Viele Flüchtlinge haben in Bayern in den letzten Tagen im Freien geschlafen, in Zelten, in Wohnwägen, in Außenstellen aller Art. Der Regierung ist die Übersicht entglitten. Sie weiß mittlerweile nicht mehr, wo welche Flüchtlinge sind, wie viele Flüchtlinge wo sind. Sie weiß nicht mehr, ob die Flüchtlinge, die da und dort sind, medizinisch erstuntersucht sind oder nicht. Das Thema Erstaufnahme muss auf neue Füße gestellt werden. Dazu erfahren Sie heute noch einiges durch den Dringlichkeitsantrag.
Es gibt einen enormen Handlungsbedarf. Er wäre längst nicht so groß, wenn die Anträge der Opposition
in den letzten Jahren gehört worden wären. Wir haben seit 2009 weitere Erstaufnahmeeinrichtungen beantragt – immer wieder, immer wieder. Sie von der Mehrheitsfraktion haben bedauerlicherweise auch noch im Juni 2014 unseren Antrag abgelehnt, die Standorte für neue Erstaufnahmeeinrichtungen in den bayerischen Regierungsbezirken festzulegen und einen Zeitplan vorzulegen, bis wann welche Erstaufnahmeeinrichtungen geschaffen werden. Das ist eine Handlungsverweigerung erster Güte. Ich hoffe, dass jetzt damit ein Ende ist, dass Sie anfangen, den Handlungsbedarf wahrzunehmen, das Problem anzugehen, und nicht länger glauben, diese Aufgaben ausblenden zu können.
Die Situation in der Erstaufnahme wäre nicht so tragisch, wäre nicht so schlimm, wenn Sie das getan hätten, worum wir Sie immer wieder gebeten haben, nämlich das bayerische Unterbringungsgesetz zu ändern. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet in Bayern Flüchtlinge wesentlich länger als in allen anderen Bundesländern in sogenannten Gemeinschaftsunterkünften verharren müssen. In keinem anderen Bundesland unterliegen Flüchtlinge solch restriktiven Unterbringungsbedingungen wie in Bayern. Bis zum August 2013 hieß es in § 7 Absatz 5 der bayerischen Asyldurchführungsverordnung noch:
Die Verteilung und die Zuweisung darf die Rückführung der betroffenen Personen nicht erschweren; sie soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern.
Der zweite Teil ist vom Landtag dankenswerterweise gestrichen worden, sodass es nunmehr nur noch heißt:
Allerdings ist die Art und Weise, wie mit Flüchtlingen umgegangen wird, noch immer von der alten Asyldurchführungsverordnung geprägt. Damit muss Schluss sein, dem muss ein Ende bereitet werden.
Das wäre im Sinne der Menschen, die zu uns kommen, um Schutz zu suchen; es diente auch der besseren Erledigung der Aufgabe, Asylsuchende unterzubringen, und trüge dazu bei, insoweit unsere Handlungsfähigkeit wiederzuerlangen.
Wir legen Ihnen heute den Entwurf eines Gesetzes über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge sowie deren Versorgung mit Wohnraum vor. Darin schlagen wir vor, auch in Bayern den Flüchtlingen das zu ermöglichen, wozu sie in anderen Bundesländern schon berechtigt sind, nämlich - darum geht es heute vor allen Dingen - sich möglichst bald eine eigene Wohnung zu suchen.
Es kann nicht sein, dass sie vier Jahre lang - teilweise noch wesentlich länger - in Gemeinschaftsunterkünften wohnen müssen. Ich erlebe bei Besuchen in Gemeinschaftsunterkünften Menschen, die seit 10, 12, 13 oder sogar 14 Jahren in Gemeinschaftsunterkünften leben, ohne ausziehen zu dürfen. Das muss sich ändern. Den Flüchtlingen ist Hilfestellung zu geben, damit sie aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen können. Wir müssen insoweit Unterstützung leisten.
Das Ganze wird keineswegs teurer als bisher; denn eine normale Sozialwohnung - das weiß ich aus eigener Erfahrung; ich betreue Projekte - ist preisgünstiger als Gemeinschaftsunterkünfte, die derzeit durch die Bezirksregierungen vorgehalten werden. Die Unterbringung in Wohnungen ist zudem menschlicher; denn auch Flüchtlinge brauchen einen Rückzugsraum, sie brauchen Privatsphäre. Diese haben sie nicht, wenn sie mit ihrer Familie in einem Zimmer oder zwei Zimmern wohnen, die Toilette ganz hinten auf dem Gang finden und sich mit 40, 50 oder sogar 60 anderen Personen eine Küche, die ihren Namen nicht verdient, teilen müssen. Die anderen dort untergebrachten Asylbewerber kennen sie in der Regel nicht, da viele von Ihnen eine andere Sprache sprechen und aus einem anderen Kulturkreis kommen; zudem ist die Fluktuation hoch. Solche Unterkünfte dienen niemandem. Sie dienen nur der Abschreckung, von der sich der Bayerische Landtag aber verabschiedet hat. Wir wollen, dass wir uns auch in der Praxis von dem Prinzip der Abschreckung verabschiedet.
Stattdessen müssen wir uns endlich darum bemühen, die Flüchtlinge, die zu uns kommen, angemessen unterzubringen.
In diesem Sinne hoffen wir auf eine gründliche Beratung über unseren Gesetzentwurf und auf Zustimmung, wenn Sie Ihre Verweigerungshaltung hoffentlich aufgegeben haben.
Danke schön, Frau Kollegin. – Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat Herr Kollege Joachim Unterländer von der CSU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben bei der Unterbringung von Asylbewerbern, in erster Linie im Bereich der Erstaufnahme, unzweideutig große Herausforderungen zu meistern. Dies bedarf unser aller Anstrengung. Vor allen Dingen ist es notwendig, dass unbürokratisch und schnell gehandelt wird. Neue Hürden, die uns zusätzliche Probleme bereiten, dürfen nicht aufgebaut werden.
Der vorliegende Gesetzentwurf beschäftigt sich in erster Linie damit - Frau Kollegin Kamm, Sie müssen zugeben, dass das Ihr Hauptziel ist -, Asylbewerber, die auszugsberechtigt sind, nach einem anderen System unterzubringen. Wir müssen überlegen, welcher Weg am sinnvollsten realisierbar ist und wie sich die gesellschaftliche Realität darstellt.
Ich weise darauf hin, dass die Wohnungssituation in den Ballungsräumen - aber nicht nur dort - dramatisch ist. Die Nachfrage nach Wohnraum ist hier sehr hoch. Wenn eine Wohnung frei wird, wird sie geradezu reflexartig wieder belegt. Selbst Menschen, die hier schon länger auf Wohnungssuche sind, fällt es schwer, tatsächlich eine Wohnung bekommen.
Diese dramatische Wohnungssituation, gepaart mit den Problemen, die auch dadurch entstanden sind und noch immer entstehen, dass wir in den Erstaufnahmeeinrichtungen und in den Gemeinschaftsunterkünften Fehlbelegungen haben - die Zahl 3.000 war in den vergangenen Wochen in der Diskussion -, zeigt, dass schon heute ein großes Potenzial an auszugsberechtigten Personen vorhanden ist. Aber sie finden keine Wohnung, weil der Markt nichts hergibt. Das muss man realistisch feststellen und in der Diskussion berücksichtigen.
Das ist nicht nur in München so, Frau Kollegin Bause. – Wir müssen darüber hinaus sehen, dass wir in der vergangenen Legislaturperiode nach zugegebenermaßen sehr intensiven Diskussionen eine Neugestaltung des Aufnahmegesetzes realisiert haben, die bereits heute Veränderungen in diesem Bereich ermöglicht. Die neuen Regelungen müssen unbürokratisch umgesetzt werden; in diesem Sinne ist zu handeln. Bereits heute gibt es Auszugsmöglichkeiten, die wir, der Bayerische Landtag als Gesetzgeber, beschlossen haben und die offensiv genutzt werden.
Meine Damen und Herren, ich bin wie sicherlich das gesamte Hohe Haus froh darüber, dass der Druck, der durch einen erhöhten Anteil an Flüchtlingen und Asylbewerbern in dem gesamtgesellschaftlichen Gefüge vorhanden ist, anders als in den 1980er-Jahren nicht zu sozialem Unfrieden, sondern zu großer Hilfsbereitschaft geführt hat. Diese Hilfsbereitschaft hat dazu beigetragen, dass die Probleme nicht noch größer geworden sind.
Aber wir müssen aufpassen, dass die Diskussion über das Thema nicht in eine gefährliche Schieflage kommt. Damit die Bevölkerung die Aufnahme weiterhin akzeptiert, ist es notwendig, ernsthaft und sorgfältig mit dem Thema umzugehen. Sie kennen verschiedene Vorfälle, die entsprechende Probleme bereitet haben. Lassen Sie uns deshalb in diesem Sinne gemeinsam über den Gesetzentwurf beraten. Aber bedenken Sie: Er ist nicht die Lösung der Probleme, die wir im Moment haben.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert): Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der Aufnahme von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Bayern wird heute Abend bei den Dringlichkeitsanträgen noch einen größeren Aufschlag finden. Meine beiden Vorredner sind schon kurz darauf eingegangen. Die Menschen, die im Moment zu uns kommen und Schutz und Hilfe suchen, brauchen eine menschenwürdige Unterbringung. Sie brauchen eine Unterbringung, die dem Freistaat Bayern mit seinem Status als relativ reiches Land nicht die Schamröte ins Gesicht treibt, sondern von der wir sagen können: Das ist okay.
Ich will jetzt auf den Gesetzentwurf der GRÜNEN eingehen. Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, der Hintergrund dieses Gesetzentwurfs spielt im Ausschuss schon seit fünf Jahren eine Rolle. Frau Kollegin Kamm und alle, die im Sozialausschuss sind, wissen das. Im Grunde geht es dabei um das Leverkusener Modell und um die Modelle anderer
Bundesländer, in deren Aufnahmegesetzen nicht zwangsweise die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften gefordert wird. Nach diesen Modellen kann freier Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Wir haben hier eine hohe Affinität, aber auch einige Fragen und Bedenken, über die wir im Ausschuss gebührend diskutieren werden. Wie unser Votum ausfallen wird, muss in der Ersten Lesung noch nicht gleich deutlich werden.
Ich möchte vorausschicken: Einiges an Ihrem Gesetzentwurf gefällt mir ganz gut, zum Beispiel der Artikel 6. Ich möchte diesen Artikel 6 ausdrücklich begrüßen.
Ich möchte eine Frage an die Regierungsbank richten: Für mich ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, dass Menschen, die bereit sind, Flüchtlinge in ihre Einliegerwohnung oder in ein freies Zimmer aufzunehmen, dazu nicht die Möglichkeit erhalten. Herr Kollege Unterländer hat schon darauf hingewiesen, dass es Gott sei Dank eine hohe Bereitschaft gibt, Menschen, die zu uns kommen, ein Stück Geborgenheit zu vermitteln. Das ist mir völlig unverständlich; denn dies würde zu einer Entlastung der großen Unterkünfte führen.
Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, eines müssen Sie zugeben: So ganz glauben Sie an die Versorgung durch kleine Wohneinheiten selbst nicht; denn Sie beschäftigen sich in Ihrem Gesetzentwurf mehr mit Ausnahmen als mit der Regel. Der Artikel 3, der sich mit den Gemeinschaftsunterkünften beschäftigt, ist ziemlich lang. Sie sagen immer wieder: Wenn es nicht geht, dann müssen die Menschen in die Gemeinschaftsunterkünfte.
Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ich habe die Befürchtung, dass wir mit diesem Gesetzentwurf die Staatsregierung aus der Verantwortung nehmen, weil die Zuständigkeit für die Wohnraumversorgung letztlich auf die Gemeinden verlagert wird. Dazu können wir unsere Zustimmung nicht geben, bevor wir über dieses Thema ausführlich mit unseren Kommunalpolitikern diskutiert haben. Sie schreiben selbst, dass Sie keine Zuordnung von Flüchtlingen an Regionen wünschen, in denen es keine Infrastruktur gibt. Das schließen Sie aus. Also geht es im Prinzip um die größeren, kleineren und mittleren Städte. Man kann den Gemeinden nicht sagen, dass sie dafür zukünftig zuständig sind. Eigentlich müsste die CSU dem Gesetzentwurf zustimmen; denn damit würden Sie ein Stück Verantwortung übertragen. Wir müssen darüber
sorgfältig diskutieren. Ich möchte, wie gesagt, die Staatsregierung nicht aus der Verantwortung nehmen.
Herr Kollege Unterländer, noch ein Wort zur Möglichkeit des Auszugs. Wir haben schon damals, als es um die Möglichkeiten des Auszugs ging, auf die vielen bürokratischen Hemmnisse hingewiesen, die sich in der Praxis gezeigt haben. Wir hätten dies gerne gelockert. Der Grundsatz sollte sein, dass alle Flüchtlinge in Privatwohnungen untergebracht werden, es sei denn, dass solche Wohnungen nicht zur Verfügung gestellt werden. Dann sollen sie in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Dafür sind dann die Kommunen zuständig. Darüber müssen wir noch ausführlich diskutieren.
Danke schön, Frau Kollegin. Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Hans Jürgen Fahn von den FREIEN WÄHLERN das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als wir diesen Gesetzentwurf gesehen haben, haben wir uns zunächst einmal total gewundert und festgestellt, dass dieser Gesetzentwurf praktisch identisch mit dem Gesetzentwurf der GRÜNEN aus dem Jahr 2009 ist, allerdings drei ganz kleine Veränderungen aufweist. Wir haben über diesen Gesetzentwurf also schon diskutiert und ihn in verschiedenen Ansätzen ganz gut gefunden. Er ist ein Baustein für eine bessere Asylpolitik. Wir FREIEN WÄHLER sagen aber ganz klar: Die Interessen der Kommunen sind in diesem Gesetzentwurf nicht richtig berücksichtigt worden. Ich habe diesen Gesetzentwurf unseren Landräten geschickt, die mich auf einige Punkte hingewiesen haben, die wir in dieser Form nicht mittragen können. Hier bedarf es noch konkreter gesetzlicher Regelungen.
Im Moment ist Asyl das brennende Thema. Jeden Tag finden sich zwei bis drei Seiten in den Zeitungen. Ich stimme dem Ministerpräsidenten zu, wenn er heute im "Münchner Merkur" sagt, dass wir eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Beteiligten, Bund, Länder und Gemeinden, bräuchten, um dieses Problem zu lösen. Herr Ministerpräsident, Sie haben von einer "Gemeinschaftsaktion" gesprochen. Ich bitte Sie deshalb, auch alle einzubeziehen. Ich bin schon gespannt auf die Beratung der anderen Anträge. Früher war es so, dass die CSU Anträge der SPD, der FREIEN WÄHLER oder der GRÜNEN abgelehnt hat, weil sie bereits tätig geworden sei und das ganze Thema im Griff habe. Derzeit lesen wir in den Zeitungen, dass Sie dieses Thema noch nicht ganz im Griff haben. Das jedoch nur am Rande.