Protocol of the Session on May 15, 2018

Es ist richtig, dass mit diesem Gesetz die Vorgaben der EU zum Datenschutz und das BKAG-Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingearbeitet wurden. Das ist auch nicht das Problem, das haben wir auch nie so behauptet. Das Problem ist aber, dass Sie noch weitere Eingriffsbefugnisse für die Polizei eingefügt haben. Dr. Löffelmann hat es bei der Expertenanhörung im Landtag sehr gut dargestellt: 39 neue Eingriffsbefugnisse für die Polizei werden nur aufgrund des neuen Gefahrenbegriffs eingefügt, und das sind 39 zu viele, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Darüber hinaus will die CSU buchstäblich in den Kern eines jeden Menschen eindringen, und das schon zu Fahndungszwecken. Sie möchten die DNA-Analyse ausweiten. In Zukunft soll man auch die Augen-,

Haar- und Hautfarbe, das biologische Alter und die Herkunft des Spurenverursachers feststellen können. Sie wissen genauso gut wie ich, dass DNA-Daten besonders schutzbedürftig sind, weil sie höchst sensible Informationen über einen Menschen und seine Familie preisgeben und weil sie praktisch nicht anonymisierbar sind. Ganz abgesehen davon ist auch die Methode, die DNA-Daten zu bestimmen, sehr fehleranfällig. Man kann also festhalten: Ihr Gesetz verletzt nicht nur Bürger- und Freiheitsrechte, es hilft auch der Polizei bei ihrer täglichen Arbeit nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bin seit Jahren in ganz Bayern bei der bayerischen Polizei unterwegs. In vielen Gesprächen, in Nachtschichten und bei den GRÜNEN-Polizeikongressen konnte ich erfahren, was unsere Polizei für ihre Arbeit wirklich braucht: mehr Personal, mehr Prävention, mehr Schutz vor Gewalt, mehr IT-Spezialistinnen und -Spezialisten; denn es reicht nicht nur die Präsenz auf der Straße. Wir brauchen auch mehr Spezialistinnen und Spezialisten. Die Polizei braucht mehr europäische Zusammenarbeit und mehr Zeit für Training und Fortbildung. Wenn wir mehr Sicherheit wollen, müssen wir an diesen Punkten ansetzen. Es nutzt doch nichts, unseren Beamtinnen und Beamten Sicherheitsplacebos wie die elektronische Fußfessel für Gefährder an die Hand zu geben oder neue Gesetze zu erlassen, deren Ausführung auch von Praktikern kritisiert wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sehen also: Unsere Kritik und auch die vielen Demonstrationen richten sich gegen die Politik der CSU, sie richten sich nicht gegen die Polizei.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um in der heutigen Debatte wenigstens etwas Positives zu sagen, möchte ich darauf hinweisen, dass unsere Proteste wenigstens etwas Wirkung bei der CSU gezeigt haben. Sie haben acht Änderungsanträge gestellt, die ein paar Bestimmungen verbessert haben. So wird die intelligente Videoüberwachung auf die automatisierte Erkennung von Mustern bei Gegenständen beschränkt und nicht mehr auf Gesichter und auf das Verhalten ausgedehnt. Dennoch stellt sich immer noch die verfassungsrechtliche und auch praktische Frage, ob die Software wirklich so klar zwischen Gegenständen und Menschen trennen kann. Die meisten Ihrer Änderungen bleiben bloß Kosmetik oder verschlimmbessern das Gesetz. Ein Beispiel ist Ihre neue Idee der Pre-Recording-Funktion bei Bodycams, die übrigens auch der bayerische Datenschutzbeauftragte als höchst problematisch ansieht.

Jetzt hat der neue Ministerpräsident, Herr Söder, Dialogforen und eine Kommission angekündigt. Herr Söder, Sie waren heute Mittag nicht da, darum sage ich es Ihnen auch noch einmal in aller Kürze: Ich halte es für absolut lächerlich, dass Sie Dialogforen einführen möchten, nachdem Sie ein Gesetz beschlossen haben. Ehrlich gesagt, ist die Reihenfolge genau andersherum. Zweitens halte ich es auch für unmöglich, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Schulen und an Hochschulen eine vermurkste CSU-Politik erklären und verbreiten sollen. Das ist doch verrückt.

(Beifall bei den GRÜNEN – Markus Rinders- pacher (SPD): Das ist wirklich Wahnsinn!)

Beamtinnen und Beamte sind erstens neutral, und zweitens sind unsere Polizistinnen und Polizisten dazu da, die Sicherheit in diesem Land zu gewährleisten, aber nicht dazu, Ihre Politik zu erklären. Das geht einfach nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN – Markus Rinders- pacher (SPD): Absolut richtig!)

Ganz abgesehen davon ist es alte CSU-Taktik, irgendwelche Kommissionen und Runden anzukündigen in der Hoffnung, das Simulieren von Mitsprache würde die Menschen irgendwann beruhigen.

Kolleginnen und Kollegen, das ist dieses Mal anders. Der Protest wird weitergehen. Da können Sie, Herr Söder, und Sie, Herr Herrmann, noch so oft probieren, das Lager der Kritikerinnen und Kritiker zu spalten. Das wird nicht gelingen. Fußballfans, Umweltschützerinnen und Umweltschützer, junge Menschen bis hin zu Seniorinnen und Senioren, Mitglieder verschiedenster Parteien werden auch weiterhin bunt und friedlich Hand in Hand für unsere Freiheit auf die Straße gehen; denn wir wissen ja, die Freiheit stirbt bekanntermaßen scheibchenweise. Das lassen wir nicht zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen werden wir GRÜNE auch dieser zweiten Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes hier und heute nicht zustimmen. Weder die Debatten in den Ausschüssen noch die Expertenanhörung noch Ihre Änderungsanträge haben das Gesetz so verbessert, dass wir guten Gewissens Ja sagen könnten. Wir werden mit Nein stimmen, und ich kündige jetzt schon an, dass wir wieder vor Gericht ziehen werden; denn Ihr Gesetz ist verfassungswidrig.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat nun die Abgeordnete Claudia Stamm. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte ist hitzig, und zwar nicht nur heute hier im Hohen Haus, sondern auch durch die Medien. Sehr geehrter Herr Minister Herrmann, es steht Ihnen nicht gut zu Gesicht, den Protest Zehntausender einfach wegzuwischen. Es steht Ihnen auch nicht gut zu Gesicht, die Menschen einfach zu diffamieren und "Lügenpropaganda" zu brüllen. Spätestens Ende letzter Woche, als sich etliche christliche Verbände öffentlich gegen dieses Polizeiaufgabengesetz aussprachen – Frau Kollegin Gottstein hat es genannt –, hätten Sie wenigstens einmal einen Moment innehalten und darüber reflektieren müssen. Angenommen, es hat sich irgendwo die eine oder andere Fehlinformation eingeschlichen, dann mag das auch so sein. Ich sage Ihnen auch, warum: weil Ihr Gesetz unlesbar ist. Es ist nicht lesbar. Das haben alle Experten gesagt. Vielleicht hätten Sie einmal in die Anhörung kommen sollen. Alle Experten, auch die, die die CSU-Fraktion benannt hat, haben gesagt, das Gesetz ist nicht lesbar.

Deswegen bin ich der Meinung, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie sollten einen Stopp einlegen und das Gesetz neu auflegen; denn jeder Bürger und jede Bürgerin hat das Recht, lesen und verstehen zu können, woran sie oder er bei der Polizei ist.

Diese Bezüge und die vielen Verweise im Polizeiaufgabengesetz haben letztendlich wohl dazu geführt, dass der Landespolizeipräsident Wilhelm Schmidbauer behauptet – und das ist die einzige bewusste Falschaussage, die ich in dieser ganzen Debatte kenne –, dass jeder Gefährder im Sinne des PAG natürlich und selbstverständlich einen Rechtsanwalt an die Seite gestellt bekommt. Was steht aber tatsächlich im Gesetz? – Es enthält den Verweis auf ein völlig fachfremdes Gesetz. Dort steht, ein Richter kann entscheiden, ob es einen Verfahrenspfleger gibt. Ein Verfahrenspfleger kann ein Anwalt sein, er kann aber auch ein Sozialpädagoge sein. Das heißt auf gut Deutsch: Einer, der beschuldigt ist, eine Straftat zu begehen, ist bessergestellt als ein Gefährder im Sinne des Polizeiaufgabengesetzes. Dabei handelt sich hier um eine Person, bei der man nur davon ausgeht, dass sie etwas anstellen wird. Das kann aber nicht im Sinne unseres Rechtsstaates sein. Das kann auch nicht im Sinne eines jeden oder einer jeden sein, der oder die Interesse an unserem, an diesem Rechtsstaat hat.

Wenn die gesamte Opposition erst einmal dem Landespolizeipräsidenten Glauben schenkte, dann aber

doch die Wichtigkeit dieses Aspekts erkannte und im nächsten Ausschuss anders abstimmte, ist das eine ganz andere Geschichte. Ich stelle heute den Antrag auf namentliche Abstimmung; denn ich finde, jeder und jede im Hohen Haus sollte die Möglichkeit haben, sich zur Rechtsstaatlichkeit zu bekennen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Vielen Dank. – Für die Staatsregierung hat jetzt Herr Staatsminister Herrmann ums Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Menschen in Bayern sollen weiterhin frei und sicher leben. Genau das bezweckt das neue Polizeiaufgabengesetz.

(Beifall bei der CSU)

Es schützt die Menschen und die Opfer von Gewalt. Es ist ein Schutzgesetz, kein Überwachungsgesetz. Das neue PAG bringt mehr Sicherheit und mehr Bürgerrechte, und es bringt mehr Datenschutz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erst am letzten Samstagabend mussten wir wieder die schrecklichen Bilder der Gewalt aus Paris erleben. Ein Mensch wurde getötet, vier wurden verletzt. Es ist traurige Realität, dass ich bei fast jeder Rede zum Polizeirecht auf solche aktuellen schrecklichen Ereignisse verweisen muss. Im letzten Jahr waren das etwa die Ausschreitungen beim G-20-Gipfel oder der aus Habgier begangene Anschlag auf den Bus der Dortmunder Mannschaft. Es ist unsere Aufgabe, auf solche Herausforderungen zu reagieren.

Lassen Sie mich aber zunächst auf zwei der drei Säulen des Gesetzentwurfs zu sprechen kommen, die von der EU und vom Bundesverfassungsgericht herrühren. Erstens müssen wir noch in diesem Mai das EU-Datenschutzrecht umsetzen. Das ist eine europäische Vorgabe, und das ist auch gut so; denn sie bedeutet mehr Datenschutz für die Bürgerinnen und Bürger. Künftig gibt es mehr und bessere Kontrollmechanismen für sensible Datenkategorien, und es gibt strengere Vorschriften bei der Übermittlung von Daten. Mehr Datenschutz bedeutet auch, dass künftig jeder, der von verdeckten Polizeimaßnahmen betroffen ist, hinterher informiert wird – mehr Datenschutz als bisher.

Zweitens. Wir setzen zügig und umfassend die zum BKA-Gesetz aufgestellten Vorgaben der Rechtsprechung um. Das bedeutet mehr Richtervorbehalte,

nicht weniger. Das bedeutet mehr Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung, nicht weniger. In Zukunft wird zum Beispiel eine unabhängige Datenprüfstelle bei allen eingriffsintensiven Maßnahmen private Daten herausfiltern, bevor die Ermittlungsbehörde, das Landeskriminalamt oder welche auch immer, diese Daten näher sichten kann. Das gibt es bisher in keinem einzigen Bundesland. Kein einziges SPD-geführtes Bundesland hat diese Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts bislang umgesetzt. Wir sind beim Schutz der Bürgerrechte in Deutschland vorbildlich, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Die dritte Säule ist die Weiterentwicklung der präventiv-polizeilichen Eingriffsbefugnisse. Das geschieht unter anderem mit Blick auf die fortschreitende technische Entwicklung. Dieses Thema bewegt die Menschen in unserem Land am meisten, und darüber wurden aber auch am meisten Unwahrheiten verbreitet. Wir nehmen die berechtigten Sorgen der Bürgerinnen und Bürger sehr ernst. Wenn aber bei der großen Demonstration am vergangenen Donnerstag hier in München von der Bühne herab unwidersprochen behauptet wird, dass die Polizei in Zukunft Beweise fälschen darf, dann ist das nicht nur eine – und das muss man hier deutlich sagen –bewusste Irreführung der Menschen, sondern das ist unglaublich.

(Beifall bei der CSU)

Aber keiner, der sonst auf der Bühne war, hat sich davon distanziert, meine Damen und Herren!

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Dann aber erzählen Sie, Frau Kollegin Schulze, dass sich Ihre Aktion überhaupt nicht gegen die Polizei richtet, überhaupt nicht.

(Unruhe bei den GRÜNEN)

Ja, das merkt man bei solchen Aktionen, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Unruhe bei der SPD und den GRÜNEN – Zuruf des Abgeordne- ten Florian von Brunn (SPD))

Ja, zu Ihrem großartigen NoPAG-Bündnis gehört dann auch der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD. – Großartig.

(Lachen bei der CSU)

Der verteilt dann Flyer auf der Demonstration.

(Unruhe bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich zitiere aus diesem Flyer.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich zitiere: Dieses Gesetz steht für die Vorbereitung einer den Vorgaben einer Geheimen Staatspolizei folgenden Freisler-Justiz.

(Anhaltende Unruhe – Glocke der Präsidentin)