestages sie heute als deutsche Leitkultur bezeichnet. Was sind wir dafür gescholten worden, als wir vor zehn Jahren die Notwendigkeit betont haben, dass die deutsche Sprache zur Integration gehört, dass man die Sprache des Landes lernt! – Alles ist zunächst kritisiert worden, wie jetzt auch wieder viele Vorschläge, und alles ist heute Allgemeingut.
Deshalb werden wir hier im Landtag eine anspruchsvolle Diskussion über die Identität unseres Landes, über die Grundwerte unseres Landes und – ich sage auch: – über die Leitwerte unseres Landes führen müssen. Das muss die Grundlage eines solchen Gesetzes sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bayern ist ein großartiges Land. Die Menschen, die hier leben, sind selbstbewusst und tolerant. Für uns in Bayern ist der Satz "Leben und leben lassen" täglich geübte Realität. Die Verwurzelung in Tradition und Kultur, in den Leitwerten einerseits und in Weltoffenheit andererseits zeichnen Bayern seit vielen Jahrhunderten aus. In diesem Zusammenhang hat mich ein Brief, den ich vor wenigen Tagen bekommen habe, sehr beeindruckt, ein Brief der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern Charlotte Knobloch. Sie hat darin Folgendes geschrieben:
Ich appelliere an Sie als Demokraten, das Thema Patriotismus und den Erhalt unserer Kultur und unserer Werte noch viel stärker als bisher auf die Agenda zu setzen.
Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich noch die Gelegenheit nutzen, Gäste zu begrüßen. Auf der Ehrentribüne haben Herr Jeffrey Hovenier, Gesandter Botschaftsrat für politische Angelegenheiten der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika, und Herr Konsul Scott Woodard, Leiter der politischen und wirtschaftlichen Abteilung am Generalkonsulat der Vereinigten Staaten von Amerika in München, Platz genommen. Ich heiße Sie herzlich willkommen und wünsche Ihnen einen informativen und angenehmen Aufenthalt in diesem Hause.
Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt 132 Minuten und verteilt sich auf die Fraktionen wie folgt: CSU 44 Minuten, SPD 33 Minuten, FREIE WÄHLER und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jeweils 27,5 Minuten. Das Wort hat der Oppositionsführer, Herr Abgeordneter Rinderspacher von der SPD.
Herr Präsident, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Ich möchte etwas von dem zurückgeben, was mein Leben mir geschenkt hat." Das sagt der 71-jährige Flüchtlingshelfer Helmut Schweiger aus MünchenTrudering. Helmut Schweiger hat sich zu seinem Geburtstag von seinen Freunden keine Geschenke gewünscht. Nach einem erfolgreichen und erfüllten Berufsleben hat er alles Wichtige, was er braucht, sagt er. Stattdessen hat er im Freundeskreis Geld ge
sammelt und selbst noch etwas für die Flüchtlinge obendrauf gelegt. Seit vielen Monaten engagieren sich Waltraud und Helmut Schweiger in der Flüchtlingsunterkunft in der Münchner Fauststraße. Dort leben etwa 100 junge Männer, vorwiegend aus Eritrea. Sie sind aus dem afrikanischen Gulag vor einer der brutalsten Diktaturen geflüchtet, die es je auf dem schwarzen Kontinent gegeben hat. Waltraud und Helmut Schweiger engagieren jeden Sonntag Wochenendausflüge mit den Flüchtlingen, mit dem Radl geht es auf den bayerischen Bauernhof oder ins Deutsche Museum.
Bayern, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigt sich mit Menschen wie Waltraud und Helmut Schweiger in diesen Monaten von seiner allerstärksten Seite.
Die Menschen im Freistaat lassen sich nicht von Kleinmut, Verzagtheit, Zögerlichkeit und Kulturpessimismus regieren und beherrschen. Landauf, landab helfen pensionierte Lehrer jugendlichen Flüchtlingen bei den Hausaufgaben oder geben Deutschunterricht. Ehrenamtliche unterstützen Asylsuchende dabei, sich im Behörden- und Formulardschungel zurechtzufinden. Sie begleiten kranke Flüchtlingskinder bei Arztbesuchen. Jurastudenten bieten eine kostenlose Rechtsberatung an.
Unsere Landeshauptstadt München hat in diesen Wochen ihrem Ehrentitel "Weltstadt mit Herz" neues Gewicht gegeben, München steht damit exemplarisch für ganz Bayern. Die Münchnerinnen und Münchner reichen den Zufluchtsuchenden bei der Ankunft im Hauptbahnhof die Hand. Sie sind hilfsbereit und solidarisch. Sie verstehen den Hinweis der Bundeskanzlerin "Wir schaffen das" als ermutigende Aufforderung und lassen sich auch von missmutigen Bekundungen nicht abbringen. Der britische "Independent" schreibt mit Blick auf die Bilder aus München von einem moralischen Vorbild.
Wenn die CSU die bayerischen Bilder der Hilfsbereitschaft und des Willkommens als kontraproduktiv bezeichnet, wenn Herr Seehofer auch am Wochenende – wie auch heute in der Regierungserklärung – von der Kanzlerin wieder ein gegenteiliges Signal, also ein Signal des Nicht-Willkommens, der Abschottung und der Abschreckung, einfordert, hat die Bundeskanzlerin zu Recht irritiert reagiert, dass ausgerechnet ihre Schwesterpartei, eine sich christlich nennende Partei, öffentliche Zeichen der Hilfsbereitschaft und christlicher Nächstenliebe missbilligt.
Die Kanzlerin hat bereits das Notwendige an ihre Schwesterpartei adressiert. Ich füge hinzu: Wir sollten die Macher der Mitmenschlichkeit in unserer bayerischen Gesellschaft bestärken und nicht von oben herab verunsichern. Wir sind stolz auf die hilfsbereiten Menschen in Bayern. Wir sind stolz auf dieses Bayern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir erleben im Moment eine historische Phase, in der sich die Globalisierung in unserem Land für viele Menschen fühlbar von ihrer hässlichsten Seite präsentiert. Für viele Bayern ist das eine neue Erfahrung. Als Globalisierungsgewinner hatten wir in Bayern in den letzten Jahren enorme Wohlstandszuwächse. Als Exportland haben wir wie kaum eine andere Region in Europa von der globalisierten Welt der kurzen Wege und der kurzen Verbindungen profitiert.
Nun erlebt die bayerische Bürgerschaft internationale Politik von einer anderen Seite. Aleppo und Kundus waren Rosenheim und Schwabach noch nie zuvor so nahe wie in diesen Tagen. An einer solchen historischen Wegmarke ist es mitunter nützlich, einen kurzen Moment innezuhalten. Ich möchte an eine der ganz großen Regierungserklärungen hier im bayerischen Parlament vom 16. Dezember 1946 erinnern. In den Trümmerjahren 1945 und 1946 war Bayerns Bevölkerung mit 1,9 Millionen Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten – 1,9 Millionen Flüchtlinge in zwei Jahren! – um 28 % angewachsen. Der erste Ministerpräsident des Freistaats, der Vater der bayerischen Verfassung, der Sozialdemokrat Wilhelm Hoegner, hat die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land damals zum starken Zusammenhalt und zur Solidarität mit den Schwächsten der Schwachen aufgerufen. Er war vor Ort in den Flüchtlingsunterkünften. So haben es Ministerpräsidenten damals gehandhabt, und so handhaben es auch 2015 die Ministerpräsidenten in allen anderen Bundesländern.
Hoegner sagte: Das Flüchtlingsproblem in Bayern bildet eine unserer größten Sorgen; wir müssen diesen wurzellos gewordenen Menschen so rasch wie möglich wieder zu ihrer Heimat verhelfen; sie alle müssen vor der schlimmsten Not geschützt und in unsere Wirtschaft eingegliedert werden.
Wilhelm Hoegners Einsatz für die Flüchtlinge war in der Bevölkerung damals alles andere als populär. Die Neuankömmlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten waren ausgesprochen unbeliebt. Aber Hoegner wusste, was ein Landesvater in einer solchen Zeit zu tun hat. Er hätte niemals versucht, Schwache gegen Schwache auszuspielen.
Damit wir uns richtig verstehen: Wir setzen Flüchtlinge und Vertriebene 1945/1946 und heute nicht gleich. Die Unterschiede – die Fluchtursachen, die politischen Umstände und die kulturelle Andersartigkeit, um nur einige zu nennen – liegen auf der Hand. Damals kamen Deutsche zu Deutschen. Aber – und das ist die grundlegende Gemeinsamkeit – damals wie heute kommen Menschen zu Menschen.