Das ist wieder mal typisch; da fallen Ihnen immer nur Ungarn und Orbán ein. Sie sehen nicht, dass darunter auch sozialdemokratisch regierte europäische Länder sind und inzwischen ganz Osteuropa sich nicht mehr daran beteiligen will.
Inzwischen ist auch in Skandinavien nichts mehr von dieser Stimmung geblieben. Noch vor zwei Jahren wurde Skandinavien aufgrund seiner Aufnahmebereitschaft hoch gelobt; aber schauen Sie sich einmal an, wie heute die Politik in Schweden und in Dänemark aussieht. Diese Länder führen mittlerweile am fleißigsten ihre Dublin-Fälle nach Deutschland zurück. Das ist inzwischen die Situation, auch in Skandinavien, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CSU – Gisela Sengl (GRÜNE): Wie können Sie klatschen, wenn man die Solidarität aufgibt?)
Ich darf auch auf Folgendes hinweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Am vergangenen Sonntag ist in Brüssel intensiv darüber diskutiert worden, ob man, um mit Lösungen voranzukommen, doch Camps oder Ankunftszentren in Nordafrika errichten sollte. Dazu gibt es immer noch ganz unterschiedliche Meinungen. Aber es ist interessant, dass inzwischen eine Vielzahl von EU-Mitgliedstaaten diesen Vorschlag sehr ernsthaft und intensiv unterstützt und voranbringen will. Ich erinnere daran: Als Herr Fraktionsvorsitzender Thomas Kreuzer schon vor zwei Jahren diesen Vorschlag eingebracht hat, der zeitweilig vom ehemaligen Bundesminister de Maizière unterstützt worden ist, wurde das noch als völlig abwegig und dergleichen bezeichnet; davon dürfe doch überhaupt nicht die Rede sein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber hält schon mindestens ein Drittel der EU-Mitgliedstaaten es für absolut richtig, dass wir solche Maßnahmen in Nordafrika ganz konkret angehen, meine Damen und Herren. So ändern sich die Zeiten.
Noch eines will ich Ihnen sagen. Dabei ist leider, lieber Herr Rinderspacher, bei Ihnen etwas ziemlich durcheinandergeraten. Ich sage Ihnen, wofür wir stehen. Das hat nichts mit Nationalismus zu tun.
Die Bayerische Staatsregierung und die Christlich-Soziale Union stehen in der Tat für einen starken Staat, der bestmöglich für die Sicherheit seiner Bürger sorgt. Dafür stehen wir. Wir stehen für einen starken Staat, der die Kontrolle darüber behält, wer in unser Land kommt. Das ist der Normalzustand! Das ist das Selbstverständnis jedes funktionierenden Staates auf dieser Welt, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CSU – Markus Rinderspacher (SPD): Sie schwächen die Bundesrepublik und machen sie erpressbar! Das ist das Problem!)
Das ist das Selbstverständnis eines jeden Staates, der USA genauso wie der Staaten Indien, Japan und aller möglichen anderen Staaten auf dieser Welt, ganz selbstverständlich.
Wir haben – da sind wir wieder bei dem Punkt, Herr Rinderspacher – im Rahmen des Schengen-Systems die Kontrolle darüber, wer in das eigene Land kommt, der Gesamtheit der Schengen-Staaten übertragen. Wir haben uns nicht davon verabschiedet, dass wir die Kontrolle darüber haben wollen, wer in unser Land kommt, sondern wir haben das als Teil der Gemeinschaft aufgefasst und definiert.
Aber das Problem ist, dass das nur so lange funktioniert, wie alle, die diesem System angehören, sich tatsächlich an die Verpflichtungen halten. Da sind wir beim entscheidenden Punkt. Allein aus Griechenland waren in den letzten Jahren mehrere öffentliche Äußerungen von Mitgliedern der Regierung zu vernehmen, in denen erklärt wurde, die griechischen Außengrenzen könne man überhaupt nicht schützen. Ich will hier gar nicht bewerten, ob man das kann oder nicht. Aber wir sind hier bei einem Kernproblem und leider wieder beim Beispiel Griechenlands. Kein EU-Mitgliedsland ist gezwungen, ein Teil des Schengen-Systems zu sein. Man ist nur dabei, wenn man es von sich aus extra beantragt hat. Es handelt sich sozusagen um einen Extra-Club innerhalb der EU. Keiner ist dazu gezwungen worden. Es geht nicht an, dass man dabei sein will, weil man sich zum Beispiel für den Tourismus Vorteile verspricht, und hinterher erklärt, dass man die damit eingegangenen Verpflichtungen überhaupt nicht einhalten kann. So können wir Europa nicht konstruieren, meine Damen und Herren. Das ist genau der Punkt.
Ja, wir haben in diesem Schengen-System die Kontrolle der Grenzen nach außen in den Außenbereich verlagert, und wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass das ein sinnvolles System ist.
Aber es muss funktionieren, und solange es nicht funktioniert, nehmen wir für uns in Anspruch, dass unsere eigenen Grenzen wieder kontrolliert werden müssen. Das ist unser einfacher Grundsatz.
Meine Damen und Herren, Bundesminister Seehofer hat angekündigt, dass an der Spitze seines Masterplans in der Tat ein Marshallplan für Afrika stehen wird. Wir müssen nämlich damit beginnen, die Hilfe für die Herkunftsländer deutlich zu verstärken. Aber dies alles gehört in der Tat zusammen: der Marshallplan für Afrika, der Schutz der EU-Außengrenzen, die Bekämpfung des Schleuserunwesens und des Asylmissbrauchs und ganz am Schluss die Integration der anerkannten Flüchtlinge, die wir bestmöglich gestalten wollen, damit der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gewährleistet bleibt.
Ich sage Ihnen deutlich, meine Damen und Herren: Für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft einzutreten, dafür einzutreten, dass die Grundwerte unserer Gesellschaft und die kulturelle Prägung unseres Landes bewahrt werden, dass Bayern und unser deutsches Vaterland so bleiben, wie es die Menschen zu schätzen wissen, hat nichts mit Nationalismus zu tun. Aber es ist in der Tat ein vernünftiger Patriotismus in einem geeinten Europa, für das wir auch weiter einstehen. Dafür stehen die Staatsregierung und die CSU.
(Zurufe der Abgeordneten Dr. Paul Wengert (SPD) und Ulrike Gote (GRÜNE) – Lebhafter Beifall bei der CSU – Alexander König (CSU): Sehr gut!)
Zu meiner Form von Patriotismus gehört auch, dass ich für Menschenrechte einstehen möchte. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat eine ziemlich umfängliche Ausfertigung zu dem Thema Zurückweisung an der Grenze erarbeitet und ist zu der Schlussfolgerung gekommen, dass diese Zurückweisung unrechtmäßig wäre. Ich würde sie Ihnen zukommen lassen und Sie bitten, darzulegen, weshalb Sie anderer Ansicht sind.
Sie haben sich auf die Bundeskanzlerin berufen. Das ist interessant. Aber gut, das können Sie ja machen.
Folgendes halte ich wirklich für eine Schande: Das Außenministerium hat eine neue Lagebeurteilung zu Afghanistan angefertigt. Diese Lagebeurteilung wurde nicht veröffentlicht. Wie kann das denn eigentlich sein? – Dann kommen irgendwelche Leute bei flüchtigem Darüberschauen auf die Idee, dass Zurückweisungen möglich sind. Ich kenne einiges an Hintergründen über diese Lagebeurteilung. Die Lagebeurteilung ist weitaus kritischer als die letzte. Daher kann ich dieser Schlussfolgerung überhaupt nicht folgen.
Außerdem haben Sie gesagt, Sie seien in großer Sorge, dass Flüchtlinge über die Grenzen kommen usw. usf., und dass man praktisch dagegen vorgehen muss. Ich möchte dazu sagen: Dazu gehört als Allererstes, dass man verhindern muss, dass neue Fluchtursachen entstehen. Sie sprechen immer so schön von der Beseitigung von Fluchtursachen. Aber ich sage Ihnen, es sollten erst gar keine neuen Fluchtursachen entstehen. Was ist jetzt zum Beispiel im Norden von Syrien los? – In einzelnen Gebieten konnten Menschen bislang überleben. Dort sind aber viele aus ganz Syrien Geflüchtete angekommen, in Afrin und in der Region um Afrin. Da sind hier mit deutschen Panzern
... Einmärsche durchgeführt worden. Da sind ganze Städte und Dörfer zerstört worden. Da sind Menschen vertrieben worden. Ich habe den UNHCR gebeten, mit Hilfsmitteln – –
Der UNHCR hat gesagt, er kann nicht hin; die Sicherheitslage ist so. Deutsche schicken über die Türkei ihre Panzer dorthin,
und die Menschen sind im Elend und können auch nicht raus, weil die Grenzen hermetisch abgeriegelt sind.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich will nur noch einmal etwas zu dem Thema Afghanistan sagen. Es gibt einen Bericht der Bundesregierung. Er ist innerhalb der Bundesregierung diskutiert worden. Die Bundeskanzlerin hat öffentlich festgestellt, wie sie die Lage bewertet. Es hat sich, soweit ich sehe, die gesamte Bundesregierung dahinter gestellt; jedenfalls hat kein einziges Mitglied der Bundesregierung widersprochen. Dies ist allen 16 Bundesländern so mitgeteilt worden. Deshalb, mit Verlaub, liebe Frau Kollegin Kamm, ist das nicht irgendwer. In dieser Art und in diesem Tonfall haben aber Sie über die amtierende Bundesregierung gesprochen. Darauf weise ich nur hin, weil zurzeit die unterschiedlichsten Maßstäbe angelegt werden. Die amtierende Bundesregierung hat das so festgestellt, und ich halte das auch für richtig.
Was die Abweisung an den Grenzen betrifft, mag es sein, dass es ein solches Institut gibt, wie Sie das gerade dargelegt haben. Trotzdem ist am Schluss immer noch maßgeblich, was in diesem Punkt das ressortmäßig dafür zuständige Bundesinnenministerium dazu sagt. Im Übrigen gibt es dazu auch die interessantesten Darlegungen, zum Beispiel auch vom Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages und, und, und. Ich habe Ihnen meine Rechtsmeinung dazu vorhin vorgetragen und brauche sie, glaube ich, an dieser Stelle nicht zu wiederholen. Wir werden jedenfalls auf der Grundlage dessen, was die Mehrheit dieses Hohen Hauses jetzt beschließen wird, unsere Politik auch in Zukunft konsequent fortsetzen.
Herr Staatsminister, Sie haben an einer wichtigen Stelle Ihres Redebeitrags ausgeführt und das auf Zuruf des Kollegen Rinderspacher bestätigt, dass sich die Bundesrepublik Deutschland und auch der Freistaat Bayern im Zuge der Debatte und der Diskussion über die Flüchtlingspolitik nach Recht und Gesetz verhalten haben. Das war Ihre Aussage. Können Sie mir sagen, warum der frühere Ministerpräsident dieses Freistaats und CSUVorsitzende Horst Seehofer, gerade was die Bundesrepublik Deutschland und die Haltung der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin betrifft, über einen langen Zeitraum ständig von einer Herrschaft des Unrechts gesprochen hat? Das war doch auch so eine Debatte, in der man versucht hat, mit einem Kampfbegriff die Stimmung im Lande anzuheizen.
Und Sie gehen jetzt hier ans Mikrofon und sagen: Die Bundesrepublik hat nach Recht und Gesetz gehandelt.
Eine zweite Einschätzung unsererseits, und da würde mich auch Ihre Meinung als Parlamentarier interessieren. Seit Beginn dieser Debatte ist Herr Ministerpräsident Dr. Markus Söder in einer Facebook-Sprechstunde zugange, einer Debatte, an der er sich maßgeblich beteiligt, die er maßgeblich vorangetrieben hat und die er eskalieren hat lassen, nämlich in der Debatte über die Migrationspolitik und über die rechtlichen Voraussetzungen dafür. Aus Sicht des Parlaments stelle ich fest, dass es ein völlig unangemessenes Verhalten eines Ministerpräsidenten ist,