Protocol of the Session on September 30, 2015

ren an einem Tag, der nun einmal sehr wichtig war, um europäische Solidarität zu organisieren.

Die Bundeskanzlerin fährt zu einem Gipfel, um zu multilateralen Lösungen zu kommen. Die CSU kritisiert an einem solchen Tag öffentlich das deutsche Staatsoberhaupt. In diesem Zusammenhang habe ich schon von nationaler Unzuverlässigkeit gesprochen. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Jetzt geht es darum, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Dieses parteipolitische Geplänkel, das Sie Monat für Monat im Plenarsaal aufführen, wird keine Lösungen bringen. Jetzt gilt es, die Kanzlerin zu stützen, damit sie mit unseren europäischen Partnern zu entsprechenden Lösungen kommt.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen sich sicherlich nicht anmaßen, dass die Lösung zwischen Herrn Orbán und Herrn Seehofer ausgehandelt wird. Das geschieht an anderer Stelle. Das wissen wir alle.

(Beifall bei der SPD – Dr. Paul Wengert (SPD): Das ist auch gut so!)

Als nächsten Redner bitte ich Herrn Staatsminister Herrmann ans Rednerpult.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rinderspacher, ich will nur ein paar kurze Anmerkungen zu den Ausführungen, die Sie gerade vorgetragen haben, machen. Fakt ist, dass wir nach den aktuellen Zahlen – die Zahlen des heutigen Tages werden wir erst morgen bekommen – davon ausgehen müssen, dass im September 2015 zwischen 270.000 und 280.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Meine Damen und Herren, das sind in diesem einen Monat mehr Flüchtlinge als im ganzen Jahr 2014. Mir bestätigen die Innenministerkollegen ausnahmslos aus allen deutschen Ländern, egal ob sie der CDU oder der SPD angehören, dass in Kürze eine Unterbringung der Flüchtlinge in Unterkünften organisatorisch überhaupt nicht mehr verkraftbar ist.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das habe ich auch gesagt! Da sind wir uns einig!)

- Lieber Herr Rinderspacher, Sie rufen dazwischen, Sie hätten das auch gesagt. Einen Satz von Ihnen habe ich vorhin auch so ähnlich verstanden. Anschließend habe ich sehr genau zugehört, welche Konzepte Sie vorlegen, um dafür zu sorgen, dass sich dies in den nächsten Monaten nicht beliebig wiederholt. Hierzu habe ich von Ihnen überhaupt nichts gehört.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben sich über den Besuch von Premierminister Orbán geäußert. Ansonsten rufen Sie nach europäischer Solidarität. Hinsichtlich der europäischen Solidarität sind wir uns einig, aber das allein hilft offensichtlich noch nicht weiter. Mit den anderen europäischen Ländern muss offensichtlich nicht nur über die Solidarität geredet werden. Zu unserem Rechtsstaat gehört auch die Feststellung, dass die Ursache der Problematik bei der Bewältigung der derzeitigen Situation neben den Herkunftsländern darin liegt, dass sich schon seit einer geraumen Zeit – seit einem Jahr oder seit zwei Jahren – mehrere, wenn nicht die Hälfte aller europäischen Länder nicht mehr an geltendes europäisches Recht halten. Damit beschäftigt sich bei der SPD leider schon eine ganze Weile niemand. Das wird auch nicht angemahnt. Nur nach Solidarität zu rufen, hilft nicht weiter. Von mehreren europäischen Ländern wird weder die SchengenVerordnung noch die Dublin-Verordnung beachtet. Würden sich die anderen europäischen Länder alle an geltendes europäisches Recht halten, könnten gar nicht 200.000 Flüchtlinge mir nichts dir nichts vor den deutschen Grenzen stehen.

(Beifall bei der CSU)

Vorher müssten sie registriert und ihre Anträge bearbeitet werden. Das ist die Realität.

Hinsichtlich der Personalausstattung des Bundesamtes gibt es in der Tat Versäumnisse. Diese haben wir vonseiten der Bayerischen Staatsregierung und der CSU wiederholt angemahnt – gar keine Frage. Entschuldigung, aber wo ist der Beitrag der SPD auf Bundesebene? - Ich frage mich schon, wo etwas vorangeht. Wenn Sie über die Verfahren in Bayern reden, müssen Sie irgendetwas völlig durcheinandergebracht haben. Die bayerischen Behörden sind für die EASYRegistrierung zuständig. Nach dem, was mir gesagt worden ist – das befindet sich der Zuständigkeit des Sozialministeriums -, liegen wir in den bayerischen Erstaufnahmeeinrichtungen und anderen Einrichtungen maximal 24, 36 oder 48 Stunden in der Registrierung zurück. Ich rede nicht darüber, wie viele Monate offensichtlich einige andere Bundesländer hinsichtlich der Registrierung zurückliegen. Nach eigenen Angaben haben diese Tausende von Leuten noch nicht mit der EASY-Registrierung erfasst. Die Länder müssen selber wissen, wie sie das organisieren.

Lieber Herr Kollege Rinderspacher, ich möchte nur ein Beispiel aufgreifen. Das waren SPD-regierte Bundesländer, allen voran das zahlenmäßig größte aller Bundesländer, die wochen- und monatelang gegen unser Petitum aus Bayern verhindert haben, dass die

EASY-Registrierung rund um die Uhr möglich ist. Selbst ein großes Land wie Nordrhein-Westfalen hat gesagt, dass eine EASY-Registrierung, die 23 Stunden am Tag läuft, nicht zumutbar sei. Sie sprechen die Beschleunigung von Verfahren an. Die ordentliche Registrierung ist wochen- und monatelang teilweise auch in unserem Land behindert worden, weil andere Länder nicht zu Potte kamen, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit. So sieht leider der konkrete rot-grüne Beitrag dazu aus.

(Beifall bei der CSU)

Deswegen sage ich Ihnen: Bei uns läuft die EASY-Registrierung. Zurzeit dauert es im Durchschnitt immer noch zwei Monate, bis die Mitarbeiter des BAMF so gnädig sind, einen Asylantrag entgegenzunehmen. Wir bedauern das. Lieber Herr Rinderspacher, das ist jedoch nicht Sache der bayerischen Verwaltung. Das ist allein die Sache des Bundes.

(Markus Rinderspacher (SPD): Die Asylgerichte sind Sache des Freistaats Bayern!)

- Jetzt kommen wir zu den Asylgerichten, zu den Verwaltungsgerichten. Das ist richtig. Herr Kollege Aiwanger hat gemeint, auch etwas beitragen zu können.

(Lachen bei der CSU)

Sie haben zu Recht angeführt, dass die durchschnittliche Dauer der einstweiligen Rechtsschutzverfahren bei 0,7 Monaten – zwischen zwei und drei Wochen – liegt. Das ist die Realität. Sie haben sich am Beispiel der Schweiz darüber lustig gemacht. Nach geltendem deutschen Recht hat jemand, nachdem er den Ablehnungsbescheid vom BAMF bekommen hat, eine Rechtsmittelfrist von einer Woche, um einen Widerspruchsantrag auf einstweiligen Rechtsschutz einzulegen, eine Woche! Das ist die erste Woche. Sie legen immer großen Wert darauf, dass der individuelle Rechtsschutz bei allen Asylbewerbern garantiert ist. An dieser ersten Woche sind nicht die bayerischen Behörden schuld. Im Moment ist es bei diesen Asylverfahren die Regel, dass die bayerischen Verwaltungsgerichte innerhalb von zwei Wochen entscheiden. In den Fällen der sicheren Herkunftsländer bestätigen sie nahezu ausschließlich die ablehnende Entscheidung des BAMF. Konkret handelt es sich um 99 % der Fälle. Das bedeutet, die Verfahren, von denen Herr Kollege Aiwanger vorhin gesprochen hat, sind innerhalb von zwei Wochen abgeschlossen. Herr Kollege Aiwanger hat wohl gerade etwas Besseres zu tun. Das ist okay.

Unmittelbar danach erfolgt dann die Vorbereitung der Abschiebung, für die wiederum die bayerischen Behörden zuständig sind. Nach unserer Praxis hat jeder

abgelehnte Asylbewerber drei bis vier Tage, um freiwillig auszureisen. Ich halte es für richtig, zunächst jedem die Chance zu geben, freiwillig auszureisen. Erst wenn der abgelehnte Asylbewerber dies nicht tut, erfolgt die Abschiebung, bei dem diese Person durch die Polizei zum Flughafen gebracht und in ein Flugzeug gesetzt wird.

An diesem Verfahrensablauf, den das Land Bayern in der Hand hat, ist überhaupt nichts auszusetzen. Unstrittig ist, dass unsere Verwaltungsgerichte zusätzliches Personal bekommen werden. Wir werden Ihnen die Vorschläge im Rahmen des Nachtragshaushaltes vorlegen. Aus meiner Sicht ist es angesichts der großen Zahlen notwendig, dass wir dazu kommen, noch schneller und noch konsequenter vorzugehen. Wir werden deshalb mit dem Bund intensiv darüber reden, dass von den Möglichkeiten, die nach dem europäischen Recht heute schon bestehen, noch intensiver Gebrauch gemacht wird. An den Flughäfen läuft das Verfahren bereits sehr schnell und vernünftig ab. Jetzt müssen wir von den Möglichkeiten Gebrauch machen, die in den Richtlinien der EU angelegt sind. An unseren Grenzen müssen Schnellverfahren stattfinden, damit in Zukunft diejenigen, die aus sicheren Herkunftsländern kommen, unmittelbar zurückgeführt werden können. Wir werden an diesen konkreten Vorschlägen arbeiten, und ich hoffe, dass wir diese Vorschläge in Kürze vorlegen können.

Die Beschlüsse der europäischen Ebene, Hotspots in Griechenland und Italien einzuführen, sind wichtig. Entscheidend ist aber, dass wir den Zuwanderungsdruck an den deutschen Grenzen reduzieren. Das muss konsequent erfolgen. Lieber Herr Kollege Rinderspacher, wir dürfen uns nicht darauf beschränken, nur nach europäischer Solidarität zu rufen. Die ist in der Tat wichtig; sie reicht aber allein nicht aus.

Herr Kollege Rinderspacher, Sie haben die guten Beziehungen zu Tschechien angesprochen. Ich habe gestern Abend den tschechischen Verkehrsminister getroffen. Wir haben uns bei diesem Gespräch über Schienen und Straßen unterhalten, aber auch über dieses Thema. Herr Kollege Rinderspacher, Sie sehen einen großen Unterschied zwischen der Haltung der tschechischen Regierung und der Haltung des Premierministers Orbán aus Ungarn. Bei unserer Unterhaltung über die gesamtpolitische Lage konnte ich feststellen, dass die sozialdemokratisch geführte Regierung Tschechiens offensichtlich Veranlassung sieht, heute eine große Grenzschutzübung der Polizei und der tschechischen Armee an der österreichischen Grenze durchzuführen.

(Hans Herold (CSU): Hört, hört!)

Die tschechische Regierung will gewappnet sein für den Fall, dass eine große Flüchtlingswelle Richtung Tschechien loszieht, um sich dieser Welle mit einem kraftvollen Einsatz von Polizei und tschechischer Armee an der österreichischen Grenze erwehren zu können. Herr Kollege Rinderspacher, das ist die sozialdemokratische Politik im Nachbarland Tschechien. Ich glaube, Sie haben in der Tat noch viel zu tun.

(Beifall bei der CSU – Dr. Paul Wengert (SPD): Sie können uns doch nicht für die tschechische Regierung in Sippenhaft nehmen! Wo kommen wir denn da hin?)

Herr Minister, bitte bleiben Sie am Rednerpult. Mir liegt noch der Wunsch nach einer Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Kamm vor.

Herr Minister, ich finde es sehr interessant, dass Sie sich offenbar ganz klar dafür aussprechen, kein Militär gegen Flüchtlinge einzusetzen.

Nein, das habe ich überhaupt nicht gesagt!

Keine Turbulenzen. Lassen Sie Frau Kollegin Kamm erst einmal ausreden.

Ich habe Herrn Kollegen Rinderspacher vorgehalten -

Einer nach dem anderen. Frau Kamm, Sie haben das Wort.

Mich würde interessieren, wie Sie dazu stehen. Ich finde diese Vorstellung fürchterlich. Wir haben etwas gemeinsam: Wir wollen schnelle Verfahren. Sie haben vorhin beklagt, dass das BAMF offenbar zwei Monate braucht, bis es einen Asylantrag entgegennimmt. Das darf nicht sein. Ich kann Ihnen sagen, dass es in manchen Fällen vier oder fünf Monate dauert.

Nun zu dem, was wir als Bayern tun könnten: Ungefähr ein Drittel der Flüchtlinge im Erstaufnahmesystem befindet sich in irgendwelchen Notfall- oder Krisenunterkünften, wo nie ein Mitarbeiter des BAMF vorbeischaut. Sie warten dort ewig, bis ihr Verfahren überhaupt eingeleitet wird. Hier gäbe es eine Möglichkeit: Schaffen Sie weniger Notfallplätze, schaffen Sie ordentliche Erstaufnahmeeinrichtungen, beispielsweise in den Städten Bayreuth und Augsburg. Diese Städte wollten schon vor über einem Jahr eine ordent

liche Erstaufnahmeeinrichtung. Sie haben diese Anstrengungen der Kommunen letztlich ausgebremst.

(Hans Herold (CSU): Unglaublich!)

Frau Kollegin Kamm, nur zwei Anmerkungen: Erstens. Den Hinweis auf Tschechien habe ich nur gemacht, weil Herr Kollege Rinderspacher erneut glaubte, die Politik von Premierminister Orbán angreifen zu müssen. Ich identifiziere mich nicht mit allem, was in Ungarn geschieht. Das Problem besteht darin, dass sich Brüssel intensiv damit beschäftigt, was in Ungarn passiert, dass aber andere Länder wie Italien und Griechenland seit zwei bis drei Jahren ständig gegen europäisches Recht verstoßen. Damit hat sich die Kommission in Brüssel überhaupt noch nie beschäftigt. Sie hat das nie angemahnt und nie beanstandet.

(Beifall bei der CSU)

Das ist kein vernünftiges Vorgehen.

Zweitens. Ich habe dann darauf hingewiesen, was die Alternative zur Politik in Ungarn ist. Als sozialdemokratische Alternative zur Politik von Herrn Orbán habe ich gesagt, was in Tschechien getan wird. Darauf wollte ich hinweisen. Frau Kollegin Kamm, wir haben nicht vor, die Bundeswehr an den Grenzen einzusetzen. Da brauchen Sie keine Sorge haben.

Ich kann nur sagen, wir haben eine ganze Reihe von neuen Erstaufnahmeeinrichtungen geschaffen. Das wird Ihnen die Sozialministerin anschließend gerne noch einmal näher darlegen. Liebe Frau Kollegin Kamm, ich kann mich noch gut daran erinnern, wer sich hier immer für dezentrale Unterkünfte eingesetzt hat. Wir haben inzwischen eine zahlenmäßige Entwicklung, bei der wir überhaupt nicht mehr umhin können, Einrichtungen für 2.000, 3.000 oder 4.000 Leute zu schaffen. Wer war denn da immer dagegen? – Das waren in erster Linie Sie. Solche Einrichtungen sind inzwischen zur Effizienzverbesserung erforderlich. Wir schaffen jetzt stärkere Erstaufnahmeeinrichtungen und haben Balkanzentren eingerichtet. Wir wollen unsererseits alles dafür tun, um die Verfahren zu beschleunigen.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

- Frau Kollegin Kamm, Sie haben doch vorhin gesagt, dass immer zuerst der eine reden sollte, bevor der andere redet. Ich höre Ihnen aber gerne zu.

Nein, Frau Kollegin Kamm hat jetzt nicht das Wort. Herr Staatsminis

ter, Ihre Redezeit ist um, es sei denn, dass Sie auf Ihrem normalen Kontingent weitersprechen wollen.

Ich bin soweit fertig. Frau Kollegin Kamm wollte aber offensichtlich noch etwas sagen.

Nein, Frau Kamm darf jetzt nicht noch einmal sprechen.