Herr Dr. Huber, Sie haben angekündigt, den Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER abzulehnen. Hier schießen Sie ein Eigentor, und das werde ich jetzt belegen. Haben Sie die gestrige Pressemitteilung des Integrationsbeauftragten Martin Neumeyer gelesen? Die müssten Sie eigentlich um 16.42 Uhr auch bekommen haben. Hier steht es, Pressemitteilung: "Besser spät als nie." – Wir FREIEN WÄHLER haben in unserem Antrag die Punkte, die der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung fordert, wortwörtlich aufgenommen. Wir haben diese Forderungen in unserem Antrag gebracht. Bitte sagen Sie, warum Sie diese Forderungen Ihres Integrationsbeauftragten, der sogar in der Staatskanzlei einen Platz haben soll, ablehnen? – Sie brüskieren hier Martin Neumeyer doch im extremen Maße. Das möchte ich bei dieser Gelegenheit schon einmal sagen.
Sagen Sie doch bitte, welche Punkte der FREIEN WÄHLER, die Wort für Wort den Forderungen von Martin Neumeyer entsprechen, von Ihnen abgelehnt werden. Im letzten Punkt fordern wir eine gemeinsame europäische Entwicklungspolitik. Diesen Passus haben wir wortwörtlich von der CSU übernommen. Diesen Punkt haben Sie gestern im Europaausschuss verabschiedet. Sie haben diesem Punkt zugestimmt. Sie brüskieren also den eigenen Integrationsbeauftragten auf massive Weise. Nehmen Sie dazu Stellung!
Herr Dr. Fahn, wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, dann haben Sie gerade zugegeben, dass die FREIEN WÄHLER ihre Anträge nicht selber schreiben, sondern bei uns kopieren.
Habe ich Sie da richtig verstanden? – Sie nehmen unsere Pressemitteilungen, kopieren die Passagen, die Ihnen gefallen, und machen daraus eigene Anträge?
(Heiterkeit bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das ist in diesem Fall richtig! – Zurufe von den FREIEN WÄHLERN)
(Zuruf des Abgeordneten Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER) – Dr. Paul Wengert (SPD): Herr Kollege Dr. Huber, das ist ein ziemlich billiges Ablenkungsmanöver von Ihnen! – Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)
Herr Kollege Wengert, ich glaube, Sie haben doch gehört, dass Herr Dr. Fahn gesagt hat, er hat unsere Pressemeldung kopiert und daraus einen eigenen Antrag gemacht.
(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Weil es so gut war, was Sie gebracht haben! – Weitere Zurufe von den FREIEN WÄHLERN)
Herr Dr. Fahn, in Ihrem Antrag ist auch die Forderung nach einem Einwanderungsgesetz verklausuliert enthalten. Wir werden Ihren Antrag deshalb ablehnen, weil wir der festen Überzeugung sind, dass ein Einwanderungsgesetz am Ende des Tages mehr Zuwanderung bedeutet, nicht weniger, und die Zuwanderung wird auch nicht besser geregelt. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Einen Dissens zwischen uns und unseren Leuten zu konstruieren - das probieren Sie immer wieder. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei, aber das werden Sie nicht schaffen.
(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Es wird keinen Dissens geben, wenn man nicht weiß, was jemand gesagt hat!)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eingangs will ich auf die Zwischenbemerkung von Herrn Kollegen Steiner eingehen. Das ist mir wichtig, und ich glaube, das ist auch notwendig. Lieber Herr Steiner, Sie haben gefragt, wie viele Leute denn vor der Türe stehen, wie viele warten, um einreisen zu können. Ich sagen Ihnen, Herr Steiner, es ist egal, wie viele Leute irgendwo warten, um einreisen zu können. Auf dem Mittelmeer dürfen keine Menschen sterben! Das ist überhaupt keine Frage!
Herr Steiner, Sie haben das Megaproblem Asylpolitik angesprochen, wofür es in der Tat keine einfachen Antworten gibt. Aber auch hier sage ich: Egal, wie groß das Megaproblem Asylpolitik ist, auf dem Mittelmeer dürfen keine Menschen sterben.
Sie haben – und das finde ich dann doch besonders bemerkenswert – die GRÜNEN attackiert, weil sie Vorschläge gemacht haben, wie man ein Megaproblem lösen könnte. Nun kann man sagen "Die Vorschläge finden nicht unsere Zustimmung" oder "Wir haben eine differenzierte Meinung". Hier aber den Versuch, Vorschläge zu machen, die durchaus auch bundesweit diskutiert werden, als "wirres Zeug" zu bezeichnen, finde ich beschämend für dieses Haus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies zeigt, was Sie wollen. Ich bin davon überzeugt – das zeigt Ihre ganze Politik der letzten Monate –, dass Sie immer noch nicht verstanden haben, dass es hier um eine humanitäre Katastrophe geht, die mit Grenzschutzkontrollen nicht zu beheben ist. Das haben Sie immer noch nicht verstanden, und genau darauf will ich jetzt auch hinaus.
Herr Dr. Huber, vielleicht auch zu Ihnen noch zwei Sätze: Ja, es wird mittlerweile sogar von der CSU ein Einwanderungsgesetz verlangt und gefordert. Das ist kein Geheimnis. Das sollten Sie vielleicht einmal
nachlesen. Ich glaube auch, dass ein Einwanderungsgesetz, das vernünftig gestaltet wird – wir kennen doch die Inhalte noch gar nicht –, jedenfalls besser ist als Grenzabschottungspolitik mit der Folge, dass Illegale sozusagen aufs Mittelmeer gezwungen werden und da jämmerlich ihr Leben verlieren. Da ist jedes Einwanderungsgesetz besser, das Sie so gerne ablehnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Am Dienstag hat die Internationale Organisation für Migration festgestellt: Seit Jahresbeginn sind 30-mal mehr Flüchtlinge ertrunken als im gleichen Zeitraum vorher. Seit dem Unglück im Oktober 2013 vor Lampedusa gibt es Appelle verschiedenster Organisationen, angefangen beim Heiligen Stuhl,
das ist so –, über NGOs und Menschenrechtsorganisationen, dem UNHCR, der WHO bis zu vielen anderen. Sie haben damals verlangt: Jetzt muss Schluss sein mit dem Sterben auf dem Mittelmeer! Alle haben gesagt "Ja, so ist es" und Beifall geklatscht. Was war die Folge? – All diese Appelle hatten keinen Erfolg. Ich sage Ihnen: Die Abschottungsgrenzpolitik, die hier betrieben wird, ist krachend gescheitert.
Diese dramatische Situation bringt Journalisten und Redaktionen dazu, entsprechende Kommentare abzugeben. Das ist doch der Grund, warum die "Süddeutsche Zeitung" in einem Leitkommentar schreibt: Die EU tötet. – Das ist nicht meine Diktion, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber es kommt nicht von ungefähr; es kommt daher, dass seit Jahren Appelle einfach gegen die Wand gesprochen sind. Aus diesem Grund führt die Verzweiflung zu solchen Kommentierungen.
Das Gegenteil ist der Fall, liebe Kolleginnen und Kollegen. Seit den Appellen von 2013, als 400 Menschen vor Lampedusa ertrunken sind, ist Folgendes passiert: "Mare Nostrum" wurde abgeschafft, reiche Mitgliedsländer der EU – ich nenne ausdrücklich zum Beispiel Großbritannien – nehmen sage und schreibe 200 Kriegsflüchtlinge aus Syrien auf, es gibt Länder in der EU, die nehmen null auf.
(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Bernhard Roos (SPD))
Aber warum ist das so? – Es ist deswegen so, weil man sich streitet; man streitet sich um die besten Lösungen. Der eine macht diesen Vorschlag, der andere jenen, und es gibt Gegenargumente. Man streitet immer um das gleiche Thema und findet keine Lösung,
um ein Megaproblem Europas zu lösen. Ich sage Ihnen: Ein Grund dafür, dass man keine Lösungen findet, ist, dass man mit Zähnen und Klauen nicht die humanitäre Frage, sondern die Abschottung in den Mittelpunkt aller politischen Bemühungen stellt. Das ist der Grund, warum man keine Lösungen findet. Wir müssen jetzt alle erkennen, dass diese Politik gescheitert ist, dass eine humanitäre Politik in den Mittelpunkt gestellt werden muss und nicht eine Grenzabschottungspolitik.
Man muss doch wirklich sagen: Leider war wieder eine Katastrophe wie vor Kurzem notwendig, um dieses Thema erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Ich frage jetzt gerne auch etwas pointiert: Wie viele Katastrophen brauchen wir denn noch, um Lösungen zu finden? – Ich sage Ihnen ganz klar: Jede Lösung oder jeder Lösungsvorschlag, sei er auch noch so schwierig, sei er auch noch so differenziert zu betrachten und sei er auch noch so unzulänglich, auch wenn wir heute nicht bis ins letzte Formblatt die Konsequenzen wissen können, ist besser, als 1.000 Tote auf dem Mittelmeer. Das sollte uns doch hier in diesem Haus vereinen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Streiterei muss Schluss sein. Wir brauchen endlich Konzepte. Wenn es nicht anders geht, dann müssen wir auch für mehr legalen Zugang nach Europa sorgen. Da gibt es doch überhaupt keinen Zweifel; denn was ist die Alternative? Was ist die Alternative, um Himmels willen? – Die Alternative ist doch: Es werden weiter Menschen im Mittelmeer ertrinken.
Ich sage Ihnen eines: Europa ist nicht nur ein politischer Raum; Europa ist nicht nur ein Handelsclub oder ein Wirtschaftsverein – und das betonen Sie doch immer ganz gerne –; Europa ist auch eine Wertegemeinschaft. Welcher Wert in einer Wertegemeinschaft ist denn wichtiger als humanitäre Hilfe für vom
Tod bedrohte Menschen, die auf dem Mittelmeer herumfahren? Welcher Wert ist wichtiger? – Ich meine: keiner. Wenn Europa – da zitiere ich den Papst der Katholischen Kirche – seine Seele nicht verlieren will in der Diskussion um diese Wertegemeinschaft, dann muss die Frage der humanitären Hilfe abgekoppelt werden von der Lösung eines zugegebenermaßen riesigen Problems in Europa. Humanitäre Hilfe ist isoliert zu betrachten, und es braucht isolierte Lösungen, unabhängig von allen anderen Fragen. Das Ziel, Menschen zu retten, ist nicht verhandelbar. Das ist in einer Wertegemeinschaft nicht verhandelbar.
Auch unser Antrag, den wir hier heute stellen, ist kein Patentrezept, keine Frage, keine schnelle Lösung, und wir wissen, dass auch Vorschläge in unserem Antrag erst lang diskutiert werden müssen. Aber wir müssen doch endlich einen Anfang machen. Solange reflexartig jeder Vorschlag abgelehnt wird, der auch nur den Anschein hat, man würde drei Flüchtlinge aus Kriegsgebieten mehr in Europa haben, kommen wir nicht weiter, liebe Kolleginnen und Kollegen.