Antrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Günther Felbinger u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Eignungsdiagnostische Verfahren mit beratendem Charakter für Lehramtsstudenten (Drs. 17/3979)
Ich eröffne nun die Aussprache. Ich weise darauf hin, dass die Gesamtredezeit der Fraktionen nach der Geschäftsordnung 24 Minuten beträgt. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Die Verteilung ergibt sich wie folgt: CSU 8 Minuten, SPD 6 Minuten, FREIE WÄHLER 5 Minuten, GRÜNE 5 Minuten und Regierung 8 Minuten. - Erster Redner ist Herr Kollege Felbinger.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Motiviertes und engagiertes Bildungspersonal ist der Motor für ein leistungsstarkes Bildungssystem und der Garant für eine hohe Bildungsqualität. Ich glaube, in dieser Aussage sind wir uns alle einig. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft – vbw – schreibt in ihrer Zwischenbilanz zum Thema "Burn-out im Bildungssystem" im Dezember 2014 – ich zitiere –: "Die Gesundheitsförderung und Prävention psychischer Belastungen stellen eine dringende und nachhaltig zu verstärkende Aufgabe der Länder dar." Dazu muss
ich sagen: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, beide Aussagen ergänzen sich. Beide legen zugrunde, dass wir geeignete, motivierte und engagierte Lehrerinnen und Lehrer – die besten Kräfte! – für eine lange Schullaufbahn benötigen. Für dieses Ziel ist es nötig, an verschiedenen Stellschrauben zu drehen, um voranzukommen.
Eignungsdiagnostische Verfahren mit beratendem Charakter für Lehramtsstudenten halten wir FREIEN WÄHLER aufgrund der guten Erfahrungen, die an der Universität Passau und an der Technischen Universität München damit gemacht wurden, für einen wichtigen Baustein, ein wichtiges Puzzleteil, um die besten Kräfte für den Lehrerberuf zu gewinnen.
Wir FREIEN WÄHLER haben bereits im Frühjahr 2014 einen ähnlichen Antrag eingebracht, der zum Ziel hatte, an jeder Universität ein geeignetes Eignungsberatungsverfahren für angehende Lehrkräfte zu schaffen. Wir FREIEN WÄHLER wollen, dass junge Menschen aus Überzeugung Lehrer werden und diesen wichtigen pädagogischen Beruf nicht aus der Not heraus wählen. Wir FREIEN WÄHLER halten diese Eignungsberatungsverfahren für Lehramtskandidaten für ein probates Mittel. Ich will nicht verhehlen, dass im Laufe eines Studiums noch weitere folgen müssen. Junge Menschen können sich nämlich mithilfe solcher Eignungsberatungsverfahren frühzeitig mit den Chancen, aber auch mit den Erwartungen eines Berufsfeldes auseinandersetzen und eine fundierte Studienauswahl treffen.
Immerhin hat das Ministerium der damaligen Forderung unseres Antrags Folge geleistet und einen bayerischen Online-Test "SeLF: Selbsterkundung zum Lehrerberuf mit Filmimpulsen" auf seine Homepage gestellt. Das begrüßen wir sehr. Mit unserem Antrag haben wir jedoch damals bereits gefordert, dass es an jeder Universität auch ein Eignungsberatungsverfahren vor Ort gibt. Wir haben uns nicht explizit für ein Verfahren oder einen bestimmten Zeitpunkt ausgesprochen. Ob das Verfahren zum Einstieg oder nach dem ersten oder zweiten Semester durchgeführt wird, ist durchaus variabel zu handhaben.
Dennoch hat die CSU-Fraktion unseren Antrag abgelehnt, weil sie der Meinung war, diese Eignungsberatungsverfahren seien nicht ausgereift. Kollege Lederer führte in seiner Plenarrede am 8. April 2014 an, dass es in der Wissenschaft noch keinen breiten Konsens über die Kriterien gebe, die einen guten Lehrer ausmachten. Meine Damen und Herren, lieber Kollege Lederer, ich glaube, wir müssen auch noch lange darauf warten, bis es in der Wissenschaft diesen breiten Konsens gibt. Die Kriterien für einen guten Lehrer liegen auf dem Tisch: Das sind überzeugende Selbst
Dazu brauchen wir keine Langzeitstudien und keine Prognosen. Wir können diese Forderung mit unserem Antrag heute gemeinsam auf den Weg bringen; wir wollen mit unserem Antrag eine Öffnungsklausel für die Lehramtsprüfungsordnung I. Damit könnten die einzelnen Universitäten ermächtigt werden, in einem Modellversuch alle Studierenden, die ein Lehramtsstudium aufnehmen, zur Teilnahme an einem wissenschaftlich begleiteten eignungsdiagnostischen Verfahren mit beratendem Charakter zu verpflichten. Nur so können wir die Erfahrungen gewinnen, um letztendlich Studien auf den Weg zu bringen.
Mit unserer Forderung stehen wir nicht alleine: Der Bayerische Landespersonalausschuss hat in seinem Jahresbericht 2013 die Einführung einer solchen Öffnungsklausel ausdrücklich gefordert. Im Jahresbericht 2013 sind ganz bemerkenswerte Dinge zu lesen. Ich sage deswegen: Die von Ihnen geforderten Studien sind nur vorgeschoben. Auf Seite 45 ist zu lesen, dass der LPA schon 2012 davon ausgegangen ist, dass das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst erforderlichenfalls die Grundlagen für Regelungen schafft. Auf Seite 46 ist zu lesen: "Im Jahr 2013 legte das Staatsministerium für Unterricht und Kultus … einen geänderten Entwurf einer Verordnung zur Änderung der LPO I vor." – Ich zitiere weiter –: "Die Empfehlungen des Landespersonalausschusses, eine Ermächtigung für einen Modellversuch im Hinblick auf eignungsdiagnostische Verfahren mit beratendem Charakter einzuführen, wurden dabei nicht aufgegriffen."
Meine Damen und Herren, das ist nichts anderes als die Offenlegung der Untätigkeit des Ministeriums. Es hat sich nämlich nichts getan. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, wenn Sie wirklich Längsschnittuntersuchungen wollen, dann stimmen Sie unserem Antrag heute zu und treiben Sie das Ministerium endlich zum Handeln an. – Vielen Dank. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens, Herr Felbinger: Die LPO I ist nicht die geeignete Norm, um Ihr Anliegen zu verankern.
Zweitens. Ihr Antrag ist nicht zielführend. Deswegen werden wir ihn, drittens, auch heute im Plenum wie in jedem Ausschuss, in dem er behandelt wurde, ablehnen, und zwar nicht alleine, sondern wieder gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD und der GRÜNEN. Ich denke, wir alle sind uns einig – und das haben Sie auch herausgehoben –, dass eine frühzeitige Beratung von Lehramtsstudenten sinnvoll ist. In Ihrem Antrag schreiben Sie, dass ein Drittel der Lehramtsstudenten nicht für den Beruf geeignet sei. Letztes Jahr haben Sie im Plenum als Größenordnung 40 % genannt. Ich weiß nicht, ob diese Zahl stimmt; das sei auch dahingestellt. Tatsache ist, dass es solche Fälle gibt. Deswegen ist es wichtig, jungen Studierenden Orientierung zu geben und Hilfestellung zu leisten. Genau deswegen ist Studienberatung sinnvoll; darin sind wir alle einer Meinung.
Aber genau aus diesem Grund gibt es doch bereits eine ganze Menge Angebote: die zentrale Studienberatung ist allen Hochschulen angegliedert – dort werden Informationsveranstaltungen abgehalten bis hin zu speziellen Beratungen zum Lehramtsberuf –,
oder das Münchner Zentrum für Lehrerbildung – dort wird eine begleitende Eingangsberatung angeboten, es wird eine Beratung während des Studiums angeboten, und, was aus meiner Sicht ganz besonders wichtig ist, Trainingsmaßnahmen zum Ausgleich vorhandener Defizite; denn die jungen Menschen entwickeln sich im Laufe ihres Studiums. Wir wissen nicht erst seit der Anhörung 2009, dass die Einschätzung bezüglich der Eignung zu Beginn eines Studiums besonders schwierig ist, weil sich die jungen Menschen während des Studiums, wie ich gerade ausgeführt habe, weiterentwickeln.
Deshalb ist die Aussagekraft solcher Eignungstests zu Beginn des Studiums relativ. Sie haben vorher "PArcours" angesprochen. Ich habe noch ein paar Zahlen im Kopf: 75 Studierende haben sich bei "PArcours" angemeldet. Wenn es so ist, wie Sie letztes Jahr gesagt haben, dass 40 % dieser Studierenden nicht geeignet sind, dann hätten bei "PArcours" 30 Studierende identifiziert werden müssen, die nicht für das Lehramt geeignet sind. Wie viele wurden tatsächlich durch dieses Beratungsverfahren identifiziert? – Ganze zwei. Das heißt, rund 95 % derjenigen, die hätten identifiziert werden müssen, wurden damit nicht identifiziert. Das zeigt doch ganz klar, dass diese Verfahren noch nicht ausgereift sind. Das Kriterium "Ein Lehrer muss überzeugend sein", das Sie genannt haben, ist wohl nicht das einzige zutreffende Kriterium.
- Ein wichtiges – da gebe ich Ihnen recht –, aber es ist nicht das einzige. Darauf müssen wir aufbauen. Genau deswegen ist die Forschung notwendig.
Frau Gottstein, damit wir die Kriterien herausfinden, ist Forschung an unseren Universitäten notwendig. Da forscht nicht nur Passau,
da forscht Würzburg, da forscht die LMU. Diese Forschungen müssen wir zugrunde legen und dürfen nicht nur die "Überzeugungskraft" nach vorne setzen. Dazu ist aber eine Änderung der LPO überhaupt nicht notwendig; das funktioniert unter den jetzigen Gegebenheiten schon.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, reden Sie doch mal mit den Vertretern der bayerischen lehrerbildenden Universitäten. Sie bekommen dann eine ziemlich einhellige Meinung; die sagen nämlich: Anstelle einmaliger Eignungsfeststellungstests zu Beginn eines Studiums wäre es besser, eine studienbegleitende Beratung durchzuführen.
Deswegen gibt es schon so viele Dinge bei uns in Bayern. Der Online-Test "SeLF", wurde übrigens nicht aufgrund Ihres Antrags gemacht, sondern er war zu der Zeit, als Ihr Antrag beraten wurde, schon längst in Arbeit.
(Beifall bei der CSU – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Richtig! – Widerspruch der Abgeordneten Eva Gottstein (FREIE WÄHLER))
Das Nächste: Zum Studienbeginn gibt es ein Orientierungspraktikum mit verpflichtendem Beratungsgespräch. Das ist am Anfang ganz wichtig. Es gibt aber auch während des Studiums insgesamt drei Praktika, bei denen nicht nur Beratung geboten wird, sondern auch eine Reflexion. Das heißt, ein einfaches Absitzen dieser Praktika ist nicht mehr möglich.
Darüber hinaus gibt es an unseren Universitäten einen ganzen Strauß von Möglichkeiten für die jungen Studierenden: von Mentoren-Systemen, Lehrer-Studenten-Tandems über Lehrlernlabore, Kooperations
schulen bis hin zu Uni-Klassenzimmern, bei denen Videoauswertungen zu Unterrichtssequenzen gemacht werden, die die Studierenden vor der Klasse bewältigt haben, um ihre Vorzüge, aber auch Defizite aufzuzeigen. Dann kann man an den Defiziten arbeiten. Deswegen ist das Ganze so wichtig.
Nicht zuletzt ist das Referendariat mit dem eigenverantwortlichen Unterricht eine unglaublich gute Vorbereitung auf die Praxis.
Wir müssen aber auch das Thema Polyvalenz an unseren Universitäten weiter vorantreiben, damit die Studierenden, die während des Studiums erkennen, dass der Beruf für sie vielleicht nicht der geeignete ist, ohne Umweg in eine andere Richtung, zum Beispiel Bachelor oder Master, gehen können.
All das ist aber jetzt schon möglich; all das wird an unseren Universitäten in Bayern schon jetzt geboten, es bedarf keiner Gesetzesänderung, schon gar nicht einer Änderung der LPO I. Aus diesen Gründen haben wir im Bildungsausschuss gegen diesen Antrag gestimmt. Wir waren in der Ablehnung – ich habe es eingangs betont – aber nicht alleine. Auch die Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den GRÜNEN haben sich gegen diesen Antrag ausgesprochen – nicht weil er von den FREIEN WÄHLERN kam, sondern weil wir der Überzeugung sind, dass die Möglichkeiten, die jetzt bei uns in Bayern geboten werden, ausreichen, aber natürlich weiter forciert werden müssen. Dazu brauchen wir Langzeitstudien; dazu brauchen wir Forschung. Wir wissen alle: Forschung und Lehre stehen in der Freiheit der Universitäten. Die haben die Lage schon längst erkannt und forschen genau auf diesem Gebiet. Lassen Sie uns hier doch bitte von wissenschaftlich fundierten Grundlagen ausgehen, nicht von Aussagen, die aus der hohlen Hand, aus der Erfahrung, vielleicht aus dem eigenen Berufsleben stammen. Lassen Sie uns hier auf wissenschaftliche Expertise zurückgreifen! – Dann sind wir, glaube ich, auch weiterhin auf dem richtigen Weg. – Ich bedanke mich ganz herzlich.
Danke schön. Bitte bleiben Sie am Rednerpult, Herr Lederer. – Frau Gottstein möchte eine Zwischenbemerkung machen.
Herr Lederer, die Wissenschaft in Ehren, aber die Praxis sollte man auch nicht aus dem Auge verlieren. Sie haben gerade beispielsweise die drei Praktika sehr lobend erwähnt. Ich weiß nicht, ob Sie die Praxis wirklich einmal ver
(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Was haben Sie denn für eine Vorstellung? Wer soll denn da was aufschreiben?)
In der Praxis werden einer Schule sechs, sieben Praktikanten zugewiesen, die ein einziger Lehrer in einer Zeit, in der zum Beispiel auch Prüfungen stattfinden, betreut. Wenn’s hoch kommt, bekommt der Lehrer eine Anrechnungsstunde dafür. Was meinen Sie? – Ich habe das oft genug machen müssen, und ich kenne sehr viele. Sie sollten wirklich einmal hinausgehen und solche Praktika verfolgen; dann würden Sie sehen: Das, was da an Beratung übrig bleibt, ist lediglich das Ausfüllen von Papieren, nicht mehr. Beim besten Willen geht da nicht mehr. Das liegt an der fehlenden Zeit draußen an den Schulen. Das hat nichts mehr mit Beratung zu tun. Ein beratender Lehrer ist froh, wenn er am Ende solch eines Praktikums von zwei oder drei Wochen Dauer weiß, wie der Student überhaupt heißt, geschweige denn, dass er dessen Fähigkeiten erkennen und beurteilen könnte.
(Widerspruch bei der CSU – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Zwischen dem, was Sie da sagen, und der Wirklichkeit liegen Welten!)
- Das ist so. Wenn Sie es nicht glauben, fragen Sie. Unsere Lehrer müssen ihre Kernaufgabe erledigen; für diese Beratung sind sie schlichtweg einesteils zu wenig ausgebildet, anderenteils sind sie dafür nicht mit genügend Zeit ausgestattet.