Protocol of the Session on July 16, 2014

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Erwin Huber, Karl Freller u. a. und Fraktion (CSU) Pkw-Maut (Drs. 17/2679)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist Kollege Glauber von den FREIEN WÄHLERN. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr verehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach einer energiegeladenen Debatte ist klar, dass es im Haus erst einmal gewisse Turbulenzen gibt. Die nächste Debatte ist aber genauso spannend für Bayern. Ich spreche den Verkehrsminister, den Finanzminister und die Wirtschaftsministerin an: Wie stehen Sie eigentlich zu Ihrem Ministerpräsidenten, der die Maut, die uns jetzt vorgelegt wird, im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat? Als Bayerischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender lobt er diese Maut auch noch. Ich dachte immer, der Bayerische Ministerpräsident muss Schaden von Bayern abwenden und die Interessen Bayerns vertreten. Mit dieser Maut werden Sie die Interessen Bayerns extrem schädigen, statt sie aktiv zu vertreten. Am Tag der Franken muss sich der Verkehrsminister vor die Kameras stellen und die Maut loben. Herr Herrmann, ich frage mich, worin das Lob bestehen soll.

Bayern verfügt als Bundesland über eine Außengrenze von 1.192 km. Die Außengrenze entlang Österreichs beträgt 816 km, entlang Tschechiens 357 km und entlang der Schweiz 19 km. Wie reagieren die Bürgerinnen und Bürger, wie reagieren das Handwerk und der Handel, wie reagieren die Kommunen auf die Mautpläne, die Ihr Verkehrsminister Dobrindt in Berlin vorgelegt hat? - Ich will Ihnen einen Auszug aus den Pressemeldungen geben: Der Handelsverband Bayern spricht von einer Eintrittsgebühr für den Einzelhandel und das Gewerbe in Bayern. Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch der Stadt Selb sagt, die Vignette wäre für Selb eine Katastrophe: Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Tschechien befinde sich auf einem guten Wege, und die Vignette schade an dieser Stelle.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Gastronomie, unser Tourismus, unser Einzelhandel und unsere ostbayerischen Regionen werden unter diesen Vignetten- und Mautplänen leiden. Deshalb haben wir unseren Dringlichkeitsantrag eingereicht. Wir erwarten eine sofortige Auskunft. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie Schaden von Bayern, vor allem von den ostbaye

rischen Regionen, vom Tourismus und vom Einzelhandel abwenden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das gehört sich so für einen Bayerischen Ministerpräsidenten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der erste Teil hat den Handel betroffen. Jetzt spreche ich den Finanz- und den Verkehrsminister an: Was ist mit der Kompensationsleistung der Kraftfahrzeugsteuer, die neu verhandelt werden muss? Derzeit haben wir in Bayern sichere Einnahmen in Höhe von 1,55 Milliarden Euro. Über 800 Millionen Euro werden in unsere Kommunen transferiert. Das sind 52,5 %. Unsere Kommunen brauchen diese 800 Millionen Euro. Wir fordern, die Kommunen mit einem Beitrag in Höhe von 55 % zu stärken. Dabei bleiben wir auch. Das werden wir in den Haushaltsverhandlungen wieder einbringen. Im jetzigen System verbleibt das Geld jedoch nicht mehr im Steuerverbund. Ich frage den Finanz- und den Verkehrsminister: Wieso wollen Sie eine nicht verhandelte Ausgangssituation akzeptieren? Sie müssen klare Nachteile für Bayern und die bayerische Wirtschaft in Kauf nehmen, wenn die Situation so bleibt, wie sie ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ich bitte die CSUFraktion, darüber nachzudenken. Sie sind im Bayerischen Landtag. Sie haben bayerische Interessen zu vertreten. Mit diesem Antrag fordern wir das Beste für Bayern. Mit Ihren Mautplänen wollen Sie nicht das Beste für Bayern. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. Dem Landtag soll darüber berichtet werden, wie die vorgebrachten Argumente in Zukunft entkräftet werden können.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Als Nächster hat Herr Kollege Bernhard Roos von der SPDFraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, Herr Innen- und Verkehrsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die "Passauer Neue Presse" fällt heute im Kommentarteil ein ziemlich vernichtendes Urteil über die Pläne von Bundesverkehrsminister Dobrindt. Dem schließen sich sehr viele an. Die "Passauer Neue Presse" steht nur exemplarisch für viele andere. Das sind Verbände, die Wirtschaft, viele Betroffene und das benachbarte und ach so befreundete Ausland wie Österreich. Die oberösterreichische Landesregierung plant eine Klage gegen eine irgendwie geartete Pkw-Maut oder eine sogenannte Infrastrukturabgabe. Herr Ministerpräsident, Sie stehen sicher in sehr freundschaftlichen Beziehungen mit Herrn Pühringer. Wenn Herr Pühringer als Landeshauptmann derartige Töne anschlägt, gibt das zu den

ken. Das sollte Ihnen zu denken geben. Das sollte von Ihrem Parteifreund, der von Ihnen den Auftrag erhalten hat, eine Maut zu entwickeln, beachtet werden.

Das ist wie in "Täglich grüßt das Murmeltier". Das Thema grüßt uns nicht täglich, aber immer mal wieder. Seit 30 Jahren bringen Sie die Pkw-Maut für Ausländer und die Kompensation für Inländer auf den Tisch. Das ist ein Wahlkampf-Motor, weil Sie an die niederen Instinkte appellieren. Das ist aber für den Freistaat absolut schädlich. Deshalb fordern wir die CSU-Fraktion auf, unserem Antrag zuzustimmen, damit dieses Konstrukt als missraten zurückgezogen wird und Sie diese Pläne begraben; denn der Koalitionsvertag sagt "soll".

Wenn eine politische Idee entwickelt wurde, die sich nicht als valide erweist, dann kann man davon auch wieder Abstand nehmen, und zwar ohne Gesichtsverlust, den Sie fraglos fürchten. Es ist klüger, einen Fehler einzugestehen und eine Sackgasse zu verlassen, als mit Macht darauf zu setzen, dass das Begehren endlich durchgesetzt wird. Deswegen fordern wir eine Anhörung von Experten. Auch wenn die Pendlerströme aus Tschechien, Österreich und natürlich auch der Schweiz eher in die andere Richtung gehen, so kommen aus Österreich und Tschechien doch viele Fachkräfte zu uns, die dann mit einer Straßennutzungsgebühr belastet würden, und zwar bis zur kleinsten Kommunalstraße hinunter. Das ist völlig abwegig.

Wir sind der Meinung, dass Ihr Vorschlag bürokratisch ist und dass – auf Niederbayerisch ausgedrückt – die Soße teurer ist als der Braten. Wir sind auch der Meinung, dass dieses Konzept angesichts eines Rohertrags von 600 Millionen Euro, die vielleicht bleiben – und das ist hoch geschätzt -, unsolide ist. Eine Untersuchung der Universität Friedrichshafen geht von nur 100 Millionen Euro aus, und diese 100 Millionen Euro müsste dann der Bund mit den Kommunen und den Ländern teilen. Das Vorhaben ist ineffizient; denn es sind keinerlei Steuerungsfunktionen vorhanden, wie man den öffentlichen Verkehr anders portioniert und wie man die Ströme anders, also mehr in Richtung ÖPNV, lenkt. In der Idee der verfehlten Pkw-Maut sind auch keine Bestimmungen enthalten, wie man etwa die Elektromobilität stärker fördern könnte.

Das größte Manko ist das damit verbundene Risiko. Viele Kollateralschäden sind zu befürchten; denn Deutschland ist nicht nur Transitland, sondern hat auch viel kleinen Grenzverkehr. Das Konzept betrifft auch die kulturelle Seite. Wenn wir in Passau Europäische Wochen veranstalten, laden wir dazu natürlich auch die tschechischen und österreichischen Nachbarn ein. Auch in der südostbayerischen Ecke wollen die Menschen immer wieder zu uns kommen, etwa

aus Salzburg nach Rosenheim. Dabei geht es nicht nur um das Abschöpfen von Kaufkraft, sondern auch darum, den kulturellen Austausch zu fördern. Dieses Ziel wird hier völlig verfehlt.

Es gibt Konzepte zur Ausweitung der Lkw-Maut. Diese haben wir ebenso ins Auge gefasst. Herr Innenminister, diese Idee ist valide, da kann man mehr herausholen; denn es geht darum, dass wir die alljährlich 7,2 Milliarden Euro Defizit in der Infrastruktur, die die Bodewig-Kommission errechnet hat, holen und abschöpfen, ohne uns mit einem Popanz wie der Pkw-Maut für Ausländer zu beschäftigen. Die Kompensation all dieser Maßnahmen ist sehr kompliziert. Ich würde mich wiederholen. Deswegen fordere ich Sie auf, Ihren Antrag zurückzuziehen. Ziehen Sie die Konsequenz und stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Nein!)

- Das ist zwar eine klare, aber eine falsche Aussage.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von den GRÜNEN)

Sagen Sie ein beherztes Ja, dann gehen Sie als kluger Mann in die Geschichte ein.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Eberhard Rotter von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CSU-Fraktion begrüßt es ausdrücklich, dass Bundesverkehrsminister Dobrindt geliefert hat, wie dies angekündigt und im Koalitionsvertrag, der auch die SPD-Unterschrift trägt, festgelegt wurde. Die CSU-Fraktion hat deshalb einen eigenen Dringlichkeitsantrag eingereicht. Bundesminister Dobrindt schließt eine Gerechtigkeitslücke, wie wir das immer angekündigt haben. Die Maut wird keine inländischen Fahrzeughalter zusätzlich belasten. Wir werden für den Erhalt und den Ausbau von Straßen mehr Geld bekommen. Daher rufe ich dazu auf, unserem Dringlichkeitsantrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Angesichts der kontroversen Diskussion im Vorfeld auch der Bundestagswahlen – oder besser gesagt: angesichts des Theaterdonners, der damals schon veranstaltet wurde – war natürlich nicht zu erwarten, dass Sie diesem Vorschlag nunmehr begeistert zustimmen.

Die Anträge von den FREIEN WÄHLERN und der SPD enthalten Spekulationen. Im Übrigen wundere ich mich schon, dass die SPD im Landtag für eine reine Bundesangelegenheit eine Anhörung fordert, und das als Koalitionspartner im Bund. Ich gehe davon aus, dass dieses Thema auch in Berlin innerhalb der Koalition entsprechend diskutiert wird, sodass Sie hier keine Anhörung durchführen müssen.

(Beifall bei der CSU)

Geschätzter Herr Kollege Roos, Sie reden hier von Bürokratie. Da darf ich Sie darauf hinweisen, dass in Ihrem Antrag auch einschlägige Formulierungen stehen, etwa dass sämtliche Steuerungsfunktionen vermisst würden, beispielsweise eine Unterscheidung zwischen Wenig- und Vielfahrern, konventionellen Antrieben und E-Mobilität oder in Richtung intermodaler Verkehrskonzepte. Entweder ist es so, wie es jetzt vorgelegt worden ist, zu kompliziert oder nicht. Oder wollen Sie es noch komplizierter machen? – Darüber sollten Sie sich zunächst einmal im Klaren sein.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Karl Vetter (FREIE WÄHLER))

- Ja, ich bin jetzt bei Ihnen, Herr Dr. Vetter. Dass sich die FREIEN WÄHLER um den Freistaat und um die wirtschaftliche Entwicklung Sorgen machen, ist durchaus löblich. Aber den Freistaat Bayern hat die CSU ohnehin ständig im Blick. Deshalb brauchen Sie da keine Sorge haben. Wir teilen daher Ihre Befürchtung nicht, dass Bayern in der Summe Nachteile entstünden. Ich wohne bekanntermaßen in einer Grenzregion, wenn auch nicht zu Tschechien, aber zu Österreich hin. Im Übrigen ist auch bei der Einführung des Pickerl in Österreich nahezu der Untergang des Abendlandes beschworen worden. Obwohl man gesagt hat, es werde niemand mehr nach Österreich fahren, fahren die Leute nicht nur zum Skifahren, sondern auch zum Einkehren und Einkaufen weiterhin nach Österreich. All diese Befürchtungen sind also nicht eingetreten. Ich bin überzeugt, dass dies bei uns genauso wenig der Fall sein wird.

(Beifall bei der CSU)

Dobrindt wird vorgehalten, dass jetzt auch Bundesstraßen, Kommunalstraßen und Staatsstraßen belastet würden. Ich kann mich daran erinnern – das ist noch gar nicht lange her -, dass wir hier im Landtag eine Mautausweichdiskussion geführt haben, als die Österreicher die Korridorvignette bei uns am Bodensee und die Mautfreiheit in Kufstein abgeschafft haben. Bitte, jetzt zur Klarheit: Entweder wollen wir den Mautausweichverkehr verhindern – das ist mit dem Vorschlag Dobrindts mit Sicherheit gegeben – oder eben nicht. Aber in der einen Sitzung so und in

der anderen Sitzung anders zu argumentieren, ist unglaubwürdig.

(Beifall bei der CSU)

Besonders amüsiert hat mich, als Dobrindt am 7. Juli, also vorgestern vor einer Woche, seine Vorschläge präsentiert hat. Damals gab es auch von unserem Koalitionspartner in Berlin ein riesiges Gezeter. Aber zugleich kam sofort, gerade auch von den SPD-Ministerpräsidenten, der Ruf: Aber profitieren wollen wir. Das passt doch nicht. Wenn die Maut ohnehin kein Geld einbringt, ist das alles nichts. Aber dann von dem Nichts auch noch etwas abbekommen wollen, das ist schon eine besondere Argumentation.

Herr Kollege Roos, wir werden Ihren Antrag natürlich ablehnen. Herr Ministerpräsident hat es vorab mit seinem Nein schon verraten.

(Bernhard Roos (SPD): Das war keine Überraschung!)

- Sie waren nicht überrascht, das glaube ich. – Wir werden auch den Antrag der FREIEN WÄHLER ablehnen; denn wir teilen Ihre Befürchtungen nicht, insbesondere was die Auswirkungen auf grenznahe Regionen anbelangt. Diese Themen müssen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf Bundesebene angesprochen werden. Der Freistaat Bayern wird natürlich beim Bund auf eine entsprechend sorgfältige Analyse drängen. Das ist nicht unsere Aufgabe, sondern eine Aufgabe des Bundesgesetzgebers. Wir befürchten keine Nachteile, insbesondere nicht in Bezug auf die Kraftfahrzeugsteuer.

Herr Kollege Rotter, Herr Kollege Roos hat sich gemeldet. Möchten Sie eine Zwischenfrage stellen oder eine Zwischenbemerkung machen?

(Bernhard Roos (SPD): Eine Zwischenfrage!)

Herr Kollege Rotter, lassen Sie die Zwischenfrage zu?

Bitte, Herr Kollege Roos.

Herzlichen Dank, Herr Kollege Rotter. Meine Frage geht in folgende Richtung: Wenn eine Einnahme für die Kommunen oder die Länder erzielt werden soll, müssen dadurch doch zumindest die Verluste kompensiert werden. Gerade die grenznahen Kommunen werden durch den Wegfall bzw. die Beschneidung des grenznahen Verkehrs Einbußen haben. Deshalb ist es nur recht und billig,

wenn diese Kommunen den Finger heben und sagen: Wir möchten von diesen Einnahmen etwas haben, zumindest eine Teilkompensation.

Danke schön, Herr Kollege Roos. Herr Kollege Rotter, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Roos, ich gehe davon aus, dass Sie unseren Dringlichkeitsantrag gelesen haben. Der letzte Satz dieses Antrags lautet: "In den Verhandlungen ist auf eine angemessene Beteiligung der Länder und Kommunen an den Erlösen der Pkw-Maut hinzuwirken." Ich habe Verständnis dafür, dass auch Sie dies wollen. Sie sagen aber im gleichen Atemzug, dass durch die Maut nichts hereinkomme. Dann brauchen Sie auch keinen Anteil fordern. Das wollte ich vorher zum Ausdruck bringen.