(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein EU-Umweltkommissar hat gesagt: Bei den agrarökologischen Leistungen will die EU einmal dort hinkommen, wo Bayern schon ist. – EU-Agrarkommissar Hogan hat in der letzten Woche seine neuesten Pläne zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik vorgestellt. Ich denke, es ist wichtig zu beurteilen, was das für die bayerische Landwirtschaft bedeutet.
Die Europäische Agrarpolitik spielt für die bayerische Landwirtschaft seit jeher eine bedeutende Rolle. Jährlich fließen rund 1,3 Milliarden Euro nach Bayern. Davon geht eine Milliarde Euro in die sogenannte erste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik, die unter anderem die höheren Standards der Europäischen Union gegenüber Drittländern ausgleichen soll. Der Rest des Geldes geht in die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik, die der Bund und auch wir
gut kofinanzieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist völlig klar: Jeder weiß, dass die vielfältigen Leistungen unserer Bauern nicht durch die Marktpreise gedeckt werden. Deshalb hat dieses Politikfeld für uns eine ganz besondere Bedeutung. Bayern hat in der zweiten Säule seine Möglichkeiten bestmöglich genutzt, um den Landwirten beispielsweise durch das Kulturlandschaftsprogramm und durch den Vertragsnaturschutz ein umfassendes Angebot machen zu können. Kein anderes Land in Deutschland kann ein ähnliches Angebot vorweisen. Kein anderes Bundesland setzt so viel Geld ein. Was aber das Entscheidende ist: Wir haben in Bayern über eine Million Hektar Fläche, auf der die bayerischen Bauern agrarökologische Leistungen auf freiwilliger Basis erbringen.
Rund drei Millionen, das ist schon ein bedeutender Anteil. Auch in der Vergangenheit war es immer wieder lohnend, dass Bayern die Vorschläge der Europäischen Union zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik ganz im Sinne unserer bäuerlichen Familienbetriebe kritisch bewertet und sich dafür eingesetzt hat, dass unsere Betriebe in Bayern auch eine Zukunft haben. Denken Sie zurück an die Sechzigerjahre und an den Agrarkommissar Sicco Mansholt. Zum Glück ist es nicht so gekommen, wie es damals vorausgesagt wurde. Mit unserem bayerischen Weg und dem Erhalt möglichst vieler selbstständiger Existenzen haben wir immer wieder eigene Akzente gesetzt, die mittlerweile Nachahmung in der ganzen Europäischen Union finden. Wir setzen auf viele selbstständige Existenzen, auf das Eigentum in der Hand der Bauern und auf die möglichst eigene Bewirtschaftung des eigenen Grundes. Wir setzen auf eine starke bäuerliche Kultur und einen lebendigen ländlichen Raum. Es ist genau unser Ansatz, wenn Agrarkommissar Phil Hogan in Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020 kleinere Betriebe stärker fördern möchte. Da gibt es einen Zuschlag bei den Flächenprämien für die ersten Hektare. Das wurde bei der letzten Reform erstmals eingeführt, sehr zum Wohle der bayerischen Bauern. Aber auch Degression und Obergrenze sowie eine starke Ausgleichszulage in benachteiligten Bereichen soll es geben. All das stärkt die bayerischen Betriebe. Außerdem stärkt und erhält es unsere Strukturen, die ganz im Sinne der Verbraucher sind.
Die Kürzungspläne der Europäischen Kommission bei der Mittelausstattung der Gemeinsamen Agrarpolitik sind inakzeptabel, und zwar sowohl für die erste als auch für die zweite Säule. Das ist insbesondere deshalb inakzeptabel, weil man den Landwirten immer mehr Leistungen abverlangt. Wir wenden uns auch
ganz klar gegen eine Verlagerung von Mitteln aus der ersten in die zweite Säule. Das sehen wir kritisch. Die Produktionskosten sind durch unsere Strukturen deutlich höher, weil Skaleneffekte weniger stark wirken können. Die Kürzungen bei den Direktzahlungen wirken sich aber gerade auf die bayerischen Familienbetriebe deutlich negativ aus. Rund 40 % des Gewinns unserer landwirtschaftlichen Betriebe in Bayern sind trotz eines hohen Veredelungsanteils in der Produktion eben diese Direktzahlungen. Damit stabilisieren sie auch unsere Strukturen und unsere bäuerlichen Betriebe.
Wenn nun behauptet wird, dass die Mittel in der ersten Säule ohne Umweltleistungen vergeben werden, dann kann ich nur sagen, das ist falsch; denn wie jeder weiß, haben wir schon jetzt ein umfassendes Greening vorgeschrieben. Jeder weiß, dass es auch zukünftig Anforderungen an die gute fachliche Praxis geben wird. Wir vergleichen immer, lieber Herr Kollege, wie in Russland und in Südamerika produziert wird. Wir haben doch gesehen, wie dort Pflanzenschutzmittel, wie dort Düngemittel eingesetzt werden. Wir haben gesehen, welche Arbeitszeiten dort beispielsweise die Schlepperfahrer haben. Sie arbeiten 24 Stunden rund um die Uhr. Wir haben auch gesehen, wie dort die Bauauflagen sind. Unsere Bauern müssen aber mit dieser Produktion konkurrieren. Deshalb ist es richtig, dass wir eine erste Säule und eine zweite Säule haben, wo wir unsere Umweltleistungen in besonderer Weise ausgleichen können.
Dramatische Folgen haben auch die Kürzungsvorschläge in der zweiten Säule. Da wird über 15 % gesprochen. Das wirkt sich in Bayern mit 30 Millionen Euro aus. Das müssen wir in irgendeiner Weise und auf jeden Fall abwenden. Rund die Hälfte der Betriebe in Bayern – ich habe auf die eine Million Hektar bereits hingewiesen – nimmt an bayerischen Umweltprogrammen teil. Eine Finanzierung der Maßnahmen im bisherigen Umfang wäre dann, wenn es so kommt, zunächst nicht mehr gesichert. Wir müssten uns dann nach der Decke strecken, um diese wichtigen Leistungen auch in Zukunft anbieten zu können. Die vorgeschlagene Verlagerung der Mittel von der ersten in die zweite Säule bringt keine Vorteile; denn diese Mittel fehlen dann zur Einkommenssicherung in der Landwirtschaft. Die Landwirte müssten quasi ihre zusätzlichen Leistungen in der zweiten Säule selbst finanzieren.
Das ist keine ehrliche Politik. Das war nie die bayerische Politik. Das wäre eine Politik zulasten unserer Bäuerinnen und Bauern, und dagegen wenden wir uns, wie Sie wissen, schon seit jeher. In ganz be
stimmten Bereichen in der zweiten Säule muss auch wieder eine Anreizwirkung möglich sein, damit man besonders gewünschte Leistungen wirklich besser fördern und damit auch voranbringen kann.
Ich glaube, zumindest in diesem Haus ist Konsens, dass die bürokratischen Lasten vermindert werden müssen. Das gilt insbesondere für die landwirtschaftlichen Betriebe, aber auch für die Verwaltungen in Bayern, auf deutscher Ebene und auf europäischer Ebene. In der Detailausgestaltung muss es zwingend zu spürbaren Verringerungen gegenüber den Lasten der laufenden Periode kommen. Wir brauchen weniger Auflagen und dafür mehr Flexibilität in den Mitgliedstaaten und den Regionen. Wir brauchen weniger Kontrollen der Einzelbetriebe, weniger Detailvorgaben, sondern viel mehr verlässliche Aussagen über die Entwicklung unseres Ökosystems. Dann können wir zielgerichtete Maßnahmen zusammen mit den Bauern planen und umsetzen. Das ist unser Ansatz für die Zukunft. Wir brauchen weniger Vorgaben und weniger Bürokratie und setzen auch in Zukunft auf unser Prinzip: Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht.
Wir müssen auch auf die Tendenzen einer Angleichung der Hektarprämien in Europa achten. Es gilt immer wieder, die Produktionskosten in den einzelnen Ländern zu beachten. Denken Sie an die Kosten der Fläche! Was wir an Pacht bezahlen müssen, zahlen in anderen Ländern die Käufer der Fläche. Daran kann man sehen: Die einen müssen einen Betrag jedes Jahr bezahlen; die anderen zahlen ihn einmal, und dann gehört ihnen die Fläche. Darum müssen in der Zukunft die Hektarprämien unterschiedlich ausfallen.
Wir wollen mit unseren Vorschlägen unseren bäuerlichen Familienbetrieben eine gute Zukunft und vor allem planbare Zukunftsperspektiven bieten und gleichzeitig die gesellschaftlichen Anforderungen und Forderungen in die Agrarpolitik integrieren, wie wir das in den letzten Jahren erfolgreich gemacht haben. Nicht zuletzt honorieren wir zusätzliche Leistungen unserer Landwirtschaft im Kulturlandschaftsprogramm und im Vertragsnaturschutzprogramm. Das leistet kein anderes Bundesland, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Unser Prinzip heißt: Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht. Das funktioniert, wenn man Leistungen angemessen honoriert. Das möchten wir auch in der neuen Programmperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020 im Sinne größtmöglicher Subsidiarität und mit weniger bürokratischen Lasten gerne beibehalten. Wir
werden uns für eine starke erste Säule und natürlich auch für eine starke zweite Säule einsetzen; dabei wird es mit uns keine Abstriche geben.
Wir, die CSU, bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. Wir stimmen auch dem Antrag der FREIEN WÄHLER zu. Seine Inhalte liegen ganz auf unserer Linie. Unklar ist der Hinweis im fünften Absatz auf die Besonderheiten der deutschen Agrarpolitik, auf die man eingehen sollte. Wir haben das so bewertet: Die FREIEN WÄHLER glauben, dass wir eine Landwirtschaftsministerin von der CSU brauchen. Auch der frühere Agrarminister Helmut Brunner hat in diesem deutschen Konzert hervorragend agiert, hervorragend verhandelt und für die bayerische Landwirtschaft das Beste herausgeholt.
(Beifall bei der CSU – Horst Arnold (SPD): Ist das jetzt ein Misstrauensvotum gegen die Frau Klöckner?)
Wir lehnen den Antrag der GRÜNEN ab. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer die Direktzahlungen abschaffen will, der legt die Axt an die bäuerlichen Betriebe in Bayern. Wer nicht versteht, dass diese Leistungen, diese Zahlungen, unsere Strukturen stabilisieren und gerade für uns wichtig sind, der sollte nicht in der Landwirtschaft Verantwortung tragen. Die Behauptung, die Bauern würden dafür nichts leisten,
Der SPD-Antrag enthält viele Passagen, über die wir uns immer wieder einig sind. Wir können ihm trotzdem nicht zustimmen, weil Sie im dritten Absatz weitere ökologische Kriterien für die erste Säule fordern. Da differenzieren Sie überhaupt nicht, was das sein soll. Wir brauchen keine weiteren Auflagen; wir wollen keine zusätzliche Bürokratie. Natürlich braucht es Kriterien; aber so, wie das formuliert ist, ist uns das viel zu schwammig. Vor allem ist unter einem Spiegelstrich im letzten Absatz zu korrigieren, dass die Förderung des Ökolandbaus in der zweiten Säule, nicht in der ersten Säule erfolgt. Außerdem sind beim Ausbau des Ökolandbaus immer auch die Marktverhältnisse zu beachten. Wir können Ihrem Antrag leider nicht nähertreten.
Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag, im Sinne der bäuerlichen Landwirtschaft in Bayern. Ihr fühlen wir uns verpflichtet. Für sie werden wir auch
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wirklich gut, dass die CSU den vorliegenden Dringlichkeitsantrag gestellt hat; denn die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union ist ein ganz wichtiges Thema. Das war es aber schon. Das war leider das Einzige, das ich an diesem Antrag positiv finden konnte.
Bei dem nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER geht es mir genauso. Wir werden beide Anträge ablehnen.
Dem SPD-Antrag werden wir zustimmen, weil er wenigstens die Einsicht erkennen lässt, dass irgendwas in der Agrarpolitik nicht mehr stimmt und dass vielleicht etwas Grundlegendes verändert werden muss.
Es ist einfach so: Die EU-Agrarpolitik muss nicht nachgebessert werden, sondern sie muss grundsätzlich verändert werden. Nachbesserungen genügen schon lange nicht mehr. Das bisherige System der Direktzahlungen hat weder den Strukturwandel aufgehalten noch die Landflucht bekämpft. Im Gegenteil: Dieses System hat die Erzeuger zu reinen billigen Rohstofflieferanten für die großen Verarbeitungsbetriebe und Handelskonzerne degradiert und die Umweltschutzprobleme und die Tierschutzprobleme extrem verschärft.
Gestern kam die Stellungnahme des Umweltbundesamtes zur Neuordnung der Gemeinsamen Agrarpolitik – GAP – raus. Ich zitiere die Präsidentin des Umweltbundesamtes:
Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik muss es endlich schaffen, dass nicht mehr die Betriebe das meiste Geld bekommen, die die meisten Flächen bewirtschaften, sondern diejenigen, die am meisten für die Umwelt tun –
zum Beispiel gezielter düngen, weniger Pestizide einsetzen oder Blühstreifen und Ausgleichsflächen für Insekten schaffen. Mehr Ökologie darf kein Nischenthema sein. Wir brauchen mehr Umweltschutz auch in den konventionell arbeitenden Betrieben.
Das ist ein Zitat aus einer Mitteilung des Umweltbundesamts, die gestern rausgekommen ist. Das hat der Frau Klöckner, glaube ich, nicht so gut gefallen.
Wir brauchen auch Geld für eine andere Nutztierhaltung, die diesen Zielen gerecht wird und damit auch wieder gesellschaftlich akzeptiert wird.
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeslandwirtschaftsministeriums hat sich gestern dazu auch zu Wort gemeldet, und zwar mit Folgendem: Das Kernproblem der gegenwärtigen EU-Agrarpolitik ist deren einseitige Fokussierung auf die Stützung der landwirtschaftlichen Einkommen. Die Direktzahlungen sind verteilungspolitisch nicht zu rechtfertigen. Wir plädieren für eine konsequente Orientierung an den Gemeinwohlzielen in den Bereichen Umwelt-, Klima- und Tierschutz sowie ländliche Entwicklung.
Wir brauchen eine echte Systemveränderung. Wir brauchen eine Ökologisierung der gesamten Landwirtschaft!
Wir brauchen eine höhere Wertschöpfung in den Regionen. Wir brauchen eine tiefere Wertschöpfung. Das bedeutet, dass wir mehr Lebensmittelhandwerk, mehr Verarbeitung und mehr Vermarktung vor Ort brauchen. Wir brauchen mehr Wertschätzung der ganzen Lebensmittelkette von der Erzeugung über die Verarbeitung und Vermarktung bis hin zum Verbraucher. Wir brauchen mehr regionale Wertschöpfungsketten und regionale Handelskreisläufe. Wir brauchen mehr Struktur und Vielfalt in der Landwirtschaft und keine ausgeräumten Agrarlandschaften.
Wir brauchen auch Vielfalt in den Betriebsformen. Wir unterstützen klar Familienbetriebe. Inzwischen gibt es aber viele alternative Betriebsformen, die genauso unterstützungswert sind. Als Beispiel möchte ich die solidarische Landwirtschaft nennen. Wir brauchen mehr Unterstützung für kleine Betriebe, für Betriebe in Berggebieten und in Regionen mit einer geringen Bevölkerungsdichte.
Für all diese Maßnahmen brauchen wir den großen Topf der EU-Agrarzahlungen. Wir sind für den Erhalt der EU-Agrarzahlungen. Dafür kämpfen wir auch. Wir sind jedoch für zielgerichtete und begründete Zahlungen. Wir brauchen eine Gemeinsame Agrarpolitik, die
ökologische, soziale, tiergerechte, klima- und umweltschützende Leistungen honoriert. Wir brauchen eine Agrarpolitik, die unsere Ressourcen schont und die Menschen und den ländlichen Raum wertschätzt.