Was unsere politische Debatte vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderung am meisten braucht, sind Augenmaß und Sachlichkeit. Wir haben es immer wieder mit Themen zu tun, bei denen es Ängste und Vorurteile in der Bevölkerung gibt. Diese Ängste und Vorurteile kann man als Politiker verstärken und die Menschen gegeneinander ausspielen, oder man kann die Debatte versachlichen und Vorurteile ausräumen, den Menschen vermitteln, dass sie nicht in Konkurrenz zueinander stehen, und kann Zusammenhalt schaffen. Ein guter Ministerpräsident widersteht der Versuchung des Populismus. Er baut Vorurteile ab, statt sie zu verstärken. Ein guter Ministerpräsident erklärt die politischen Notwendigkeiten sachlich und handelt mit Augenmaß.
Was die Menschen in Bayern aber auch von der Politik verlangen, ist Klarheit und Geradlinigkeit – daran hat es in den letzten Jahren am meisten gemangelt –, Klarheit und Geradlinigkeit, ob nun für Studiengebühren oder dagegen, für mehr Atomkraft oder für den Atomausstieg, für Stromtrassen oder dagegen, für die Betonierung der Donau und dann für einen naturnahen Ausbau, vehement für das G 8 und dann doch wieder für das G 9. Diese Liste ließe sich noch lang fortsetzen.
Bei diesem Zickzackkurs hat vieles Schaden genommen. Wir wären mit den erneuerbaren Energien in Bayern weiter, wenn die Staatsregierung nicht so lange auf Atomkraft gesetzt hätte. Wir hätten heute einen besseren Hochwasserschutz in Niederbayern, wenn die Staatsregierung nicht so lange auf Zubetonieren gesetzt hätte. Wir hätten jungen Menschen viel erspart, wenn man sie nicht so kopflos zu Versuchsobjekten im achtjährigen Gymnasium gemacht hätte.
Durch diese Wendemanöver hat das Vertrauen in die Politik Schaden genommen; denn es ging dabei nie um politische Überzeugungen oder die Suche nach den besten Lösungen. Nein, es ging immer um kurzfristige Wahlkampftaktik. Dem Machterhalt wurde alles untergeordnet – oft eben auch leider die Vernunft.
Das muss anders werden. Ein guter Ministerpräsident verfolgt seine Politik klar und gradlinig und schlägt keine taktisch motivierten Haken.
Politik in Bayern braucht aber auch mehr Ernsthaftigkeit. Nach Ostern werden wir hier die erste Regierungserklärung des nächsten Ministerpräsidenten hören, und wir erwarten tatsächlich eine Regierungserklärung und keine Wahlkampfrede. Ernsthaftigkeit bedeutet, dass man dort Ziele vorgibt, die man tatsächlich erfüllen will, dass man Projekte vorstellt, die tatsächlich umgesetzt werden, weil sie realistisch sind und reale Probleme lösen. Wenn man diese Bühne missbraucht, um Feigenblätter zu repräsentieren, die nur dem eigenen Wahlkampf nutzen sollen, wenn man Vorschläge macht, die nur auf den Effekt zielen und nicht auf die tatsächliche Umsetzung, dann schwächt man das Vertrauen in die Politik. Das gilt für eine Pkw-Maut für Ausländer genauso wie für eine bayerische Grenzpolizei. Ein guter Ministerpräsident macht nur politische Vorschläge, die ernst gemeint und umsetzbar sind.
Zu einem guten Umgang in der Politik gehört auch der Respekt vor dem Glauben, Respekt vor dem Glauben unserer Bürgerinnen und Bürger in Bayern. Das gilt für Katholiken und Protestanten. Das gilt für Juden und für Moslems. Das gilt für andere religiöse Bekenntnisse, und es gilt auch für die vielen Menschen in Bayern, die nicht religiös sind. Man muss nicht gläubig sein, um ein guter Politiker zu sein. Man muss kein Christ sein, um eine gute Politik zu machen. Wenn wir uns aber Christen nennen und Politik machen, dann müssen wir diesem Bekenntnis gerecht werden, und das heißt, die Menschlichkeit muss an erster Stelle stehen.
Respekt vor dem Glauben heißt auch, Religion nicht zu instrumentalisieren, um Angehörige anderer Glaubensrichtungen auszugrenzen, und deshalb gehört der Bezug auf eine Religion auch nicht in die Verfassung. Ein guter Ministerpräsident respektiert alle religiösen Bekenntnisse unserer Bürgerinnen und Bürger und missbraucht sie nicht für politische Taktik.
Schließlich erwarten wir von einem Politiker an der Spitze des Freistaates die notwendige Bescheidenheit. Das gilt in zweierlei Hinsicht: Das gilt für das persönliche Auftreten. Wir brauchen kein kraftmeierisches Auftreten im Amt des Ministerpräsidenten.
Niemand will das. Das gilt übrigens auch für das Auftreten nach außen. Bayern ist ein starkes Land. Ja – ich habe das eingangs schon einmal gesagt –, Bayern steht gut da. Das ist aber kein Grund, allen anderen Ministerpräsidenten mit Überheblichkeit und Besserwisserei entgegenzutreten. Das ist schon gar keine Rechtfertigung, sich in Verhandlungen mit Bund und Ländern wie der Klassenrüpel aufzuführen. Auch hier tut uns ein etwas bescheidenerer Auftritt gut. Ein guter Ministerpräsident tritt mit Maß und Bescheidenheit auf – in Bayern und in der Vertretung nach außen. Das sind die Anforderungen an einen Bayerischen Ministerpräsidenten.
Herr Kreuzer, wir haben unsere Zweifel, dass der Kandidat, den Sie vorschlagen, diesen Anforderungen gerecht wird. Wir vergeben aber auch keine Noten, bevor ein Kandidat das Amt angetreten hat. Das gebietet der Anstand unter Demokraten. Es gibt aber auch keine Amnestie für die Sünden der Vergangenheit, und Sie haben eine Menge im Gepäck, Herr Söder, wenn Sie dieses Amt antreten.
Der schwerste Stein im Gepäck ist der Verkauf der GBW-Wohnungen gegen die Interessen von 85.000 Menschen.
Diese Wohnungen sind heute nicht das Thema; aber eines ist auch klar: Wir werden Sie da nicht aus der Verantwortung lassen.
Ein weiterer Stein im Gepäck ist die Vorgeschichte dieses Wechsels im Amt des Ministerpräsidenten. Die Art und Weise, wie dieser Machtkampf geführt wurde, hat auch dem Ansehen der Politik insgesamt geschadet,
Leitmotiv für Ihre Amtszeit als Ministerpräsident, Herr Söder, sollte auch keinesfalls Ihr Idol aus der Jugendzeit werden, dessen Plakate über Ihrem Bett hingen, Franz Josef Strauß, der 1974 in Sonthofen Folgendes sagte – ich zitiere –:
Aber die vielen nüchternen harten Fragen der Landespolitik, … wo man viel Sachkunde braucht, … all das macht nicht die Wahlergebnisse für morgen aus, sondern die Emotionalisierung der Bevölkerung, und zwar die Furcht, die Angst und das düstere Zukunftsbild sowohl innenpolitischer wie außenpolitischer Art.
Wenn dies Ihr Leitbild ist, werden Sie der Verantwortung für die Demokratie in Bayern nicht gerecht werden;
denn es muss darum gehen, die Menschen in Bayern zusammenzuführen und sie nicht gegeneinander oder gegen Menschen auszuspielen, die woanders leben oder die von woanders zu uns kommen.
Vielen Dank. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER erteile ich jetzt Herrn Kollegen Aiwanger das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir machen Politik für unsere Heimat Bayern und für unsere Bürger. Heute werden die Weichen für einen neuen Ministerpräsidenten gestellt, und wir stellen dar, was wir uns davon erhoffen, was wir uns davon erwarten.
Von Ihnen ist Bayern in den letzten Jahren immer als das Land dargestellt worden, in dem Milch und Honig fließen – Bayern, die Vorstufe zum Paradies. Am Ende war es dann schon das Paradies. Meine Damen und Herren, wir setzen natürlich alle Kräfte daran, dieses Paradies auf Erden anzustreben. Aber wir wissen, dass wir es nie ganz schaffen werden. Trotzdem ist der Versuch legitim. Trotzdem ist der Versuch unser Auftrag. Wir müssen gemeinsam Entscheidungen treffen, die dieses Land voranbringen, die die Probleme in diesem Land lösen. Wenn man in die Bevölkerung dieses Freistaats Bayern hineinhört, erfährt man, dass eben nicht alle der Meinung sind, sie würden auf einer Wolke im Paradies schweben, sondern da gibt es viele Betroffenheiten. Ich glaube, das ist zuerst auch
Regierung hat natürlich immer den strategischen Ansatz, die Dinge schönzureden. Trotzdem: Vielleicht trifft man sich am Ende in der Mitte mit einem realistischen Ansatz. Wo gibt es noch Baustellen, und was gilt es, hier anzugreifen?
Ich habe vor wenigen Tagen in meinem Bürgerbüro ein Gespräch mit einer Hebamme geführt, die diesen Beruf seit Jahrzehnten ausübt und die kurz davor ist aufzuhören, weil sie sagt, dieser Beruf ist zwar ihre Lebensberufung, aber all diese bürokratische Schikane, all diese Probleme in der Abrechnungsmodalität führen dazu, dass sie viele Leistungen gar nicht mehr abrechnen kann. Die Mütter sitzen in der Wartestube, und sie muss sie irgendwo bearbeiten, kann aber am Ende gar nicht alles abrechnen.
Ich war die letzten Tage zweimal beim Landtagsinfostand in Passau bei der Passauer Frühlingsmesse. Dort ist eine Reihe von Bürgern auf mich zugekommen, unter anderem ein Vertreter der kleinen Wasserkraftbetreiber, dessen Vorfahren bis zurück ins Jahr 1200 im Raum Passau ein Wasserkraftwerk haben und der jetzt kurz davor steht zu schließen. Er sagt: Wenn dieser neue Wasserleitfaden umgesetzt wird, dann ist bei mir der Ofen aus.
Ich habe mit einem Metzger gesprochen, der vor einigen Jahren dichtmachen musste unter dieser EU-Hygienerichtlinie und deren Umsetzung in Bayern, wo es geheißen hat: Schlachtraum und Verarbeitungsraum dürfen nicht in einem Raum sein. Daraufhin sind Tausende Betriebe in Bayern über die Klinge gesprungen. Und jetzt sagt man, es hätte wohl anders ausgelegt werden können. Jetzt ist es plötzlich wieder in einem Raum erlaubt, aber leider blieben ein paar Tausend Betriebe auf der Strecke.
Ich kenne Hausärzte, die sagen: Wenn das so weitergeht, wird mein Sohn die Praxis nicht übernehmen, dann wird er aussteigen; er wird versuchen, irgendwo in der Pharmaindustrie Fuß zu fassen.
Meine Damen und Herren, es kam eine Realschulreferendarin, die sagte, sie würde ganz gerne unterrichten, würde aber immer nur Zeitarbeitsverträge bis zu den Ferien bekommen wie ein Saisonarbeiter beim Spargelstechen. Sie wird über die Ferien entlassen. Wenn sie Glück hat, wird sie nach den Ferien wieder angestellt, oder auch nicht.
Meine Damen und Herren, ich kenne viele Bauern, mehr als je zuvor, die um die Zukunft ihrer Höfe Angst haben. Es herrscht in der bayerischen Landwirtschaft auf vielen Höfen mittlerweile Endzeitstimmung. Wenn
die Bauern in den nächsten Jahren in der Zahl zumachen wie in den letzten Jahren, und vielleicht noch vermehrt, dann haben wir in 10 oder 20 Jahren ein ganz anderes bayerisches Bild. Dann haben wir dort keine bäuerliche Landwirtschaft mehr. Dann haben wir dort Agrarindustrie.
Meine Damen und Herren, das alles sind Entwicklungen, die sich heute andeuten, die wir korrigieren können, wenn wir die Themen erkennen, oder die wir in Sonntagsreden schönreden können, um dann in fünf Jahren zu beklagen, dass man nicht früh genug gehandelt hat.
Meine Damen und Herren, ich habe vor wenigen Tagen auch mit einem Gastwirt in Landshut gesprochen. Ich kann Ihnen das dazu sagen: Ein Betrieb, der seit dem 13. Jahrhundert existiert. Der Gastwirt sagt, er wird in den nächsten Jahren wahrscheinlich aufhören. – Das ist Mittelstand, das ist Heimat, das sind Betriebe, das sind Menschen, das sind Schicksale, die jetzt auf die Politik schauen, die fragen: Kümmern sich die da oben um uns, oder drehen die sich in ihrem eigenen Elfenbeinturm? Reden die die Dinge schön? Erkennen die wirklich unsere Probleme, oder tun sie nur so?
Thema innere Sicherheit und Grenzpolizei: Es ist ein schöner Wahlkampf-Gag, eine neue bayerische Grenzpolizei ins Leben rufen zu wollen. Polizei in Passau, Schleierfahndung, Sollbestand: 75 Personen. Schleierfahnder in Passau, Istbestand: 50 Personen. Wenn Sie Ihre Grenzpolizei vielleicht noch vor der Wahl im Herbst ins Leben rufen, dann werden Sie diese Lücke kaum auffüllen können, die Sie jetzt hinterlassen haben. Wir als Opposition stellen seit Jahren Anträge, die Schleierfahndung zu verstärken. Nur zwei Drittel der Personen, die dort sein sollten, sind aktuell im Einsatz, und dann wird verkündet: Wir schaffen Dinge neu, wir geben vielleicht neue Uniformen aus und verteilen neue Briefköpfe.
Wir sind Realpolitiker. Wir sagen: Setz mal an den bestehenden Strukturen an, bessere mal da nach, bevor du neue Eier in die Welt setzt. Das ist genau der Politikstil, den wir einfordern: eine Realpolitik, die sich an den Verhältnissen orientiert, die genau diese Sorgen aufgreift, nicht mehr und nicht weniger. Da brauchen wir kein Gerede vom Paradies, und da brauchen wir die Dinge auch nicht schlechtzureden. Wir brauchen nur auf die Menschen zu hören, müssen nur erkennen, wo der Zug denn hinfahren soll.