Deswegen ziehen wir da nicht an einem Strang. Sie wollen die Erbschaftsteuer abschaffen, ich will sie zumindest verfassungsgemäß ausgestalten. Ich glaube, dafür spricht auch einiges.
Bitte verbleiben Sie am Mikrofon, Herr Kollege. – Für eine weitere Zwischenbemerkung: Herr Kollege Nussel.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Halbleib, ich möchte Sie fragen, da Sie vorhin von Verantwortung gesprochen haben, wie Sie mit Verantwortung umgehen. Sie haben dem Kollegen Mütze – da wollte ich mich noch nicht melden – beigepflichtet, was unseren geschätzten Herrn Schaeffler betrifft. Ich kann es nicht verstehen, und möchte schon eine Antwort darauf, dass man dem beipflichtet, was der Kollege vorhin gesagt hat. Das haben Sie in Ihrer Rede ausgeführt. Wissen Sie denn überhaupt, was diese Familie in 60 Jahren geleistet hat für die Region, für uns? Wenn Sie wissen, wie sich die Familienbetriebe entwickelt haben, und dann so in diesem Gremium sprechen, dann muss ich schon die Frage nach der Verantwortung stellen.
Ich kann es auch so beantworten, ich versuche einmal, es zu interpretieren. Wir kennen das Schicksal der Firma Schaeffler. Wir wissen, welche Bedeutung sie für den Arbeitsmarkt und für die Beschäftigen hat.
Selbstverständlich, das ist nicht das Thema. Wenn Sie aber meine Verantwortung infrage stellen, obwohl ich nur sage, was das Bundesverfassungsgericht zu dieser Frage feststellt, dann darf ich über Sie schon den Kopf schütteln.
Ich sage nur, wir müssen die Reform der Erbschaftsteuer verfassungsgemäß machen. Der Vorschlag der CSU einer völligen Freistellung von einer Verschonungsprüfung auch bei so großen Unternehmen widerspricht eklatant – ich habe das vorgelesen, Herr Kollege, Sie sollten zuhören – der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014. Vielleicht sollten Sie sich mit dem Urteil befassen und das Urteil durchlesen, um die wesentlichen Inhalte aufzunehmen, weil das der politischen Debatte guttun würde.
Für die Staatsregierung erteile ich das Wort Herrn Staatsminister Dr. Söder. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die Wortmeldungen von Herrn Halbleib und Herrn Mütze zusammenfasse und die den Geist tragende Idee, die hinter diesen Wortmeldungen steht, herausarbeite, dann bin ich relativ entsetzt. Wie man im Bayerischen Landtag über arrivierte Unternehmen, über Familien redet, die für dieses Land etwas leisten, ist nicht angemessen, meine Damen und Herren.
Erbschaftsteuer ist, um das zum Thema Steuern generell zu sagen, in jeder Hinsicht eine Steuer, die eine Belastung darstellt. Sie ist die einzige Steuer, die auf schon einmal versteuertes Geld kommt. Ich kann nicht verstehen, dass man generell, wenn eine Fami
lie, wenn Väter und Mütter, wenn Eltern ein Leben lang hart arbeiten, wenn sie ein Unternehmen aufbauen, wenn sie für Arbeitsplätze gesorgt haben, es ihnen neidet, dass sie dies ihren Kindern übertragen und überlassen wollen. Das ist nicht unsere Philosophie.
Uns geht es bei den Familienunternehmen ausschließlich um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Das ist das entscheidende Kriterium
Familienunternehmen sind standorttreu. Familienunternehmen sind arbeitnehmertreu. Wir haben in Deutschland 2,6 Millionen familiengeprägte Unternehmen mit insgesamt über 14 Millionen Arbeitsplätzen. Fast 56 % der Arbeitsplätze in Deutschland befinden sich in diesen Unternehmen. Die wandern nicht einfach ab, die sind nicht global gesteuert von Konzernen und irgendwelchen Pensionsfonds, sondern sie leben im Land, weil sie sich zu dem Land bekennen wollen. Deswegen sind Familienunternehmen besonders wichtig, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Genau deswegen haben die Gesetzgeber – es waren unterschiedliche politische Kräfte – gemeinsam entschieden, dass die Familienunternehmen bei der Erbschaftsteuer in einer einzigen Hinsicht privilegiert sein sollen. Es ist nicht so, dass die Erben persönlich einen Vorteil haben sollen, nein, wenn sie den Betrieb fortführen, wenn sie die Arbeitsplätze erhalten, wenn sie im Land bleiben und Wertschöpfung dauerhaft betreiben, dann ist eine solche Verschonung möglich.
Wenn Sie das Bundesverfassungsgericht erwähnen, muss man sagen, dass das Bundesverfassungsgericht diese Verschonung, diese Privilegierung, die Substanzerhaltung im Kern bestätigt hat, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es ist also rechtens, dies zu verlangen.
Worüber wir jetzt reden, ist die Frage, wie wir die Anforderung des Bundesverfassungsgerichts erfüllen.
Das Bundesverfassungsgericht verlangt keinen Richtungswechsel. Das Bundesverfassungsgericht verlangt keinen sozialistischen Neubeginn.
Das Bundesverfassungsgericht verlangt schon gleich gar nicht eine völlig neue Vermögensverteilung in Deutschland.
Das Bundesverfassungsgericht verlangt Präzisierungen bzw. das Festlegen von Grenzen. Wir sind jederzeit bereit, darüber zu reden. Wir sind aber nicht bereit, über Varianten zu reden, die darauf hinauslaufen, dass die Substanz der Betriebe gefährdet wird. Wir hören auch aus Berlin durchaus besorgniserregende Vorschläge, die uns regelrecht gefährlich erscheinen. Ich habe übrigens die bayerischen Vorschläge nicht nur in der Finanzministerkonferenz vorgestellt, sondern auch in die Beratungen mit dem Parteivorsitzenden der SPD eingebracht.
Worum geht es? - Das erste Thema betrifft die Zugrundelegung der Beschäftigtenzahl als Kriterium im Zusammenhang mit der Befreiung der vielen kleinen und mittleren Unternehmen. Das Bundesverfassungsgericht verlangt zwar eine Neujustierung. Das heißt aber nicht, dass man dieses Kriterium durch das der Lohnsumme ersetzen muss. Dadurch würde Bayern grundsätzlich benachteiligt, weil Bayern höhere Löhne als andere Länder zahlt - und damit übrigens bessere Lebensverhältnisse für alle schafft. Dafür darf Bayern nicht bestraft werden.
Herr Mütze, kämpfen Sie doch endlich einmal für Bayern und nicht immer für die anderen Bundesländer! Die wählen Sie nämlich nicht.
Das zweite Thema betrifft die Bedürfnisprüfung. Herr Halbleib, man kann durchaus entsprechende Kriterien entwickeln, um klarzumachen, dass es in diesem Fall um familiengeführte Betriebe geht, nicht um große Kapitalgesellschaften, zum Beispiel Publikums-Aktiengesellschaften. Es geht uns ganz klar darum, Familienbetriebe von der Steuer auszunehmen.
Neulich wurde vorgeschlagen, einen völlig anderen Weg zu beschreiten. Demnach soll eine Bedürfnisprüfung stattfinden, die so abläuft, dass nicht nur danach geschaut wird, welche Substanz der Betrieb hat, sondern auch danach, welches Privatvermögen jemand besitzt. Hat jemand ein bisschen mehr, wird das Unternehmen nicht verschont; hat er ein bisschen weniger, vielleicht doch. Damit würde de facto der Sparsame bestraft, aber derjenige, der das Ganze etwas lockerer sieht, begünstigt. Wir bekämen – Kollege Fackler hat es angesprochen – eine neue Vermögensteuer, die aber die Mehrheit der Deutschen und das Bundesverfassungsgericht bereits abgelehnt haben.
Herr Halbleib und Herr Mütze, ich akzeptiere zwar, dass Sie Ihre Position vertreten. Aber die Programme, die Sie vor den letzten Wahlen aufgestellt hatten, sahen so ziemlich jede Steuererhöhung vor, die in Deutschland denkbar wäre. Die Wähler haben Ihnen klar gesagt, dass sie das nicht wollen. Auch an diesem Wählerwillen orientieren wir uns.
Drittens. Was Sie zur Regionalisierung zu sagen haben, überrascht, entsetzt und verwundert mich. Warum haben Sie so große Angst davor, selbst entscheiden zu dürfen?
Hier im Landtag wird stundenlang darüber gestritten, wie lange debattiert werden darf. Die Opposition will gern ein Viertelstündchen länger reden, weiß aber nicht, worüber.
Jeder Stadtrat in Bayern betrachtet es als sein oberstes Recht, zum Beispiel über die Gewerbesteuer selbst zu entscheiden.