Zur Verlängerung der Bindungswirkung des Bürgerentscheids auf zwei Jahre: Wie bereits erwähnt worden ist, war die Bindungswirkung zunächst drei Jahre. Das ist durch höchstrichterliche Entscheidung quasi moniert worden, worauf der bayerische Gesetzgeber ein Jahr als Bindungswirkung festgelegt hat.
Ich persönlich komme aus München, und ich sage Ihnen, neben der juristischen Bindungswirkung gibt es auch die politische Bindungswirkung. Der ehemalige Oberbürgermeister Kronawitter hatte ein Bürgerbegehren gegen den Hochhausbau in München angestrebt: kein Hochhaus über 100 Meter. Es sind schon mehrere Jahre seitdem vergangen, aber man hält sich immer noch an diesen Bürgerentscheid. Auch das Bürgerbegehren für drei Tunnel am Mittleren Ring war schon vor vielen Jahren. Die Tunnels werden gebaut.
Also neben der juristischen Bindungswirkung gibt es auch eine politische Bindungswirkung, und die sollte man nicht zu gering einschätzen. Umgehen kann man in der Tat alles. Man kann bei einem Jahr oder bei zwei Jahren Bindungswirkung versuchen, das auszusitzen. Ich halte beides nicht für sinnvoll. Ein vernünftiger Gemeinderat hält sich an den Bürgerentscheid. Schließlich ist auch das jeweilige Gremium seinen Bürgern rechenschaftspflichtig. Es finden ja regelmäßig Wahlen statt, und nichts ist unpopulärer, als wenn sich ein Gemeinderat über Entscheidungen der Bürger hinwegsetzt. Das sollte er sich sehr gut überlegen.
Es gibt keine Notwendigkeit, die Bindungsfrist zu ändern. Es gab grundsätzlich auch Bedenken, ob das im Einklang mit den Zustimmungsquoren verfassungsgemäß wäre. Ich glaube, die jetzige Lösung ist eine sinnvolle und hat sich im Großen und Ganzen bewährt.
Jetzt komme ich zu einem äußerst wesentlichen Punkt. Ich glaube, die Wirkungsmächtigkeit des Bürgerbegehrens ist vor allem eine politische. Wenn wir eine Klagemöglichkeit einführen, dann, so glaube ich, verändert das die Statik des Bürgerbegehrens massiv. Der Verfassungsgerichtshof hat ausgeführt, es muss schon auch noch das kommunale Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden geben. Es kann neue Gesichtspunkte geben, aber man kann nicht, insbesondere wenn sich Gerichtsverfahren über Jahre hinziehen, eine Gemeinde völlig handlungsunfähig machen. Es kann übrigens auch, wenn eine Gemeinde abwartet, wie eine anstehende Rechtsentscheidung ausgeht, sogar entgegen den eigentlichen Intentionen eines Volksbegehrens sein, einen Bürgerentscheid umzusetzen.
Es ist nicht sinnvoll, weitere juristische Verzögerungsmöglichkeiten einzuführen. Die Wirkung des Bürgerbegehrens ist, wie die Zahlen belegen, eine sehr große, vor allem eine politische. Ich glaube, dass bei diesem austarierten bayerischen System keine großen Änderungen notwendig sind, sodass beide Gesetzentwürfe abzulehnen sind oder zumindest keine
Danke schön, Herr Lorenz. Die letzte Rednerin zu diesen Ersten Lesungen ist die Kollegin Katharina Schulze für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich musste ein bisschen schmunzeln, als der Kollege Lorenz gerade hier stand und von der Erfolgsgeschichte der Bürgerentscheide und Bürgerbegehren geredet hat. Ich möchte nur kurz daran erinnern: 1995 haben die Bürgerinnen und Bürger gegen den Widerstand der CSU mit einem Instrument der direkten Demokratie, nämlich dem landesweiten Volksentscheid, überhaupt das Bürgerbegehren eingeführt.
Ich freue mich, dass es einen Prozess bei der CSU gab und Sie das jetzt auch positiv sehen. Wenn wir konstruktiv über die beiden guten Ideen von FREIEN WÄHLERN und SPD sprechen, werden Sie sich auch bewegen können, und wir können gemeinsam ein schönes Paket schnüren.
Denn eines ist wirklich klar: Der Bürgerentscheid hat sich in den vergangenen Jahren eindeutig zu einer Erfolgsgeschichte in Sachen Mitmachdemokratie entwickelt. Gerade in der Kommunalpolitik, wo man nur alle sechs Jahre mitbestimmen kann, hat man mittendrin eine Möglichkeit, seine Meinung kundzutun.
Es wurde schon gesagt, dass es unzählige Bürgerentscheide gab, aber auch Ratsentscheide. Das heißt, von beiden Seiten wurde die Meinung der Bürgerinnen und Bürger eingeholt. Daran sieht man: Aus dem kommunalpolitischen Alltag sind Bürgerbegehren nicht mehr wegzudenken.
Wir hatten erst vor Kurzem in vier Kommunen Ratsentscheide über die Austragung von Olympischen Winterspielen. Auch da hatten wir eine supergute inhaltliche Debatte zu diesem wichtigen Thema. Ich sehe bei CSU, SPD und FREIEN WÄHLERN ein biss
chen traurige Gesichter. Leider entsprach der Ausgang des Bürgerentscheids nicht der bei Ihnen vorherrschenden Meinung. Aber man kann nicht nur dann für Bürgerbeteiligung sein, wenn das dabei herauskommt, was man selber möchte.
Was haben also die Erfahrungen aus mittlerweile 19 Jahren Bürgerbegehren gezeigt? - Sie hat vor allem gezeigt, dass man das Instrument weiterentwickeln sollte und weiterentwickeln kann. Darum finde ich es gut, dass wir uns über die Zustimmungsquoren unterhalten. Wir haben gerade in den großen Städten oft das Problem, dass das Quorum von 20 % Zustimmung nicht immer leicht erreichbar ist und deswegen überproportional oft Bürgerbegehren scheitern. Also macht es Sinn, sich das genauer anzuschauen und im Ausschuss zu diskutieren, welche Grenze passen würde und welche nicht.
Nun komme ich zum zweiten Punkt, zur Bindungswirkung. Bisher beträgt sie ein Jahr, die FREIEN WÄHLER wollen zwei Jahre. Ich finde das absolut richtig, aber ich verstehe den Kollegen Andreas Lorenz nicht, der da mit dem Thema kommt: Es gibt ja auch eine politische Bindungswirkung. Wenn es ohnehin eine politische Bindungswirkung gibt, dann spricht nichts dagegen, sie auch auf zwei Jahre auszuweiten.
Wir hatten vorhin in der Debatte festgestellt, dass München nicht Bayern ist. Jetzt kommen Sie mit dem Argument, der Münchner Stadtrat wird sich über das eine Jahr hinaus an den Entscheid halten. Das können wir nicht als das Nonplusultra betrachten und sagen, dann wird das auch in ganz Bayern so sein. Deswegen ist es doch sinnvoll, eine klare Regel zu machen. Zwei Jahre sind eine Zeitspanne, die im Vergleich zu anderen Ländern weder an der oberen noch an der unteren Grenze, sondern genau in der Mitte liegt. Dann wird es juristisch haltbar sein. Zwei Jahre sind doch ein guter Kompromiss.
Viele Punkte in dem Antrag der SPD-Fraktion finden auch wir interessant und gut. Ich greife exemplarisch einige heraus: Auch ich kann nicht begreifen, warum Bürgerentscheide nicht gleichzeitig mit Wahlen oder Volksentscheiden stattfinden dürfen. Wir beraten doch regelmäßig darüber, wie wir es schaffen können, dass mehr Menschen wählen gehen. Wenn mehrere Abstimmungen oder Wahlen anstehen und die Termine
nicht zu weit auseinanderliegen, ist die Bündelung an einem Sonntag durchaus sinnvoll, jedenfalls besser, als die Menschen an zwei oder drei Sonntagen hintereinander in die Wahllokale gehen zu lassen. Nebenher werden übrigens auch Kosten gespart.
Auch der zweite Punkt, die Schutzwirkung für Bürgerbegehren, ist sinnvoll und muss unbedingt kommen. Bisher gibt es insoweit eine Lücke. Man muss immer abwägen; es darf deswegen keine Blockade im Gemeinderat geben. Es ist aber kein Entscheidungsstopp für immer. Vielmehr ist im Entwurf klar formuliert – auch Mehr Demokratie e. V. hat schon einen Vorschlag dazu unterbreitet –, wie lange der Gemeinderat sich nicht darüber hinwegsetzen kann. Das wäre eine sinnvolle, praktische Regelung. Insofern kann ich, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehen, wieso Sie von der CSU damit so ein großes Problem haben.
Das waren die wichtigsten Punkte. Wir finden die Ideen der anderen beiden Oppositionsfraktionen nicht nur charmant und sympathisch, sondern auch richtig und zielführend. Wir müssen an diesem Thema weiter arbeiten. Ich lade die Herren und Damen von der CSU nochmals herzlich ein, sich an der Debatte konstruktiv zu beteiligen. Ich bin mir sicher, wir werden Lösungen finden. Dann können Sie tatsächlich weiterhin davon sprechen, dass Bürgerbegehren und Bürgerentscheide Erfolgsgeschichten in Bayern sind, und wir alle gemeinsam können uns freuen, wenn wir etwas Schönes auf die Beine gestellt haben.
Vielen Dank, Frau Schulze. – Die Aussprache ist damit geschlossen. Ich schlage vor, beide Gesetzentwürfe dem Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das scheint der Fall zu sein. Dann ist das so beschlossen.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Arif Tasdelen, Inge Aures u. a. und Fraktion (SPD) zur Verbesserung des Mitspracherechts von Nicht-Unionsbürgerinnen und NichtUnionsbürgern auf Bürgerversammlungen und zur Beseitigung des Ausschlusses der Wählbarkeit von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern zur ersten Bürgermeisterin oder
zum ersten Bürgermeister und zur Landrätin oder zum Landrat (Änderung Art. 18 Gemeindeordnung und Art. 39 Abs. 1 Nr. 1 Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz) (Drs. 17/107) - Zweite Lesung
Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Jürgen Mistol u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Stärkung der Mitwirkungsrechte der Einwohnerinnen und Einwohner und der Demokratie in den Kommunen (Drs. 17/138) - Zweite Lesung
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion vereinbart.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! CSU-Chef Horst Seehofer beschwöre zwar die Koalition mit den Bürgern, aber seine Partei wolle ihnen nicht so recht trauen; sie halte offenbar nicht allzu viel von der Mitwirkung der Wähler an der ansonsten heiligen kommunalen Selbstverwaltung, meinte der Kommentator des "Fränkischen Tags" am 28. März zur kategorischen Weigerung der CSU-Landtagsfraktion, den in Bayern lebenden EU-Ausländern die Kandidatur für das Amt des Bürgermeisters oder des Landrats zu ermöglichen.
Genau darum geht es uns in unserem Gesetzentwurf, über den wir heute in Zweiter Lesung beraten. Unionsbürgerinnen und -bürger dürfen zwar wählen, aber nicht in die kommunalen Leitungsämter – Bürgermeister oder Landrat bzw. Landrätin – gewählt werden. Damit können sie auch nicht – die Entscheidung steht in den ersten Maitagen an – stellvertretende Bürgermeister oder Landratsstellvertreter werden. Das ist ein Widerspruch, den Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, auch in den Ausschussberatungen nicht auflösen konnten.
Auch passt Ihre Ablehnung nicht zu der Feststellung des Ministerpräsidenten – und Ihres Parteivorsitzenden – in seiner Regierungserklärung vom 12. Novem
ber letzten Jahres, dass Integration in Bayern am besten von allen Ländern gelinge. Erst in der vorigen Woche rief Europaministerin Dr. Merk dazu auf, um den Fortbestand der europäischen Integration zu kämpfen, weil diese keine Selbstverständlichkeit sei.
Für uns ist das passive Wahlrecht bei der Wahl zum Bürgermeister bzw. zum Landrat für Unionsbürger eine Selbstverständlichkeit und unumkehrbare Konsequenz aus dem Zusammenwachsen Europas. Wer sich integrieren will und integrieren soll, muss auch politische Mitwirkungsrechte bekommen. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Es betont, dass mit zunehmender Aufenthaltsdauer der in Deutschland lebenden Drittstaatsangehörigen deren Grundrechtsposition wachse. Somit lasse sich der Ausschluss von politischen Beteiligungsrechten und damit von Wahlen auf allen Ebenen staatlicher Herrschaftsausübung politisch und rechtlich nicht legitimieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, Ihr Argument, die Funktion des Landrats bzw. Bürgermeisters sei auch mit Exekutivaufgaben verbunden, überzeugt nicht; denn das Kommunalrecht kennt nur Exekutivorgane: den Bürgermeister und den Landrat mit den jeweiligen Verwaltungskräften auf der einen, den Kreistag und den Gemeinderat auf der anderen Seite. Aber warum soll jemand in dem einen Exekutivorgan mitwirken können, in dem anderen aber nicht?
Mein in den Medien mehrfach zitierter Tiroler, der seit Jahr und Tag im Allgäu lebt, arbeitet und sich möglicherweise vielfältig ehrenamtlich engagiert, darf zwar Gemeinde- oder Kreisrat sein, aber stellvertretender Bürgermeister oder Landratsstellvertreter nicht. Ein Deutschstämmiger aus der ehemaligen Sowjetunion – und damit aus einem doch etwas anderen Kulturkreis – kann das aber schon. Überlassen wir es doch den Wählerinnen und Wählern, ob etwa ein italienischer Staatsbürger, der seine Eisdiele am Marktplatz betreibt, und dies vielleicht schon in der zweiten Generation, Bürgermeister seiner Gemeinde wird – oder stellvertretender Bürgermeister, um nochmals auf das Beispiel von Thomas Lange vom "Fränkischen Tag" zurückzukommen.
Erinnern wir uns an die europäische Rechtslage: Nach Artikel 22 Absatz 1 Satz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union hat jeder Unionsbürger in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und das passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen. Gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie 94/80 des Rates können die Mitgliedstaaten allerdings bestimmen, dass nur ihre eigenen Staats