Protocol of the Session on April 22, 2015

Die Länder und der Bund sind an diesem hochkomplexen Thema dran. Ich bin mir sicher, dass man zu vernünftigen Vorschlägen kommen wird. Aber wir dürfen auch bei diesem Problem nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Herr von Brunn, Sie sollten das Thema auch nicht dazu nutzen, um in der Öffentlichkeit Stimmung zu machen. Es geht nicht in erster Linie um Apple und Google, sondern es geht um die mittelständischen Unternehmen auch in Bayern. Deren Interessen müssen für uns neben dem Verbraucherschutz auch eine Rolle spielen.

(Florian von Brunn (SPD): Die erhalten ihre Vergütung für die Apps von den Großen!)

Vielen Dank. – Es hat sich noch eine zweite Zwischenbemerkung ergeben. Frau Kollegin Kamm. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Minister, das Leben ist kompliziert; auch diese Regelungen sind kompliziert. Deswegen hat es mich sehr gestört, dass Sie in Ihren Ausführungen praktisch alles in einen Topf geworfen haben. Sie haben sinngemäß gesagt, digitale Inhalte, die man herunterlädt, könne man theoretisch auch kopieren und weitervertreiben. In der Regel, Herr Minister, gilt das insbesondere für bezahlte Inhalte nicht. Da gibt es meistens auch Kopierschutz. Deswegen denke ich, dass man da durchaus auch differenzierter argumentieren muss – gerade in Ihrer Position.

Sehr verehrte Kollegin, es gilt der Satz: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Der Antrag ist ganz pauschal auf die Einführung eines

allumfassenden, vollwertigen Widerrufrechts für alle digitalen Inhalte gerichtet. Ich habe nur eine begrenzte Redezeit. Ich habe, ehrlich gesagt, für die differenzierte Lebenswirklichkeit im Moment noch keine konkrete, alle Probleme lösende rechtspolitische Vorstellung. Ich bin auf diesem Gebiet sehr intensiv in Gesprächen mit Wissenschaftlern und mit Praktikern. Das ist eines der schwierigsten rechtspolitischen Aufgabenfelder, die wir vor uns haben. Ich kann Sie alle nur einladen, dass wir da sehr ernsthaft die einzelnen Probleme lösen.

Nur eines weiß ich ganz genau: So pauschal, wie es der Kollege von Brunn hier vorschlägt, werden wir keine Lösung finden. Jeder seriöse Rechtspolitiker kann eigentlich diesem pauschalen Antrag nicht zustimmen. – Ich bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Staatsminister. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Uns fehlen noch zwei Minuten, bis die namentliche Abstimmung möglich ist.

Darum darf ich Tagesordnungspunkt 8 aufrufen:

Antrag der Abgeordneten Bernhard Roos, Annette Karl, Natascha Kohnen u. a. (SPD) Bahnverkehr wetterfest machen (Drs. 17/4865)

Die Fraktionen sind übereingekommen, auf eine Aussprache zu verzichten. Wir kommen gleich zur Abstimmung. Frau Kollegin Heckner, die Aufregung war umsonst.

(Zuruf der Abgeordneten Ingrid Heckner (CSU))

Der federführende Ausschuss für Wirtschaft und Medien, Infrastruktur, Bau und Verkehr, Energie und Technologie empfiehlt Zustimmung in einer Neufassung. Ich verweise insofern auf die Drucksache 17/6068. Wer dem Antrag in dieser neuen Fassung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Gibt es einzelne Gegenstimmen oder Enthaltungen? – Jeweils keine. Dem Antrag ist damit in der Neufassung zugestimmt worden.

Ich gebe jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Florian Ritter, Franz Schindler und anderer und Fraktion (SPD), Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Katharina Schulze und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) betreffend "Einsetzung einer Kommission zur parlamentarischen Begleitung

der Konsequenzen aus der NSU-Mordserie", Drucksache 17/2295, bekannt. Mit Ja haben 60 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 86 Abgeordnete gestimmt. Keine Stimmenthaltung. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 5)

Wir kommen jetzt zur namentlichen Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 7. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wir beginnen jetzt mit der namentlichen Abstimmung. Wenn Sie einverstanden sind, vereinbaren wir drei Minuten. – Gut.

(Namentliche Abstimmung von 18.53 bis 18.56 Uhr)

Die drei Minuten sind abgelaufen. Ich schließe die Abstimmung und bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Antrag der Abgeordneten Harry Scheuenstuhl, Klaus Adelt, Florian von Brunn u. a. (SPD) Maßnahmen für Wiesenbrüter (Drs. 17/5140)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Kollege Woerlein. Bitte sehr, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerin, werte Kolleginnen und Kollegen! Die meisten von uns erinnern sich gerne an Ausflüge und Radtouren durch die Wiesen und Wälder der Heimat. Es ist noch nicht lange her, da gehörte es wie selbstverständlich dazu, dass diese Ausflüge begleitet waren von mannigfaltigem Vogelgezwitscher, hie und da ein Braunkehlchen, ein Wiesenpieper, über den Feldern die Lerche. Heute ist es schon fast eine Sensation, diese Vögel in freier Natur zu erleben. Das Artensterben hat sich in den letzten drei Jahrzehnten dramatisch zugespitzt

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

und ist im Jahr 2015 so akut, dass wir unverzüglich handeln müssen. Der enorme Rückgang der heimischen Wiesenbrüter in Bayern und übrigens in ganz Deutschland darf aber nicht nur Betroffenheit auslösen, sondern er erfordert auch ganz konkretes Handeln.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Nochmals zur prekären Situation: Von den klassischen Wiesenbrütern gelten der Große Brachvogel und die Uferschnepfe als vom Aussterben bedroht. Das Braunkehlchen und der Kiebitz sind stark gefährdet.

(Unruhe)

Entschuldigung, Herr Kollege. – Meine Damen und Herren, jetzt habe ich dreimal nicht leise geklingelt. Jetzt bitte ich doch wirklich, hier wieder ein bisschen Disziplin einkehren zu lassen. Danke schön.

(Allgemeiner Beifall)

Die landesweite Wiesenbrüterkartierung des Landesamts für Umwelt hält zusammenfassend fest: Es gibt eine Verschärfung der Situation. Die Bestände bleiben auf niedrigem Niveau oder nehmen weiter kontinuierlich ab.

Nehmen wir ein Beispiel heraus: Die Population der Uferschnepfe hat sich gegenüber 1980 um über 70 % verringert und allein seit 2006 um weitere 30 %. In ganz Bayern gibt es momentan noch etwas mehr als 20 von ursprünglich 800 Brutpaaren. Der Grund für diese erschreckende Entwicklung: Die Wiesenbrüter beanspruchen einen Lebensraum für sich, der im Jahr 2015 mehr denn je vom Menschen als Anbaufläche und Erholungsgebiet genutzt wird. Dabei benötigen die Vögel das Biotop Wiese für das Empfindlichste überhaupt, nämlich für ihre Gelege und für die Aufzucht ihrer Jungen. Deswegen gilt es, ab sofort die Uhren zurückzudrehen und diesen Lebensraum wieder zu einer attraktiven Heimat für die Wiesenbrüter zu machen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER)

Es liegt in der Verantwortung der Staatsregierung, durch intensive Betreuung aller Beteiligten und besonderen Schutz der Flächen diesen Vögeln hier ihren Lebensraum zurückzugeben.

Die Intensivierung der Landwirtschaft, der Grünlandumbruch und die Zerschneidung zusammenhängender Flächen durch Baumaßnahmen sind nur einige Faktoren, die den Lebensraum Wiese in den letzten Jahren immer weiter verändert und verdrängt haben. So hat beispielsweise in Bayern der Grünlandanteil in den letzten 45 Jahren um ein Drittel abgenommen. Hinzu kommen noch Störungen durch Erholung suchende Menschen und die natürlichen Fressfeinde.

Vor diesem Hintergrund fordern wir die Staatsregierung auf, die seit geraumer Zeit versprochene Agenda

zum Schutz der Wiesenbrüter endlich zu veröffentlichen. Einen entsprechenden Antrag gibt es dazu von unserer Fraktion ja bereits. Die geforderte Agenda soll konform mit den Vorgaben des Biodiversitätsprogramms Bayern 2030 sein, feste, zu schützende Wiesenbrütergebiete auszeichnen und konkrete Maßnahmen inklusive Kontrollmechanismen zur Verbesserung der Situation benennen.

Als wichtigste Maßnahmen zum Schutz der bedrohten Wiesenbrüter wären dabei zu nennen: eine zeitliche, von den Brutzeiten abhängige Einschränkung der Mahd und von verändernden Baumaßnahmen, eine Minimierung des Pestizideinsatzes sowie der Düngung und eine Besucherlenkung und Beschilderung für Erholungsuchende.

Die ohnehin schon existierenden Maßnahmen wie die im Rahmen des KULAP sollen in Einklang mit der Wiesenbrüter-Agenda gebracht werden, um bereits bestehende Potenziale und Strukturen zu nutzen. Unser oberstes Ziel muss dabei eine Wiederherstellung des Habitats der Wiesenbrüter sein, sodass sich die Bestände langfristig gesehen auch ohne Artenhilfsprogramme regenerieren und erhalten können. Hierfür müssen feste Schwellenwerte und Maßnahmen in der Agenda festgehalten werden, zu der sich die Staatsregierung ohne Wenn und Aber bekennen muss. Im Sinne der Vögel soll es dabei aber nicht nur bei den bisherigen Lippenbekenntnissen bleiben, wenn uns die Zukunft unserer Vögel wirklich am Herzen liegt.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Woerlein. – Für die CSU-Fraktion hat nun Herr Kollege Beißwenger das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag wird die Staatsregierung aufgefordert, die kurz vor der Fertigstellung stehende Wiesenbrüter-Agenda zügig abzuschließen und darüber dem Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz zu berichten. Das Bayerische Landesamt für Umwelt ist aktuell mit der Endredaktion der Studie "30 Jahre Wiesenbrüterschutz in Bayern – Situation, Analyse, Bewertung, Perspektiven" beschäftigt. Diese umfassende Analyse zum Schutz der Wiesenbrüter in Bayern soll zeitnah in der Schriftenreihe "UmweltSpezial" des Landesamts für Umwelt veröffentlicht werden.

(Zuruf von der SPD: Was heißt zeitnah?)

Herr Kollege, Geduld. Es waren umfangreiche Abstimmungsgespräche mit Experten aus ganz Bayern erforderlich, und zwar sowohl auf Behördenebene als

auch auf Ebene des Verbandsnaturschutzes, um die umfangreichen Erfahrungen aus bisherigen Schutzprojekten in diese Analyse einfließen zu lassen. Darüber hinaus sollten auch die Maßnahmen der aktuellen Förderperiode des Vertragsnaturschutzprogramms und des Kulturlandschaftsprogramms Berücksichtigung finden. Wie ich höre, wird es auch sehr gut im Ministerium für Landwirtschaft angenommen. Es wurde einfach sehr gründlich gearbeitet, und hier geht Gründlichkeit vor Geschwindigkeit. Die Studie soll schließlich Grundlage für den Schutz der Wiesenbrüter in den kommenden Jahrzehnten sein.

Wie sieht aber die aktuelle Situation der Wiesenbrüter in Bayern jetzt aus? - Nach wie vor – da gebe ich Ihnen recht – leider ungünstig, was den Bestand betrifft. Dies bestätigt auch die aktuell veröffentlichte bayernweite Kartierung. An dieser Stelle einen herzlichen Dank an alle, die dabei mitgeholfen haben.

Verschiedene wiesenbrütende Vogelarten wie zum Beispiel Grauammer, Kiebitz und viele mehr sind seit Jahren Gegenstand vielfältiger und umfassender Artenhilfsmaßnahmen. Dennoch nehmen die Bestände dieser Arten in Bayern, aber auch im übrigen Deutschland und in ganz Europa, kontinuierlich ab, was in erster Linie auf die tiefgreifenden Änderungen in ihrem Lebensraum zurückzuführen ist. Insbesondere extensiv genutzte, blütenreiche und feuchte Wiesen sind selten geworden.

Gefährdet sind die Wiesenbrüter auch durch drei Punkte: Erstens durch unser Freizeitverhalten. Besonders Spaziergänger mit freilaufenden Hunden sind hier ein Problem.