Auf dieser Grundlage können wir miteinander reden, aber nicht unter dem Motto: Die CSU hat in Bayern die Biodiversität reduziert und das Artensterben herbeigeführt. Das ist unredlich.
Sie haben die Anhörung zur Biodiversität ins Spiel gebracht. Dort haben sich die Experten sehr moderat geäußert. Dazu komme ich noch.
(Florian von Brunn (SPD): Für die Probleme sind Sie nie verantwortlich! Sie sind immer nur für vermeintliche Erfolge verantwortlich!)
Entschuldigung, der Kollege hat jetzt zum ersten Mal hineingerufen. Aber ich greife schon ein, wenn es mehr wird.
(Florian von Brunn (SPD): Ich bringe gerne ein Taschentuch hinauf, wenn er weinen will! – Zurufe von der CSU)
Das ist so. Bitte schön, Herr Dr. Hünnerkopf, Sie haben das Wort. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen um etwas mehr Ruhe im Saal, damit wir dem Redner auch ordentlich zuhören können. – Vielen Dank.
Wir sollten uns darauf einigen, dass das ein ernsthaftes Thema ist, dem wir uns stellen wollen. Auf dieser Grundlage können wir uns dann weiter Gedanken machen.
Wir sollten nicht vergessen: Seit der Mensch sich in der Natur dominant einbringt, ging es immer darum, die Nahrungskonkurrenz auszuschalten. Wir haben lokal Tier- und Pflanzenarten immer eliminiert, um die Grundlage für unsere Ernährung zu sichern. Dies hat sich bis zu den heute deutlich erkennbaren Ergebnissen entwickelt. Das Insektensterben ist nicht nur in Bayern so markant aufgetreten, sondern, soweit ich weiß, auch in Nordrhein-Westfalen. Mich wundert es, warum die GRÜNEN nicht schon vorher darauf gekommen sind, darauf aufmerksam zu machen. Wenn wir wollen, dass sich insoweit etwas ändert, dann müssen wir dieses Problem in der Tat angehen.
Wir kennen einige Ursachen, die dazu geführt haben. Eine Ursache ist zweifellos die intensive Bewirtschaftung, nicht nur auf den Feldern und im Wald, sondern auch in den Gärten. Überall dort, wo der Mensch den Boden nutzt, versucht er, dies möglichst effektiv zu tun, um bei der Gewinnung von Nahrungsmitteln erfolgreich zu sein.
Die zweite Ursache ist unsere Infrastruktur, die durch ihre Zerstückelung eine Trennwirkung entfaltet. Auch dass die für die Natur zur Verfügung stehenden Flächen reduziert wurden und werden, ist nicht von der Hand zu weisen. Ich will aber deutlich darauf hinweisen, dass die Bayerische Staatsregierung schon massiv gegengesteuert und zahlreiche Gegenmaßnahmen ergriffen hat. Ich hatte während meines Berufslebens immer mit dieser Thematik zu tun.
Ich nenne beispielhaft das Bayerische Artenschutzprogramm, die Kartierung der Biotope mit dem Ziel, sie zu vernetzen, und die Landschaftspflegemaßnah
All diese Aktivitäten sind von der CSU und der Staatsregierung nicht erst gestern, sondern schon vor vielen Jahren gestartet worden. Ich bringe nur die Highlights: Wir werden das Bayerische Vertragsnaturschutzprogramm um 10 Millionen Euro auf 55 Millionen Euro aufstocken – das war die Aussage unseres Ministerpräsidenten in seiner Regierungserklärung –, um den Schutz von Arten und Biotopen weiter zu verbessern. Wir ergreifen im Rahmen des Bayerischen Kulturlandschaftsprogramms Maßnahmen, die insbesondere der Biodiversität dienen. Auf circa 360.000 Hektar werden Ziele der Biodiversitätsverbesserung unterstützt.
Das sind deutliche Belege dafür, dass wir bereits viel tun und aus der Erkenntnis, dass wir dem Artensterben etwas entgegenhalten müssen, die richtigen Schlüsse ziehen. Auch in der EU-Agrarpolitik – die neue Förderperiode beginnt 2021 – sollen Maßnahmen zum Artenschutz stärker einbezogen werden, die sowohl die landwirtschaftlichen Flächen als auch den Waldbereich umfassen.
Im Rahmen des Programms "NaturVielfaltBayern" und des Biodiversitätsprogramms "Bayern 2030" haben wir ab 2014 weitere Maßnahmen zum Schutz der Arten- und Sortenvielfalt, zum Erhalt der Vielfalt an Lebensräumen, zur Verbesserung des Biotopverbundes und, um mehr Erkenntnisse zu gewinnen, zum Erleben und Erforschen der biologischen Vielfalt ergriffen.
Meine Damen und Herren, unsere Ansätze sind sehr konstruktiv. Ich verweise auch auf die Entwicklung der Landschaftspflegeverbände in Bayern, die seit Anfang der Neunzigerjahre gegründet wurden. Sie unterstützen in unseren Landkreisen fast flächendeckend die kooperative Arbeit zwischen den engagierten Naturschützern, den Kommunalpolitikern und – natürlich – den Grundbesitzern. Das sind sehr erfolgreiche Ansätze, die weiter ausgedehnt werden können.
(Florian von Brunn (SPD): Sie werden an Ihren Ergebnissen gemessen, nicht an irgendwelchen Ansätzen!)
Ich will meine Argumentation zahlenmäßig unterstützen: Bayern hat eine Fläche von mehr als 7 Millionen Hektar. Davon sind circa 3,3 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, knapp 2,6 Millionen Hektar sind Waldfläche. Wir müssen die Flächenextensivierung nach dem Kulturlandschaftsprogramm, dem Vertragsnaturschutz, den Greening-Maßnahmen und der
Gemeinsamen Agrarpolitik gemeinsam betrachten. Dazu kommen die Flächen der Landwirte, die zum ökologischen Landbau wechseln; auch diese Flächen müssen wir in die Betrachtung einbeziehen. Zudem haben unsere Bayerischen Staatsforsten im Sinne der Biodiversität bereits über 10 %, das heißt zwischen 81.000 und 82.000 Hektar von den 800.000 Hektar, die sie bewirtschaften, aus der Nutzung genommen. Wenn wir also alle Flächen zusammenzählen, dann wird deutlich, dass eine Fläche von fast 1 Million Hektar im Sinne der Biodiversität genutzt wird.
Ich will nicht behaupten, das genüge. Bestimmt nicht! Wir sind weiterhin gefordert, die Art der Bewirtschaftung und deren Wirkungen zu hinterfragen. Das ist auch eine gesellschaftliche Herausforderung. Übrigens sind nicht nur die Landwirte gefordert; das hat Herr Dr. Schäffer vom LBV in der Anhörung deutlich gesagt. Die Landwirte sind oft mehr Opfer als Täter, weil sie in diese Situation auch ein Stück weit getrieben worden sind.
Ich will deutlich machen, dass jeder von uns etwas dazu beitragen kann. Diejenigen, die daheim einen Garten oder einen Vorgarten haben, sie sollten diesen nicht mit Steinen planieren, sondern Pflanzen verwenden, die den Boden bedecken. Auch diejenigen, die nur einen Balkon haben, können das Ganze unterstützen, indem sie zum Beispiel Insektenhotels einrichten.
Wir dürfen nicht mit dem Finger auf den anderen zeigen. Wir alle sind in gewisser Weise Mitverursacher und sind gefordert, mit guten Maßnahmen die Förderung der Artenvielfalt zu unterstützen. Mit Sicherheit haben wir von der CSU und auch die Staatsregierung nie eine abwartende Haltung eingenommen – das will ich in aller Deutlichkeit sagen –, sondern haben immer konstruktive Maßnahmen ergriffen.
Dass diese Anstrengungen weiter zu optimieren sind, wissen wir. In dem Sinne, dass wir uns damit auseinandersetzen, ist dieser Antrag interessant.
Sie können uns aber nicht vorwerfen, wir würden nur abwarten und nicht handeln. Wir sind beim Handeln auf dem besten Weg.
Danke schön, Herr Dr. Hünnerkopf. – Der nächste Redner ist Herr Kollege von Brunn. Bitte schön, Herr von Brunn.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Natur auf unserem Planeten und damit unsere eigenen Lebensgrundlagen sind in Gefahr, und zwar durch ein Massenaussterben von Tieren und Pflanzen, ausgelöst durch unsere Art zu leben und zu wirtschaften. Der World Wildlife Fund hat in seinem Living Planet Report 2016 bei weltweit über 14.000 untersuchten Tierpopulationen einen Rückgang der Bestände um fast 60 % während der vergangenen 40 Jahre festgestellt. Die Zahl der Wirbeltiere auf der Erde ist seit 1970 um drei Fünftel gesunken. Schuld daran sind wir Menschen. Forscher gehen davon aus, dass die globale Aussterberate pro Jahr heute mindestens 1.000 Mal höher liegt als die natürliche Rate des Aussterbens.
Wer glaubt, dies sei nur ein Problem Asiens, Afrikas oder Südamerikas, der täuscht sich. Auch in Deutschland, auch in Bayern findet dieses Massenaussterben statt. Auch hier sägen wir an dem Ast, auf dem wir sitzen. Das zeigen die Daten aus dem Bayerischen Biodiversitätsprogramm, das die CSU-Staatsregierung selbst verabschiedet hat. Darin heißt es: Die Zahl der Arten, die vom Aussterben bedroht sind, wächst weiter, und das nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch in Bayern: Von den Tieren, Pflanzen und Pilzen, die für die Rote Liste in Bayern untersucht wurden, sind über 40 % bedroht. – Und zwar, wie die Staatsregierung in diesem Programm wörtlich schreibt, "trotz aller Schutzmaßnahmen."
Nach diesen Daten der Staatsregierung hat Bayern bereits fast 6 % seiner Tierarten und 3,5 % seiner Pflanzenarten verloren – ein Stück Bayern, das für immer verlorengegangen ist. Inzwischen sind auch sogenannte Allerweltstierarten gefährdet, vom Feldhasen über den Laubfrosch bis hin zur Feldlerche. Es gibt Nachrichten, die uns aufhorchen lassen sollten: Inzwischen gibt es in der Großstadt Berlin mehr Nachtigallen als in ganz Bayern.
Im vergangenen Jahr hat die CSU-Staatsregierung selbst – selbst! – eingeräumt, wie groß das Problem ist. In der Antwort auf unsere Große Anfrage, die Interpellation der SPD-Fraktion zum Zustand der Natur in Bayern, heißt es: Der tiefgreifende Landschafts- und Nutzungswandel hat enorme Verluste an Biodiversität zur Folge. Es gebe zwar vereinzelte Erfolge, aber die eigenen Aktivitäten der Staatsregierung, so die Staatsregierung selbst, seien "nicht ausreichend", um die selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Das war
Vielen Menschen, auch in Bayern, ist die Gefahr, in der wir schweben, erst durch das Insektensterben richtig bewusst geworden. Dabei geht es nicht nur um die Ergebnisse aus Nord- und Nordwestdeutschland, um die berühmte Krefelder Studie. Forscher der Zoologischen Staatssammlung in München haben festgestellt, dass die bayerischen Schmetterlingsbestände in den letzten 50 Jahren im Durchschnitt um 90 % eingebrochen sind.
Die Folgen eines Insektenaussterbens wären verheerend; denn drei Viertel aller Nahrungspflanzen weltweit werden von Insekten bestäubt. Sterben Wildbienen und andere bestäubende Insekten wie Schmetterlinge und Hummeln, dann fehlen die Bestäuber für unsere landwirtschaftlichen Nutzpflanzen wie Äpfel, Kirschen, Pflaumen oder Tomaten. Bei den Wildpflanzen sind sogar 90 % auf diese Bestäubung angewiesen.
Insekten haben noch andere wichtige Rollen im Ökosystem, nicht nur als Bestäuber, sondern auch als Aas- oder Dungfresser und als Nahrungsquelle für andere Tiere. Sterben die Insekten, dann verhungern auch andere Tiere: Fische, Vögel, Fledermäuse und sogar Igel. – Eine Kettenreaktion, die sich immer weiter beschleunigt und an zerstörerischer Gewalt zunimmt.
Das Artensterben gefährdet die Landwirtschaft und damit unsere Ernährung, und es nimmt unseren Kindern Schönheiten der Natur und der Tier- und Pflanzenwelt, die sie nie mehr sehen werden. Das Artensterben wird aber auch unsere Gesundheit direkt betreffen. Zahlreiche Medikamente werden aus Pflanzen gewonnen. Die meisten Antibiotika gewinnen wir immer noch aus Pilzen.
Was sind die Ursachen dieses großen Sterbens? – In der Antwort auf die Große Anfrage der SPD hat die CSU-Staatsregierung den wichtigsten Verursacher klar benannt – nicht wir, sondern Sie waren es. Ich zitiere: "Der Nutzungswandel in der Landwirtschaft hat die Lebensgemeinschaften der offenen Kulturlandschaft verändert und an Arten und Individuen drastisch reduziert." Der Rückgang des überwiegenden Teils der gefährdeten Arten, der Rote-Liste-Arten – so die Staatsregierung wörtlich –, sei auf die intensive landwirtschaftliche Nutzung zurückzuführen. – Das haben Sie selbst aufgeschrieben. Es waren und sind also vor allem die Zerstörung von Lebensräumen durch riesige Felder und Monokulturen, der Einsatz von Pestiziden und die Überdüngung mit Nitrat, die
Die zweite große Ursache für das Artensterben ist die Erderhitzung, weil sich viele Tier- und Pflanzenarten an die starken Klimaveränderungen nicht schnell genug anpassen können. Dieses Problem wird sich natürlich mit einer zunehmenden Klimaveränderung und Erhitzung immer weiter verschärfen.
Dazu kommen weitere Probleme wie die Zerschneidung und Verkleinerung von Lebensräumen sowie die Isolation von Populationen.
Was zu tun ist, ist eigentlich klar. Die Agrarpolitik muss neu ausgerichtet werden. Was aber macht diese Staatsregierung unter Ministerpräsident Markus Söder? – Sie verkündet einen neuen Kurs: mehr – ich zitiere – landwirtschaftlich verträglichen Umwelt- und Naturschutz. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Landwirtschaftlich verträglicher Umwelt- und Naturschutz – das ist nichts anderes als eine bewusst irreführende Beschreibung für Profit- und Lobbypolitik auf Kosten der Natur und zukünftiger Generationen.