Protocol of the Session on December 7, 2017

Meine Damen und Herren, heute ist – so fasse ich zusammen – ein guter Tag für Menschen mit Behinderung. Wir sollten dazu in der Praxis – ich darf das nochmal sagen und auf unseren Entschließungsantrag verweisen – die notwendige Begleitung im Sinne der Betroffenen vornehmen. Der Freistaat Bayern ist ein Land für und mit Menschen mit Behinderung par excellence.

(Beifall bei der CSU)

Danke sehr, Kollege Unterländer. – Für die SPD-Fraktion: Frau Kollegin Deckwerth. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament! Ja, es ist ein guter Tag heute für Menschen mit Behinderung in diesem Land. Da gehe ich ganz d‘accord mit Ihnen, Herr Unterländer, dass wir das jetzt geschafft haben, dass das Bundesteilhabegesetz, das im Dezember 2016 auf Bundesebene verabschiedet wurde, in seinem Umsetzungsprozess in den Ländern und bei uns in Bayern so weit gediehen ist, dass wir hier und heute die Zweite Lesung machen können und dann rechtzeitig für 2018 die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen sind. Ja, insofern ist das ein guter Tag.

Im Besonderen – es ist wichtig, das zu erwähnen – ist das ein Gesetz, das entstanden ist durch die Initiative und mit Beteiligung von Betroffenen in Form der Selbsthilfegruppen der verschiedenen Verbände und Organisationen. Natürlich stehen wir als SPD hier in einer Reihe mit diesen und begleiten gerne diesen Weg, dass nämlich künftig die Unterstützung für Menschen mit Behinderung nicht mehr von der Prämisse geleitet wird, dass die Behinderung allein der Blickwinkel und Maßstab allen Denkens für Zuwendung ist, sondern dass es in der Frage, wie man Hilfe gibt, vor allen Dingen darauf ankommt, was der Mensch mit Behinderung braucht, um ein selbstständiges Leben führen zu können und an der Gemeinschaft teilhaben zu können.

(Beifall bei der SPD)

Unser Bayerisches Teilhabegesetz enthält etliche spezielle Regelungen. Eine Besonderheit in Bayern ist, dass die Bezirke für alle Leistungen zuständig sind, dass das gut ausgebaute Frühfördersystem in Bayern in seiner bisherigen Art erhalten bleiben soll und dass die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderung an den verschiedenen Verfahren und an den Schiedsstellenverfahren beteiligt werden. Alles das tragen wir gerne mit. Das ist auch eine deutliche Verbesserung. Dafür spreche ich auch ein Lob aus. Im ersten Halbjahr wurden die Betroffenen gut beteiligt

und konnten in Anhörungen diverse Anregungen geben. Das bleibt.

Umso mehr bin ich von Ihnen, Herr Unterländer und Ihrer gesamten Fraktion, enttäuscht. Nach dem hoffnungsvollen Start, bei dem wir so gut zusammengearbeitet haben, wurde bei den nachfolgenden Diskussionen im Sozialausschuss von den wichtigen Anregungen der Opposition zur Beseitigung von Schwachstellen, die auch in diesem Gesetzentwurf noch vorhanden sind, nichts, aber auch gar nichts angenommen. Sie, die CSU, haben diese Anregungen komplett abgelehnt. Jetzt haben Sie hier und heute noch einmal die Chance zuzuhören, auch wenn Sie, Herr Unterländer, schon angekündigt haben, dass Sie unsere Anregungen gar nicht gut finden. Vielleicht hören Sie uns trotzdem noch einmal zu. Im Einzelnen gibt es sehr wohl gute Gründe dafür, dass wir an diesem Gesetz noch etwas verändern müssen.

Damit gehe ich jetzt auf unsere Änderungsanträge ein. Wir, die SPD, haben zum einen den Antrag auf Drucksache 17/18909 eingebracht. Danach soll es ermöglicht werden, dass die Arbeitsgruppe, die das Instrument zur Bedarfserhebung entwickeln soll, also das eigentliche Prozedere dafür, wie Menschen mit Behinderung künftig ihre Unterstützung erhalten, durch wissenschaftlichen Sachverstand unterstützt wird. Uns ist es wichtig, dass diese Arbeitsgruppe frei darüber entscheiden kann, ob sie wissenschaftlichen Sachverstand hinzuzieht. Dafür braucht sie einen finanziellen Etat. Des Weiteren wollen wir, dass ein vom Staatsministerium für Arbeit und Soziales zu benennendes Mitglied als beratendes Mitglied an dieser Arbeitsgruppe teilnimmt, um den Sachverstand, der im Arbeitsministerium vorhanden ist, auch in diese Arbeitsgruppe einzubringen. Das wäre ein Änderungsantrag, der auch nicht viel kostet, aber ganz wichtige Qualitätsverbesserungen zur Folge hätte.

Mit dem zweiten Änderungsantrag auf Drucksache 17/18910 möchten wir erreichen, dass bei Schiedsverfahren, die Angelegenheiten einer Werkstätte betreffen, nicht nur die Möglichkeit besteht, betroffene Werkstattbeiräte hinzuzuziehen, sondern dass verpflichtend ein Mitglied der Werkstattbeiräte, die sehr erfahren sind, bzw. die zuständige Frauenbeauftragte hinzugezogen wird. Dieser Vorschlag ist auch kostenneutral, qualitativ bedeutet er aber eine erhebliche Verbesserung des Schiedsstellenverfahrens.

Der entscheidende Änderungsantrag, über den wir nachher auch namentlich abstimmen lassen wollen, ist der Antrag, bei dem es um den Arbeitsmarkt geht. Dazu muss ich ganz kurz ausholen. Wir haben in der vergangenen Woche die aktuellen Zahlen des Arbeits

marktes erhalten. Demnach liegen wir in Bayern in einem sehr guten Rahmen. Wir haben in vielen Regionen nahezu Vollbeschäftigung. Bei den Menschen mit Behinderung muss man jedoch festhalten, dass bei ihnen die Arbeitslosenquote über 9 % liegt. Sie ist dreimal so hoch wie der Durchschnitt. Dass wir es in einem Land, in dem wir zur Zeit so gute Arbeitsmarktbedingungen haben, nicht schaffen, für Menschen mit Behinderung adäquate Lösungen in ausreichendem Maße zu finden, ist ein Skandal.

(Beifall bei der SPD)

Die Chance, einen Arbeitsplatz zu bekommen, hat zwei wichtige Aspekte. Zum einen hat man mit einem Arbeitsplatz eine Chance auf soziale Teilhabe. Wir sprechen hier von einem Teilhabegesetz. Im Berufsleben zu stehen und Kolleginnen und Kollegen um sich zu haben, ist aktive soziale Teilhabe. Zum anderen ist es auch ein Aspekt der Selbstständigkeit, wenn ich meinen Lebensunterhalt selbst verdienen und meine Existenz selbst sichern kann. Menschen mit Behinderung verdienen aber selbst dann, wenn sie Arbeit haben, in der Regel so schlecht, dass sie von ihrem eigenen Verdienst nicht leben können, sondern in hohem Maße auf Sozialtransfers angewiesen sind. Auch daran muss etwas geändert werden. Deswegen ist es für uns so wichtig, dass wir die betroffenen Menschen unterstützen.

Mit dem Budget für Arbeit wäre es auch möglich, einen großen Stein aus dem Weg zu räumen und die Menschen entsprechend zu unterstützen. Mit dem Budget für Arbeit könnten Menschen, die die Berechtigung für eine Arbeit in Werkstätten für Menschen mit Behinderung haben, auf den ersten Arbeitsmarkt gebracht werden. Herr Unterländer, Sie haben den Kompromiss nur in Zahlen dargestellt. Auf der einen Seite sind es 40 %, auf der anderen 80 %, also nehmen Sie eine Zahl dazwischen, nämlich 48 %. Begründet ist dieser Vorschlag durch nichts.

Die Begründung, dass wir 80 % brauchen, ist einfach und schlicht folgende: Der von Ihnen vorgeschlagene Anteil würde einen Zuschuss von 1.415 Euro monatlich bedeuten, wenn Menschen aus einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt kommen. Das ist ein Lohnkostenzuschuss, der zum Ausgleich einer dauerhaften Minderleistung des Beschäftigten am Arbeitsplatz gewährt werden soll. Wir haben aber oft auch Menschen mit höheren Qualifikationen. In Betrieben, für die wir kämpfen, weil sie tarifgebundene Löhne bezahlen, und in einer Region wie München, wo die Preise insgesamt höher sind, haben wir Lohnniveaus, die mit 1.400 Euro nicht ausreichend gefördert werden können. Deswegen verfolgen wir den Ansatz von 80 % oder, in Zahlen ausge

drückt, einen Zuschuss in Höhe von bis zu 2.356 Euro im Monat. Dieser Betrag ist viel wirklichkeitsnäher, weil damit die Menschen effektiv darin unterstützt werden können, auf diesem schwierigen Arbeitsmarkt eine adäquate Beschäftigung zu finden, mit der sie auch ihre Existenz sichern können.

(Beifall bei der SPD)

Die Mehrkosten, die dadurch entstehen, fürchten wir nicht. Ich will gar nicht von den Summen sprechen, über die im Nachtragshaushalt verhandelt wird. Gemessen an der Zahl der Menschen, von denen wir ausgehen, ist diese Förderung so überschaubar, dass wir sie uns sicher leisten können. Deshalb ist das Beharren auf diesen niedrigeren Werten unverständlich.

Jetzt gehe ich noch kurz auf die Anträge der anderen Fraktionen ein. Den Antrag der GRÜNEN auf Drucksache 17/18991 können wir mittragen. Darin wird einer Forderung der Bezirkstage nachgekommen. Dass die örtlichen Träger der Sozialhilfe für bestimmte Fälle weiterhin sachlich zuständig bleiben, ist für uns völlig in Ordnung. Nicht mitgehen können wir beim Antrag der FREIEN WÄHLER, mit dem die zusätzliche Aufnahme der Lebenshilfe in die Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines Instruments zur Bedarfsermittlung gefordert wird. Wir können diesen Antrag deshalb nicht mittragen, weil diese Arbeitsgruppe arbeitsfähig bleiben muss und nicht zu groß werden darf. Sie ist mit Vertretern von Betroffenengruppen sehr gut austariert. Deshalb würden wir es begrüßen, wenn es so bleibt, wie es ist, zumal die Lebenshilfe, wie Sie in Ihrem Antrag selbst formuliert haben, mit der Freien Wohlfahrtspflege eng und vertrauensvoll zusammenarbeitet. Lassen wir es also bei dem, und bringen wir dieses Gefüge nicht durcheinander.

Last but not least die beiden Änderungsanträge der CSU: Wir stehen bei Ihnen, wenn es wie im Änderungsantrag auf Drucksache 17/19212 darum geht, dass Berechtigte, die in Heimen leben, auch noch Anspruch auf Blindengeld haben. Wenn wir die Umsetzung des Bayerischen Teilhabegesetzes als einen Prozess sehen, müssen wir den natürlich auch aktiv begleiten, wie Sie es formulieren. Damit wir das gut begleiten können, muss darüber aber auch immer wieder berichtet werden. Da sind wir gerne dabei.

Insofern möchte ich zusammenfassen: Wir haben eine Gesetzesvorlage, die wir unterstützen. Wir wünschen uns, dass sie noch verbessert wird; denn Inklusion ist ein Grundrecht. Bei der Inklusion handelt es sich nicht nur um ein Wort, das man leicht dahinsagt. Dieses Grundrecht muss es uns wert sein. Wir können Teilhabe nicht zum Nulltarif verbessern. Wir müssen zusätzliche finanzielle Ressourcen bereitstellen.

(Beifall bei der SPD)

Darauf zielen unsere Anträge. Der Neuansatz im Teilhabegesetz ist grundlegend. Er stellt eine große Herausforderung dar. Wenn wir das jetzt angehen, muss es von Anfang an gut gelingen. Darum bitten wir Sie inständig: Helfen Sie mit, die nötigen Verbesserungen, die wir jetzt noch brauchen, hier und heute einzuarbeiten. Wir möchten, dass die Umsetzung des Bayerischen Teilhabegesetzes von Anfang an ab Januar 2018 zum Wohle der betroffenen Menschen mit Behinderung gut gelingt, nicht erst mit Verzögerung.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Deckwerth. – Frau Kollegin Schmidt für die Fraktion FREIE WÄHLER, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns in der Zweiten Lesung zum Bayerischen Teilhabegesetz, einem Gesetz mit großer Wichtigkeit für bayerische Bürger, die ein Handicap haben. Den Behinderten gibt es nicht. Deshalb war es sicher sehr schwierig, ein passendes Gesetz zu entwickeln. Wir sprechen von körperlicher Behinderung, Sinnesbehinderung, Sprachbehinderung, psychischer Behinderung, seelischer Behinderung, Lernbehinderung und geistiger Behinderung. Ziel muss es sein, dass alle Menschen in dieser Gesellschaft teilhaben können. Wir müssen ihre Sorgen und Nöte verstehen und sie in unsere Mitte nehmen. Wir dürfen sie nicht am Rande stehen lassen. Wir bitten Sie, bei der ganzen Diskussion zu bedenken, dass man bei der Ermöglichung der Teilhabe von Menschen mit vielfältigen Behinderungen niemals von Lasten sprechen darf. Jeder Mensch hat das Recht, in der Mitte der Gesellschaft zu stehen.

Deshalb haben wir es von Anfang an sehr verwerflich gefunden, den Betrag zu deckeln, der dazu beitragen soll, einen Paradigmenwechsel herbeizuführen und Menschen die Teilhabe zu ermöglichen. Wir hätten das Gesetz erst umsetzen müssen. In einem zweiten Schritt hätten wir schauen müssen, wie es sich entwickelt, um nachzubessern. Jeder Mensch hat das Recht auf Teilhabe.

Einen Vorteil sehen wir für Bayern. Die Umsetzung ist für Bayern deshalb so gut möglich, weil wir das großartige Instrument der Bezirke haben. Ich bedanke mich herzlich bei den bayerischen Bezirken, weil sie großartige Arbeit leisten und ein großartiges Fundament schaffen. Diese Bezirksfamilie wird wiederum von unserer kommunalen Familie gestützt. Das muss man ganz ehrlich sagen. Wir können uns noch so viel

selber loben, aber ohne die Bezirke wäre das nicht so vorbildlich möglich – vielen Dank.

Unabhängig davon, wie das Teilhabegesetz umgesetzt wird, müssen wir den Bezirken und Kommunen zu 100 % Prozent zusagen, dass sie nicht auf den Mehrkosten sitzen bleiben, auch wenn der Betrag in Berlin gedeckelt wurde. Diese Zusage müssen wir garantieren. Das richtet sich auch an die Adresse der CSU. Das funktioniert nicht über die Bezirksumlage.

Liebe Kollegin Deckwerth, jetzt geht es um die Erhöhung der Bezugsgröße in § 18 Absatz 1 SGB IV. Wir FREIE WÄHLER haben Ihr Ansinnen sehr wohl verstanden. Ich mag das Wort "erster Arbeitsmarkt" nicht. Sie wissen das. Wir sollten am freien Arbeitsmarkt mehr Anreize schaffen. Wir können dem bestimmt nicht zustimmen, solange das nicht bundesweit einheitlich geregelt ist. Wir haben sehr viele Arbeitgeber und Werkstätten an der Grenze zu anderen Bundesländern. Sobald wir verschiedene Sätze haben, wird das zu Fluktuation und zum Wechsel führen. Das wäre nicht gut für Bayern bzw. für den bayerischen Bezirk, der an der Umsetzung beteiligt ist.

Großartig ist – das habe ich eben schon gesagt –, dass die Betreuung durch die Bezirke in einer Hand bleibt und keine Zersplitterung stattfindet. Logischerweise muss ich die Werkstätten nicht als zweiten Arbeitsmarkt bezeichnen. Für viele Menschen ist die Werkstatt genau der richtige Arbeitsplatz. Dort werden Dienstleistungen angeboten und Produkte hergestellt, die auch gebraucht werden. Sie wandern nicht in den Abfalleimer. Wie gehen wir mit diesen Trägern um? – Deshalb haben wir unseren Antrag gestellt. Ich möchte das noch einmal bestärken. Die Lebenshilfe in Bayern ist mit der größte Angehörigenverband und mit der größte Arbeitgeber für Menschen mit Behinderung. Die Lebenshilfe ist von Anfang an dabei, weil sie auch für die Betreuung der Frühförderung zuständig ist. Selbstverständlich ist die Lebenshilfe gut mit der Freien Wohlfahrtspflege verbunden, Frau Kollegin. Trotzdem müssen wir die Menschen, die aus einer Eltern- und Bürgerbewegung heraus die Umsetzung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Bayern und auf Bundesebene vorangebracht haben, mit an den Tisch holen. Für diesen Tisch werden wir schon noch ein paar Stühle finden. Das dürfte wirklich kein Problem sein. Das wäre ein Band. Uns wäre wichtig, dass wir das in Bayern nicht abreißen lassen.

Wie die Kollegen der SPD sind auch wir FREIE WÄHLER der Auffassung, dass Menschen mit Behinderung besser an Schiedsverfahren, die Angelegenheiten einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung betreffen, beteiligt werden sollten. Das ist absolut sinnvoll. Wir stehen voll dahinter. Deshalb können wir die Ab

lehnung der Einbindung der Lebenshilfe nicht verstehen.

Jetzt kommen wir wieder zurück. Wenn es um die Schiedsstellen für Menschen mit Behinderung geht, müssen wir daran denken, dass der Zeit- und Arbeitsaufwand, der in Einrichtungen und Behindertenvertretungen erbracht wird, die wir in Bayern schon überall haben, bis jetzt nicht entschädigt wird. Daran möchte ich auch erinnern. Wir haben diesen Mehraufwand zur Sicherstellung der Teilhabe nicht ausgeglichen. Für die Werkstättenvertretung in Bayern wären es vielleicht 30.000 Euro gewesen. Herr Unterländer, wir waren selber mal vor Ort. Das können wir in diesem Gesetz so nicht lassen. Sie haben gesagt, wir könnten immer weiter bauen. Wir bitten darum, dass von Anfang an ein festes Monitoring durchgeführt wird, auch mit Einbeziehung des Fachgremiums und des Bayerischen Bezirketags, damit sich keine Probleme einschleichen. Ich richte meine Bitte vor allem an das Ministerium: Bitte begleiten Sie das gut, und nehmen Sie die Verbände mit. Herr Staatssekretär, die wissenschaftliche Begleitung war uns auch ganz wichtig. Warum war nicht schon von Anfang an eine wissenschaftliche Begleitung dabei? Ich habe das Beispiel schon im Ausschuss gebracht: Vor 25, 30 Jahren war Autismus noch keine anerkannte Behinderung. Man hat den Menschen damals nichts zugetraut, man hat ihnen keine Bildung angeboten. Erst Wissenschaft und Forschung haben das bewiesen. Oder nehmen wir das Asperger-Syndrom oder seelische Behinderungen. Deshalb ist es so wichtig, die Wissenschaft nicht auszuschließen.

Ich freue mich auf das Weiterbauen, Herr Kollege Unterländer. Ich freue mich darauf. An dieser Stelle vielen Dank an unser Fundament, die Bezirke. Ich hoffe auf eine konstruktive Weiterarbeit. Manches, was noch gebraucht wird, wäre nur so ein kleiner Schritt. Wenn es um die Sache geht, wenn es um die Teilhabe geht, ist es diesen Schritt wert.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Frau Kollegin Schmidt. – Für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Frau Kollegin Celina. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Bundesteilhabegesetz, das die letzte Bundesregierung gerade noch so verabschiedet hat, ist ein wichtiges Gesetz beschlossen worden, allerdings in einer Fassung, in der einige Punkte noch verbesserungsfähig gewesen wären. Ich habe mir noch einmal die konkreten Ziele bei der Verabschiedung dieses Gesetzes an

gesehen: Da ging es um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, um die Unterstützung von Selbstbestimmung und individueller Lebensplanung von Menschen mit Behinderungen, die Fokussierung auf die Eingliederungshilfe, um die individuellen behinderungsspezifischen Bedürfnisse und um die Koordinierung der Träger, und es ging darum, Leistungen wie aus einer Hand zu gewähren. Bei einigen Punkten haben sich die Betroffenen weitere Verbesserungen gewünscht. Dazu kam es aber wegen des nahenden Endes der Legislaturperiode und der deshalb notwendigen Eile im Gesetzgebungsverfahren nicht mehr. Nachdem die alte Bundesregierung aber immer noch im Amt ist und vielleicht auch wieder die neue Bundesregierung wird, hätten wir rückblickend, vielleicht doch noch mehr Zeit gehabt, Verbesserungen zu erzielen. Aber gut, so war es eben nicht. Jetzt liegt der Ball bei den Bundesländern, die das Gesetz umsetzen müssen und es selbstständig verbessern können. Also liegt der Ball jetzt bei uns.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Staatsregierung hat den Ball aufgefangen und uns einen Gesetzentwurf zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Bayern vorgelegt. Das hat sie schnell und detailliert getan, unter Einbeziehung der Fachverbände und der Organisationen der Menschen mit Behinderung, in einem transparenten Verfahren. Auch die Landtagsfraktionen wurden frühzeitig über den Stand des Gesetzgebungsverfahrens informiert. Dafür geht ein großes Lob von mir an die Zuständigen. Es ist verbunden mit dem Wunsch, dass so ein partizipatives und transparentes Vorgehen in Zukunft häufiger gewählt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Heute geht es nun darum, zu beurteilen, welche Gestaltungsspielräume die Staatsregierung gut genutzt hat und welche sie hätte besser nutzen können. Es geht nicht darum, das Haar in der Suppe zu suchen, sondern darum, die großen Punkte herauszufinden, bei denen noch Verbesserungsbedarf besteht. Wir wollen die bayerischen Spielräume nutzen; darüber haben wir im Ausschuss ausführlich diskutiert.

Einige Punkte hat die Staatsregierung in ihrem Entwurf schon vorgelegt. Gut finden wir zum Beispiel die Bündelung der Zuständigkeit für die Eingliederungshilfe, der Hilfe zur Pflege und weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei den Bezirken. Wir begrüßen das; denn so können Zuständigkeitskonflikte vermieden und Leistungen wie aus einer Hand erbracht werden. Das ist im Interesse aller Beteiligten. Wir begrüßen auch die Verpflichtung der Gemeinden und der örtlichen sowie der überörtlichen Träger der

Sozialhilfe zur Kooperation und zur Zusammenarbeit bei der Umsetzung der Eingliederungshilfe. Bei der landesrechtlichen Umsetzung des Budgets für Arbeit hätte die Staatsregierung aber mutiger sein sollen. Das Budget für Arbeit eröffnet nämlich die große Chance, mehr Menschen den Übergang von einer Werkstatt in den regulären Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Wir alle wissen, wie wichtig es ist, eine Arbeit zu haben, wie wichtig es ist, außerhalb der Werkstätten arbeiten zu können, wenn das irgendwie geht. Die Menschen definieren sich nun einmal in hohem Maße über ihre Arbeit, und das gilt für Menschen mit und ohne Behinderungen gleichermaßen.

Den Übergang von der Werkstatt zu einer normalen Arbeit zu schaffen, ist aber nicht leicht. Der Bundesgesetzgeber hat das Budget für Arbeit finanziell leider nur unzureichend ausgestattet. Der vom Bund finanzierte Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber beträgt höchstens 40 % der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße nach dem SGB IV. Aktuell sind das nur knapp 1.200 Euro. Damit lassen sich aber lediglich Beschäftigungsverhältnisse auf Mindestlohnniveau finanzieren. Es muss aber auch hochqualifizierten Werkstattbeschäftigten, zum Beispiel den im ITBereich Beschäftigten, die Möglichkeit einer regulären Beschäftigung nach tariflichen Standards eröffnet werden. Die Staatsregierung schlägt nun vor, auf 48 % aufzustocken. Spätestens dann, wenn sich in der täglichen Praxis ein zusätzlicher Assistenzbedarf ergibt, werden aber auch die 48 % Zuschuss nicht reichen. Da hätten wir uns mehr Mut und mehr Geld von der Bayerischen Staatsregierung gewünscht. Ich finde, Herr Söder hätte sich in seinen letzten Tagen als Finanzminister hier ruhig etwas spendabler zeigen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein umfangreiches Gesetzeswerk mit 48 Seiten liegt uns hier vor. Was wir darin aber auch vermissen: eine wirklich unabhängige Teilhabeberatung. Der jetzige Plan, die Teilhabeberatung über die von mir hochgeschätzte offene Behindertenarbeit machen zu lassen, ist pragmatisch, führt aber nicht zu einem wirklich unabhängigen Verfahren. Wenn die Beratung nämlich letzten Endes über die Verbände erfolgt, die gleichzeitig die wichtigsten Leistungsanbieter im Bereich der Eingliederungshilfe sind, dann ist die Unabhängigkeit in der Beratung nicht wirklich sicher.