Protocol of the Session on January 30, 2018

Herr Kollege Huber, Sie haben noch etwas vergessen: Alleinerziehende haben es oft noch mit Nebenkriegsschauplätzen zu tun. Mir hat neulich eine Mutter, die noch nicht hilfsbedürftig ist, erzählt, sie streite sich seit einem Jahr mit dem Vater des Kindes herum wegen der Zahnspange oder des Schulwechsels. Eine andere Mutter streitet sich seit einem Jahr herum, weil das Kind eine andere Schule, eine Privatschule mit dem Schwerpunkt Sprachen, besuchen will. Die Eltern müssen in Vorleistung gehen; das kommt hinzu.

Angesichts all dessen kann ich Sie von der CSU nicht verstehen. Ich erinnere an den Bericht zum Thema Kinderarmut, der vor Weihnachten erstattet wurde. Sie sind in einen Singsang eingestimmt. Das ändert nichts daran, dass das Armutsrisiko von Alleinerziehenden in Kinderarmut übergeht.

Schaffen Sie die Kindergartengebühren ab! Schaffen Sie vorrangig Plätze für Alleinerziehende! Und, und, und. Aber nur – nur! – 36,7 %? Es ist schade, dass jemand so etwas sagt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Vogel von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal gilt es, etwas klarzustellen: Kein Mitglied der CSU-Frak

tion diskriminiert Alleinstehende oder Alleinerziehende. Diesen Vorwurf weise ich auf das Schärfste zurück. Ich weise genauso die Behauptung zurück – ich zitiere Kollegin Schulze –, wir hätten noch den Geist von 1961, als Alleinerziehende noch nicht einmal sorgeberechtigt waren.

Das weisen wir in aller Entschiedenheit zurück. Für uns, für die CSU, ist Familie auch dort – selbstverständlich! –, wo Kinder sind und damit auch bei Alleinerziehenden. Gegenteilige Behauptungen lassen wir uns nicht vorhalten.

(Beifall bei der CSU)

Es gilt insgesamt etwas klarzustellen: Sie von der Opposition erwecken den Eindruck, die Situation von Alleinerziehenden wäre im Freistaat Bayern besonders dramatisch.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir haben bundesweit die Situation,

(Katharina Schulze (GRÜNE): Wir sind für Bayern zuständig! Wer regiert denn in Bayern?)

dass Alleinerziehende besonders stark von Armut gefährdet sind. Das ist kein bayerisches Problem und keine bayerische Herausforderung, sondern eine deutsche Herausforderung. Daher lassen wir uns den Schwarzen Peter nicht zuschieben, auch wenn Sie mit dem Finger auf uns zeigen.

(Katharina Schulze (GRÜNE): Wer regiert denn im Bund mit?)

Auch und insbesondere die SPD trägt im Bund dafür die Verantwortung.

(Katharina Schulze (GRÜNE): Und die CSU nicht?)

Ich erinnere daran: In den vergangenen 19 Jahren hat die SPD 15 Jahre lang das Sozialministerium geführt. Insoweit ist das, was Sie alles vorgetragen haben, ein Stück weit die Beurteilung der eigenen Arbeit, der eigenen Leute im Bund.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: In Bay- ern gibt es keine Sozialministerin?)

Um es noch einmal klarzustellen: Natürlich sind 43 % Armutsrisikogefährdung – im Bund – für Alleinerziehende eine dramatische Situation. Wir, der Freistaat Bayern, versuchen, uns diesem Trend entgegenzustellen. Deshalb bitte ich, die von Herrn Kollegen Huber erwähnte Zahl nicht bewusst falsch zu interpretieren nach dem Motto, 36 % seien doch gut. 36 %

sind zu viel! Wir, der Freistaat Bayern, unternehmen selbstverständlich Maßnahmen, diesen Prozentsatz zu senken. Wenn man es prozentual betrachtet, kommt man zu dem Ergebnis: Das Armutsgefährdungsrisiko von Alleinerziehenden in Bayern ist 20 % niedriger als im Rest von Deutschland. Das ist doch ein deutliches Indiz dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass wir in die richtige Richtung gehen.

Die Argumentation von Frau Kollegin Schulze – Sie haben sich auch in einer Pressemitteilung entsprechend geäußert – spiegelt die Realität nicht korrekt wider. So haben Sie heute behauptet, jedes vierte Kind unter drei Jahren sei in einer staatlichen Betreuungseinrichtung. In der Altersgruppe der Null- bis Dreijährigen sind es 33 %, also fast ein Drittel, nicht 25 %.

(Katharina Schulze (GRÜNE): 27,2 %!)

Betrachtet man nur diejenigen mit Rechtsanspruch, also die Altersgruppe der Ein- bis Dreijährigen, dann sind es schon über 40 %. Wo nehmen Sie Ihre Zahlen her? Sie stellen sich hier vorn hin und behaupten, in Bayern seien es bei den unter Dreijährigen 25 %. Die Wahrheit ist: In der Altersgruppe der Ein- bis Dreijährigen sind es schon über 40 %.

Als Nächstes behaupten Sie, wir bräuchten ein Sonderinvestitionsprogramm. Ich weiß nicht, ob Sie es nicht mitbekommen haben: Wir haben ein Sonderinvestitionsprogramm! Es ist das vierte und hat ein Volumen von 180 Millionen Euro. Die prozentuale Förderung haben wir deutlich aufgewertet, weil auch wir den weiteren Ausbau des Angebots an Betreuungsplätzen wollen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Wir liegen auf Platz 14 im Bundesländervergleich!)

Die Gemeinden erhalten einen Aufschlag von bis zu 35 % auf die reguläre FAG-Förderung. In meinem Stimmkreis "Haßberge, Rhön-Grabfeld" gibt es auch finanzschwache Kommunen. Diese können eine Förderung von 90 % plus X für den weiteren Ausbau von Betreuungseinrichtungen abrufen. Das ist doch ein starkes Signal. Angesichts dessen können Sie sich doch nicht hier hinstellen und behaupten, wir bräuchten ein Investitionsprogramm. Wir haben bereits ein Sonderinvestitionsprogramm!

(Beifall bei der CSU)

Ein weiterer Punkt bei Ihnen war die bessere Bezahlung. Jetzt habe ich sie nicht da, aber die Ministerin hat im vergangenen Jahr eine Presseerklärung abgegeben, in der es auch um die Bezahlung ging. Die Ministerin hat an die Tarifparteien ein klares Signal ge

sandt: Jawohl, es muss sich auch in der Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern, von Kinderpflegerinnen und Kinderpflegern etwas tun; denn diese wertvolle Arbeit verdient höhere Wertschätzung. Wir, der Freistaat Bayern und die Staatsregierung, rufen die Tarifparteien auf, einen deutlichen Aufschlag vorzusehen. Wir fordern dies aber nicht nur. Wenn es zu dieser Tariferhöhung kommt, dann werden wir sofort auch die Förderung entsprechend anpassen, damit das Geld nicht irgendwo hängen bleibt. Klar ist: Wir leisten unseren Beitrag dazu, dass Erzieherinnen und Erzieher besser bezahlt werden. Auch das haben Sie von der Opposition mit keinem Satz erwähnt.

Insgesamt ist viel passiert, auch in den Betreuungseinrichtungen. Ich möchte nicht alles im Detail schildern. Wir haben 80 % plus X mehr Erzieherinnen und Erzieher. Wir haben fast eine Milliarde Euro eigenes Geld – Landesgeld, zusätzlich zu den Bundesmitteln – ausgegeben, um mehr Betreuungsplätze in Bayern zu schaffen. Wir verzeichnen geradezu eine Explosion der Zahl der Plätze. Wir brauchen aber noch mehr; das ist vollkommen klar. Deshalb haben wir das Sonderinvestitionsprogramm aufgelegt.

Der Beruf der Erzieherin bzw. des Erziehers soll attraktiver gemacht werden. Die Zahl der Fachakademien betrug im Ausbildungsjahr 2006/2007 39; heute haben wir 59. Die Zahl der Absolventen ist von ungefähr 1.800 auf heute 2.800 gestiegen. Das entspricht einer Steigerung um über 50 % bei der Zahl der Absolventinnen und Absolventen der Fachakademien. Auch insoweit ist also sehr viel passiert.

Angesichts all dessen lassen wir uns nicht vorwerfen, wir hätten etwas gegen Alleinerziehende oder wir würden sie diskriminieren; eine Vorrednerin sprach davon, wir würden sie permanent diskriminieren. Richtig ist vielmehr, dass auch wir die Situation von Alleinerziehenden sehr wohl sehen.

Deshalb gibt es bei uns das Landeserziehungsgeld. Das gibt es in keinem anderen Bundesland. Deshalb gibt es bei uns das Betreuungsgeld. Deshalb investieren wir in die Kinderbetreuung stärker als andere Bundesländer. Deshalb ist die Armutsgefährdungsquote in Bayern niedriger als in anderen Bundesländern. Das lassen wir uns nicht schlechtreden. Wir lassen falsche Behauptungen nicht unwidersprochen stehen. Wir haben uns in diesem Bereich nichts vorzuwerfen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat die Frau Kollegin Brendel-Fischer von der CSU das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich nimmt die CSU-Fraktion das Leben und die Biografie von Alleinerziehenden ernst. Wir lassen uns aber von Ihnen kein sozialpolitisches Nirwana verkaufen. Das besteht in Bayern absolut nicht.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Ich dachte, jetzt kommt eine bessere Rede!)

Wir haben weitaus bessere Daten, als dies in anderen Bundesländern der Fall ist. In den letzten Jahren haben wir auch die nötigen finanziellen Mittel eingesetzt, um die Rahmenbedingungen zu verbessern.

(Katharina Schulze (GRÜNE): Aber es gibt doch so viele Alleinerziehende, die von Armut betroffen sind!)

Eine Alleinerziehende ist nicht mit einer anderen Alleinerziehenden zu vergleichen.

(Katharina Schulze (GRÜNE): Nein, aber mehr Flexibilität brauchen sie alle!)

Erstens. Alleinerziehende haben ganz unterschiedliche Biografien und Hintergründe und befinden sich in unterschiedlichsten Situationen. Es gibt Alleinerziehende, die arbeiten. Teilweise arbeiten sie sogar in Vollzeit, da eine entsprechende verwandtschaftliche Infrastruktur vorhanden ist. Das ist doch nichts Verwerfliches. Wir müssen doch nicht alle, die das nicht brauchen, in Einrichtungen hineinzwingen.

(Doris Rauscher (SPD): Das sagt ja keiner!)

Das sei zum Ersten gesagt.

(Katharina Schulze (GRÜNE): Was haben Sie denn da vorne für ein sozialpolitisches Nirwana?)

Zum Zweiten sei gesagt: Es gibt natürlich auch alleinerziehende Mütter, die diese Struktur nicht vorfinden und unsere Hilfe und Unterstützung brauchen. Deshalb ist eine gute Infrastruktur an familienunterstützenden Einrichtungen notwendig. Mein Kollege hat gerade ausgeführt, was in den letzten Jahren geschaffen wurde. Bei den Kindertagesstätten haben wir seit 2007 die Zahl der Einrichtungen von knapp 8.000 auf fast 9.500 erhöht. Das soll uns erst einmal jemand nachmachen. In Bayern sind über eine halbe Million Kinder in Kindertagesstätten untergebracht. Unser Ziel sieht so aus: Wir wollen diese Einrichtungen vermehren und setzen auch darauf, dass die Kommunen diese Programme annehmen. In den letzten Jahren gab es tolle Investitionsprogramme, die leider gerade von den großen Städten weniger gut angenommen worden sind. Es ist nicht unsere Schuld, wenn die

Verantwortung auf kommunaler Ebene nicht übernommen wird. Ich habe Achtung vor jeder kleinen Kommune, die sich hier auf den Weg gemacht hat und mittlerweile sogar mehr Krippenplätze anbieten kann, als momentan gebraucht werden.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das ist aber eine steile These!)

Wir streben in den Einrichtungen eine weitere Qualitätssteigerung an. Wir setzen nicht auf Ihre pauschale Forderung, alles beitragsfrei zu gewähren. Können wir es uns leisten, dass die Eltern gar nichts mehr bezahlen und gleichzeitig die Qualität der Einrichtungen erhöht wird? – Wir müssen auch die Randzeiten noch besser abfedern, die zweifelsohne wichtig sind. Es gibt hier viele gute Beispiele. Diese gilt es weiter voranzutreiben, auch vonseiten der Kommunen.

Daneben möchte ich darauf hinweisen, dass wir vonseiten des Bundes das Bildungs- und Teilhabepaket geschaffen haben. Wir müssen uns immer in Kommunikation und Kooperation mit dem Bund betrachten. Das Paket unterstützt die Familien sehr gut, insbesondere natürlich auch Alleinerziehende. Sie können sich die Funktionsweise von Müttern oder Vätern gerne einmal erklären lassen. Dieses Paket unterstützt bei Vereinsmitgliedschaften oder auch beim Schulbedarf. Hier wurde noch einmal nachgebessert, und man hat vor allem die bürokratischen Hürden abgebaut. Das war ebenfalls sehr wichtig.