Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Gegenstimmen? – Sehe ich keine. Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Kerstin Schreyer-Stäblein, Joachim Unterländer u. a. und Fraktion (CSU) Bildungshoheit der Länder verteidigen - keine bundesrechtlichen Vorgaben für die Kinderbetreuung (Drs. 17/4173)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Doris Rauscher, Arif Tasdelen u. a. und Fraktion (SPD) Chancengleichheit für die Kleinsten - Konstruktive Beteiligung Bayerns an der Diskussion über bundesweite Minimalstandards in Kinderbildung und -betreuung (Drs. 17/4186)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Schreyer-Stäblein. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Tagen haben wir in der Presse entnommen, dass sich Frau Schwesig Gedanken darüber macht, wie sie in den Kindertagesstätten die Qualität steigen kann. Grundsätzlich freuen wir uns immer alle, wenn es um die Verbesserung der Qualität in den Kindertagesstätten geht. Frau Schwesig hat bereits im August in der "Bild am Sonntag" gesagt – ich zitiere:
In den letzten Jahren ging es ja vor allem um den Bau von Kita-Plätzen, weniger um die Qualität. Das möchte ich verändern.
Bravo, Frau Bundesministerin, wenn Sie nach dem Ausbau jetzt auch an die Qualität denken. In Bayern haben wir das andersherum gemacht und mit dem Ausbau gleichzeitig die Qualität gesichert. Ich glaube, dass es so herum geht. Unsere Kinder haben nicht nur Quantität, sondern auch Qualität verdient. Frau Bundesministerin, das haben wir in Bayern vorgelegt.
Ich antworte auf Ihren Zwischenruf sehr gerne. Der Bund hat uns ebenso wie allen anderen Bundesländern finanziell immer wieder sehr geholfen. Deshalb ist der Vergleich zwischen den Bundesländern sehr spannend. Ich darf die Bertelsmann-Studie zitieren, die sich alle Bundesländer angeschaut und die Mecklenburg-Vorpommern die schlechteste Qualität ganz Deutschlands attestiert hat. Insofern hat Frau Schwesig dort die Verantwortung getragen. Bravo! Daran möchte ich mir kein Beispiel nehmen.
Beim Ausbau braucht sich Bayern sowohl quantitativ als auch qualitativ nicht zu verstecken. Kein einziges Bundesland hat für Kinder unter drei Jahren so viel Geld aus den Landesmitteln für Betreuungsplätze ausgegeben. Bis Ende 2014 hat Bayern 1,38 Milliarden Euro ausgegeben, davon machen die Landesmittel 954 Millionen Euro aus. Das ist eine Riesensumme, die richtig und gut angelegt war. Wir haben den Vorteil, deutlich signalisieren zu können, wie viel Geld wir wirklich investieren.
Auch bei der Betriebskostenförderung haben wir intensiv draufgelegt. Von den Grundkosten der Kinderbetreuung tragen wir 52,7 %, während der Durchschnitt aller Flächenländer 39 % beträgt, also weit darunter liegt.
In Bayern gibt es im Kindergartenjahr 2013/2014 110.000 Plätze für Kinder unter drei Jahren. Das bedeutet, für 52 % der Kinder dieser Altersgruppe ist ein Betreuungsangebot vorhanden. Lange Zeit wurde die Frage gestellt: Was ist denn, wenn erst einmal der Rechtsanspruch gilt? In Bayern gibt es keine Klagewelle, weil wir das Betreuungsangebot sicherstellen. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Kommunen, die das mit uns gemeinsam organisieren.
Wir in Bayern haben also unsere Hausaufgaben gemacht. Deswegen rentiert es sich schon, einmal einen Blick in die anderen Bundesländer zu werfen. Mir ist bewusst, dass der Anstellungsschlüssel nicht das allein Glückseligmachende ist; es geht ebenso um die Frage der Ausbildung und der Qualifizierung von Erziehern, es geht auch um die Arbeitsbedingungen.
Aber: Der Anstellungsschlüssel macht einen ganz wesentlichen Teil aus. Wie viele Kinder kommen denn auf wie viele Fachkräfte? Da muss man entsprechend vergleichen. Bei einem solchen Vergleich ist der Anstellungsschlüssel ein wichtiges Kriterium. Nach dem Statistischen Bundesamt hatten wir in Bayern 2012 und 2013 für Kinder von 0 bis 8 Jahren einen Schnitt von 4,3. Mecklenburg-Vorpommern hatte 2012 einen Schnitt von 8,0 und 2013 von 7,3. Das ist objektiv fast die doppelte Zahl an Kindern, die auf eine Erzieherin zukommt.
Unter Berücksichtigung all dessen weiß ich, ehrlich gesagt, nicht, warum Frau Schwesig uns erklären will, wie Qualität in den Kitas ausschauen soll. Die Bertelsmann-Studie kommt – ich zitiere – zu folgendem Schluss:
Zu wenig Erzieherinnen in den Kitas: Qualität bleibt in der frühkindlichen Bildung in Mecklenburg-Vorpommern auf der Strecke. Die Personalschlüssel für Kitas in Mecklenburg-Vorpommern weichen teilweise erheblich von einem kindgerechten und pädagogisch sinnvollen Betreuungsverhältnis ab. In Mecklenburg-Vorpommern ist eine Erzieherin für nahezu doppelt so viele Kinder zuständig wie zum Beispiel in Bremen oder Baden-Württemberg.
Wenn ich mir das alles anschaue, dann weiß ich: In Mecklenburg-Vorpommern gibt es wirklich Nachholbedarf, und es gibt einzelne Bundesländer, die noch an der Qualität der Kinderbetreuung arbeiten müssen. Bayern gehört jedenfalls nicht dazu.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Erzieherinnen und Erziehern bedanken, die mit viel Qualität, mit Liebe und für aus meiner Sicht zu wenig Geld ihre hervorragende Arbeit leisten. Deswegen finde ich es schon hanebüchen, so zu tun, als ob die Qualität nirgendwo gewährleistet wäre. Wir in Bayern gewährleisten Qualität. Zur Wahrheit gehört sicher auch dazu: Es darf immer alles besser werden, und dafür werden wir uns in Bayern auch einsetzen.
Bundeseinheitliche Regelungen würden dazu führen, dass wir Bürokratie aufbauen und mehr Verwaltungsakte generieren, was wiederum zu einem Ergebnis führt, das die Kindergärten nicht brauchen. Wir reden mit allen Trägern, mit Eltern, mit Verbänden. Wir versuchen, immer das Beste für unsere Kinder zu organisieren. Das machen wir gerne innerhalb Bayerns, dafür brauchen wir den Bund nicht.
Hätte Frau Schwesig ihre Hausaufgaben in ihrem Bundesland gemacht, stünden wir sicherlich nicht vor der Situation, uns belehren lassen zu müssen. Wenn alle Bundesländer so gut dastünden wie Bayern, dann wären wir sehr froh darüber.
Insofern freue mich auf die Ausführungen von Frau Rauscher. Ich habe in der Pressemitteilung der SPD gelesen, dass Bayern davon profitieren würde, wenn Berlin entsprechende Handlungen vollziehen würde. Hier bin ich sehr gespannt, wie das ausschauen soll.
Die SPD zitiert in der Begründung ihres Antrags auch die NUBBEK-Studie. Am vergangenen Montag waren in der Familienkommission die Fachleute anwesend, die diese Studie erstellt haben. Auf die Frage, was das für Bayern bedeutet, waren an vielen Stellen Antworten leider nicht möglich; denn in Bayern läuft es, ebenso wie in anderen Bundesländern, durchaus unterschiedlich. Deswegen bin ich, wie gesagt, sehr gespannt auf die Ausführungen. Wir brauchen keine Belehrungen aus Berlin, wir machen das einfach selber. Daher bitte ich darum, unseren Antrag zu unterstützen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schreyer-Stäblein. - Die nächste Rednerin ist die Kollegin Doris Rauscher. Bitte schön, Frau Rauscher.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist wahr, erst vergangenen Donnerstag, am 6. November 2014, gab es in Berlin ein Treffen aller Ministerinnen und Minister und Senatoren zur frühkindlichen Bildung. Denn die Jugend- und Familienministerkonferenz sowie die Ministerin Manuela Schwesig sehen Handlungsbedarf in der Qualitätsentwicklung der frühkindlichen Bildung, nur Bayern nicht.
Liebe CSU, die Ausgangslage in den Ländern ist höchst unterschiedlich. Jedes Land hat Stärken, jedes Land hat aber auch Entwicklungsbedarf - auch Bayern, Frau Kollegin. – Was war die Absicht dieses Treffens?
Erstes Ziel ist die Verabredung konkreter Ziele, die Sicherstellung und Weiterentwicklung der Qualität zwischen Bund und Ländern. Zweites Ziel: Alle an der Finanzierung Beteiligten sollen sich über ein System gesicherter Grundlagen und Erkenntnisse im Elementarbereich verständigen. Drittes Ziel: Alle Kinder in Deutschland sollen gleiche Bildungschancen erfahren. Das sichert ein Mindestmaß an Qualität. Außerdem soll es einen gemeinsamen verbindlichen Mindeststandard sowie einen Mindestrahmen geben.
Es geht nicht darum, die Bildungshoheit der Länder auszuhebeln. Empirische Studien, die bundesweit durchgeführt wurden, betreffen auch Bayern. Ihre Argumente, liebe CSU-Fraktion, sind aus meiner Sicht nur vorgeschoben. Es geht Ihnen in erster Linie darum, sich zu weigern, an der Qualitätsdebatte auf Bundesebene teilzunehmen. Und: In Bayern lebt man nicht auf der Insel der Glückseligen.
Die Verhandlungen, die Verabredungen sind auf einen längerfristigen gemeinsamen Prozess angelegt, mit dem Ziel aller Beteiligten, ein hohes Maß an Qualität durch gemeinsame Standards und die solide Finanzierung dauerhaft sicherzustellen. Warum Bayern daran kein Interesse haben sollte, kann ich nicht nachvollziehen.
Es wurde kein Gesetz verabschiedet, sondern es wurde lediglich vereinbart, dass bis 2016 alle Bundesländer einen Zwischenbericht zu den Punkten eines gemeinsam vereinbarten Rahmens abgeben sollen. Doch die CSU reagiert reflexhaft, fährt sofort ihre Stacheln aus und fordert die Staatsregierung auf, sich gegen eine einheitliche Regelung für ein Mindestmaß an Standards einzusetzen.
Zur Klarstellung: Das Papier, das Kommuniqué, ist eine amtliche Denkschrift – nicht mehr und nicht weniger. Da muss man nicht gleich Angst bekommen, liebe CSU. Die Bundesinitiative könnte man auch als Chance verstehen, und zwar als Chance, voneinander zu profitieren und zu lernen. Deshalb fordert die SPD eine konstruktive Beteiligung des Dialogs auf Bundesebene zur Entwicklung bundesweiter Mindeststandards in der frühkindlichen Bildung.
Im Anschluss, bitte. - Es gibt auch bei uns in Bayern, Frau Kollegin Schreyer-Stäblein, bekannte Probleme. Wir haben einen Fachkräftemangel. Es mangelt an Rahmenbedingungen, damit pädagogische Fachkräfte ihre Arbeit gut und auf qualitativ hohem Niveau ausführen können. Das liegt aber nicht an dem Wollen der Fachkräfte; denn die Kenntnisse und die Fachkompetenz sind vorhanden. Aber es herrscht Personalmangel, und die Fachkraftquote ist niedrig. Frau Schreyer-Stäblein, hier liegt Bayern wirklich weit hinter anderen Bundesländern; die Fachkraftquote, also der Anteil von Erzieherinnen und Erziehern in den Kindertageseinrichtungen, ist in Bayern außergewöhnlich niedrig. In Bayern gibt es keine Freistellung von Leiterinnen, und wir haben insgesamt eine schlechte Erzieher-Kind-Relation zu verzeichnen. Das ist Fakt. Hierbei ist Bayern nicht an der Spitze.
Alle in der Erklärung der Familienministerkonferenz angeführten Punkte sind Qualitätskriterien, die meine Fraktion auch auf Landesebene bereits eingefordert hat. Deshalb unterstützen und beantragen wir eine aktive und konstruktive Beteiligung unserer Ministerin auf Bundesebene an diesem Prozess. Aber vielleicht ist auch genau dieser Punkt der Grund dafür, dass
sich die CSU schwertut und ein Argument sucht, gegen die Chance zu wettern, gemeinsame Verabredungen zur Sicherstellung von Mindeststandards in der Kindertagesbetreuung zu treffen, und das trotz aller Empfehlungen von Experten, Verbänden und Ländervertretungen.
Übrigens: Diese Vereinbarungen vom vergangenen Donnerstag wurden einstimmig beschlossen, mit einer Enthaltung, und das war nicht Bayern. Ich weiß jetzt allerdings nicht, ob unsere Ministerin an der Konferenz teilgenommen hat oder ob eine Vertretung stimmberechtigt war. Aber zunächst einmal – das müssen Sie sich auf der Zunge zergehen lassen – wurde dieses Papier mit lediglich einer Enthaltung einstimmig, gemeinsam, als sinnvoll verabredet und beschlossen.
Ihre Haltung ist sehr verwunderlich, liebe CSU-Fraktion. Ich verstehe nicht, warum Sie reflexhaft bereits nach fünf Tagen mit einem Dringlichkeitsantrag dagegen wettern und Ihre Sorge ausdrücken müssen, dass die Autonomie der Bundesländer im Bereich der Bildungssysteme ausgehebelt werden könnte. Sie unterstützen mit Ihrer Haltung ein Sparprogramm zulasten der Kleinsten. Das macht die SPD-Fraktion nicht mit. Deswegen können wir Ihren Antrag nicht unterstützen und fordern Sie auf, sich zu öffnen und diesen Dialog auf Bundesebene gemeinsam weiterzuentwickeln und zu gestalten. - Ich bitte Sie um Unterstützung unseres Antrags und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Rauscher. Zu einer Zwischenbemerkung hat sich jetzt die Kollegin Schreyer-Stäblein gemeldet. Bitte sehr, Frau Kollegin.
Frau Rauscher, offensichtlich sind Sie nicht sonderlich gut informiert. Bayern war selbstverständlich bei diesem Gespräch dabei, und das wird auch in Zukunft so sein, weil es Bayern wichtig ist, über Qualität zu diskutieren. Die Frage ist nur: Wollen wir dazu eine bundeseinheitliche Regelung haben, sodass der Bund die Gesetze macht und dann entscheidet, was die Länder zu tun haben, oder machen es die Länder selber? Das ist ein wesentlicher Unterschied, und ich bitte darum, sehr darauf achtzugeben.
Ich weiß aber immer noch nicht – diese Frage haben Sie nicht beantwortet; vielleicht können Sie sie jetzt beantworten -, warum Frau Schwesig, wenn ihr das so wichtig ist, in der Studie auf dem letzten Platz ist. Wenn man sich einmal die einzelnen Zahlen anschaut, so ergibt sich für Mecklenburg-Vorpommern für Kinder ab drei Jahren ein Betreuungsschnitt von
14,9. Das müssten wir einmal in Bayern machen. Dann gäbe es hier im Haus eine Riesenparty, weil dann jeder von uns aufbegehren würde ohne Ende. Sie haben gesagt, die deutschlandweiten Studien hätten auch Relevanz für Bayern. Ich bin ganz Ihrer Auffassung, wüsste nur gerne, von welcher Studie Sie sprechen und welche Relevanz sie für Bayern hat.