in Bayern ist zum einen schon hoch genug – nur einer ist schon zu viel - und bedeutet zum anderen für uns eine echte Herausforderung.
Ich nehme an, dass unter uns Konsens besteht, dass wir denjenigen in unserem Land, die schlecht lesen und schlecht schreiben können, helfen müssen. Die CSU hat diese Auffassung schon immer vertreten und auch in Zeiten der Multikulti-Begeisterung auf der linken Seite dieses Parlaments immer darauf bestanden, dass für unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger der Erwerb der deutschen Sprache in Wort und Schrift die Grundvoraussetzung für Integration ist.
Um den betroffenen Menschen noch besser zu helfen, wurde deshalb – und das ist Ihnen sicherlich auch bekannt – vor einem Jahr in Wildbad Kreuth die "1. Bayerische Alphabetisierungstagung" veranstaltet. Dort haben Experten von Volkshochschulen,
weiteren Erwachsenenbildungseinrichtungen, Schulen und Hochschulen die gesellschaftliche Herausforderung des funktionalen Analphabetismus diskutiert. Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, künftig den funktionalen Analphabeten in Bayern inhaltlich neue und mehr Angebote zu unterbreiten, damit sie die notwendigen Kompetenzen im Lesen und Schreiben erwerben und auf dieser Basis am gesellschaftlichen Leben, vor allem auch an der Arbeitswelt, teilnehmen können.
Es wurde festgestellt – das ist sicherlich ein großes Problem –, dass sich die betroffenen Menschen oft davor scheuen, an den Maßnahmen teilzunehmen; denn nach wie vor gilt mangelnde Lese- und Rechtschreibfähigkeit als Tabu. Um dieses Tabu aufzubrechen, hat Bayern zu Jahresbeginn ein neues Förderprogramm aufgelegt: "ALPHA+ besser lesen und schreiben". Diese Kurse richten sich an Teilnehmer ab dem vollendeten 15. Lebensjahr und zielen in erster Linie auf eine Verbesserung ihrer Lese- und Schreibfähigkeit ab. Aber diese Kurse sind auch darauf ausgerichtet, etwaige Defizite in der Grundbildung im mathematischen und wirtschaftlichen Bereich auszugleichen, beispielsweise im Umgang mit Geld. Die Teilnehmer erhalten zudem eine persönliche Lernberatung und individuelle sozialpädagogische Unterstützung. Träger dieser Kurse sind überwiegend Volkshochschulen.
Nach aktuellen Rückmeldungen an das bayerische Bildungsministerium wird dieses Förderangebot gut angenommen. Im März wird bereits eine zweite Al
phabetisierungstagung in Wildbad Kreuth stattfinden, bei der über die Verankerung der Lese- und Rechtschreibkompetenz und die Prävention gegen den funktionalen Analphabetismus weiter diskutiert werden soll.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, einer der wichtigsten Grundsätze der Erwachsenenbildung in Bayern – Sie können es im Erwachsenenbildungsförderungsgesetz nachlesen – ist die Freiheitlichkeit. Das heißt, der Freistaat verzichtet bewusst darauf, eigene Einrichtungen der Erwachsenenbildung zu schaffen oder Veranstaltungen vorzugeben. Der Freistaat beschränkt sich darauf, die Erwachsenenbildung durch finanzielle und sonstige Leistungen zu fördern. Wir brauchen in vielen Regionen vor allen Dingen ein niederschwelliges Angebot, um das Tabu, dass man nicht lesen und schreiben kann, aufzubrechen. Dadurch wird sichergestellt, dass die verschiedenen Einrichtungen und Träger in freier Entscheidung ihren jeweils spezifischen Beitrag zu den Bildungsangeboten leisten können. Diese Träger müssen vor Ort darüber entscheiden, was nötig ist, wie hoch der Bedarf ist und ob mit niederschwelligeren Angeboten ein höherer Erfolg garantiert werden kann.
Eines der Erfolgsgeheimnisse in Bayern ist die Tatsache, dass Erwachsenenbildung von vielen verschiedenen Stellen geleistet wird, zum Beispiel von den Kammern, im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, von privaten Hochschulen und den freien Trägern der Erwachsenenbildung. Außerdem war und ist die Erwachsenenbildung eine wichtige Aufgabe der Kommunen, die dafür vom Freistaat Bayern auf der Grundlage des Erwachsenbildungsförderungsgesetzes gefördert werden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, vor einigen Tagen hat der Landkreis Neumarkt als erster Landkreis in der Oberpfalz das Gütesigel "Bildungsregion in Bayern" erhalten. Dazu mein Komplement, lieber Herr Kollege Albert Füracker! Dort sind schulische und außerschulische Bildungsangebote eng miteinander vernetzt. Genau darum geht es.
Dort werden vorbildliche Projekte realisiert, um die Chancen für die jungen Menschen vor Ort weiter zu verbessern. Der Landkreis Neumarkt ist damit einer von 52 Landkreisen und kreisfreien Städten, die sich zur Bildungsregion entwickeln. Er ist damit auch ein gutes Beispiel für die Vielfalt der Träger der Erwachsenenbildung in Bayern, die wir auch in Zukunft erhalten müssen. Diese Vielfalt garantiert die Passgenauigkeit, die weitestgreifende Einbeziehung und damit den Erfolg der Maßnahmen. Dass die Erwachsenen
bildung erfolgreich ist, zeigt auch die Tatsache, dass die Weiterbildungsquote, die 2015 bei 50 % liegen soll, bereits jetzt mit 49 % der Menschen im erwerbsfähigen Alter so hoch ist wie noch nie.
Zur Geschäftsordnung darf ich für die neuen Kolleginnen und Kollegen sagen – Sie können die Geschäftsordnung noch nicht in allen Details kennen -, dass es bei der Aktuellen Stunde keine Zwischenfragen bzw. Zwischenbemerkungen gibt. - Jetzt fahren wir in der Rednerliste fort. Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER hat Herr Kollege Dr. Fahn das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Eiling-Hütig, mit vielem von dem, was Sie gesagt haben, haben Sie recht. Ich stimme Ihnen auch zu, dass in Bayern etwas gemacht wird. Wir sagen aber, dass noch zu wenig für die Erwachsenenbildung getan wird. Sie führt nach wie vor ein Schattendasein, und deswegen müssen wir einiges ändern. Hierzu werde ich Beispiele bringen. Wir sind froh, dass die Fraktion der SPD diese Aktuelle Stunde beantragt hat. Wir wollen uns nicht über Prozentzahlen streiten. Sie haben von 20 % der Erwerbstätigen gesprochen. Nach uns vorliegenden Meldungen können 20 % unserer Schulabgänger allenfalls auf Grundschulniveau lesen und rechnen. Da müssen wir uns natürlich fragen, warum das der Fall ist.
Es geht, wie Sie schon gesagt haben, um die funktionalen Analphabeten, also um Menschen, die sich mit dem Lesen und dem Schreiben sehr schwertun. Die Gründe dafür sind vielfältig. Der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland weist darauf hin, dass funktionaler Analphabetismus multikausal zu erklären sei und im Zusammenspiel von familiären, schulischen und gesellschaftlichen Faktoren entstehe. Daraus folgt – das ist uns wichtig -, dass Bund, Land und Kommunen als Bildungspartner gemeinsam in der Verantwortung stehen. Es geht auch um Instrumente wie zum Beispiel Bildungsgutscheine. Die Erfahrung aus dem europäischen Ausland zeigt, dass die bloße Vergabe von Bildungsgutscheinen nicht dazu beiträgt, die Bildungsbereitschaft von bildungsfernen Gruppen zu steigern.
Wo gibt es weiteren Handlungsbedarf? - Erstens geht es um die Bildungsregionen. Darüber haben wir letzte Woche schon im Bildungsausschuss diskutiert. Wir sagen, dass der Freistaat die Bildungsregionen finanziell fördern muss. Nur so kommen wir insgesamt weiter. Die Träger der Erwachsenenbildung müssen dabei immer mit einbezogen werden. Der Freistaat
vergibt zwar das Gütesiegel einer Bildungsregion und leistet damit eine ideelle Unterstützung, aber er beteiligt sich nicht finanziell. Das ist ein Fehler. Die CSU hat eine finanzielle Beteiligung abgelehnt und lässt damit die Kommunen im Regen stehen.
Zweitens muss der Freistaat die Kurse zur Alphabetisierung besser finanzieren, als er es bisher getan hat. Aktuell werden Maßnahmen zur Alphabetisierung und Grundbildung vom Freistaat Bayern projektbezogen mit 200.000 Euro gefördert. Dazu kommen noch Mittel aus dem europäischen Sozialfonds. Das Förderprogramm "ALPHA+ besser lesen und schreiben" ist zwar ein erster Schritt, aber insgesamt noch zu wenig. Die 580.000 Euro im Haushalt für die Menschen, die überhaupt keinen Abschluss haben, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Wartezeiten bei den Kursen "Deutsch für Ausländer" – das muss man auch einmal sagen – betragen neun Monate. Das ist viel zu lang.
Drittens müssen die finanziellen Mittel insgesamt aufgestockt werden. Ich sage immer: Ohne Moos nichts los. Uns geht es nicht allein um die Projektförderung, sondern auch um die Grundförderung der Erwachsenenbildung. Das Gesetz über die Erwachsenenbildung stammt aus dem Jahr 1974 und ist noch nicht novelliert worden. Der staatliche Anteil an der Finanzierung liegt bei nur 5,5 %. Die Kommunen übernehmen 27,5 %, die Teilnehmer 55,5 %, und 11,5 % werden über Drittmittel eingebracht. Beim Landeszuschuss pro Einwohner liegt Bayern an fünfzehnter Stelle aller Bundesländer. Lediglich Brandenburg liegt noch schlechter. Wir haben letztes Jahr am 18. April eine Anhörung durchgeführt. Dabei sagte Professor Meisel, in Nordrhein-Westfalen würden die Volkshochschulen mit 40 Millionen Euro gefördert. Wenn Sie das auf die bayerische Bevölkerung umrechnen würden, bräuchten wir für die Erwachsenenbildung 26 Millionen. Tatsächlich haben wir nur 19 Millionen. Das heißt, es fehlen noch 7 Millionen. Deshalb werden wir dazu auch einen Antrag stellen.
Dann geht es noch um die Mindesthaushaltssumme in Höhe von circa 13 Millionen, die im Gesetz genannt ist. Dazu sagte Ministerialdirigent Denneborg vom Kultusministerium bei der Anhörung, die Novellierung des Erwachsenenbildungsförderungsgesetzes sei aus systematischen Gründen gescheitert, weil die Bereitschaft aufseiten der Staatsregierung, die Mindestsumme fortzuführen, nicht vorhanden war. Das ist das Problem.
Deshalb zum Schluss: Bisher ist das Gesetz nicht novelliert worden. Ich habe es immer wieder verfolgt.
Am 14. Februar 2008, vor sechs Jahren, hat der Landtag auf Antrag der CSU beschlossen, dass das Gesetz novelliert und angepasst werden soll. Seither ist nichts passiert, meine Damen und Herren von der CSU. Ich möchte gerne einmal wissen, wann Sie endlich einmal den Landtagsbeschluss von 2008 vollziehen. Wir müssen das Gesetz novellieren. Es gibt neue Zielgruppen. Gerade ältere Personen brauchen neue und vielfältige Angebote.
Trotzdem können wir einige Punkte loben. Drei Millionen Menschen nehmen die Erwachsenenbildung in Anspruch. Das ist aber zu wenig, und damit komme ich schon zum Schluss.
Insgesamt sind nur 0,3 % des Staatshaushalts für die Erwachsenenbildung vorgesehen. Im Jahr 2000 waren es 0,4 %. Die Erwachsenenbildung, meine Damen und Herren, darf nicht weiterhin das fünfte Rad im Bildungsbereich bleiben. Es gibt also noch viel zu tun. Packen wir‘s an! Ohne Moos nichts los. – Danke schön.
Jetzt hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Kollege Gehring das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir einmal an einem Dienstag über lebenslanges Lernen und Weiterbildung reden; denn das ist sonst ein beliebtes Thema von Sonntagsreden. Alle reden davon, wie wichtig das lebenslange Lernen ist, und bei jeder Freisprechungsfeier bekommen die stolzen Absolventen zu hören, dass es mit dem Lernen jetzt nicht vorbei ist – auch wenn sie sich noch so freuen –, sondern dass sie weiterhin lernen müssen.
Die PIAAC-Studie, diese Erwachsenen-Pisa-Studie, hat sehr deutliche Aussagen getroffen. Es gab nicht den Schock wie bei der Pisa-Studie. Vielleicht liegt es daran, dass uns Erwachsene das, was wir bei den Jugendlichen sehen, mehr schockt als das, was wir bei uns selbst wahrnehmen müssten. Die Ergebnisse sind aber vergleichbar.
Ich will jetzt nicht darüber diskutieren, ob es jeder fünfte oder sechste Bayer oder jede fünfte oder sechste Deutsche ist, die bei den Ergebnissen schlecht weggekommen ist. Die Ergebnisse decken sich ziemlich genau mit dem, was wir von Pisa wissen, nämlich dass etwa 17 bis 20 % der Menschen
auf dem untersten Kompetenzniveau liegen und nicht in der Lage sind, an vielen Dingen in unserem täglichen Leben, auch an unserem Wirtschaftsleben, teilzunehmen.
Lebenslanges Lernen ist nicht nur ein Thema für Sonntagsreden, sondern es ist tatsächlich etwas, was alle Menschen betrifft. Wir alle kennen die starken Veränderungen am Arbeitsmarkt. Wir alle wissen, dass man hier ständig dranbleiben muss. Wir wissen, wie viel sich durch Computer verändert hat, dass der Umgang mit Computern heute genauso eine Grundkompetenz wie Lesen und Schreiben ist. Keiner dieser Erwachsenen hat diese Computerkenntnisse je in der Schule erworben. Doch wir wissen auch, dass für ein erfolgreiches Leben in den unterschiedlichen Lebensphasen, auch für Prävention im Alter, Bildung notwendig ist.
In dieser politischen Debatte, die sich oft ganz nett anhört, ist festzustellen, dass die soziale Schere, die wir im Bildungssystem insgesamt haben, auch bei den Erwachsenen vorhanden ist und sogar noch größer wird.
Diejenigen, die gut ausgebildet die Schule verlassen, bekommen im Lauf ihres Lebens mehr Fortbildung als diejenigen, die schlecht ausgebildet die Schule verlassen, obwohl sie eigentlich mehr Bildung bräuchten, um ihre Chancen zu verbessern.
Das Erwachsenenbildungsförderungsgesetz gibt es seit 1974. Es ist seitdem nicht nennenswert verändert oder angepasst worden. Die Mittel stagnieren, sind sogar leicht rückläufig. Meine Kollegin Simone Tolle hat daher in der letzten Legislaturperiode ein neues Erwachsenenbildungsgesetz vorgeschlagen. Es ist abgelehnt worden. Auf Gesetzesnovellierungsvorschläge der CSU und der Staatsregierung warten wir seit Jahren. Alle sagen, es kommt etwas. Wir warten.
Es geht um ein Recht auf lebenslanges Lernen. Es geht vor allem darum, die Weiterbildungsquote zu erhöhen und mehr Menschen Weiterbildung zu ermöglichen. Es geht darum, ein Recht auf Bildungsfreistellung zu verankern, damit man auch einmal aus dem Job ausscheren und sich qualifizieren kann. Es geht vor allem darum, denjenigen, die schlecht ausgebildet sind, die sozial nicht so gut gestellt sind, den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Damit sind wir beim Auftrag des Landes – Artikel 139 der Bayerischen Verfassung betrifft auch das Land –, etwas für Weiterbildung zu tun und das zu finanzieren.
Bayern ist bei den Pro-Kopf-Zuweisungen auf dem vorletzten Platz. Ich habe am Freitag eine große Volkshochschule besucht. Wenn man sich die Finanzierung anschaut, dann stellt man fest: Eigenfinanzierung der Volkshochschule, das sind Projektmittel, aber vor allem Gebühren der Kursteilnehmer, nämlich 78 %.
Die Kommune zahlt 14 %, und das Land zahlt 8 %. Damit liegt Bayern bundesweit auf dem vorletzten Platz, liebe Kolleginnen und Kollegen. So viel zum Thema "Bildungsland Bayern".
Die Träger der Erwachsenenbildung, zum Beispiel die Volkshochschulen, brauchen eine bessere Finanzierung, um niederschwellige Angebote für Menschen zu machen, die aus sozial schwachen Familien kommen oder die einen Migrationshintergrund haben. Die Finanzierung muss besser werden. Nur so kann eine Weiterbildungspolitik ihrem sozialen Auftrag gerecht werden. Gegenwärtig betreibt die Bayerische Staatsregierung keine soziale Weiterbildungspolitik.
Wir werden dieses Thema wieder auf die Tagesordnung setzen. Sie können sich dessen sicher sein, dass wir das Thema "Weiterbildung" in dieser Legislaturperiode auch noch an anderen Arbeitstagen dieses Parlaments behandeln werden.