Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schadensbegrenzung bei Überschwemmungen (Drs. 17/4999)
Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Verbot von Ölheizungen in Überschwemmungsgebieten (Drs. 17/5000)
Bevor ich die Aussprache eröffne, darf ich bekannt geben, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Antrag "Verbot von Ölheizungen in Überschwemmungsgebieten" auf Drucksache 17/5000 namentliche Abstimmung beantragt hat. Ich eröffne jetzt die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 36 Minuten. Ich bitte den Kollegen Dr. Magerl zum Rednerpult.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Vor Ihnen liegt ein Bündel von insgesamt sechs Anträgen zum Thema Hochwasserschutz. Wir alle in diesem Hohen Hause sind uns nach dem katastrophalen Hochwasser von 2013 und den drei Vorläufer-Hochwässern seit 1999 nach wie
vor einig, dass im Hochwasserschutz auch im Hinblick auf den Klimawandel deutlich mehr Anstrengungen notwendig sind als in der Vergangenheit, um unser Land vor katastrophalen Folgen zumindest etwas zu schützen. Dass wir in diesem Bereich jemals einen hundertprozentigen Schutz hinbekommen, wage ich zu bezweifeln.
Ich beginne mit dem Antrag "Bericht Flutpolderprogramm", weil er der einfachste ist. Er ist im Umweltausschuss einstimmig so beschlossen worden, und ich gehe davon aus, dass das hier auch geschehen wird. Wir wollen einen Bericht zu den geplanten Flutpoldern entlang der Donau, aber auch im Mainsystem, damit wir uns im federführenden Ausschuss mit dieser wichtigen Thematik auseinandersetzen. Dabei geht es um sehr viel Geld, das auszugeben ist, aber auch um sehr viel Fläche, die benötigt wird, und um zum Teil sehr heftige Diskussionen, die vorab geführt werden. Ich verfolge das, Frau Staatsministerin, in der Presse. Auch aus den Reihen der CSU gibt es da durchaus kritische Stimmen, die sagen: Vielleicht ist es doch nicht der Weisheit letzter Schluss, dieses Flutpolderprogramm wie geplant durchzuziehen. Deshalb meine ich: Wir sollten uns einen umfassenden Bericht geben lassen, damit wir besser in der Öffentlichkeit diskutieren können.
Der zentrale Antrag dieses Bündels hat die Überschrift "Natürlicher Hochwasserrückhalt". Ich habe zum technischen Hochwasserschutz einmal angefragt, wie oft denn diese geplanten Polder bei den letzten Hochwässern, den sogenannten vier Jahrhunderthochwässern, überhaupt angesprungen wären: Nur insgesamt drei Polder, verteilt auf unterschiedliche Hochwässer, wären geflutet worden. Für Passau hätte das herzlich wenig gebracht. Nur ein einziges Mal hätte es vielleicht eine Entlastung bedeutet; ansonsten wären diese Polder nach Auskunft des Umweltministeriums nicht angesprungen. Ich sage nicht, dass wir keinen technischen Hochwasserschutz brauchen – ohne den geht es nicht; dazu bekenne ich mich klar und deutlich -, aber das zeigt: Wir brauchen eine wesentlich bessere Unterfütterung der Hochwasserkonzepte durch den natürlichen Hochwasserschutz.
In einer guten Anfrage des Kollegen von Brunn von der SPD geht es um das Verhältnis zwischen natürlichem und technischem Hochwasserschutz. Die Antwort ist klar: Zwischen 2010 und 2012, also in einem zentralen Zeitraum für die Hochwasserschutzplanung, sind 357 der 432 Millionen Euro für den technischen Hochwasserschutz und nur 61 Millionen Euro für den natürlichen Hochwasserrückhalt ausgegeben worden. Das ist ein Missverhältnis. Ich kritisiere in diesem Zusammenhang nicht die Höhe der Ausgaben für den
technischen Hochwasserschutz, aber die zu niedrigen Ausgaben für den natürlichen Hochwasserschutz. Ich fordere klar und deutlich eine Trendwende. Der natürliche Hochwasserschutz gehört zwingend zum Gesamtkonzept. Hier müssen wir weiterkommen. Wir brauchen die natürlichen Retentionsräume in großem Umfang. Da ist in der Vergangenheit zu wenig geschehen; hier müssen wir deutlich umsteuern.
Wir müssen in diesem Zusammenhang auch eine schonendere Bewirtschaftung im Bereich der Landund Forstwirtschaft erreichen, um die Speicherfähigkeit der Böden zu erhöhen. Wir müssen in diesem Zusammenhang die Funktion der Auen als natürliche Überschwemmungsgebiete wiederherstellen. Wir brauchen die Rückverlegung der Dämme, um mehr Fläche für das Hochwasser zu haben, wo es austreten kann. Nebenbei würden wir damit auch einen enormen Gewinn für den Naturschutz erzielen: Wir könnten das durchaus mit Kompensationsmaßnahmen kombinieren.
Ferner geht es in diesem Antrag darum, dass die Kommunen nicht in die Überschwemmungsgebiete hineinbauen und dass bei den Wasserwirtschaftsbehörden kein Personal abgebaut wird. Deshalb bitte ich die CSU inständig, diesen wichtigen Antrag mitzutragen; denn er geht in die richtige Richtung. Er würde uns beim Hochwasserschutz deutlich weiterbringen.
Lassen Sie mich angesichts meiner knappen Redezeit fortfahren und zum Verbot von Ölheizungen in Überschwemmungsgebieten kommen. Bei den Hochwässern 1999, 2002, 2005 und 2013 hat nicht das Wasser den Hauptschaden angerichtet, sondern die großen Schadenssummen im dreistelligen Millionenbereich wurden von dem ausgelaufenen Öl aus den Ölheizungen verursacht. In der Regel sind 50, 60, 70 % des Gesamtschadens darauf zurückzuführen.
Die Debatte im Ausschuss hat gezeigt, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Wir wollen, dass Ölheizungen in Überschwemmungsgebieten in Zukunft nicht mehr genehmigungsfähig sind und dass die alten Anlagen dort verschwinden. Gegebenenfalls legen wir hierzu ein Programm auf und bieten Unterstützung, damit diese Schäden in Zukunft nicht mehr passieren. Wenn wir am Anfang ein großzügiges Unterstützungsprogramm aufgelegt hätten, hätten wir uns enorme Summen gespart. Bei diesem Punkt bitten wir Sie zum Schwur, und deshalb haben wir namentliche Abstimmung beantragt.
Wir wollen mit unserem Antrag zur Schadensbegrenzung bei Überschwemmungen, dass im Bayerischen Wassergesetz ein konsequentes und restriktives Bebauungsverbot in Überschwemmungsgebieten verankert wird. Das hätten wir schon längst machen müssen. Auch damit wären Schäden zu vermeiden gewesen, und vor allem wären Leute davor geschützt worden, in Bereichen zu bauen, wo solche Schäden auftreten und es immer wieder die gleichen Probleme gibt.
Ich komme zu den beiden letzten Anträgen, die auch noch außerordentlich wichtig sind. Die funktionierenden Moore, gerade in den oberbayerischen Regionen, in denen in früheren Jahren Unmengen von Wasser zurückgehalten wurden, sind schon im 19. Jahrhundert sukzessive teilweise trockengelegt worden. Eine Reaktivierung der Moore wäre nicht nur aus Sicht des Hochwasserschutzes, sondern auch aus Sicht des Klimaschutzes eine hervorragende Angelegenheit. Wir könnten dem natürlichen Hochwasserschutz einen enormen Schub geben, wenn wir heute unseren Antrag beschließen würden und beim Schutz einen neuen Weg einschlagen würden.
Nach dem letzten Antrag, den wir noch haben, sollen Neudrainagen im Grünland und in Moorböden verboten werden. Das dient auch dem Hochwasserschutz, weil auf diese Weise Hochwasser aufgenommen werden kann.
Kolleginnen und Kollegen, wir haben sechs Anträge vorgelegt. Ich meine, jeder einzelne ist zielführend zu einem besseren Hochwasserschutz in Bayern. Ich bitte Sie um Zustimmung zu allen sechs Anträgen, die wir vorgelegt haben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle haben mit Sicherheit noch die Hochwasserkatastrophe aus dem Jahr 2013 und die dramatischen Bilder vor Augen – Menschen, die ihrer Existenzgrundlage beraubt wurden, die um ihre Angehörigen fürchten mussten und die auf eine beispielhafte Solidarität, Hilfsbereitschaft und Unterstützung der Menschen in diesem Land bauen konnten. Was damals insbesondere die Ehrenamtlichen von THW, Johanniter, Malteser, Rotem Kreuz, Wasserwacht, DLRG und Feuerwehren geleistet haben, war herausragend und beispielhaft für das Leben in Bayern.
Deswegen auch an dieser Stelle noch einmal ein ganz herzliches "Vergelt´s Gott!" an diejenigen, die damals im Einsatz waren. – Herr Kollege von Brunn, Ihr Applaus ist mit Sicherheit berechtigt.
Dieses Engagement macht aber auch deutlich: Hochwasserschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe, der wir uns alle verpflichtet fühlen. Der Klimawandel ist nicht zu leugnen, und die Naturkatastrophen nehmen zu. Damit werden auch die Fälle von Starkregen und Hochwasser in Zukunft noch häufiger.
Soweit es geht, müssen wir natürlich auch mit staatlichen Maßnahmen die entsprechenden Vorkehrungen treffen. Auch wenn wir niemals alle Auswirkungen verhindern können, sollten wir doch zumindest bestmöglich vorbereitet sein. Anders, als es die Anträge von den GRÜNEN suggerieren, muss man festhalten: Der Freistaat Bayern ist hier schon voll in der Umsetzung; doch der Reihe nach zu Ihren Anträgen.
Dem Berichtsantrag zum Flutpolderprogramm werden wir gerne zustimmen. Das Hochwasserschutz-Aktionsprogramm 2020plus der Bayerischen Staatsregierung stellt ein ganzheitliches Programm zum Hochwasserschutz in Bayern dar. In ihm sind die Maßnahmen des natürlichen Rückhalts, des technischen Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge ausführlich enthalten. Dieses Programm wird mit Hochdruck in allen Bereichen umgesetzt.
Wir sind regelrecht dankbar für den Berichtsantrag; denn der Bericht zum Flutpolderprogramm bietet die Möglichkeit, die umfangreichen Aktivitäten zur Verbesserung des Hochwasserschutzes insbesondere im Bereich der gesteuerten Flutpolder darzustellen. Gerade aber weil das Flutpolderprogramm, wie Sie wissen müssten, sämtliche Maßnahmen zum natürlichen Hochwasserschutz beinhaltet, ist dieser Antrag zu dem Thema des natürlichen Hochwasserrückhalts eigentlich überflüssig; denn eben dieser natürliche Hochwasserschutz ist im Aktionsprogramm Hochwasserschutz 2020plus des Freistaats Bayern im Handlungsfeld "natürlicher Rückhalt" ausdrücklich und ausführlich berücksichtigt. Deichrückverlegungen, Auenrenaturierungen, Wiederanbindungen und Gewässerrenaturierungen werden bereits jetzt umgesetzt.
Gleiches gilt für den Erhalt von Grünland und Moorböden. Selbstverständlich wird der Schutz von Grünland und Moorböden bereits betrieben. Jeder Umbruch muss vom Landratsamt im Einzelfall entschieden und genehmigt werden. Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob die Anlage von Drainagen in einer bestimmten Gebietskulisse zulässig ist oder nicht. Der Erlass eines
generellen Verbots scheitert an der entsprechenden Rechtsgrundlage. In Naturschutzgebieten ist nach § 23 Absatz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes aufgrund des absoluten Veränderungsverbots grundsätzlich jede Handlung bereits jetzt gesetzlich verboten, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebietes oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen kann.
In Natura-2000-Gebieten sind schon jetzt alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Erhaltungszieles führen können, grundsätzlich unzulässig. Bestehen für die betreffende Fläche keine besonderen Schutzvorschriften, kann eine Drainage zudem einen Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne von § 14 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes darstellen, wenn Natur und Landschaft erheblich beeinträchtigt werden. Ob dies tatsächlich der Fall ist, bedarf jeweils einer Prüfung des Einzelfalls. Ein generelles Verbot ist hier mit Sicherheit nicht sinnvoll.
Was den Umbruch von Grünland und Moorböden in Ackerland betrifft, ist Ihre Begründung schlichtweg nicht stichhaltig. Jeder Umbruch von Dauergrünland in Ackerland oder Dauerkulturen unterliegt auch schon jetzt einer strengen Überprüfung und muss genehmigt werden. Soweit die Betriebsinhaber EU-Direktzahlungen, Ausgleichszulagen für benachteiligte Gebiete oder Zahlungen aus dem Kulturlandschaftsprogramm beantragt haben oder erhalten haben, wird streng geprüft, ob die Umwandlung überhaupt möglich ist. Die Moorrenaturierung haben wir schon längst fest ins Auge gefasst.
Rechtliche Mittel und entsprechende Förderprogramme werden sukzessive eingeführt bzw. verbessert. Da geht es zum Beispiel um die Genehmigungspflicht, beim Grünlandumbruch um die Förderung von Moorschutzmaßnahmen im Rahmen von EFRE, den Ausbau des Vertragsnaturschutzes und das Moormodul im KULAP. Die mittel- bis langfristige fachliche Zielsetzung des Umweltministeriums im Moorschutz ergibt sich unter anderem aus den Texten und Karten "Ziele und Maßnahmen – Feuchtgebiete bzw. Wälder im Bayerischen Arten- und Biotopschutzprogramm". Dort sind flächendeckend für alle schutzwürdigen und entwicklungsfähigen Lebensraumtypen auf organischen Böden entsprechende Ziele formuliert.
Bayern hat auch hier bereits Maßnahmen ergriffen und Moore renaturiert. Seit 2008 wurden mit rund 9 Millionen Euro bereits zehn Moorgebiete saniert. In 30 weiteren Gebieten sind Maßnahmen geplant oder begonnen. Ziel ist, bis zum Jahr 2020 weitere 50 Moore zu renaturieren.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass durch die Renaturierung von Mooren in Bayern ein positiver Klimaeffekt von jährlich 25.000 Tonnen CO2 erreicht wird.
Was das Bebauungsverbot in Überschwemmungsgebieten angeht, verkennen Sie ein Stück weit das kommunale Selbstverwaltungsgebot. Darüber hinaus, meine Kolleginnen und Kollegen, ist eine Bebauung in hochwassergefährdeten Gebieten auch jetzt schon faktisch ausgeschlossen. Das Wasserhaushaltsgesetz enthält in § 78 einen Katalog von Maßnahmen, die in festgesetzten und vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten verboten sind. Ich zitiere:
1. die Ausweisung von neuen Baugebieten in Bauleitplänen oder sonstigen Satzungen nach dem Baugesetzbuch …,
2. die Errichtung oder Erweiterung baulicher Anlagen nach den §§ 30, 33, 34 und 35 des Baugesetzbuchs,
3. die Errichtung von Mauern, Wällen oder ähnlichen Anlagen quer zur Fließrichtung des Wassers bei Überschwemmungen
Die Liste könnte ich bis zum neunten Punkt fortführen. Es gibt zwar Ausnahmen; aber faktisch besteht ein Verbot der Bebauung in festgesetzten Überschwemmungsgebieten.
Ein generelles gesetzliches Verbot von Heizölverbrauchsanlagen in festgesetzten und vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten wäre aus fachlicher Sicht durchaus denkbar. Da es sich hierbei um eine stoff- bzw. anlagenbezogene und damit abweichungsfeste Regelung des Wasserhaushalts handelt, müsste allerdings eine bundeseinheitliche Regelung getroffen werden. Die Umweltministerkonferenz hat in ihrer jüngsten Sitzung das Bundesumweltministerium gebeten, die Vorschläge des Berichts der Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser zur Verbesserung der materiellen Regelungen zum Hochwasserschutz bei der weiteren Hochwassergesetzgebung zu prüfen. Inhalt dieser Regelungsvorschläge ist, auch ein gesetzliches Verbot von Heizölverbrauchsanlagen in vorläufig gesicherten und festgesetzten Überschwemmungsgebieten zu prüfen. Insofern sollte zunächst einmal abgewartet werden, welche Maßnahmen der Bund ohnehin ergreifen wird.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, der Freistaat Bayern ist – anders, als die Anträge es vermuten lassen – beim Hochwasserschutz gut gerüstet.
Wir können Naturkatastrophen nicht vorhersehen; wir können nur versuchen, uns bestmöglich darauf vorzubereiten.
Die Maxime in Bayern lautet: Handeln! Seit dem Jahr 2001 wurden in Bayern 1,4 Milliarden Euro für den Hochwasserschutz aufgewendet. Bis zum Jahr 2020 stehen pro Jahr weitere 235 Millionen Euro für Hochwasserschutzmaßnahmen bereit.
Wir werden Ihrem Berichtsantrag, wie gesagt, gern zustimmen. Die übrigen Anträge lehnen wir jedoch ab.