Protocol of the Session on April 10, 2018

Wenn sich eine Erzieherin meldet und davon berichtet, dass sie in den letzten zwei Jahren mehrfach Änderungsarbeitsverträge bekommen hat, weil ihr Träger den Stundenschwankungen ausgesetzt war, dann erzählt sie uns doch nicht die Geschichte vom toten Hund, sondern dann berichtet sie einfach aus ihrer beruflichen Praxis. Sie verteidigen hier nur Ihre Linie, obwohl die damalige Ministerin bei der Einführung des BayKiBiG 2005 schon gesagt hat, dass nachgebessert werden muss. – Herr Dunkl, Sie müssten es wissen. Ich grüße Sie herzlich; schön, dass Sie da sind und die Debatte mitverfolgen. – Damals wurde schon gesagt, dass die Gewichtungsfaktoren angehoben werden müssen. Sie wurden nicht angehoben. Der

Basiswert – erinnern Sie sich an die Debatte vor ein paar Wochen hier im Hohen Haus – wurde aktuell pro Jahr und Kind um knappe drei Euro angehoben. Wenn Sie schon der Meinung sind, dass der Basiswert die Stellschraube ist, um letztendlich eine Verbesserung zu erzielen, dann erhöhen Sie ihn doch wenigstens so, dass die steigenden Gehälter bezahlt werden können. Sie lehnen permanent alles ab.

Ich möchte noch kurz aus einem Schreiben des Ministeriums zitieren, um die Ernsthaftigkeit der Debatte hervorzuheben. Darin wird formuliert, sehr bedenklich sei auch die hohe Zahl an Teilzeitverträgen und befristeten Arbeitsverträgen.

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Dann wird auch noch ausgeführt, das Kostenargument sei nicht immer überzeugend, dennoch verschließe sich der Freistaat Bayern nicht Überlegungen, den Akteuren vor Ort noch mehr unter die Arme zu greifen. – Dann tun Sie es doch auch in Ihrer Verantwortung als Abgeordnete, wenn schon das Ministerium solche Vorschläge nicht ablehnt.

(Beifall bei der SPD)

Bitte, Herr Vogel.

Frau Rauscher, ich tue mir schwer damit. Ich sagte vorhin, der Basiswert war bei 767 Euro. Jetzt liegt er bei 1.200 Euro. Die Steigerung beträgt 56 %. Sie sagen, da sei nichts passiert. Wir reden von einem Anstellungsschlüssel, der bei 1 : 12,5 gelegen hat. Jetzt liegt er bei 1 : 11. In der Realität liegt er im Schnitt bei 1 : 9,12. Sie sollten bei der Wahrheit bleiben.

Sie haben gesagt, ich sei nicht draußen. Ich bin selbst Träger einer Kindertagesstätte und habe ganz andere Erfahrungen gemacht. Bei mir fallen Leute aus. Wenn ich dann andere frage, ob sie nicht Vollzeit arbeiten könnten, sagen sie mir: Ich habe daheim genug zu tun, ich habe kein Interesse an Vollzeit, ich will Teilzeit. Händeringend bitten wir unsere Erzieherinnen und Erzieher oder Kinderpflegerinnen, in Vollzeit zu arbeiten. Wenn eine Mitarbeiterin schwanger wird, bekommt sie sofort ein Berufsverbot. Das heißt, mir fällt eine Erzieherin oder Kinderpflegerin sofort aus. Darauf muss ich sofort reagieren. Dann ist der erste Schritt die Frage, ob ein anderer mit einem Teilzeitjob nicht vorübergehend aufstocken könnte. Die sagen dann: Nein, mit mir nicht. – Das heißt, ich erlebe es genau umgekehrt; die Teilzeitbeschäftigten wollen nicht Vollzeit arbeiten.

In Zeiten des Fachkräftemangels – daher sehen Sie die Realität nicht –, in denen überall Leute gebraucht werden und jemand Vollzeit arbeiten will, bekommt er ohne Probleme einen anderen Job, weil so viele Einrichtungen dringend Personal brauchen. Deshalb verkennen Sie die Situation, wenn Sie sie so schildern. Sie haben gerade wieder eine Schüssel genommen, alles hineingeschüttet und gequirlt.

Sie argumentieren, der empfohlene Anstellungsschlüssel würde die Teilzeitquote und die Quote der Befristungen minimieren. Da gibt es überhaupt keinen Zusammenhang. Ich weiß gar nicht, wie man darauf kommen kann. Der empfohlene Anstellungsschlüssel hat keinerlei Auswirkungen auf die Finanzierung einer Kindertagesstätte, und deshalb ist Ihr Antrag Quatsch und inhaltlich falsch. Daran kann man nichts ändern.

Jetzt kommt die nächste Zwischenbemerkung der Kollegin Kamm. Bitte halten Sie sich an die Redezeit.

Weisen Sie mir nach, welche Auswirkungen der empfohlene Anstellungsschlüssel hat, und dann nehme ich alles zurück. Es wird Ihnen nicht gelingen. Ich habe versucht, es zu erläutern.

Herr Vogel, Frau Kamm kommt jetzt dran.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Nein, Sie haben noch weitere zwei Minuten. Frau Kamm hat auch noch eine Zwischenbemerkung.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch Wahnsinn!)

– Das stimmt doch nicht.

Bitte keine Dialoge. – Frau Kamm, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Kollege Vogel, Sie haben so gesprochen, als wäre alles bestens, weil wir im bundesweiten Durchschnitt lägen. Ich weiß nicht, ob das tatsächlich stimmt, aber ich wäre damit noch nicht zufrieden. Wir wollen die Situation hier doch verbessern.

Ich habe mit vielen Trägern von Einrichtungen gesprochen. Viele Träger bieten Teilzeitarbeitsverhältnisse an, um dann die Möglichkeit zu haben, schnell aufzustocken, wenn jemand schwanger wird. Das ist aber keine Personalplanung, wie sie in anderen Unternehmen oder Branchen üblich ist. Normalerweise entscheiden sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

für Vollzeit oder eben für Teilzeit. Selten entscheiden sich welche für Teilzeit, damit sie dann, wenn beim Träger Not am Mann ist, schnell einspringen und aufstocken.

Mir haben viele junge Frauen gesagt, dass sie erst einmal Vollzeit arbeiten wollen, weil sie noch jung sind und keine Kinder haben. Später, wenn sie Kinder haben, wollen sie vielleicht Teilzeit arbeiten. Diese jungen Frauen haben aber keinen Vollzeitarbeitsplatz angeboten bekommen. Sie wollen in der Regel auch am Heimatort arbeiten. Die Risiken der Träger werden auf die Beschäftigten abgewälzt. Das ist Fakt. Wenn wir das reduzieren können, erhöhen wir auch die Attraktivität des Erzieherberufes. Viele entscheiden sich aus diesen Gründen nicht für den Erzieherberuf, obwohl sie die Arbeit gerne machen würden. An dem Punkt müssen wir ansetzen. Wir müssen die Arbeitsbedingungen verbessern. Wir können nicht immer nur nein sagen, sondern wir müssen jetzt etwas tun.

Bitte, Herr Vogel.

Vielen Dank, Frau Kamm. Ich hoffe, dass sie mich nicht falsch verstanden haben. Ich weiß es selbst. Es gibt das Phänomen, dass aufgrund wechselnder Buchungsanfragen auch die Arbeitsverträge geändert werden. Ich bin selbst Träger. Was haben wir gemacht? – Wir haben gesagt, jeder muss am Anfang des Jahres seine Buchungszeiten fest buchen. Wir haben zum Beispiel untersagt, dass man jeden Monat umbuchen kann – man kann nur umbuchen, wenn ein triftiger, nachvollziehbarer Grund vorliegt –, um den Aufwand zu reduzieren. Die Träger sollten die Belange ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen und nicht jedem Wunsch der Eltern sofort nachgeben. In einem Ballungsgebiet muss man froh sein, wenn man überhaupt einen Kindertagesstättenplatz bekommt. Dann kann man auch nicht sagen: Heute will ich es so und in vier Wochen anders. – Ich halte es für absolut richtig, wenn Sie sagen, dass das ein Problem ist.

Gerade deshalb haben wir den Jahresmittelwert eingeführt. Es war unser Ziel, mehr Geld ins System zu bekommen. Wenn ich mehr Geld im System habe, hat die Kindertagesstätte einen höheren finanziellen Spielraum und ist dann nicht gezwungen, sofort rauf oder runter zu buchen. Das ist auch eine Frage der Defizitverträge, davon bin ich überzeugt. Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass die Kinderbetreuung eine kommunale Pflichtaufgabe ist. Eigentlich ist die Kinderbetreuung eine Aufgabe der Kommunen, die der Freistaat Bayern unterstützt, wenn bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllt sind. Wenn heute eine Kommune gutes und engagiertes Personal halten will,

kann ich dem Bürgermeister nur raten, die Kindertagesstätte finanziell so abzusichern, dass sie nicht gezwungen ist, jede Buchungsveränderung vorzunehmen.

Ich glaube auch – das habe ich vorhin gesagt – dass es vor allem bei kleineren Einrichtungen im ländlichen Bereich ein Problem ist. Eine Tagesstätte im Ballungsraum München läuft von Haus aus unter Volllast, weil einfach ein großer Bedarf vorhanden ist. Das heißt, dort gibt es immer genug Arbeit. Im ländlichen Bereich, mit ein- oder zweigruppigen Kindergärten, gibt es Anfang September noch nicht so viele Buchungen, weil viele sagen, ich bringe mein Kind erst im Januar oder im Februar. Da muss ich vorstrecken.

Bitte kommen Sie zum Ende.

Deshalb bin ich auch Ihrer Überzeugung, dass diese wechselnden Buchungszeiten der große Schwachpunkt sind. Das lösen wir aber nicht mit der Anhebung des empfohlenen Anstellungsschlüssels. Dieses Instrumentarium ist vollkommen ungeeignet.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Fahn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herzlichen Dank für die beiden Anträge! So können wir über das Thema noch einmal intensiv diskutieren. Das ist richtig und wichtig.

Ja, es stimmt, starre Vorgaben hinsichtlich der Personalplanung in Kindertagesstätten führen, wie die Antragssteller richtig darlegen, zu prekären Beschäftigungsverhältnissen. Ja, es stimmt, dass der Großteil der jungen Menschen sich derzeit Gedanken über eine mögliche Anstellung macht und auch Gedanken über die Bezahlung und die Arbeitszeiten. Das ist ein wichtiger Punkt. Es stimmt natürlich auch, dass die Ausbildung größtenteils unentgeltlich ist, weil sie schulischer Art ist. Aber nach der Ausbildung wartet eine wenig befriedigende Aussicht auf Teilzeitbeschäftigung auf die Erzieher. Auch wir FREIEN WÄHLER sagen, das kann nicht im Interesse des Freistaats sein. Ja, es stimmt, mehr Planungssicherheit und bessere Arbeitsbedingungen werten den Erzieherberuf auf und machen es den jungen Leuten schmackhafter, sich für diese Ausbildung zu entscheiden. Unser allergrößter Respekt gebührt den jungen Menschen, die sich heute noch für eine solche Ausbildung entscheiden.

Die Idee, den empfohlenen Anstellungsschlüssel anzuheben, ist grundsätzlich zu unterstützen. Aber wir FREIEN WÄHLER geben zu bedenken, dass wir Gefahr laufen, die kommunale Ebene über Gebühr zu belasten, weil diese mehr Geld für das Personal ausgeben soll.

Ich darf in diesem Zusammenhang auf ein anderes Konzept der FREIEN WÄHLER hinweisen, nämlich eine Sockelfinanzierung durch den Freistaat, die wir schon öfters gefordert haben. Das könnte eine zusätzliche Verbesserung für die bayerischen Kitas und ihre Beschäftigten bringen. Durch eine Sockelfinanzierung könnten die Kitas in die Lage versetzt werden, den Verwaltungsaufwand, die Randzeitenbetreuung und die individuelle Familienbetreuung angemessen zu berücksichtigen. Das würde insbesondere kleinen Einrichtungen zugutekommen. Das halten wir FREIEN WÄHLER für ganz besonders wichtig.

Die Zielrichtung der SPD und der GRÜNEN ist richtig, aber für uns ist die Finanzierung noch fraglich, insbesondere wenn es augenscheinlich um die Finanzierung durch die kommunale Ebene geht, die Finanzierungen, die auf die Kommunen abgewälzt werden. Deswegen können wir den Anträgen nicht zustimmen, sondern werden uns enthalten. Der Ansatz ist richtig, aber wir müssen ein Konzept finden, das die Kommunen entlastet und nicht zusätzlich belastet. Wir müssen natürlich auch für eine attraktivere Gestaltung des Erzieherberufs sorgen. Das ist auch in unserem Sinn. Wir FREIEN WÄHLER gehen das Konzept der besseren Sockelfinanzierung an.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Redezeiten sind jetzt zu Ende. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Wartezeit für die namentliche Abstimmung ist noch nicht erfüllt. Auch die einfache Abstimmung ist jetzt noch nicht möglich. Wir müssen diesen Punkt also zunächst einmal zurückstellen.

Die Dringlichkeitsanträge auf den Drucksachen 17/21544, 17/21545, 17/21547, 17/21548, 17/21561 und 17/21562 werden in die zuständigen federführenden Ausschüsse verwiesen.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Verena Osgyan u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frauenfeindlich motivierte Kriminalität erfassen und bekämpfen (Drs. 17/18888)

Ich eröffne die Aussprache und weise darauf hin, dass 24 Minuten Redezeit vereinbart sind. Erste Rednerin ist die Kollegin Schulze.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dank "#MeToo" weiß die ganze Welt, dass Schauspielerinnen am Set belästigt werden. Wer aber denkt, dass Frauenfeindlichkeit nur Filmstars oder Promis betrifft, liegt falsch. Ich weiß nicht, wer die "SZ" am Wochenende gelesen hat. Der längere Artikel "14 ungeschminkte Wahrheiten über Sexismus im Alltag" hat einen, wie ich finde, sprachlos gemacht.

Kolleginnen und Kollegen, da hat man ein paar Beispiele gefunden, bei denen einem richtiggehend schlecht wird: eine Supermarktkassiererin, die sich keine T-Shirts mit V-Ausschnitt mehr anzieht oder nicht mehr einen Blusenknopf geöffnet lässt, die Altenpflegerin, die nicht nach ihrem Können, sondern anhand ihres Körpers beurteilt wird, und so weiter und so fort. Darüber hinaus kann sicher die eine oder andere Frau berichten, wie sie online angegriffen wird, weil sie eine Meinung formuliert hat. Sie wird angegriffen und beleidigt, nur weil sie eine Frau ist. Ich bin mir auch sicher, dass fast jede Frau die eine oder andere Situation kennt, in der Arbeit, daheim, auf der Straße, in der ein blöder Spruch, ein Angriff, eine Beleidigung kam aufgrund des Geschlechts. Das ist Frauenfeindlichkeit, und das passiert täglich in ganz Bayern. Egal, ob online oder offline, egal, ob auf dem Weg zur Arbeit, in der Schule oder abends beim Feiern, egal, ob körperliche Gewalt oder mündliche: Gewalt gegen Frauen hat System und ist kein privates Problem.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dank der "#MeToo"-Bewegung redet und streitet die Gesellschaft darüber, was geht und was nicht geht. Ich finde, jetzt liegt es an uns Parlamentarierinnen und Parlamentariern, diese Grenzüberschreitungen gegen Frauen, die eindeutig über unsere Gesetze hinausgehen, auch sichtbar zu machen. Frauenhass wurde viel zu lange als Ansammlung von Einzelfällen behandelt.

Deswegen stellen wir GRÜNEN heute den Antrag, Frauenfeindlichkeit in die polizeiliche Kriminalstatistik aufzunehmen und das Kriterium "Geschlecht" im Bereich der Hasskriminalität zu ergänzen.

Ich habe eine Anfrage an das Ministerium gestellt. Das Ministerium hat eingeräumt, dass frauenfeindliche Kriminalität einen bedeutsamen Anteil an Hasskriminalität darstellt, besonders im Internet. Deswegen verstehe ich nicht, warum Kategorien wie Hautfarbe, Religion, sexuelle Orientierung, Identität oder Erscheinungsbild als Motiv für Hasskriminalität gelten, das Geschlecht jedoch nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss sich ändern. Wir wissen doch alle: Erst wenn man ein Problem sichtbar macht, kann man es auch umfassend bekämpfen. Das ist heute unsere Aufgabe.

(Beifall bei den GRÜNEN)