Protocol of the Session on March 26, 2015

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Wenn Kollegin Löhrmann – jetzt können Sie sich darüber aufregen – sagt, 1,7 % Unterrichtsstundenausfall sind ersatzlos ausgefallen, ist das nicht geschönt, sondern es ist toll. Ich muss sagen – das habe ich mit den Quoten vorhin schon signalisiert –, dass wir da besser unterwegs sind.

Lassen Sie mich zum Abschluss vor dem Hintergrund, dass ich vorhin klipp und klar erklärt habe, dass jeder

Unterricht, der ausfällt, bedauerlich ist, noch einmal aus dem Gutachten zitieren. Auf Seite 61 heißt es:

Die Forschung macht deutlich, dass die tatsächliche Unterrichtszeit nur mittelbar mit dem Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler zusammenhängt. Vielmehr stehen Qualitätsmerkmale von Unterricht im Fokus, wenn es um erfolgreiches Schülerlernen geht. Dieser zentrale Befund aus der Unterrichtsforschung findet seine Bestätigung in den Befunden aus der Forschung zu den Wirkungen von Unterrichtsausfall.

Das heißt, der Unterrichtsausfall allein ist noch kein Kriterium dafür, ob wir in Bayern Schule gut können oder nicht.

Ich sage noch ein Letztes dazu – darum sollte es uns gehen –: Die Tests, die unsere Schülerinnen und Schüler in den letzten Jahren in einem bundes- und europaweiten Vergleich immer wieder absolviert haben, haben gezeigt, dass wir an der Spitze stehen.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Das stimmt eben nicht mehr!)

Die Tatsache, dass wir an der Spitze stehen, ist in dem Zusammenhang ein bestes Indiz dafür, dass der Unterricht im Freistaat Bayern gut funktioniert. Deswegen sollten wir zwar weiterhin gegen Unterrichtsausfall kämpfen, aber wir sollten die Kirche im Dorf lassen.

Herr Kollege Hofmann, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Herr Kollege Güll hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Herr Kollege Güll, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Hofmann, müsste ich Ihren Beitrag zusammenfassen, könnte ich dann feststellen, dass die Verbände, die Schulleiter, die Eltern, die jetzt Hilferufe aussenden und Brandbriefe schreiben, allenfalls in die Kategorie "Jammerer" gehören?

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Genau! Denen ist langweilig!)

Das ist vom Himmel heruntergeholt; die haben das Problem eigentlich gar nicht. -Nehmen wir das einmal so zur Kenntnis.

Versetzen wir uns einmal in einen Schulleiter einer Grundschule, vielleicht sogar einer kleinen mit vier Klassen. Ein Lehrer einer zweiten Klasse ist krank. Was macht der Schulleiter? - Er legt die Klassen zusammen, oder die Lehrerin hetzt von einem Zimmer zum anderen. Wie lange das gutgeht, ist die Frage.

Oder die Teilzeitkraft muss dableiben und muss die Arbeit machen. Geld dafür gibt es aber nicht. Das ist immer dann der Fall, wenn keine mobile Reserve mehr da ist. Was machen wir jetzt? - Haben wir die intelligente Lösung, wenn die Unterrichtsreserve nicht mehr da ist? Wir haben sie eben nicht in diesem Bereich. Es gibt für den Schulleiter keine Möglichkeit, mit den Budgetmitteln zum Beispiel Lehrerinnen für zwei Wochen aus dem Urlaub zu holen. Es gibt keine Reaktionsmöglichkeit. Es bleibt an den Lehrern und Schulleitern hängen. Das kann es doch nicht sein. Deswegen glaube ich, wir haben noch nicht alle intelligenten Lösungen ausgereizt. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir mit diesem Antrag erreichen, als dass darüber nachgedacht wird. Das kann doch nicht so verkehrt sein, oder?

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Güll. – Herr Kollege Hofmann, Sie haben das Wort.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Kollege Güll, ich bedaure jetzt ein bisschen die Art und Weise, wie Sie da mit mir anfangen zu diskutieren. Aber ich sehe es Ihnen auch insoweit nach. Wenn Sie vorhin am Anfang meiner Rede zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass ich klipp und klar gesagt habe: Unterrichtsausfall ist bedauerlich. Dagegen müssen wir auch kämpfen. Ich habe auch ganz klar gesagt, dass wir weiter daran arbeiten. Der Feind des Guten ist das Bessere. Wir haben nicht gesagt, dass wir schon alles so haben, wie es sein soll. Wir denken weiter über Verbesserungen nach.

Aber das, was Sie in diesem Zusammenhang signalisieren, Herr Kollege Güll, ist doch nicht, dass es bei uns gut läuft. Das, was Sie mit Ihrem Antrag signalisieren, ist: Bei uns ist das christliche Abendland kurz vor dem Zusammenbruch. Das ist das Ärgerliche an der ganzen Geschichte.

Ich wehre mich auch gegen die Missinterpretation meiner Rede. Sie erklären, dass ich sagen würde, dass diejenigen, die sich über den Unterrichtsausfall beschweren, alle nur Jammerer wären. Nein, das habe ich überhaupt nicht gesagt. Selbstverständlich nehmen wir die Dinge ernst. Deswegen haben wir auch diese Instrumente in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Jedes Schreiben, das bei uns ankommt, wird ernst genommen und wird geprüft. Wir werden auch in diesem Zusammenhang weiterarbeiten. Wenn Sie uns jetzt als diejenigen hinstellen, denen das vollkommen egal wäre, da straft Sie schon die Geschichte Lügen, Herr Kollege Güll.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Hofmann, jetzt hat sich noch der Kollege Felbinger gemeldet. Ich darf Sie bitten, dass Sie noch am Rednerpult bleiben. – Herr Kollege Felbinger, bitte.

Herr Kollege Hofmann, es ist schon erstaunlich, wie Sie sich hier vorne hinstellen, die Opposition für – ich möchte mal sagen – dumme Lausbuben halten und nach dem Motto "Augen zu und durch" irgendwelche Statistiken vorlesen, die doch in keiner Weise aussagekräftig sind. Gehen Sie doch mal hinaus ins Land, gehen Sie mal an die Schulen, hören Sie sich mal die Probleme der Lehrkräfte, Eltern usw. an.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die erzählen Ihnen etwas anderes als diese Statistiken, mit denen Sie uns hier meistens etwas weismachen wollen. Suchen Sie doch endlich einmal einen Lösungsvorschlag, wie Sie diese Misere, die seit Jahren die gleiche ist, lösen können! Es kann doch nicht sein, dass wir, wenn wir jedes Jahr die gleiche Erkenntnis haben, immer wieder auf dem gleichen Fehltritt weiterarbeiten. Da muss man doch endlich einmal dazu kommen, eine Verbesserung zu erzielen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Herr Kollege Hofmann, Sie haben das Wort.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Kollege Felbinger, ich bin von Ihnen einiges gewöhnt. Das war noch einmal ein Punkt, wo Sie Ihrem Ruf alle Ehre gemacht haben. Ich nenne Ihnen Drucksache 17/1517 zur Frage, wie es in Oberbayern beispielsweise mit der mobilen Reserve aussieht. Nur um einfach einmal in diesem Zusammenhang zu diskutieren, was passiert ist, sage ich Ihnen: Zum Schuljahresbeginn 2011/2012 hatten wir 87,4 Vollzeitlehrereinheiten, was die Aufstockungen angeht. Wir haben im Jahr 2013/2014 127,3. Das können Sie im Übrigen nicht einfach als Statistik wegwischen, die wir erfunden haben. Das ist eine Steigerung um 11 %; hier ist also tatsächlich, in Oberbayern beispielsweise, etwas passiert.

Wenn Sie im Übrigen den Statistiken, die das Ministerium vorlegt, nicht glauben, dann frage ich mich, warum Sie ständig und immer wieder das Ministerium mit Anfragen traktieren, in denen Sie genau diese Kriterien und diese Quoten immer wieder abfragen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Thomas Gehring von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Schule ausfällt, dann klingt das zumindest

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

für jemanden aus unserer Generation nach Freiheit. Die Schule fällt aus, man freut sich und geht nach Hause. Die Realität ist heute eine andere. Wenn Unterricht ausfällt, können die Kinder nicht nach Hause geschickt werden, weil zum Beispiel der Schulbus nicht fährt oder weil zu Hause keine Betreuung gegeben ist. Unterrichtsausfall ist tatsächlich ein Ärgernis. Es ist ein Unterricht, der nicht gehalten wird. Es ist eine Situation, die nicht zumutbar ist und die vor allem Eltern immer wieder auf die Barrikaden bringt. Ich bezeichne es auch als Unterrichtsausfall, wenn die Schülerinnen und Schüler zwar in der Schule beaufsichtigt werden, aber kein guter pädagogischer Unterricht mehr möglich ist, weil zum Beispiel eine Lehrkraft zwei Klassen beaufsichtigt.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Deswegen brauchen wir eine Verbesserung der Unterrichtsversorgung, und wir brauchen tatsächlich, wie es die SPD fordert, intelligente Konzepte.

Herr Kollege Hofmann, es gibt wirklich einige intelligente Instrumente, die in den letzten Jahren eingeführt worden sind. Übrigens waren es immer Anträge der GRÜNEN, die dazu geführt haben. Ich denke an den Demografiezuschlag – eine alte Forderung von uns – oder an den Migrationszuschlag. Der Kollege Eisenreich erinnert sich noch, wie wir das damals gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Dieser Migrationszuschlag wird mittlerweile für andere Dinge zweckentfremdet. Das ist natürlich nicht in Ordnung.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wir müssen uns aber weiter auf den Weg machen. Wir GRÜNE schlagen ein intelligentes Konzept für die bessere Unterrichtsversorgung vor. Das hat mehrere Schritte.

Erstens. Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer im System an den Schulen und eine bessere Unterrichtsversorgung. Das gilt vor allem für eine Schulart, die immer wieder vernachlässigt wird: für die berufli

chen Schulen. Die beruflichen Schulen haben vom ersten Schultag an schon zu wenig Unterricht eingeplant und zu wenig Lehrer zugewiesen bekommen. Dort gibt es einen sogenannten strukturellen Unterrichtsausfall. Das muss geändert werden. Wir haben das beantragt. Sie haben unserem Antrag damals bei den Haushaltsberatungen leider nicht zugestimmt.

Für alle allgemeinbildenden Schulen brauchen wir eine 110-prozentige Unterrichtsversorgung. Wir nennen das Unterrichtsversorgung plus. Diese muss natürlich im Laufe der Jahre aufgebaut werden. Nur so erhalten die Schulen die Sicherheit, dem Unterrichtsausfall begegnen und vor Ort flexibel auf die Situationen reagieren zu können. Das ist notwendig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Unterschied zu anderen Fraktionen in der Opposition haben wir unsere Haushaltsvorschläge gegenfinanziert, haben Deckungsvorschläge gebracht. Ein Deckungsvorschlag sind Einsparungen in der Schulverwaltung. Das ist nicht unbedingt lustig, wenn man so etwas fordert. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin dafür, dass wir möglichst viele Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht haben und nicht in der Verwaltung.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Unsere Unterrichtsversorgung plus sieht vor, dass wir eine 110-prozentige Lehrerversorgung an den allgemeinbildenden Schulen aufbauen. Wir haben im Doppelhaushalt 2015/2016 17,6 Millionen Euro oder 220 Lehrkräfte zur Verfügung gestellt. Diese Entwicklung muss in den nächsten Jahren fortgesetzt werden.

Wir müssen uns natürlich um das Thema mobile Reserve kümmern. Die mobile Reserve ist tatsächlich zu Beginn des Schuljahres schon halb leer oder ganz leer. Wenn sie dann benötigt wird, wenn später eine Grippewelle herrscht, wenn später Lehrkräfte langfristig ausfallen, dann sind eben keine Lehrkräfte mehr da, die die ausfallenden Lehrkräfte ersetzen können. Deswegen begrüßen wir diesen Antrag der FREIEN WÄHLER, die mobile Reserve aufzustocken.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Ich möchte noch einen Punkt erwähnen, der auch etwas mit Unterrichtsqualität zu tun hat. Letztes Jahr sind 530 Lehrerinnen und Lehrer an Grund- und Mittelschulen in Pension gegangen. Sie wurden dann eben nicht durch fest angestellte Lehrkräfte ersetzt, sondern nur durch Lehrkräfte, die auf Zeitverträgen arbeiten. Das ist kein Qualitätskriterium einer guten Unterrichtsversorgung. Wir brauchen den zweiten Einstellungstermin während des Schuljahres auch an

Grund- und Mittelschulen, wie wir ihn an den Gymnasien haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben ein intelligentes Konzept vorgelegt. Es sieht eine nachhaltige Finanzierung vor, das heißt eine 110-prozentige Unterrichtsversorgung plus. Deswegen werden wir uns bei den nächsten Haushaltsberatungen wieder darüber unterhalten. Dann werden wir sehen, wer auf Worte Taten folgen lässt. Wir werden das tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)