Protocol of the Session on October 15, 2014

(Beifall bei der SPD)

Es gibt einen Widerspruch zwischen der Realität und den Sonntagsreden und Hochglanzprospekten. Ich erinnere an das bayerische Biodiversitätsprogramm, das im Juli verabschiedet worden ist. Herr Ministerpräsident, Sie lassen sich im Vorwort mit den Worten zitieren: Die Schönheit von Natur und Landschaft und die natürliche Vielfalt der Arten und Lebensräume sind ein Markenzeichen Bayerns, und der Erhalt der biologischen Vielfalt ist ein wichtiges Ziel der bayerischen Umweltpolitik. – Wenn man das so sagt und meint, dann muss man diesen Worten auch konkrete Taten folgen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Nicht umsonst haben die Vereinten Nationen dieses Jahrzehnt, also die Dekade bis zum Jahr 2020, zur Dekade der Biodiversität erklärt. Nicht umsonst ist es ein internationales Ziel und Inhalt von internationalen Abkommen seit dem Erdgipfel in Rio im Jahr 1992. Diese Notwendigkeit besteht auch in Bayern. Im bayerischen Biodiversitätsprogramm steht, dass 40 % aller untersuchten Tier-, Pflanzen- und Pilzarten in Bayern akut gefährdet und aktuell 1.200 Tier- und Pflanzenarten sogar vom Aussterben bedroht sind.

Hinzu kommt, dass Sie erst vor Kurzem den ökologischen Zustand der FFH-Gebiete nach Brüssel melden mussten. In den meisten Gebieten hat sich die Situation verschlechtert. Deswegen möchte ich Sie an dieser Stelle aufrufen, Ihren Worten Taten folgen zu lassen, Nägel mit Köpfen zu machen und vor allem im Vollzug der FFH-Richtlinie nachzulegen, nämlich Ausnahmen abzuschaffen, die Managementpläne für den Bereich FFH endlich weiter zu beschleunigen und vor allem das Monitoring der Gebiete zu verbessern und transparenter zu gestalten.

Erlauben Sie mir zum Schluss noch ein Wort zur Bayerischen Kompensationsverordnung, die wir grundsätzlich für richtig halten. Wir haben allerdings einige Bedenken bezüglich der verfassungsrechtlichen Situation und werden uns das Ganze sicher noch einmal genauer anschauen. So wie ich es verstanden habe, wollen Sie eine zukünftige Regelung durch den Bund also im Vorgriff pauschal und präventiv ausschließen. Hier müssen wir auch im Ausschuss genau prüfen, ob das mit Artikel 72 Absatz 3 des Grundgesetzes vereinbar ist.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Dr. Otto Hünnerkopf von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Ministerin hat die wesentlichen Aspekte dieser nötigen Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes schon dargestellt. Insofern will ich mich auf einige Anmerkungen beschränken. - Lieber Kollege von Brunn, es geht letzten Endes nur noch um eine Formsache, nämlich darum, die FFH-Gebiete in sogenannte besondere Schutzgebiete zu überführen; de facto ändert sich kaum etwas.

(Zuruf von der SPD: Schlimm genug!)

Unsere Landwirte und die Grundeigentümer wissen sehr wohl, dass wir in einem sehr hohen Umfang über SPA-Gebiete, also Vogelschutzgebiete, und auch FFH-Gebiete verfügen. Sie leben nun schon seit geraumer Zeit mit den damit verbundenen Rücksichtnahmen.

(Zuruf der Abgeordneten Susann Biedefeld (SPD))

Insofern ist das Ganze – ich wiederhole mich – nur eine Formsache. Es liegt in der Natur der Sache, dass Sie alle Erfolge schlechtreden wollen und müssen, aber zur Bayerischen Biodiversitätsstrategie ist eindeutig festzustellen: Wir sind stolz darauf, dass sich viele Tier- und Pflanzenarten wieder ausbreiten können und dass wir ein Konzept haben, um dies auch in den nächsten Jahrzehnten weiter zu unterstützen. Daran gibt es nicht zu deuteln oder zu rütteln.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, allein die Tatsache, dass nur 16 von 61 angehörten Verbänden Stellung genommen haben, macht deutlich, dass zu diesem Gesetzentwurf nicht so viele Anregungen notwendig waren. Insofern ist auch bewiesen, dass die Staatsregierung hiermit die nötigen und richtigen Festlegungen getroffen hat. - Wir werden uns in den Ausschüssen, vor allem im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz, mit dem Entwurf der Staatsregierung befassen und ihn mit Sicherheit offen und wohlwollend diskutieren.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. - Als Nächster hat der Kollege

Benno Zierer von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren! Den Weg, der mit dieser Gesetzesänderung beschritten werden soll, nämlich die FFH-Gebiete mit einer Verordnung festzusetzen und rechtlich zu sichern, sind bereits einige Bundesländer vorausgegangen, zum Beispiel Hessen 2008, Rheinland-Pfalz 2010 oder Sachsen 2012. Jetzt soll auch in Bayern diese Verordnung über die Vogelschutzgebiete hinaus ergänzt werden, um mit den FFH-Flächen alle diese Gebiete zu umfassen, die dem Netzwerk Natura 2000 entsprechen. Bayern hat bislang auf Vertragsnaturschutz gesetzt. Ich finde, das war ein richtiger Weg. So wurde die naturschutzgerechte Bewirtschaftung auf freiwilliger Basis erreicht – ein Weg, der auf jeden Fall so weitergegangen werden muss.

Allerdings hat bisher der formale rechtliche Schutzstatus gefehlt. In verschiedenen Urteilen hat der Europäische Gerichtshof deutlich gemacht, dass die FFHGebiete durch einen formalen hoheitlichen Akt festgesetzt werden müssen. In dem Verfahren ging es zwar um Vogelschutzgebiete, aber es hat sich herauskristallisiert, dass sie auch auf FFH-Gebiete übertragbar sein werden. Entsprechende Urteile stammen zum Teil schon aus den Neunzigerjahren. Man hätte in Bayern ohne Weiteres auch schon früher Überlegungen anstellen können, auch diesen Gebieten den geforderten Schutzstatus zu geben. Es hat jedoch alles seine Zeit gedauert, bis die Gebiete überhaupt ermittelt wurden. Dies ist sicherlich nicht der Staatsregierung anzulasten, sondern den einzelnen Gemeinden und Städten.

Das Bundesnaturschutzgesetz zeigt eine Präferenz auf, die Natura-2000-Gebiete als Schutzgebiete in den Kategorien auszuweisen, die auch im Gesetz genannt sind, also als Naturschutzgebiete, Biosphärenreservate oder auch Landschaftsschutzgebiete. Wir sehen allerdings kein Problem darin, die rechtliche Sicherung so vorzunehmen, wie es die Staatsregierung mit dieser Gesetzesänderung vorhat. Wichtiger als die formale Unterschutzstellung ist ohnehin die praktische Umsetzung konkreter Maßnahmen in FFH-Gebieten; denn jüngste Berichte, der Artenschutzbericht oder der FFH-Bericht 2013, haben eindeutig gezeigt, dass sich etwas tun muss.

Zur Erinnerung: Im Bericht 2013 wurden in der kontinentalen biogeografischen Region, also außerhalb der Alpen, 145 Tier- und Pflanzenarten bewertet. 60 % davon hatten einen ungünstigen Erhaltungszustand. In der alpinen Region sieht es etwas besser aus, aber Handlungsbedarf gibt es dennoch überall.

Der Bericht fordert eine Trendumkehr bei zahlreichen Schutzgütern. Wichtig wird es sein, die Managementpläne für die FFH-Gebiete fertigzustellen. Wir sind der Meinung, es ist richtig und notwendig, dass die Grundeigentümer, die Nutzer, die Kommunen und Verbände in diese Prozesse mit einbezogen werden. Die Runden Tische bewähren sich; auch wenn es vielleicht etwas länger dauert, so wird die Akzeptanz doch dadurch erhöht.

Bis 2019 sollten diese Managementpläne vorliegen, und bis dahin sollte definitiv etwas erreicht werden. Diejenigen, die konkrete Maßnahmen umsetzen können, müssen natürlich dementsprechend ausgestattet werden. Ich denke in erster Linie an die Landschaftspflegeverbände oder an die Naturparke. Man hört immer wieder, dass viel mehr möglich wäre - bei Artenhilfsprogrammen, bei Landschaftspflegemaßnahmen, bei der Biotoppflege -, wenn nur die personelle Grundausstattung besser wäre. Hier könnte der Freistaat den Kommunen durchaus unter die Arme greifen. Auch die staatlichen Naturschutzbehörden klagen darüber, dass sie zu wenig Kapazitäten haben, wogegen sie energisch angehen wollen. Mit diesen Themen werden wir uns in der nächsten Zeit umfassend beschäftigen müssen.

Der zweite Punkt der Gesetzesänderung räumt der Bayerischen Kompensationsverordnung Vorrang vor der Verordnung des Bundes ein. Wir finden das richtig, und darum werden wir zustimmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. Als Nächster hat der Kollege Dr. Christian Magerl von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, Hohes Haus! Wenn man sich den Gesetzentwurf und den Vorlauf dazu anschaut, kann man sagen: Der Berg kreißte und gebar ein Mäuslein – mehr ist das in der Tat nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Hünnerkopf hat gesagt, de facto ändere sich nichts. Es ist meine große Befürchtung, dass sich dadurch wirklich nichts zum Besseren wendet. Freiwillig machen Sie das Ganze sowieso nicht. Es ist zustande gekommen durch Rechtsprechung auf EUEbene und durch das eingeleitete Pilotverfahren – wie gesagt, die Vorstufe zum Vertragsverletzungsverfahren. Also: Ohne Zwang aus Europa bewegen Sie sich, was Naturschutz und Artenschutz anbelangt, in keiner Weise.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Hünnerkopf, wenn Sie sagen, es hat sich etwas verbessert: Ich empfehle Ihnen, die Antworten auf meine Anfragen zur Biodiversität zu lesen. Die Vorgabe der Biodiversitätsstrategie war, die Hälfe der Arten der Roten Liste um eine Stufe zu verbessern. Zum Zeitpunkt der Mitte der Durchführung dieser Strategie habe ich nachgefragt: Was wurde denn erreicht? Immerhin könnte nach sechs Jahren etwas geschehen sein. Es wurde gesagt: Bei acht Arten ist eine Verbesserung eingetreten, bei sieben Arten eine Verschlechterung – summa summarum eine Verbesserung für eine Art. Auf der Roten Liste stehen, wenn ich es richtig weiß, 16.000 Arten. Von der Verbesserung der Hälfte ist man weit, weit entfernt. Eine Art eine Libellenart - ist in diesem Zeitraum wahrscheinlich ausgestorben.

Es stimmt nicht, dass sich hier irgendetwas verbessert hätte. Lesen Sie doch die Broschüren, die vom Ministerium kommen. Im Biodiversitätsprogramm 2030 steht, ich zitiere: "Eine Trendwende beim Verlust der natürlichen Vielfalt ist noch nicht in Sicht." Originalton Ministerium:

… jedoch wird aufgrund des fortschreitenden Rückgangs bei vielen Artengruppen klar, dass die bisherigen Anstrengungen nicht ausreichen. … Es besteht somit dringender Handlungsbedarf.

Alles Zitate aus der Broschüre des Umweltministeriums. Sie aber stellen sich hier hin und sagen, es gebe eine Verbesserung, sagen, es wäre quasi alles gut. Es ist mitnichten gut.

Der Bericht zur Bewertung der bayerischen FFH-Gebiete – er ist mehrfach zitiert worden, wir werden ihn Anfang Dezember im Ausschuss ausführlich diskutieren – ist eine Bankrotterklärung im Bereich Natur und Artenschutz für diese Staatsregierung.

Sie haben deutliche Verschlechterungen statt Verbesserungen beziehungsweise keine Verschlechterungen bei vielen Lebensräumen, bei vielen Tier- Pflanzenarten, die Sie schützen müssen. Das stellt Ihr eigenes Haus, Frau Ministerin Scharf, fest. Das sind nicht meine Feststellungen, aber ich könnte sie durch eigene Feststellungen als Biologe jederzeit noch umfangreich ergänzen.

Wir brauchen eine Trendwende. Mit diesem Gesetzentwurf werden wir die Trendwende mit Sicherheit nicht erreichen. Ob ein Unterschutzstellen wie bei der Vogelschutzgebietsverordnung ausreicht, wage ich zu bezweifeln. Sie sollten wirklich, wie das andere Bundesländer teilweise auch gemacht haben, deutliche Unterschutzstellungen nach Naturschutzrecht als Na

turschutzgebiete machen. Da haben wir eine wirkliche Sicherung dieser Gebiete. Mit dem hier werden Sie keine Verbesserung erreichen. Die Verschlechterungen im Natur- und Artenschutz werden bei uns weitergehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu Ihren Ausführungen zu § 15 Absatz 7 des Bundesnaturschutzgesetzes, das ist die Kompensationsverordnung auf Bundesebene: Da geht es nicht nur darum, die Bayerische Kompensationsverordnung zu schützen, sondern es geht wesentlich weiter. Den Satz muss man genau lesen. "§ 15 Abs. 7 BNatSchG und darauf gestützte Verordnungen des Bundes finden keine Anwendung." Völlig wurscht, welche Verordnungen der Bund irgendwann beschließt, sie finden keine Anwendung. Ich habe schwerste Bedenken, ob das mit dem Grundgesetz und mit unserem Rechtstaat überhaupt vereinbar ist. Das werden wir im Ausschuss ausführlich diskutieren müssen. Gegebenenfalls werden wir uns außerhalb des Hauses rechtlichen Beistand suchen müssen.

Sie verstoßen meines Erachtens gegen geltendes Recht, indem Sie einfach per se sagen, ohne zu wissen, was der Bund irgendwann in diese Verordnungen reinschreibt: Er kann reinschreiben, was er will, in Bayern findet das keine Anwendung. So etwas habe ich persönlich in einem Gesetzgebungsverfahren noch nicht erlebt, dass man Bundesverordnungen per se ohne Weiteres von vornherein ausschließt. Wir werden den Gesetzentwurf ausführlich im federführenden Ausschuss beraten wie jeden anderen Gesetzentwurf auch. Ich kann aber jetzt schon signalisieren: Wenn nicht noch gravierende Veränderungen von Ihrer Seite eingebracht werden, können wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Wir werden ihn in der jetzt vorliegenden Form ablehnen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist Aussprache über den Gesetzentwurf der Staatsregierung beendet. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Widerspruch sehe ich nicht. Dann ist es so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 d auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Christine Kamm u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eines Gesetzes über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge sowie deren Versorgung mit Wohnraum (Drs. 17/3180) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Christine Kamm von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Wir kommen heute noch einmal etwas später zu dem Punkt: Wie verbessern wir die Erstaufnahmesituation für Flüchtlinge und Schutzsuchende in Bayern? Es ist mittlerweile durchgedrungen, dass großer Handlungsbedarf zur Verbesserung der Erstaufnahme besteht. Allerdings glauben wir nicht, dass das Problem mit Worten wie "Krisenmodus", "Taskforce", "Krisenstäbe" und ähnlichen schlagkräftigen Worten gelöst werden kann. Wir brauchen dringend anständiges, transparentes Verwaltungshandeln, die Ausstattung der Regierungen mit den erforderlichen personellen Kapazitäten und eine gute Kommunikation mit den Kommunen, die bei der Unterbringung der Flüchtlinge, auch bei der Erstaufnahme sehr viel Hilfe leisten, obwohl sie dafür eigentlich gar nicht zuständig sind.

(Beifall des Abgeordneten Thomas Gehring (GRÜNE))

Die Kommunikation muss auf Augenhöhe erfolgen, nicht von oben herab, damit die Kommunen und die Träger der Einrichtungen, in denen eine Notunterbringung der Flüchtlinge erfolgt, sachgerecht informiert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)