Protocol of the Session on May 15, 2018

Man muss den Bürger hier mitnehmen. Das hätten Sie machen können. Sie hätten das nicht durchpeit

schen müssen, weil genügend Zeit gewesen wäre. Man benötigt diese Befugnisse sehr wohl, und um der fortschreitenden Kriminalität und der fortschreitenden Technik – natürlich auch im Straftäterbereich – gerecht zu werden bzw. um damit Schritt zu halten, muss man Befugnisse auch ändern. Das hätten wir aber diskutieren können, und Sie hätten die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen können.

Wir haben – Gott sei Dank – im September noch zwei Sitzungswochen. Wenn Sie tatsächlich Angst haben, Sie würden dieses Gesetz ohne absolute Mehrheit nicht durchbringen, hätten Sie es mit der Mehrheit, die Sie jetzt haben, im September durchgebracht, aber es wäre dann diskutiert worden, und vielleicht wäre keine derart starke Polarisierung in unserer Gesellschaft erfolgt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Anscheinend haben Sie – das stellen wir nicht nur jetzt fest – immer noch nicht gemerkt, dass es ein Zeichen von Stärke ist, wenn man letztendlich sagt: Wir gehen einen Schritt zurück, wir haben mit diesem Vorpreschen vielleicht einen Fehler gemacht. – Sie meinen, das ist ein Zeichen von Schwäche. In Wirklichkeit ist es aber ein Zeichen von Schwäche, wenn Sie jetzt letztendlich auf die Kritiker unverhältnismäßig einschlagen.

Herr Kreuzer, Sie haben gerade ein Bündnis zum Beispiel mit Linken erwähnt. Sie erwähnen aber nicht das Bündnis, das ebenfalls beteiligt ist. Dieses Bündnis heißt KDFB – Katholischer Deutscher Frauenbund –,

(Markus Rinderspacher (SPD): Jawohl!)

BDKJ – Bund der Deutschen Katholischen Jugend –, Evangelische Jugend, Katholikenrat, Pax Christi und Katholische Arbeitnehmer-Bewegung, und die Organisationen haben Ihnen sehr wohl auch einen Brief geschrieben.

(Lebhafter Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CSU)

Wenn Sie ein solches Bündnis lächerlich machen – –

(Lachen bei der CSU)

Ich kann auch zurückgrinsen, liebe Kollegen, das geht.

(Zurufe von der CSU)

Ja, ich meine, wenn man lächelt, wird man hübscher, das ist schon klar.

(Heiterkeit bei der SPD)

Auf jeden Fall sind das ernst zu nehmende Bündnisse, und wenn Sie über sie lächeln, tun Sie ihnen Unrecht. Diese Menschen machen sich Gedanken, und ich glaube, wir haben in den letzten zehn Jahren selten erlebt, dass sich solche Menschen zusammenschließen und offen gegen die Partei, die das gleiche Christliche in ihrem Namen trägt, wenden, sie offen bitten und nicht nur in Gesprächen sagen: Bitte ändert was. Wenn Sie das so wegwischen, tun Sie mir eigentlich leid; dann haben Sie es nicht anders verdient.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Letztendlich muss man auch sagen, dass diese Kommission, die Sie jetzt vorschlagen, eine Bankrotterklärung für dieses Gesetzgebungsverfahren ist. Das war noch nie da. Sie müssen das vorher erklären! Sie sagen: Wir machen ein Gesetz, und dann reden wir darüber. – Ja, wo sind wir denn? – Das ist einfach nicht vorstellbar.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege Kreuzer, Sie haben vorher das Beispiel Amoklauf in Schulen gebracht. Ich kenne keinen Amoklauf in der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der letzten 20, 30 Jahre, der durch diese neuen Befugnisse hätte verhindert werden können. Teilweise hat man sogar Anzeichen gehabt, die aber leider nicht wahrgenommen wurden, weil wir zu wenig Lehrer und zu wenig Sensibilität haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Zurufe von der CSU)

Natürlich, der Fall – –

(Weitere Zurufe von der CSU)

Wenn Sie ernsthaft bestreiten, dass man den Schüler, der gemobbt wurde und der im OEZ Amok gelaufen ist, vorher durch andere Systeme und mit einer anderen Sensibilität hätte auffangen können, dann haben Sie, denke ich, letztendlich keine Ahnung, was in den jungen Menschen draußen vor sich geht. Wenn Sie genau dieses Beispiel dafür heranziehen, dass wir andere Befugnisse brauchen, haben Sie das schlechteste Beispiel gewählt, das sie wählen konnten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN – Markus Rinderspacher (SPD): Richtig!)

Wir FREIEN WÄHLER haben uns mit Ihren Vorschlägen auseinandergesetzt. Wir haben Änderungsanträge eingebracht. Sie haben dann selber Änderungsanträge eingebracht, die uns aber nicht weit genug gehen. Teilweise greifen sie zwar unsere Kritik auf und zeigen, dass Sie vielleicht nach wie vor ein Gespür dafür haben, wo Schwachstellen sind, allerdings hätten wir so weiterarbeiten müssen, und das haben Sie leider nicht getan.

Die Polizei hat ein hohes Ansehen bei uns. Sie hat mitunter das höchste Ansehen, weil sie eine super Arbeit macht. Die Polizisten schieben Überstunden vor sich her und sagen: Wir brauchen mehr, aber wir vertrauen darauf, dass das Personal 2019, 2020 kommt; wir tun unser Bestes. – Deshalb sind wir auch das sicherste Bundesland und nicht deshalb, weil die Polizei bisher zu wenig Befugnisse hat. Wie gesagt, wir bräuchten eine Erweiterung, aber nicht in dieser Unmäßigkeit. Das ist nicht nachzuvollziehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das Thema ist ernst, aber ich wage trotzdem, hier Lucky Luke zu zitieren. Bei "Die Daltons in der Schlinge" zieht sich der Spruch durch: Erst hängen, dann reden. – Wir sind nicht im Wilden Westen, und wir hängen nicht erst und reden dann.

(Zuruf von der SPD: Tja!)

Was Sie hier machen, geht aber in diese Richtung. Ihre Kommission gehört an den Anfang und nicht an das Ende der Debatte.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Sie sollten mit den Menschen sprechen. Haben Sie die Stärke, einen Schritt zurückzugehen, die Änderungen, die wir wegen der EU brauchen, zu verabschieden und ansonsten in den Dialog zu treten. Wenn Sie dem Bürger gut erklären können, dass diese Befugnisse nötig, dass sie in Ordnung sind, dann gehen Sie in diesen Dialog. Hauen Sie nicht dieses Gesetz durch, sondern wagen Sie es, mit den Menschen zu sprechen.

(Lebhafter Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von den FREIEN WÄHLERN: Bravo!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gottstein. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Schulze, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in Bayern die

niedrigste Kriminalitätsbelastung seit 30 Jahren, die Sicherheitslage ist ausgezeichnet. Das sage nicht nur ich, sondern das hat auch Innenminister Herrmann vor ein paar Wochen gesagt, und mein Kollege Herr Kreuzer hat das in seiner Rede gerade wiederholt. Trotzdem wollen Sie die Freiheit heute massiv einschränken. Ehrlich gesagt, CSU, Sie tun das nicht, weil wir ein Sicherheitsproblem haben. Sie tun das vor allem, weil Sie sich davon Vorteile im Wahlkampf versprechen, aber Sie haben sich verrechnet. Sie haben sich deswegen verrechnet, weil die Bürgerinnen und Bürger Ihren Plan durchschauen und nicht bereit sind, ihre Bürgerrechte aufzugeben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es begann mit einer Demonstration in Regensburg und ist mittlerweile eine NoPAG-Bewegung geworden. Seit Tagen und Wochen gehen Zigtausende von Menschen gegen den Überwachungswahn der CSU auf die Straße. Der erste große Höhepunkt fand letzten Donnerstag in München statt. Knapp 400.000 Menschen waren auf der Straße und haben für Freiheit, für Demokratie und für unseren Rechtsstaat demonstriert.

(Zuruf von der CSU: 40.000! – Thomas Kreuzer (CSU): 30.000!)

400.000! Entschuldigung, 40.000. Sorry.

(Unruhe)

Nein. Nein, nein. Danke für die Berichtigung. Es war gut, dass Sie das berichtigt haben. Ich habe hier eine Null zu viel drangehängt.

Diese Menschen eint alle, dass sie in Bayern frei und sicher leben wollen. Sie wissen auch, dass Bayern dank der guten Arbeit unserer Polizei das sicherste Bundesland ist. Eben weil das so ist, können sie nicht nachvollziehen, warum die CSU ihre Bürgerrechte einschränken möchte. Sie fragen sich, warum die Polizei nur aufgrund einer schwammigen drohenden Gefahr ihr Telefon, ihren Computer oder ihren CloudDienst präventiv durchsuchen bzw. abhören sollte. Warum sollte im sichersten Bundesland die Freiheit weiter beschnitten werden? – Die Bürgerinnen und Bürger fragen zu Recht, ob es das braucht. Ich kann Ihnen hier und heute deutlich sagen: Nein, das braucht es nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Menschen spüren, dass der Überwachungswahn der CSU immer weiter zunimmt. Das große Problem ist der unklare Begriff der drohenden Gefahr. Diesen unklaren Begriff der drohenden Gefahr hat die CSU

schon im Sommer 2017 eingeführt. Liebe Natascha Kohnen, auch damals betraf diese drohende Gefahr schon alle Bürgerinnen und Bürger und nicht nur die Gefährder. Deswegen haben wir GRÜNE als einzige Fraktion auch schon damals gegen das Gesetz gestimmt. Wir klagen jetzt auch vor dem Verfassungsgerichtshof, weil wir es für grundsätzlich falsch halten, dass Sie diesen Begriff eingeführt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie senken damit die Eingriffsschwelle massiv ab. Aus gutem Grund gibt es in unserem Land das Gebot der Trennung zwischen Polizei und Verfassungsschutz. Ich möchte nicht, dass Sie, die CSU, dieses Gebot immer weiter aufweichen. Wir GRÜNE möchten nicht, dass sich Polizei und Nachrichtendienste in ihrer Arbeit immer ähnlicher werden. Besonders ärgert mich – Herr Kreuzer hat das auch noch einmal erwähnt, damit möchte ich es aufgreifen –, dass Sie immer mit Ihrer Mythenbildung ankommen, das Bundesverfassungsgericht hätte Ihnen aufgetragen, diesen Gefahrenbegriff der drohenden Gefahr in das Gesetz hineinzuschreiben. Das ist einfach falsch. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Begriff in seiner Rechtsprechung zum BKA-Gesetz zwar benutzt, hat seiner Anwendung aber auch klare und enge Grenzen gesetzt. Nur zum Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter im Zusammenhang mit der Terrorabwehr ist laut Karlsruhe die Anwendung dieses Begriffs gerechtfertigt. Sie wollen jetzt in Ihrem PAG die Hürden, die das Bundesverfassungsgericht zum Schutz der Bürgerrechte errichtet hat, wieder niederreißen. Sie übertragen die drohende Gefahr jetzt ins allgemeine Polizeirecht, und damit treffen Sie alle Bürgerinnen und Bürger. Das muss man einfach so klar und deutlich sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist richtig, dass mit diesem Gesetz die Vorgaben der EU zum Datenschutz und das BKAG-Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingearbeitet wurden. Das ist auch nicht das Problem, das haben wir auch nie so behauptet. Das Problem ist aber, dass Sie noch weitere Eingriffsbefugnisse für die Polizei eingefügt haben. Dr. Löffelmann hat es bei der Expertenanhörung im Landtag sehr gut dargestellt: 39 neue Eingriffsbefugnisse für die Polizei werden nur aufgrund des neuen Gefahrenbegriffs eingefügt, und das sind 39 zu viele, liebe Kolleginnen und Kollegen.